VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 12.10.1995 - 14/95
Fundstelle
openJur 2012, 768
  • Rkr:
Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich im wesentlichen gegen die Begründung zweier gegen ihn erlassener Haftbefehle.

I.

Der Beschwerdeführer wurde am ... aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt ... ... in Haft genommen und saß in der Justizvollzugsanstalt Königs Wusterhausen ein. Der Haftbefehl wurde vom Amtsgericht Frankfurt (Oder) ... ... erweitert und neu gefaßt. Das Landgericht Frankfurt (Oder) wies am 5. April 1995 die dagegen vom Beschwerdeführer eingelegte Haftbeschwerde zurück. Mit Beschluß vom 3. Mai 1995 ordnete das Brandenburgische Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 29. August 1995 erneut in Untersuchungshaft, nachdem er kurz zuvor aus der Justizvollzugsanstalt Königs Wusterhausen entwichen war. Er sitzt nunmehr in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit ein. Grundlage dafür ist ein Haftbefehl des LG Berlin ... . Der fortbestehende Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) ist lt. Auskunft der zuständigen Staatsanwaltschaft als Überhaft notiert.

II.

Mit seiner am 23. Juni 1995 erhobene Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung der Art. 52 Abs. 3 und 4 sowie 53 Abs. 2 der Landesverfassung des Landes Brandenburg (LV). Zur Begründung verweist er auf einzelne von ihm beanstandete Formulierungen in den genannten Haftbefehlen des Amtsgerichts Eisenbüttenstadt und des Amtsgerichts Frankfurt (Oder). Im Haftbefehl des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom ... habe es u.a. geheißen: "Der Beschuldigte ist Mitglied der kriminellen Gruppierung ...". Der Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Februar 1995 enthalte die Formulierung: "Der Beklagte ist Mitglied der kriminellen Bande des Mitbeschuldigten W.M. aus Berlin." Nach Ansicht des Beschwerdeführers stellen beide Formulierungen Vorverurteilungen dar. In den Haftbefehlen werde bereits jetzt davon ausgegangen, daß er Mitglied einer kriminellen Bande sei. Das Landgericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden werde, werde dadurch beeinflußt und sei nicht mehr in der Lage, ein gerechtes Urteil zu fällen.

III.

Das Verfassungsgericht hat den Amtsgerichten Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder), der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) sowie dem Ministerium für Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon hat nur die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) Gebrauch gemacht. Nach ihrer Auffassung begründen die bisherigen Ermittlungen den dringenden Tatverdacht, daß der Beschwerdeführer Mitglied einer kriminellen Bande sei.

IV.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Haftbefehle der Amtsgerichte Eisenhüttenstadt und Frankfurt (Oder) auch die Länge seiner Untersuchungshaft rügt, ist er gegenwärtig nicht mehr beschwert. Die jetzige Inhaftierung des Beschwerdeführers in Berlin beruht nicht mehr auf diesen Haftbefehlen, sondern auf dem weiteren Haftbefehl des Landgerichts Berlin. Dieser ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen worden. Er könnte den Beschwerdeführer auch nicht in Grundrechten verletzen, die ihm die Brandenburgische Landesverfassung einräumt, weil es sich insoweit um keinen Akt der öffentlichen Gewalt des Landes Brandenburg handelt (vgl. § 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg - VerfGGBbg).

2. Soweit der Beschwerdeführer den beiden genannten Haftbefehlen "Vorverurteilungen" entnimmt, folgt die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde jedenfalls schon daraus, daß der Beschwerdeführer fachgerichtlichen Rechtschutz in Anspruch nehmen kann. Dazu ist er wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg) verpflichtet (vgl. auch VerfGBbg, Beschluß vom 15.09.1994 - VfGBbg 5/94 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ein Beschwerdeführer muß die von ihm gerügte Grundrechtsverletzung zunächst im mit der Beeinträchtigung zusammenhängenden sachnächsten Verfahren geltend machen (BVerfGE 52, 1, 24). Als ein solches Verfahren steht hier das der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach 24 ff. Strafprozeßordnung zur Verfügung. Auf diesem Wege kann ein Angeklagter klären lassen, ob die über ihn befindenden Richter "voreingenommen" sind oder dies zu besorgen ist. §§ 24 ff. Strafprozeßordnung lassen für eine verfassungsgerichtliche Vorabentscheidung keinen Raum. Sie stellen sicher, daß die Frage nach der Schuld eines Angeklagten in rechtsstaatlicher Weise von einem unvoreingenommenen Gericht beantwortet wird.

3. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob - wie für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ebenfalls erforderlich - der Vortrag des Beschwerdeführers überhaupt die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung erkennen läßt. Zweifel daran bestehen schon deshalb, weil Begründungen einer Zwischenentscheidung (als die sich ein Haftbefehl der Sache nach darstellt), in denen aus prozessual veranlagten Gründen die Überzeugung von der Schuld eines Angeklagten zum Ausdruck kommt, nach langjährig gefestigter und verfassungsgerichtlich nicht beanstandeter Rechtsprechung regelmäßig nicht geeignet sind, die Befangenheit eines Richters auszulösen (vgl. BGH, NStZ 1991, 27 m.w.N.).

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