OLG Köln, Urteil vom 25.10.1995 - 13 U 42/95
Fundstelle
openJur 2012, 74947
  • Rkr:

Wegen der hohen Brandgefahr beim ungesicherten Erhitzen von Fritierfett in einem Topf auf der Herdplatte sind an die Óberwachung dieses Vorganges strenge Anforderungen zu stellen. Der Gesichtspunkt des sog. Augenblicksversagens ist allein nicht geeignet, ein Einschlafen während dieses Vorganges als einfache Fahrlässigkeit herabzustufen.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 30. Januar 1995 verkündete Grundurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 10 O 340/94 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung bleibt erfolglos. Das Landgericht hat die aus

übergegangenem Recht (§ 67 VVG) ihres Versicherungsnehmers erhobene

Schadensersatzklage des Gebäudeversicherers zu Recht dem Grunde

nach für gerechtfertigt erklärt.

Entgegen der Ansicht der hinter dem Beklagten stehenden

Haftpflichtversicherung ist das schadensursächliche Verhalten ihres

Versicherungsnehmers bereits als grob fahrlässig zu werten, mit der

Folge, daß das Regreßverzichtsabkommen der Feuerversicherer keine

Anwendung findet. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob

der Beklagte, wie das Landgericht angenommen hat, übermüdet war.

Wenn der Beklagte allerdings, wie die Berufung behauptet, keine

Müdigkeit, sondern lediglich Hunger verspürte, auch sonst weder

körperlich noch geistig beeinträchtigt war, sich vielmehr in dem an

die Küche (ohne besondere Abtrennung) angrenzenden Wohnzimmer in

sitzender Stellung auf der Couch niedergelassen hat, um das

Heißwerden des in einem Topf auf dem Elektroherd aufgesetzten

Fritierfetts abzuwarten, dann läßt sich um so weniger erklären, daß

der Beklagte "plötzlich und für ihn unerwartet" so fest

eingeschlafen ist, daß er erst wach wurde, als das Fritierfett

brannte und die Wohnung bereits verqualmt war.

Nach Auffassung des Senats stellt es bereits eine den Vorwurf

grober Fahrlässigkeit rechtfertigende schwere Verletzung der

allgemeinen Sorgfaltspflicht dar, daß der Beklagte während des

Erhitzens des Fritierfetts die Küche verlassen hat, lediglich zu

dem Zweck, die kurze Zeitspanne wartend auf der Wohnzimmercouch zu

verbringen. Die Sorgfaltsanforderungen werden maßgeblich von der

Gefährlichkeit der Handlung bestimmt: "Wegen der hohen Brandgefahr

beim Erhitzen von Fett sind an die Sorgfaltsanforderungen des

Versicherungsnehmers, auch hinsichtlich der subjektiven

Vorwerfbarkeit, strenge Anforderungen zu stellen" (OGH Wien, ZfS

1994, 256). Die gesteigerte Gefährlichkeit liegt hier - wie auch in

dem vom ÖsterrOGH (a.a.O.) entschiedenen Fall - darin, daß der

Beklagte das Fritierfett in einem mit keinen

Sicherheitsvorrichtungen versehenen Topf auf dem Herd erhitzt hat.

Elektrische Friteusen sind demgegenüber mit einem

Óberhitzungsschutz versehen, der - so das OLG Köln (20. ZS) in r+s

1990, 186, 187 = VersR 1991, 1266, 1267 - "den Beklagten in der

möglicherweise trügerischen Hoffnung wiegen konnte, daß das

Erhitzen von Fett in einem solchen Gerät weit weniger

gefahrenträchtig ist, als wenn dies unmittelbar im Topf auf der

Herdplatte (vgl. BGH LM VVG § 61 Nr. 32 = VersR 89, 840)

geschieht". Welche Brandgefahr von dem ungesichert erhitzten Fett

nach kurzzeitigem Erreichen des Siedepunkts ausging, mußte dem

Beklagten klar sein. Wenn er während eines solchen

überwachungsbedürftigen, nur kurze Zeit dauernden Vorgangs den Herd

ohne jeden Anlaß verließ, um derweil im Wohnzimmer die Musikanlage

einzuschalten und es sich auf der Couch bequem zu machen, dann

provozierte er damit - anders als etwa bei einem zwischenzeitlichen

Decken des Tisches - die Gefahr, den Fritiervorgang vorübergehend

aus dem Bewußtsein zu verlieren. In den von der Rechtsprechung

hierzu entschiedenen Fällen lag es denn auch meist so, daß entweder

der Fritiervorgang selbst oder das Abschalten des Herdes bzw. der

Friteuse vergessen wurden (z.B. BGH, NJW-RR 1989, 840 = LM Nr. 32

zu § 61 VVG = VersR 1989, 640; OLG Frankfurt, r+s 1988, 143; OLG

Köln, r+s 1990, 186 = VersR 1991, 1266; OGH Wien, ZfS 1994, 256).

Inwieweit ein solches Vergessen als "Augenblicksversagen" unterhalb

grober Fahrlässigkeit eingestuft werden kann, ist eine Frage des

Einzelfalles. Der Ausdruck "Augenblicksversagen" beschreibt nur den

Umstand, daß der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr

erforderliche Sorgfalt außer acht ließ. Dieser Umstand allein ist

aber kein ausreichender Grund, den Schuldvorwurf herabzustufen,

wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben

sind; vielmehr müssen weitere, in der Person des Handelnden

liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des

momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht

erscheinen lassen (BGH, NJW 1992, 2418 = LM Nr. 39 Zu § 61 VVG). In

dem der Entscheidung des BGH vom 5.4.1989 (BGH, NJW-RR 1989, 840 =

LM Nr. 32 zu § 61 VVG = VersR 1989, 640) zugrundeliegenden Fall

lagen solche besonderen Umstände in einer auf alterungsbedingter

Hirnleistungsschwäche und Gefäßsklerose beruhenden Beeinträchtigung

des Gedächtnis- und Konzentrationsvermögens begründet, in dem vom

OLG Köln (r+s 1990, 186 = VersR 1991, 1266) entschiedenen Fall in

der jugendlichen Unerfahrenheit des Beklagten, der das von seiner

Mutter übernommene, mit einem Óberhitzungsschutz versehene

Fritiergerät nur selten benutzt hatte. Ablenkungen durch belanglose

Vorgänge - in dem vom ÖsterrOGH (ZfS 1994, 256) entschiedenen Fall

durch Verwicklung in ein nachbarliches Gespräch beim Entleeren des

Mülleimers - genügen hierzu jedoch nicht. Erst recht gilt dies für

ein Einschlafen ohne vorherige Anzeichen von Müdigkeit oder

sonstige besondere Umstände, die den Grund des momentanen Versagens

erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten.

Solche subjektiv entlastenden Umstände hat auch die persönliche

Anhörung des Beklagten vor dem Senat nicht ergeben.

Soweit die Berufung zu der vom Landgericht mit Recht als

unbegründet angesehenen Einrede der Verjährung nunmehr die

Auffassung vertritt, die Haftpflichtversicherung des Beklagten habe

die verjährungshemmenden Verhandlungen über den Anspruch der

Klägerin bereits mit dem Schreiben vom 6.6.1994 abgelehnt, vermag

der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Die Klägerin interpretiert

dieses Schreiben richtig als Teil des mit den weiteren Schreiben

vom 14.6.1994 (Klägerin) und 14.7.1994 (G. Versicherung)

fortgesetzten Verhandlungsprozesses der beiden Versicherer; den

Ausführungen unter II. der Berufungserwiderung und unter 2. des

ergänzenden Schriftsatzes vom 21.7.1995 ist nichts

hinzuzufügen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.

10, 713 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer des Beklagten durch dieses

Urteil: 13.332,-- DM.