OLG Köln, Urteil vom 18.04.1994 - 5 U 244/93
Fundstelle
openJur 2012, 74276
  • Rkr:

Oberlandesgericht Köln, 5. Zivilsenat, Urteil vom 18.04.1994 - 5 U 244/93 -. Das Urteil ist rechtskräftig. Ausübung der Rechte aus einem Unfallversicherungsvertrag nur durch den Versicherungsnehmer Versicherung, Fremdversicherung, Unfallversicherung, Versicherungsnehmer, Versicherter, Aktivlegitimation AUB 61 ä 16; VVG ä 12 III; VVG ä 75 II; AGBG ä 9 Nach ä 16 AUB 61 ist ä 75 II VVG zulässigerweise abbedungen; der Versicherungsnehmer ist auch bei der Fremdversicherung zur Geltendmachung von Versicherungsansprüchen für eben versicherten Dritten allein befugt und aktivlegitimiert. Die Regelung ist mit ä 9 AGB vereinbar. $

Gründe

T a t b e s t a n d Die Klägerin zu 2) ist Versicherungsnehmerin

eines mit der Beklagten abgeschlossenen Unfallversiche-

rungsvertrags, dem die AUB 61 zugrundeliegen. Ver- sicherte Person

ist der Kl ger zu 1), der Ehemann der Kl gerin zu 2). In 16 (1) AUB

61 ist be- stimmt: "Der Versicherungsnehmer ist f r die Erf l- lung

der Obliegenheiten auch verantwortlich, wenn die Versicherung gegen

Unf lle genommen ist, die einem anderen zustoáen (Fremdver-

sicherung). Im Falle der Fremdversicherung steht die Aus bung der

Rechte aus dem Versi- cherungsvertrag ausschlieálich dem Versiche-

rungsnehmer zu." Am 4. Februar 1991 zog sich der Kl ger zu 1) bei

einem Sturz eine H ftprellung zu. Er meldete der Beklagten den

Unfall am 7. Februar 1991 und bat um Zusendung eines

Unfallschadenanzeigenvordrucks. Die Beklagte bersandte daraufhin

der Kl gerin zu 2) einen Vordruck, den diese ausgef llt und

unterschrieben zur cksandte. Unter dem 23. Februar und 28. Juni

1991 forderte sie aus Anlaá der rzt- lichen Behandlung des Kl gers

zu 1) Zahlung von Tage- sowie Genesungsgeld auf ihr Konto bzw.

durch bersendung eines Verrechnungsschecks. Dem kam die Beklagte

teilweise nach. In der Folgezeit fand eine weitere Korrespondenz

ber den Schadensfall zwischen der Kl gerin zu 2) und der Beklagte

statt, wobei es insbesondere auch um die Zahlung von Invalidit

tsentsch digung ging.

Mit Schreiben vom 9. Januar 1992 meldeten sich erstmals die sp

teren Prozeábevollm chtigten der Kl ger erster Instanz bei der

Beklagten und zeig- ten an, daá sie die Interessen des Kl gers zu

1) vertr ten. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 24. Januar

1992 und wies darauf hin, daá kei- ne Vollmacht der

Versicherungsnehmerin vorliege, weiterer Schriftwechsel aber davon

abh ngig sei, daá die Rechtsanw lte eine Vollmacht der Kl gerin zu

2) einreichen w rden. Dem kamen die Rechtsan- w lte nach, wobei

nach dem Inhalt der Vollmacht diese sich auch auf die Entgegennahme

von Erkl - rungen erstreckte.

Danach wurde der weitere Schriftwechsel ber den Schadensfall

zwischen der Beklagten und den Rechtsanw lten der Kl ger

abgewickelt.

Unter dem 12. August 1992 teilte die Beklagte den Rechtsanw lten

mit, daá nach dem von ihr eingehol- ten Gutachten des Chefarztes

der chirurgischen Ab- teilung des Krankenhauses, in dem der Kl ger

zu 1) wegen der H ftprellung behandelt worden war, eine

unfallbedingte Invalidit t nicht vorliege, so daá die Zahlung einer

Entsch digung nicht begr ndet sei. Weiter heiát es in dem

Schreiben: "Wenn Sie bzw. Ihre Mandanten mit dieser Ent- scheidung

nicht einverstanden sind, besteht gem á 12 Abs. 3 VVG die M

glichkeit, einen vermeintlichen Anspruch gegen uns innerhalb von 6

Monaten nach Eingang dieses Schreibens gerichtlich geltend zu

machen. Danach erlischt allein durch Fristablauf jeg- liche

Einspruchsm glichkeit gegen unsere heu- tige Entscheidung; wir sind

dann also von der Verpflichtung zur Leistung endg ltig frei.

Innerhalb dieses Zeitraums sind wir auch be- reit, die

Angelegenheit nochmals zu pr fen, wenn sie uns konkrete Nachweise

zur Begr n- dung ihrer Ansicht vorlegen." Auf danach weiterhin

erhobene Einw nde antwortete die Beklagte mit weiteren Schreiben

vom 18. Sep- tember und 9. Oktober 1992 jeweils abschl gig und wies

darauf hin, daá die mit Schreiben vom 12. Au- gust 1992 in Lauf

gesetzte Frist dadurch nicht ge- hemmt werde.

Mit Schreiben vom 2. November 1992 k ndigten die Rechtsanw lte

der Kl ger an, sie w rden nunmehr Klage erheben. Anstelle des

rzteausschusses ( 12 AUB) solle das ordentliche Gericht ent-

scheiden.

Mit am 12. Februar 1993 bei Gericht eingegan- genem Schriftsatz

hat der Kl ger zu 1) Klage auf Zahlung von Invalidit tsentsch

digung einge- reicht. Unter dem 18. Februar 1993 hat das Gericht

Kostenvorschuá angefordert, der am 11. M rz 1993 bei Gericht

eingegangen ist. Die Klage ist am 29. M rz 1993 zugestellt

worden.

Nachdem die Beklagte mangelnde Aktivlegitimation des Kl gers zu

1) ger gt hatte, hat sich die Kl - gerin zu 2) der Klage im Juli

1993 durch Klageer- hebung angeschlossen.

Der Kl ger zu 1) hat geltend gemacht, das Bestrei- ten seiner

Aktivlegitimation sei treuwidrig, weil die Beklagte mit ihm ber den

Schadensfall korre- spondiert habe und das Merkblatt der Beklagten

zur Erl uterung ihrer Unfallversicherungsbedingungen insoweit

miáverst ndlich sei, als darin ausgef hrt sei, daá der Versicherte,

der nicht immer iden- tisch mit dem Versicherungsnehmer sei,

Anspruch auf Leistung habe. Daraus sei zu schlieáen, daá er auch

berechtigt gewesen sein solle, auf Leistung zu klagen. Die Kl gerin

zu 2) hat gemeint, ihre Klage sei nicht verfristet, weil sie nicht

wirksam im Sinne von 12 Abs. 3 VVG belehrt worden sei. Die Kl ger

behaupten, der Kl ger zu 1) sei infolge des Unfalls vom 11. Februar

1991 zu 50 % invalide. Sie haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kl ger zu 1) beginnend ab

dem 1. Janu- ar 1993 viertelj hrlich im voraus eine Rente in H he

von 1.341,70 DM zu zahlen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen,

an die Kl - gerin zu 2), beginnend ab dem 1. Janu- ar 1993 viertelj

hrlich im voraus eine Rente in H he von 1.341,70 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, daá der Kl ger zu 1) nicht

aktivlegitimiert sei und die Klage der Kl gerin zu 2) verfristet

sei. Im brigen haben sie sich auf Obliegenheitsverletzungen wegen

falscher bzw. unvollst ndiger Angaben in der Scha- densanzeige

berufen. Schlieálich haben sie eine unfallbedingte Invalidit t

bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Dagegen haben beide Kl ger prozeáordnungsgem á Berufung

eingelegt und diese in rechter Form und Frist begr ndet. Sie

verfolgen ihr erstinstanzli- ches Klageziel in vollem Umfang weiter

und bek mp- fen das angefochtene Urteil mit Rechtsausf hrun- gen.

Sie meinen, die Fristsetzung im Sinne von 12 Abs. 3 VVG sei schon

deshalb unwirksam, weil die Beklagte zuvor keine Erkl rung dazu

abgegeben habe, ob sie eine Entscheidung des rzteausschus- ses

ablehne. Im brigen habe sich die Vollmacht der erstinstanzlichen

Prozeábevollm chtigten nicht auf die Entgegennahme von einseitigen

Willenser- kl rungen erstreckt. Schlieálich handele die Be- klagte

rechtsmiábr uchlich, weil 16 AUB 61 nicht in Einklang mit ihren Erl

uterungen in dem Merk- blatt st nden. Sie beantragen,

unter Ab nderung des angefochtenen Ur- teils nach ihren

Schluáantr gen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zur ckzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und bestreitet, daá der Kl ger

zu 1) das Merkblatt berhaupt von ihr erlangt habe, den es beziehe

sich auf die AUB 88, w hrend f r das in Rede stehende Versiche-

rungsverh ltnis die AUB 61 maágebend seien.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstan- des wird auf

Tatbestand und Entscheidungsgr nde des angefochtenen Urteils sowie

die im Berufungs- rechtszug gewechselten Schrifts tze

verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r n d e

Die nach 511, 511 a ZPO statthafte Berufung der Kl ger ist form-

und fristgerecht eingelegt und begr ndet worden ( 516, 518, 519

ZPO) und damit zul ssig. Sie ist sachlich jedoch nicht gerecht-

fertigt.

Das Landgericht hat die Klage des Kl gers zu 1) mit Recht

mangels Aktivlegitimation abgewiesen. Nach 16 (1) Satz 2 AUB 61 ist

ausschlieálich der Versicherungsnehmer, also im Streitfall die Kl

ge- rin zu 2) zur Aus bung der Rechte aus dem Versi-

cherungsvertrag befugt. Hierdurch ist zul ssiger- weise (vgl. Pr

lss in Pr lss-Martin, 25. Aufl., 75 VVG Anm. 6) 75 Abs. 2 VVG)

abbedungen. Die- se Vorschrift verst át nicht gegen 9 AGBG. Es ist

interessensgerecht, daá der Versicherer die Geltendmachung von

Rechten durch seinen Vertrags- partner aus dem Versicherungsvertrag

m glichst auf eine Person konzentrieren will. Auf seiten des

Versicherungsnehmers/Versicherten tritt dadurch keine unbillige

Erschwernis ein, zumal ihm in Miá- brauchsf llen auf seiten des

Versicherers die Vor- schrift nicht entgegengehalten werden kann

(vgl. zur Vereinbarkeit von 16 AUB mit 9 AGBG auch OLG D sseldorf r

+ s 1994, 118).

Die Vertragsparteien haben im Streitfall die Anwendbarkeit von

16 AUB 61 auch nicht vertrag- lich ausgeschlossen. Als Angebot f r

eine derarti- ge Ab nderungsvereinbarung k nnte ersichtlich al-

lenfalls das Schreiben der Beklagten vom 12. Au- gust 1992 in

Betracht kommen. Indessen ergibt ei- ne interessensgerechte

Auslegung dieses Schreibens einen derartigen Willen der Beklagten

nicht. Sie hat nicht etwa anheimgestellt, ob im konkreten Fall die

Versicherungsnehmerin oder der Versicher- te Klage erheben

wolle.

Die Berufung der Beklagten auf 16 (1) Satz 2 AUB ist auch nicht

rechtsmiábr uchlich. Die Beklagte hat von Anfang an klargemacht,

daá ihr Verhand- lungspartner in der Schadenssache nur die Kl gerin

zu 2) als Versicherungsnehmerin sei. Das hat die Kl gerin zu 2)

auch selbst so gesehen, denn nur sie hat Forderungen an die

Beklagte gestellt und allein die Korrespondenz mit ihr gef hrt.

Erst als sich die sp teren Prozeábevollm chtigten der Kl - gerin

einschalteten, ist insoweit anf nglich durch diese eine andere

Handhabung versucht worden. Die Beklagte hat aber auch ihnen gegen

ber sofort darauf bestanden, daá die Kl gerin zu 2) allein zust

ndig sei, denn sie hat die Vollmacht des Kl - gers zu 1) nicht als

ausreichend erachtet und aus- dr cklich eine Vollmacht der Kl gerin

zu 2) gefor- dert und dann auch erhalten. Soweit in der weite- ren

Kokrrespondenz auch vom Kl ger zu 1) als "ih- rem (der Rechtsanw

lte) Mandanten" die Rede ist, traf das durchaus zu. In der Sache

ging es im Kern tats chlich darum, ob die versicherte Person un-

fallbedingt invalid geworden war. Vern nftigerwei- se konnten die

anwaltlich beratenen Kl ger diese Formulierung nicht dahin

verstehen, daá darin ein Verzicht auf 16 (1) Satz 2 AUB liege.

Der Kl ger zu 1) kann zu seinen Gunsten auch nichts aus dem

Merkblatt der Beklagten ("Ihre Un- fallversicherung und was sie dar

ber wissen soll- ten") herleiten. Er hat schon nicht bewiesen, daá

ihm bzw. der Versicherungsnehmerin aus Anlaá der Unfallversicherung

dieses Merkblatt ausgeh ndigt worden ist. Dar ber hinaus bezieht es

sich nicht auf die hier in Rede stehenden AUB 61. Schlieálich verh

lt sich die Nummer 1 des Merkblatts ("Wer ist Partner des

Unfall-Versicherungsvertrages?") auch gar nicht dar ber, wer

konkret zur Aus bung der Rechte aus dem Vertrag berechtigt sei

soll. Diese Frage ist dagegen eindeutig in 16 (1) Satz 2 AUB 61

geregelt, eine Vorschrift, die die Kl ger sp testens nach Eintritt

des Schadensfalles zur Kenntnis h tten nehmen k nnen und m ssen

(vgl. dazu auch Senat VersR 1988, 904).

Darauf, ob die Klage des Kl gers zu 1) - seine Ak-

tivlegitimation unterstellt - im brigen auch ver- fristet ist, weil

die Klage nicht - demn chst - im Sinne von 270 Abs. 3 ZPO

zugestellt worden ist, wie die Beklagte meint, kommt es danach

nicht an.

Die Kl gerin zu 2) ist der Anspr che aus dem Ver- trag gem á 12

Abs. 3 Satz 1 VVG wegen Vers umung der Frist zur Klageerhebung

verlustig gegangen.

Sie ist wirksam im Sinne von 12 Abs. 3 Satz 2 VVG belehrt

worden. Es unterliegt keinem Zweifel, daá die Kl gerin zu 2)

vertreten durch ihre Rechtsanw lte, Anspr che aus dem Vertrag gel-

tend gemacht hat, so daá sie der richtige Adressat f r die

Belehrung war. Eine Beschr nkung der Voll- macht, bestimmte Erkl

rungen nicht entgegennehmen zu d rfen, ist nicht dargetan.

Die Auffassung der Kl gerin zu 2) die Belehrung nach 12 Abs. 3

Satz 2 VVG reiche im Streitfall nicht aus, weil die Beklagte nicht

ausdr cklich statt einer Entscheidung des rzteausschusses eine

solche des ordentlichen Gerichts verlangt habe ( 12 (2) AUB), teilt

der Senat nicht. In der Belehrung nach 12 Abs. 2 Satz 2 VVG liegt

das Verlangen nach einer Entscheidung durch das or- dentliche

Gericht (vgl. OLG Hamm VersR 1981, 1022; Knappmann in Pr

lss-Martin, 25. Aufl., 12 AUB 61 Anm. 3). Das gen gt. Demgegen ber

beruft sich die Kl gerin zu 2) f r ihre Meinung zu Unrecht auf BGH

VersR 1991, 90, 92. In dem dort entschiedenen Fall fehlte es an der

Belehrung nach 12 Abs. 3 VVG berhaupt, so daá sich der Versicherer

auf die Re- gelung des 6 Abs. 3 BB-BUZ nicht wirksam berufen

konnte. Danach w rde die Frist des 12 Abs. 3 VVG nicht in Lauf

gesetzt worden sein, wenn die mit der Leistungsablehnung verbundene

Belehrung sich auf den Wortlaut des 12 I (3) AUB 61 bezogen h tte.

So liegt der Streitfall aber nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf 97 Abs. 1, 708

Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer f r die Kl ger:

67.085,00 DM.