OLG Köln, Urteil vom 17.02.1995 - 19 U 194/94
Fundstelle
openJur 2012, 42703
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landge­richts Köln vorn 30. Juni 1994 - 21 0 21/94 - wird auf ihre Kosten zurückge­wiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg

Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhall verletzt und dadurch den Unfall der Klägerin herbeigeführt hat; eine Verpflichtung zum Ersatz des der Klägerin durch den Sturz entstandenen Schadens (§§ 823, 276 BGB) besteht deshalb nicht.

Richtig ist, daß der Gastwirt verpflichtet ist, von seinen Gästen Gefahren, die ih­nen beim Besuch der Gaststätte durch den Zustand der Zugänge und Räumlichkei­ten drohen, abzuwenden. Das Maß der Sorgfalt bestimmt sich nach den typischerweise in einem Gaststättenbetrieb vorkommenden Situationen (OLG Köln OLGR 1993, 337; Senat OLGR 1994, 1 f.;). So muß er dafür sorgen, daß die Gäste sich in den ihnen zugänglichen Räumen bewegen können, ohne befürchten zu müssen, etwa infolge zu glatten Bodens stürzen zu müssen; dabei muß er sich auch auf gehbehinderte und ungeschickte Personen einstellen (BGH NJW 1991, 921: Me­tallgleiter unter Stühlen auf glattem Parkettboden; Palandt - Thomas, BGB, 54. Aufl. § 823 Rn 84).

Zu den Pflichten eines Gastwirts gehört es demnach auch, Stufen, die sich im Geh­bereich der Gäste befinden und übersehen werden können, deutlich zu kennzeich­nen. Hier liegt der Fall jedoch anders, wie die Fotos der Unfallörtlichkeit anschau­lich belegen. Gestolpert ist die Klägerin nicht über eine im Gehbereich gelegene Stufe, sondern beim Verlassen eines 17,5 cm hohen Podestes, auf dem sie gesessen hat und das sie zuvor "erklettert" hatte. Ihr konnte daher, auch infolge üblicher Unaufmerksamkeit, nicht entgangen sein, daß ein Niveauunterschied bestand, den sie bei Verlassen des Podestes wieder überwinden mußte. Die aus den Fotos er­sichtliche Enge der Nische und die Tatsache, daß Sitzbänke und Tisch erst dicht vor der Stufe enden, gestattete es darüber hinaus nicht, sich einfach zu erheben und loszugehen. Vielmehr kann man die Nische offensichtlich nur verlassen, indem man sich entweder am Tisch oder an der Bank oder an beidem abstützt und seitlich das Podest verläßt (herabklettert). Damit bleibt dem Gast zwangsläufig bewußt, daß er einen Höhenunterschied zu überwinden hat und aufpassen muß. Eines be­sonderen Hinweisschildes, wie die Berufung meint, bedurfte es deshalb nicht, wie auch nicht ersichtlich ist, wie sich bei dieser Situation die fehlende Beleuchtung der Podeststufe oder eine insgesamt nur geringe Beleuchtung der Räumlichkeit unfall­ursächlich ausgewirkt haben kann. Hierzu fehlt auch jeder konkrete Vortrag der Klägerin.

Danach könnte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nur dann bejaht werden, wenn man die Anordnung der Sitzplätze auf dem Podest schon generell für pflichtwidrig ansähe oder aber forderte, daß der Gastwirt verhindern muß, daß ältere Menschen dort Platz nehmen. Die Anordnung der Sitzplätze ist so behörd­lich genehmigt worden, so daß sie der Beklagten jedenfalls nicht vorwerfbar ist. Ältere Gäste gegen ihren Willen von ihrer Benutzung abhalten mußte die Beklagte ebenfalls nicht. Denn für die Anforderungen an die Gefahrensicherung sind die Si­cherungserwartungen des Verkehrs maßgebend. Sie sind herabgesetzt gegenüber Gefahren, die jedem vor Augen stehen müssen und vor denen man sich deshalb durch die zu verlangende eigene Vorsicht ohne weiteres selbst schützen kann (BGH NJW 1985, 1076, 1077). Auch älteren Menschen, wie der damals 61- jährigen Klägerin, ist zweifellos bewußt, daß die Aufstellung des Tisches auf einem Podest wegen des Höhenunterschiedes zur Umgebung die Gefahr zu stolpern in sich birgt, die sich beim Betreten und besonders beim Verlassen auswirken kann. Sie würden es zu Recht als Bevormundung empfinden, wollte der Gastwirt ihnen die Benutzung dieser Sitzgelegenheit unter Hinweis auf ihr Alter verwehren und können der aus dem Höhenunterschied resultierenden Gefahr mit der ihnen dabei zumutbaren gesteigerten Sorgfalt ohne weiteres begegnen. Die Beklagte brauchte die Klägerin demnach nicht von der Wahl dieses Tisches abzuhalten. Auf ihre Be­hauptung, ihre Kellner hätten versucht, die Klägerin an einem anderen Tisch zu postieren und ausdrücklich auf das Podest hingewiesen, die Klägerin habe zudem den Tisch mehrfach verlassen, um zur Toilette zu gehen, kommt es deshalb ent­scheidungserheblich nicht an.

Die Kosten der hiernach erfolglosen Berufung hat gem. § 97 Abs 1 ZPO die Klä­gerin zu tragen. Vorläufig vollstreckbar ist das Urteil nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschwer für die Klägerin: 11.083,10 DM