BGH, Beschluss vom 12.10.2011 - IV ZR 163/10
Fundstelle
openJur 2011, 117987
  • Rkr:
Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 2010 gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binneneines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob der bei der Beklagten rechtsschutzversicherte Versicherungsnehmer Rüdiger S. wirksam seine Ansprüche aus einem Rechtsschutzfall an die Klägerin abgetreten hat.

Das Honorar des Rechtsanwalts, dessen Bezahlung die Klägerin verlangt, beträgt 2.309,55 €. Der Versicherungsnehmer hat seine An-1 sprüche gegen die Beklagte am 16. Januar 2009 an die Klägerin abgetreten. Dem eigenen Vortrag der Klägerin zufolge hat die Anwaltskanzlei ihren Honoraranspruch gegen ihren Mandanten mit dessen Zustimmung "sodann" an diese abgetreten. Die Beklagte erteilte am 17. Januar die Deckungszusage und zahlte am 30. März 2009 den zum Ausgleich der Honorarforderung erforderlichen Betrag an ihren Versicherungsnehmer.

II. Das Amtsgericht hat die Klage ab- und das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin weiter die Verurteilung der Beklagten.

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor; das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Das Berufungsurteil unterliegt nicht schon deshalb der Aufhebung und Zurückverweisung, weil es unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen wäre. Die durch den Einzelrichter wegen Grundsätzlichkeit im weiteren Sinne des § 543 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, NJW 2003, 1254 = BGHZ 154, 200, 202; BT-Drucks. 14/4722 S. 103 ff.) zugelassene Revision führt nicht wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur Aufhebung des Berufungsurteils (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 286/02, NJW 2003, 2900 und Senatsbeschluss vom 28. September 2011 - IV ZR 250/10).

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt dem Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu.

a) Diese ist dann gegeben, wenn eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2010 - II ZR 156/09, NJW-RR 2010, 978 Rn. 3; vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; jeweils m.w.N.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen dazu vertreten werden (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 aaO; Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02, VersR 2004, 225 unter 2 a und b; jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

b) Die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant erklärte Frage, ob § 17 Abs. 7 ARB wirksam Vertragsbestandteil geworden ist, stellt sich nicht. Denn die Abtretung war unabhängig davon schon nach § 399 Alt. 1 BGB unwirksam. Der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Kostenfreistellung als Hauptleistung des Rechtschutzversicherers ist, solange er seinen Kostengläubiger nicht selbst befriedigt hat, auf Schuldbefreiung gerichtet. Ein solcher Freistellungsanspruch kann grundsätzlich nicht abgetreten werden, weil dies seinen Inhalt, der in der Regel durch das Eigeninteresse eines bestimmten Gläubigers geprägt ist, verändern würde. Nur der Freizustellende selbst, d.h. der Versicherungs-6 nehmer kann die Leistung verlangen (Bauer in Harbauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 138 m.w.N.). Die Abtretung eines Freistellungsanspruchs ist allerdings trotz § 399 Alt. 1 BGB zulässig, wenn sie an den Gläubiger der Forderung, von welcher der Versicherungsnehmer zu befreien ist, bewirkt worden ist. Die Forderung wandelt sich dabei in eine solche auf die diesem geschuldete Leistung (BGHZ 12, 136, 141). Hier hat der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger, Rechtsanwalt B. , nicht selbst bezahlt, so dass sich sein Freistellunganspruch nicht in einen Zahlungsanspruch gewandelt hat. Er hat seinen Anspruch auf Freistellung von der Honorarforderung gegen die Beklagte auch nicht an seinen Rechtsanwalt abgetreten, sondern vielmehr hat dieser seinen Honoraranspruch - zeitlich nach der Abtretung des Freistellungsanspruchs - an die Klägerin abgetreten.

c) Selbst wenn die Abtretung nicht bereits insoweit unwirksam gewesen wäre, lägen die Zulassungsvoraussetzungen nicht vor, weil die Frage durch den Senat geklärt ist.

aa) Mit Urteil vom 26. März 1997 (IV ZR 137/96, VersR 1997, 1088, juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 13. Juli 1983 - IVa ZR 226/81, VersR 1983, 945 unter I) hat der IV. Senat grundlegend für ein entsprechendes Abtretungsverbot im Bereich der allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen entschieden, dass eine Vereinbarung, wonach die Abtretbarkeit nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern von der Zustimmung des Schuldners abhängig gemacht wird, zulässig ist und nicht gegen § 307 BGB (§ 9 AGBG) verstößt (unter Hinweise auf BGHZ 102, 293, 300). Durch das Verbot werden keine Interessen des Versicherungsnehmers unangemessen beeinträchtigt. Die Regelung des § 7 Nr. 3 AHB (die der Regelung des § 17 Abs. 7 ARB 9 1995/2000 entspricht) zielt vor allem darauf zu verhindern, dass der in Anspruch genommene Haftpflichtversicherer statt von seinem Versicherungsnehmer von einem anderen Gläubiger in Anspruch genommen wird, er also im Schadenfall das Vertragsverhältnis nicht mit einem Dritten abwickeln und im Falle eines Prozesses nicht hinnehmen muss, dass sein Versicherungsnehmer die Stellung eines Zeugen erhält und der Versicherer dadurch in seiner Beweisführung benachteiligt wird. Dies entspricht der Regelung des § 399 Alt. 2 BGB, wonach die Abtretung vertraglich ausgeschlossen werden kann. Die Klausel greift auch nicht in schutzwürdige Belange Dritter ein. Denn deren Interessen werden von dem vertraglich vereinbarten Forderungsabtretungsverbot nicht betroffen.

bb) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und Literatur ist es ebenfalls unumstritten, dass § 17 Abs. 7 ARB bzw. vergleichbare Regelungen für andere Versicherungen wirksam sind (LG Hannover, Urteil vom 13. April 2007 - 13 O 335/06, AGS 2007, 484 f. unter 2 b, juris Rn. 25; AG Stuttgart, Urteil vom 9. April 2008 - 18 C 7300/07, RuS 2009, 155, juris Rn. 9; AG Pforzheim ZfS 2002, 546, 547; LG München VersR 1978, 709, 710 dort unter 3, juris Rn. 18 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 5. Dezember 1997 - 20 U 230/96, VersR 1999, 44; OLG Köln, Urteil vom 18. Januar 2000 - 9 U 115/99, NVersZ 2000, 577 ff. (jeweils für § 3 Abs. 4 AKB); Plote in van Bühren/Plote, ARB-Kommentar 2. Aufl. 2008 § 17 Rn. 37 f.; Fausten in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar VVG Bd. 1 2010 § 17 Rn. 26; Bauer in Harbauer, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 17 ARB 2000 Rn. 142; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 17 ARB 2008 Rn. 53 f.). Durchgehend wird angenommen, dass - vorbehaltlich des § 354a HGB - gegen ein Abtretungsverbot, ins-11 besondere wenn es mit einem Zustimmungsvorbehalt verbunden ist, keine Bedenken bestehen.

cc) § 17 VVG setzt die Zulässigkeit einer Abtretung voraus und schränkt sie nur für die Fälle ein, in denen sich die Versicherung auf unpfändbare Sachen bezieht. § 108 Abs. 2 VVG betrifft entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nur die Abtretung an einen Dritten, der Geschädigter ist, und ist hier nicht einschlägig. § 108 Abs. 2 VVG enthält kein grundsätzliches Verbot, die Abtretung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auszuschließen. Von der Vorschrift unberührt bleiben Verbote für die Abtretung des Anspruches an sonstige Zessionare, die - wie hier die Klägerin - nicht zum Kreis der Geschädigten gehören (Lücke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 108 Rn. 20, 24). Auf die Frage der Anwendbarkeit von § 108 Abs. 2 VVG auch im Bereich der Rechtsschutzversicherung kommt es daher nicht an.

dd) Das Verhalten der Beklagten war schließlich nicht rechtsmissbräuchlich. Das käme nur in Betracht, wenn sich der Versicherer auf ein Abtretungsverbot beruft, obwohl es nicht von einem beachtlichen, im Zweckbereich der Bestimmung liegenden Interesse gedeckt wird, was hier nicht der Fall ist.

Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch Lehmann Dr. Brockmöller Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanzen:

AG Wiesbaden, Entscheidung vom 18.01.2010 - 91 C 3260/09 (19) -

LG Wiesbaden, Entscheidung vom 29.06.2010 - 5 S 6/10 - 13