OLG Köln, Urteil vom 19.09.1996 - 18 U 14/96
Fundstelle
openJur 2012, 75639
  • Rkr:

Berücksichtigung späterer Betriebsrente auf Handelsvertreter Ausgleichsanspruch HGB § 89 b Der Handelsvertreter hat Anspruch auf ungekürzte Ausgleichszahlung, wenn zwischen seinem Ausscheiden und dem Einsetzen der Zahlung von Altersrente aus einer vom Unternehmer finanzierten Direktversicherung ein Zeitraum von 13 Jahren liegt (Fortführung von BGH VersR 84, 184).

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob ein Handelsvertreter-

Ausgleichsanspruch des Klägers aus Billigkeitsgründen insoweit

nicht entstanden ist, als der Kläger aus Beiträgen der Beklagten

eine Anwartschaft auf Leistungen der Alters- und

Hinterbliebenenversorgung hat. Der Kläger war vom 1. 7. 1979 bis

zum 3O. 6. 1995 für die Beklagten aufgrund eines Agenturvertrages

vom 2. 7. 1979 als Versicherungsvertreter tätig. Zuvor hatte er

seit 1974 als Angestellter in Diensten der Beklagten gestanden. Er

war damals als Organisationsinspektor für die Betreuung von

Handelsvertretern zuständig. Der Vertrag der Parteien endete zum

3o. 6. 1995. Seit Januar 198O nimmt der Kläger an der

Altersversorgung der Beklagten in Form einer Direktversicherung

teil. Diese Versicherung wird von den Beklagten mit Beiträgen

bedient. Hinzukommt eine für den vorliegenden Rechtsstreit nicht

bedeutsame eigene Versicherung des Klägers. Aus diesen

Versicherungen wird der Kläger mit der Vollendung des 65.

Lebensjahres Altersrente erhalten, also mit Beginn des Monats

Dezember 2OO8. Zur Teilnahme des Klägers an dieser

Zukunftssicherung kam es wie folgt: Mit Schreiben vom 28. 5. 1979,

also noch vor Abschluß des Agenturvertrages, informierten die

Beklagten über die künftige Zukunftssicherung freier

hauptberuflicher Außendienstmitarbeiter. Das Schreiben enthielt u.

a. den Hinweis darauf, daß der Kläger zwischen zwei verschiedenen

Formen der Zukunftssicherung wählen könne. Dem Schreiben war

Abschrift eines Informationsschreibens vom 15. 3. 1979 beigelegt

sowie eine Broschüre ,Zukunftssicherung der hauptberuflichen

Mitarbeiter des Außendienstes" sowie ein weiteres Blatt ,

Versicherung der hauptberuflichen Mitarbeiter". In § 12 Nr. 3 des

Agenturvertrages befindet sich ein Hinweis auf die ,Grundsätze zur

Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches..."; diese waren weder

dem vorerwähnten Schreiben beigefügt, noch wurden sie dem Kläger

aus Anlaß des Vertragsabschlusses überreicht.

Da sich die Beklagten im Zuge der Vertragsbeendigung auf den

Standpunkt gestellt haben, der Barwert der angesammelten

Rentenanwartschaft mindere den Ausgleichsanspruch des Klägers,

soweit die Anwartschaft auf Beiträge der Beklagten zurückzuführen

sei, hat der Kläger die Beklagte auf Feststellung in Anspruch

genommen. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagten schuldeten

ihm neben der Versorgungsanwartschaft den vollen Ausgleich nach § 9

b HGB.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, daß die Beklagten nicht

berechtigt sind, den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB um

Beiträge, die sie in die zu Gunsten des Klägers bestehende

Lebensversicherung (Gruppensicherungsvertrag Nr. T zu 189999 bei

der gezahlt hat bzw. um den sich aus diesen Beiträgen ergebenen

Anwartschaftsbarwert ( Kapitalwert- Deckungskapital) der

Versicherung zu kürzen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Sie haben geltend gemacht, die Anrechnung des Deckungskapitals

aus der Rentenzusage aus den Ausgleichsanspruch entspreche sowohl

den vertraglichen Vereinbarungen als auch der Billigkeit. Denn

Ausgleich und Rente hätten ihre Grundlage im selben

Vertragsverhältnis. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen

Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen

wird, die beantragte Feststellung ausgesprochen. Zur Begründung hat

es im wesentlichen ausgeführt, eine vom Unternehmer finanzierte

Altersversorgung sei zwar dem Grunde nach geeignet, die Entstehung

des Ausgleichsanspruches unter Billigkeitsgesichtspunkten zu

beeinflussen. Es entspreche aber nicht der Billigkeit den

Ausgleichsanspruch herabzusetzen, wenn der Termin der Rentenzahlung

erst Jahre nach dem Ausscheiden des Handelsvertreters einsetze.

Etwas anderes hätten die Parteien auch nicht wirksam vereinbart.

Eine einzelvertragliche Vereinbarung gebe es nicht. Die

vereinbarten ,Grundsätze" seien nicht Vertragsinhalt geworden.

Soweit dort die Berücksichtigung der Altersversorgung vorgesehen

sei, handele es sich um eine überraschende Klausel im Sinne von § 3

AGB - Gesetz. Die dem Schreiben der Beklagten vom 28. Mai 1979

beigefügten Anlagen schließlich ergäben nicht die von den Beklagten

jetzt beabsichtigte Verrechnungsmöglichkeit.

Gegen dieses ihren Prozeßbevollmächtigten am 29. 12. 1995

zugestellte Urteil haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 24. 1.

1996, bei Gericht eingegangen am 26. 1. 1996, Berufung eingelegt

und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit Schriftsatz vom

26. 3. 1996 - bei Gericht am gleichen Tage eingegangen -

begründet.

Die Beklagten machen geltend: Die grundsätzliche Anrechenbarkeit

des Pensionsanspruches im Rahmen der nach § 89 b HGB anzustellenden

Billigkeitserwägungen entspreche seit Jahren der einhelligen

Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum. Auf eine Vereinbarung der

Parteien könne es wegen der Regelung in § 89 b Abs. 4 HGB nicht

ankommen. Es bestehe eine funktionelle Verwandtschaft zwischen

Ausgleichsanspruch und Rentenanwartschaft. Dabei müsse auch

berücksichtigt werden, daß hier die Altersversorgung selbst dann

nicht ersatzlos wegfalle, wenn der Kläger vor Erreichen des 65.

Lebensjahres versterbe, ohne daß eine Witwenrente zu zahlen sei.

Denn dann werde in den Nachlaß ein wertgleiches Kapital gezahlt

werden. Der Kläger habe aus seiner beruflichen Tätigkeit für die

Beklagten Kenntnis davon gehabt, daß die Betriebsrente auf einen

Ausgleichsanspruch angerechnet werde. Eine solche Verrechnung sei

auch weder ungewöhnlich, noch subjektiv überraschend. Der Höhe nach

übersteige das Deckungskapital der Betriebsrente mit gut 156.OOO DM

den rechnerischen Ausgleichsanspruch des Klägers, der sich -

unstreitig - auf 137.174,38 DM beläuft.

Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des angefochtenen

Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, Zurückweisung der Berufung.

Er macht geltend: Infolge der bestehenden Fälligkeitsdifferenz

sei der praktische Zweck der Ausgleichszahlung hier ein anderer als

derjenige der Rentenanwartschaft. Ein Handelsvertreter, der vor

Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst des Unternehmens

ausscheide, müsse sich regelmäßig ein neues Betätigungsfeld

aufbauen, sich insbesondere einen neuen Kundenstamm verschaffen. In

diesem Falle habe die Ausgleichszahlung den Zweck, die Existenz des

Handelsvertreters für eine Óbergangszeit zu sichern, in dem keine

er oder jedenfalls nur erheblich geminderte Einkünfte habe. Eine -

wie hier - erst mehr als 13 Jahre nach dem Ausscheiden fällig

werdende Altersversorgung könne bei der Lösung dieser Probleme

nicht helfen, zumal sie nicht zur Kreditsicherung eingesetzt werden

könne. Unter diesen Umständen entspreche ihre Berücksichtigung

nicht der Billigkeit. Eine Anrechnungsvereinbarung sei nicht,

jedenfalls nicht wirksam getroffen worden. Der Agenturvertrag

enthalte insoweit keine abschließende Regelung. Die ,Grundsätze"

seien dem Kläger seinerzeit - unstreitig - nicht vorgelegt worden;

sie seien ihm auch nicht aus seiner früheren beruflichen Tätigkeit

bekannt gewesen. Jedenfalls seien sie nicht im Sinne von § 2 HGB -

Gesetz in den Agenturvertrag einbezogen worden. Im übrigen stehe

die dortige Anrechnungsregelung im Widerspruch zu den Anlagen des

Schreibens vom 28. 5. 1979. Schließlich stellt der Kläger die

Ausführungen der Beklagten zur Höhe des Deckungskapitals in

Abrede.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird

auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Klage ist ab Feststellungklage zulässig.

Dies ist von den Beklagten nicht beanstandet worden. Die

Begründung des Landgerichts, es handele sich um eine negative

Feststellungsklage (Bl. 159 d. A.), ist freilich nicht richtig.

Auch die weitere Erwägung der Kammer, die Parteien stritten nicht

über die Höhe, ist jedenfalls jetzt nicht mehr richtig. Aber all

dies mag dahinstehen. Bei Erhebung der Klage (Zustellung 8. Mai

1995) war das Vertragsverhältnis der Parteien noch nicht beendet.

Also konnte der Kläger damals nur auf Feststellung klagen. Eine

einmal zulässig erhobene Feststellungsklage bleibt zulässig, auch

wenn der jeweilige Kläger später auf Leistung klagen könnte

(Baumbach-LauterbachHartmann, § 256 ZPO, Rnr. 83 a. E.). Ebenfalls

unrichtig ist die Annahme des Landgerichts, es gehe hier um eine

reine Rechtsfrage zwischen den Parteien; das wäre kein

Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 ZPO

(BaumbachLauterbach-Hartmann, Rnr. 11). Es geht hier vielmehr um

die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagten einen ungekürzten

Ausgleichsanspruch hat oder ob die Versicherungsanwartschaft in

irgendeiner Weise zu berücksichtigen ist.

B. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Kläger hat Anspruch

auf eine ungekürzte Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB.

1. Daß die Voraussetzungen des Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2

dieser Vorschrift vorliegen, steht im Berufungsrechtszug zwischen

den Parteien nicht mehr im Streit. Insbesondere haben die Beklagten

die Ausführungen der Kammer zur Unwirksamkeit der von den Beklagten

erklärten fristlosen Kündigung hingenommen. Es geht nunmehr

ausschließlich um die Frage, ob die Zahlung bzw. die ungekürzte

Zahlung eines Ausgleiches der Billigkeit entspricht (Abs. 1 Satz 1

Nr. 3). Sie ist zu bejahen.

2. In der Rechtsprechung des BGH ist es seit langer Zeit

anerkannt, daß bei der nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB

vorzunehmenden Abwägung das Vorliegen einer durch freiwillige

Beiträge des Unternehmers begründeten - unverfallbaren -

Anwartschaft auf Betriebsrente von Bedeutung sein kann (BGHZ 45,

268, 27O ff; 51, 45, 58 f. = NJW 71, 462, 464 = VersR 71, 265, 268

f. mit Anmerkung Höft; WPM 75, 856, 858; VersR 82, 593, 594 f. =

NJW 82, 1814; VersR 84, 184, 185 f. = WPM 84, 212, 213 f. = LM § 89

b HGB, Nr. 69; VersR 94, 8o7, 8o8). Dieser Grundsatz hat im

Schrifttum einhellige Zustimmung gefunden (vgl. Küstnervon

Manteuffel-Evers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2,

6. Auflage 1995, Rdn. 1OO7, 1OO8 m. N.). Er wird auch von den

Parteien nicht in Abrede gestellt. Ihm liegt die Erwägung zu

Grunde, daß zwischen handelsrechtlichem Ausgleichsanspruch und der

Altersversorgung eine ,funktionelle Verwandtschaft" bestehe (BGHZ

45, 273), da die Altersversorgung im wesentlichen den praktischen

Zweck einer Ausgleichszahlung übernehme ( a. a. O. 272; VersR 82,

595 l. Sp.). Wenn und soweit dies der Fall ist, erscheint es nicht

gerechtfertigt, dem Handelsvertreter neben den durch freiwillige

Leistung des Unternehmers entstandenen Ansprüchen aus der

Altersversorgung einen ungekürzten Ausgleichsanspruch zu belassen,

zumal der Unternehmer seine Leistungen zur Begründung der

Rentenanwartschaft gerade in der Erwartung erbracht haben wird,

damit gleichzeitig eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruches zu

bewirken (vgl. Höft VersR 71, 271). Wie der Kläger aber hier mit

Recht geltend macht, trifft diese Erwägung nur für den Fall zu, daß

der Handelsvertreter in dem Zeitpunkt (oder zeitnah zu dem

Zeitpunkt) aus dem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer

ausscheidet, in dem nach den maßgeblichen Bestimmungen der

Altersversorgung die Zahlung der Altersrente einsetzt. Denn nur

dann erhält er, soweit sich der Barwert der Rente mit der

rechnerischen Ausgleichszahlung deckt die Rente tatsächlich an

Stelle dieser Ausgleichszahlung. Anders liegt es, wenn - wie im

Streitfalle - zwischen dem Ausscheiden und dem Einsetzen der

Rentenzahlungen ein Zeitraum von mehr als 13 Jahren liegt. Hier

wird man nämlich nicht sagen können, daß die - wenn auch

unverfallbar - Rentenanwartschaft tatsächlich ,im wesentlichen den

praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung übernehmen" kann. Der BGH

hat dazu im Urteil vom 17. 11. 1983 (VersR 84, 184, 185 r.S.p.)

ausgeführt, der (dortige) Kläger, der keiner

Sozialversicherungspflicht unterliege, müsse für ausreichende

Alters- und Hinterbliebenen Versorgung selber Vorsorge treffen.

Insoweit werde er also durch die von der beklagten

Versicherungsgesellschaft begründete Versorgungsanwartschaft schon

heute entlastet. Im Streitfall hält der Kläger dem zu Recht

entgegen, daß diese Argumentation der tatsächlichen Situation eines

vor Eintritt in das Rentenalter ausscheidenden Handelsvertreters

nicht ausreichend Rechnung trägt. Denn ein Handelsvertreter in der

Situation des Klägers ist normalerweise darauf angewiesen, sich

eine neue Existenz zu schaffen, etwa nach Abschluß eines

Handelsvertretervertrages mit einem anderen Unternehmer, neue

Kunden zu werben und neue Provisionen zu verdienen. Dazu braucht

man Zeit und Geld. In dieser Situation hat die Ausgleichszahlung

nach § 89 b HGB jedenfalls auch den Zweck, dem Kläger für eine

Óbergangszeit die nötigen Geldmittel zur Verfügung zustellen, die

er benötigt, bis ihm aus einer neuen Tätigkeit ausreichende

laufende Mittel zufließen. Eine Rentenanwartschaft ist hierfür kein

Äquivalent; denn sie kann weder kapitalisiert, noch auch nur

beliehen werden. D. h. : der Kläger hat eine Anwartschaft, die ihm

zwar in der Zukunft nützlich sein wird, für die er sich derzeit

aber ,nichts kaufen kann".

3. Die letztgenannte Frage kann aber dahingestellt bleiben. Denn

auch der BGH hält unter Voraussetzungen, wie sie hier vorliegen,

eine Berücksichtigung der Rentenanwartschaft nur für geboten, wenn

die jeweiligen Vertragsparteien sich darüber einig geworden sind

(VersR 84, 186 l.Sp.; 94, 8o8 r. Sp.). Daran fehlt es hier.

a) Die Beklagten meinen, auf eine Vereinbarung könne es wegen

der Regelung des § 89 b Abs. 4 Satz HGB nicht ankommen. Danach kann

der Ausgleichsanspruch nicht im voraus ausgeschlossen oder - was

dem gleichsteht (BGH WPM 75, 858 l. Sp.) - eingeschränkt werden.

Dem steht aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

(VerR 84, 186 l. Sp.) nicht entgegen, bei der Prüfung der Frage, ob

und inwieweit ein Ausgleichsanspruch entstanden ist, aus

Billigkeitsgründen auch auf solche Umstände abzustellen, deren

Berücksichtigung im Rahmen des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB die

Vertragsparteien vereinbart haben. Der Senat schließt sich dem an.

Die gegen diese Rechtssprechung von Küstner (BB 94, 159O, 1591 f.;

derselbe in Handbuch des gesamten Außendienstrechtes, Band 2, 6.

Auflage 1995, Rnr. 895) erhobene Kritik überzeugt den Senat nicht.

Wenn auch die Vertragsparteien nach § 89 a Abs. 4 Satz 1 HGB keine

vertragliche Vereinbarung über den Ausschluß oder die Einschränkung

des Ausgleichsanspruches treffen können, so ist es ihnen doch

unbenommen, durch ihr Einverständnis zum Ausdruck zu bringen, was

sie für der Billigkeit entsprechend erachten. Ein solcher

übereinstimmender Wille zwingt das Gericht, anders als eine

vertraglich bindende Erklärung, nicht, diese Einigung der Parteien

ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Andererseits

kann es dem Gericht aber nicht verwehrt sein, bei der von ihm zu

treffenden Billigkeitsabwägung die Vorstellungeb der

Vertragsparteien angemessen zu berücksichtigen.

b) Eine Willensübereinstimmung der Parteien im vorstehenden

Sinne ergibt sich weder aus dem Agenturvertrag vom 2. 7. 1979, noch

aus den Anlagen zum Schreiben der Beklagten vom 28. 5. 1979.

aa) In § 1O des Vertrages (Bl. 13 GA) heißt es, der Kläger könne

nach ununterbrochener Tätigkeit von einem Kalenderjahr an der

Zukunftssicherung der Beklagten ,entsprechend den geltenden

Grundsätzen" teilnehmen. Das ist für sich gesehen eine inhaltsleere

Verweisung, da nicht hinreichend deutlich wird, welche ,Grundsätze"

hier in Bezug genommen werden. Nach § 12 Nr. 1 des Vertrages (Bl.

14 GA) besteht zwischen den Vertragsparteien Óbereinstimmung, daß

die Berechnung etwaiger Ansprüche aus § 89 b HGB nach den

,Grundsätzen zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruches..."

erfolgen soll. Damit wird ersichtlich auf das als Anlage K 9 zur

Klageschrift (Bl. 35 f.) vorgelegte Regelungswerk Bezug genommen,

in dessen Abschnitt V sich eine Klausel über die Berücksichtigung

von Anwartschaften aus einer durch Beiträge der Beklagten

aufgebauten Alters- und Hinterbliebenenversorgung findet. Bei

diesem Regelungswerk handelt es sich, wie auch die Beklagten nicht

Abrede stellen, um allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie sind nicht

Bestandteil des Vertrages geworden.

(1) Wie der Kläger unwidersprochen geltend macht, haben ihn die

vorerwähnten ,Grundsätze" bei Abschluß des Vertrages nicht

vorgelegen. Damit haben die Beklagten dem Kläger entgegen § 2 Abs.

1 Nr. 2 AGB - Gesetz nicht die Möglichkeit verschafft, in

zumutbarer Weise vom Inhalt der Geschäftsbedingungen Kenntnis zu

nehmen. Denn dazu wäre jedenfalls bei einem komplizierten Regelwerk

wie hier die Óberlassung einer Abschrift vor Abschluß des Vertrages

erforderlich gewesen).

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten

nicht aus § 24 AGB-Gesetz. Nach dieser Vorschrift findet u. a. § 2

AGB-Gesetz auf Verträge unter den Kaufleuten keine Anwendung. Der

Kläger ist aber bis zum Abschluß des Vertrages vom 2. 7. 1979 nicht

Kaufmann, sondern Arbeitnehmer gewesen. Erst mit Abschluß des

Vertrages ist er Kaufmann, nämlich Handelsvertreter geworden. Auf

einen solchen Fall ist § 24 AGBGesetz nicht anwendbar (vgl.

Münchner Kommentar - Basedow, 3. Auflage, § 24 AGB - Gesetz, Rnr.

3; Palandt-Heinrichs, § 24 AGB-Gesetz, Rnr.11). Denn die Vorschrift

will ersichtlich nur denjenigen aus dem Schutzbereich des AGB -

Gesetzes teilweise ausnehmen, der bereits bei Abschluß des

jeweiligen Vertrages Kaufmann ist. Wer erst mit Abschluß eines

Vertrages zum Kaufmann wird, ist bis zum Abschluß des Vertrages

ebenso schutzwürdig wie jeder sonstige nichtkaufmännische

Vertragspartner. Im übrigen gibt sich für den vorliegenden Fall

gleiches schon daraus, daß die hier in Rede stehende Verpflichtung,

eine Abschrift der Geschäftsbedingungen dem Kläger auszuhändigen,

vor Abschluß des Vertrages zu erfüllen gewesen wäre, also zu einem

Zeitpunkt, als der Kläger noch nicht Kaufmann war. Der Senat kann

offen lassen, ob es sich etwas anderes ergeben würde, wenn zu

Lasten des Klägers feststünde, daß ihm die Regelung der

,Grundsätze", soweit es hier auf diese ankommt, bei Abschluß des

Vertrages bekannt gewesen ist. Das behaupten die Beklagten zwar.

Ihr Vorbringen ist aber nicht hinreichend substantiiert und gibt zu

Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht keine Veranlassung. Die

Beklagten machen auf den Seiten 8 ff. der Berufungsbegründung (Bl.

19O ff. GA) lediglich in allgemeiner Form geltend, zu den Aufgaben

des Klägers während seiner Angestelltentätigkeit habe es auch

gehört, die von ihm betreuten Versicherungsvertreter über ihren

Status und die damit verbundenen Rechte und Pflichten zu

informieren. Zu den Aufgaben des Klägers habe deshalb auch die

Lektüre der vorerwähnten ,Grundsätze" gehört. Die Beklagten zeigen

aber keinen konkreten Fall auf, in dem es während der

Berufstätigkeit des Beklagten vor Abschluß des Vertrages vom 2. 7.

1979 tatsächlich zur Erörterung jener ,Grundsätze" aus Anlaß

irgendeines Streitfalles gekommen ist; insbesondere zeigen sie

keinen Fall auf, in dem es um die hier interssierende Klausel über

die Berücksichtigung der Altersvorsorge gegangen ist. Dazu hätte

schon allein deshalb Veranlassung bestanden, weil der Kläger

seinerseits geltend macht, bei der ihm obliegenden Betreuung von

Handelsvertretern hätten die ,Grundsätze" nicht die geringste

Bedeutung gehabt; mit Fragen, die sich bei der Beendigung von

Handelsvertreterverträgen gestellt hätten, habe er nichts zu tun

gehabt. Seine Aufgabe sei vielmehr die Erörterung praktischer

Fragen gewesen, (Seite 11 der Berufungserwiderung, Bl. 216 GA). Auf

diesen Punkt hat der Senat die Beklagten in der Verhandlung

hingewiesen.

bb) Dem Schreiben der Beklagten vom 28. 5. 1979 (Anlage K 7, Bl.

22 GA) haben beigelegen der Ausdruck eines Formschreibens vom 15.

3. 1979, die gedruckte Broschüre ,Zukunftssicherung..." (Bl. 25 ff.

GA) und ein weiteres Blatt ,Versicherung der hauptberuflichen

Mitarbeiter" (Bl. 34 GA).

(1) Aus dem erstgenannten Schriftstück ergibt sich lediglich,

daß der Kläger die Möglichkeit haben sollte, zwischen der früheren

,Versorgungseinrichtung" und der neuen ,Zukunftssicherung" zu

wählen. Das besagt für sich gesehen nichts.

(2) Die Broschüre verhält sich über die Wechselwirkung zwischen

Rentenanwartschaft und Ausgleichsanspruch in ihren Abschnitten VII

1 und IX 1 b. Für den hier interessierenden Fall des Ausscheidens

vor Eintritt des Versicherungsfalles ist die letztgenannte Stelle

maßgeblich. Auf dieses Regelwerk ist aber nicht im Vertrag vom 2.

7. 1979 Bezug genommen worden. Ohnehin regelt die Stelle, worauf

schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, etwas anderes als

die vorerwähnten ,Grundsätze". Darüber hinaus wird das Verhältnis

der Abschnitte VII und IX zu einander nicht hinreichend deutlich.

Im letzten Satz des Abschnitt VII 1 ist von Anrechnung die Rede,

während nach Abschnitt IX 1 b die Versicherung als gekündigt gelten

soll, soweit das Deckungskapital dem Ausgleichsanspruch entspricht.

Dererlei versteht ein juristischer Laie ohne Erläuterung nicht,

auch ein Versicherungsangestellter nicht. In dem letztgenannten

Schreiben findet sich zwar in der letzten Zeile auf Hinweis auf die

Verrechnung des Deckungskapitals der Direktversicherung. Aber zum

einen ist auch dieses Schreiben im Vertrag nicht in Bezug genommen.

Zum anderen paßt dieser Hinweis nicht mit der vorerwähnten Regelung

in Abschnitt IX 1 b der Broschüre zusammen, so daß die Beklagten

aus ihm nichts herleiten können.

c) Es verbleibt deshalb dabei, daß eine Berücksichtigung der

Rentenanwartschaft bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruches

nicht stattfindet.

Die Berufung hat deshalb keinen Erfolg haben können.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs.

1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 109.739,50 DM. Beschwer der

Beklagten: über 60.000,00 DM.