BGH, Urteil vom 09.11.2011 - IV ZR 171/10
Fundstelle
openJur 2011, 117853
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Juli 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einer von der A. S. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) bei den Beklagten im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr 2005 genommenen Geld- und Werttransportversicherung (Vertrag CLS 100-03). Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) sind im Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 auszugsweise wiedergegeben. Versicherte dieses Vertrages sind die jeweiligen Auftraggeber der Geldentsorgung und -versorgung. 1 Geschäftsführer der A. GmbH verwendeten seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der A. GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen. Nach Aufdeckung dieser Geschäftspraktiken im Sommer 2006 fochten die Beklagten den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss an.

Die Klägerinnen machen - teilweise nach Aufrechnung mit Entgeltforderungen gegenüber der A. GmbH und unter Berücksichtigung erhaltener Gutschriften - Schäden im Zusammenhang mit der von ihnen bei der A. GmbH in Auftrag gegebenen Bargeldentsorgung und -versorgung in Höhe von insgesamt knapp 4,2 Mio. € geltend.

Im Hauptantrag berufen sich die Klägerinnen auf einen - jeweils am Mitversicherungsanteil orientierten - Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag, hilfsweise auf einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Mit einem zusätzlichen Hilfsantrag begehren sie die Feststellung einer weitergehenden Leistungspflicht des Beklagten zu 1, falls die Verurteilung der Beklagten zu 2 nicht antragsgemäß erfolgt.

Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Beklagten schon infolge der Anfechtung leistungsfrei sind sowie ob die A. GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat. Zur Begründung des Schadensersatzanspruches machen die Klägerinnen geltend, die Beklagten hätten ihnen gegenüber bestehende Schutzpflichten dadurch verletzt, dass sie trotz frühzeitiger Kenntnis von 2 Unregelmäßigkeiten bei der A. GmbH den Versicherungsvertrag weiterhin unterhalten und die Klägerinnen nicht aufgeklärt hätten.

Das Landgericht hat mit Teil- und Grundurteil die Klage gegen die Beklagte zu 2 sowie hinsichtlich des von der Klägerin zu 1 verfolgten Anspruchs aus der von der A. GmbH übernommenen Geldversorgung in Höhe von 34.913,01 € gegenüber dem Beklagten zu 1 abgewiesen und im Übrigen ausgesprochen, dass die Klage gegen den Beklagten zu 1 dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Das Berufungsgericht hat auf die Berufungen der Parteien das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Revision.

Gründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat im Wesentlichen ausgeführt:

Bei dem erstinstanzlichen Urteil handle es sich um ein entgegen den Voraussetzungen der §§ 301 Abs. 1 Satz 2, 304 ZPO erlassenes Teil- und Grundurteil. Zum Grund eines Schadensersatzanspruchs gehöre auch die Feststellung, dass ein aus dem geltend gemachten Haftungsgrund resultierender Schaden entstanden sein könne. Das Landgericht habe hingegen weder dargelegt, noch sei es ersichtlich, dass wenigstens die Wahrscheinlichkeit eines versicherten Schadens bestehe. 6 Dies könne, da die Beklagten die Behauptungen der Klägerinnen zu den der A. GmbH überlassenen Geldmengen bestritten hätten, derzeit auch nicht festgestellt werden. Ein weiterer Verfahrensfehler liege darin, dass das Landgericht hinsichtlich des abgewiesenen Anspruchs der Klägerin zu 1 den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch übergangen habe. Der Erlass eines unzulässigen Teilurteils führe nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Der Rechtsstreit sei auch aus anderen Gründen noch nicht entscheidungsreif:

An die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 VB, Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, seien die Klägerinnen, die als Versicherte zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt seien, nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zugleich ihre aus Ziffer 15.4 VB folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach Treu und Glauben könnten sie daher von den Klägerinnen nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.

Hinsichtlich des Bargeldes, das der A. GmbH von den Klägerinnen zu 1 bis 4 zur Entsorgung und von den Klägerinnen zu 3, zu 5 und zu 6 im Zuge der Abwicklung der Geldversorgung übergeben worden sei, komme ein Versicherungsfall in Betracht. Dies ergebe sich aus zwei voneinander unabhängigen Gründen.

Die nach Ziffer 3.1 VB versicherte Gefahr für das allein vom Versicherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der A. GmbH vorgenommene Vermischung der zu entsorgenden Gelder 10 der Klägerinnen mit denen anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerinnen und habe den vertraglichen Verpflichtungen der A. GmbH widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen, mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumentation sei es den Klägerinnen hingegen unmöglich, den Verbleib der an die A. GmbH übergebenen Gelder nachzuweisen.

Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerinnen auf ein Konto der A. GmbH bei der Deutschen Bundesbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die im Rahmen der Geldentsorgung übernommenen Verpflichtungen, nach denen die Gelder im Rahmen des sogenannten Nicht-Konto-Verfahrens einzuzahlen gewesen seien. Dass die Klägerinnen davon abweichend - gegebenenfalls auch nur stillschweigend - mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der A. GmbH einverstanden gewesen seien, habe diese nicht annehmen dürfen.

Bezüglich des von der Klägerin zu 4 zur Geldversorgung überlassenen Bargeldes sei ebenfalls ein Versicherungsfall gegeben. Wenn dieses mit dem Geld anderer Auftraggeber vermischt oder auf ein Konto der A. GmbH eingezahlt worden sei, ergebe sich die Leistungspflicht der Beklagten aus den Überlegungen zur Geldentsorgung. Im Fall einer Bargeldunterschlagung durch einen Mitarbeiter der A. GmbH folge die Pflicht zur Leistung unmittelbar aus den Ziffern 2.1, 2.1.1, 3.1 und 3.1.2 VB.

Die Klageansprüche seien nicht infolge der von den Beklagten erklärten Anfechtung der Versicherungsverträge entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien die Beklagten gegenüber den Klägerinnen aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB ausgeschlossen.

Die Klägerinnen treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles i.S. des § 61 VVG a.F. bestünden nicht. Insbesondere habe trotz der unterbliebenen Rückführung einzelner Beträge keine Veranlassung bestanden, auf ein vertragswidriges Geschäftsverhalten der A. GmbH zu schließen. Die Klägerinnen hätten auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte gehabt, dass sich bei der A. GmbH ähnliche Umstände wie bei der HEROS-Gruppe zugetragen hätten.

Die Einstandspflicht der Versicherer sei schließlich nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10 Mio. € in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass das Landgericht die Klage der Klägerin zu 1 hinsichtlich des von ihr im Zusammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schadens nicht durch Teilurteil abweisen durfte. Der von ihm angenommene Verstoß gegen § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO liegt jedoch nicht vor. Die allein auf § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO gestützte Zurückverweisung an das Landgericht ist daher verfahrensfehlerhaft.

1. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO kommt als Ausnahme von der Pflicht des Berufungsgerichts gemäß § 538 Abs. 1 ZPO, die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn das angefochtene Teilurteil die Voraussetzungen des § 301 ZPO nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war das Landgericht nicht nach § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehindert, die Klage gegen die Beklagte zu 2 und wegen eines Teils des Schadens der Klägerin zu 1 gegenüber dem Beklagten zu 1 durch Teilurteil abzuweisen und sie im Übrigen durch Grundurteil gegenüber dem Beklagten zu 1 als gerechtfertigt anzusehen.

a) § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass über einen einheitlichen Anspruch, der nach Grund und Höhe streitig ist, zu entscheiden ist. An einem solchen fehlt es hier.

Ein einheitlicher Anspruchsgrund für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag kann nicht allein darin gesehen werden, dass diese aus demselben Vertragsverhältnis resultieren und ihren Grund in dem vertragswidrigen Umgang der A. GmbH mit dem ihr überlassenen Bargeld haben sollen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die geltend gemachten Schäden auf dieselben Anspruchsvoraussetzungen gründen lassen, deren Vorliegen sich aus demselben Lebenssachverhalt ergibt, und sie daher lediglich Einzelposten eines einheitlichen Schuldverhältnisses sind (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. November 2006 - VII ZR 151/05, NJW-RR 2007, 305 Rn. 14; vom 10. Oktober 1991 - III ZR 93/90, NJW 1992, 511 unter III 1, jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier nicht.

b) Die Klägerinnen machen mehrere prozessual selbständige Ansprüche geltend, die auf jeweils in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gesondert zu beurteilenden Vorgängen der Bargeldver- und -entsorgung durch die A. GmbH beruhen und aus ihrer - voneinander unabhängigen - Stellung als Versicherte der von der A. GmbH genommenen Versicherung resultieren. Die behaupteten Schäden sind darüber hinaus nicht lediglich Schadenposten, die auf eine schadenstiftende Handlung zurückzuführen sind. Vielmehr begründet jeder "stoffliche" Zugriff auf versichertes Bargeld einen eigenständigen Versicherungsfall, an den ein selbständiger vertraglicher Leistungs- oder ein hilfsweise erhobener Schadensersatzanspruch geknüpft werden kann.

c) Das Landgericht war demnach nicht aufgrund § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO am Erlass eines Teilurteils gehindert. Unerheblich ist insofern, dass es fehlerhaft Voraussetzungen bejaht hat, nach denen der Erlass eines Grundurteils nach § 304 ZPO zulässig ist.

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht indes gesehen, dass das Landgericht die Klage der Klägerin zu 1 hinsichtlich des von ihr im Zusammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schadens nicht durch Teilurteil abweisen durfte, ohne zugleich über den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB zu entscheiden. Allerdings rechtfertigt dies keine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO.

Nachdem das Landgericht von seinem - insoweit maßgeblichen (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, NJW-RR 2010, 1048 Rn. 12) - materiellrechtlichen Standpunkt aus die Klage gegen die Beklagte zu 2 mit Teilurteil als unzulässig abweisen 24 durfte, wäre insoweit lediglich eine auf den in erster Instanz abgewiesenen Anspruch der Klägerin zu 1 oder auf das Prozessrechtsverhältnis zum Beklagten zu 1 bezogene Zurückverweisung in Betracht gekommen. Eine solche ist hier aber ausgeschlossen, weil das Berufungsgericht hinsichtlich dieser Aspekte seinerseits nicht in zulässiger Weise durch Teilurteil gemäß § 301 ZPO hätte entscheiden können (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800).

a) Um die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch durch das Rechtsmittelgericht - auszuschließen, ist eine Zurückverweisung, sofern deren Grund nur einen abtrennbaren Teil des Rechtsstreits betrifft oder nur hinsichtlich eines solchen Teils eine erneute oder weitere Verhandlung in der ersten Instanz erforderlich ist, ebenfalls nur unter der Voraussetzung zulässig, dass über den zurückverwiesenen Teil des Rechtsstreits in zulässiger Weise auch durch Teilurteil gemäß § 301 ZPO hätte entschieden werden können (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 26 m.w.N.).

Eine derartige Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Daher besteht diese Gefahr insbesondere bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiellrechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt 28 sind (vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 25; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 13 f. und vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, NJW 2011, 1815 Rn. 15 f., jeweils m.w.N.).

b) Die Klägerin zu 1 begehrt neben dem im Zusammenhang mit der Bargeldversorgung behaupteten Schaden - hilfsweise gemäß § 280 Abs. 1 BGB - Ersatz von Schäden aus dem Bereich der Geldentsorgung. Dem liegt zum einen derselbe Vorwurf einer schuldhaft unterbliebenen Aufklärung seitens der Beklagten zugrunde, zum anderen sind dieselben von den Beklagten erhobenen anspruchsmindernden Einwendungen zu bescheiden. Neben dieser Verklammerung der Bereiche der Geldentsorgung und -versorgung im Rahmen des Hilfsbegehrens besteht eine zusätzliche Verknüpfung durch die aus dem Eventualverhältnis begründete prozessuale Abhängigkeit von Haupt- und Hilfsbegehren.

Die Teilabweisung der Klage der Klägerin zu 1 hätte daher eine Entscheidung über beide geltend gemachten Klagegründe erfordert, so dass eine Zurückverweisung, die sich nur auf die Entscheidung über den bezüglich der Geldversorgung verfolgten Anspruch der Klägerin zu 1 beschränkt, nicht in Betracht kommt.

c) Dies erhellt zugleich, dass die Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO nicht auch im Prozessrechtsverhältnis des Beklagten zu 1 zu den Klägerinnen Bestand haben kann, wenn die Klage gegenüber der Beklagten zu 2 - wie vom Berufungsgericht angenommen - nicht als unzulässig abzuweisen und daher auch dieser gegenüber eine Sachentscheidung zu treffen ist.

Die von den Klägerinnen im Rahmen des Haupt- und Hilfsbegehrens erhobenen Ansprüche gegenüber beiden Beklagten werden aus demselben Versicherungsvertrag und denselben Rechtsgründen abgeleitet sowie auf identischen Tatsachenvortrag gestützt. Daher wäre eine gegenüber einem Beklagten zu treffende Sachentscheidung nicht unabhängig von derjenigen über den restlichen Verfahrensgegenstand. Es besteht mithin auch insoweit die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, die eine nur auf den Beklagten zu 1 bezogene teilweise Zurückverweisung an das Landgericht ausschließt (vgl. dazu BGH, Urteile vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 26 und vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rn. 8, jeweils m.w.N.).

III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist nach § 562 Abs. 1 ZPO wegen des aufgezeigten Verfahrensfehlers aufzuheben.

Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da dem Senat eine eigene Sachentscheidung schon angesichts fehlender tatsächlicher Feststellungen zu den von den Klägerinnen behaupteten Versicherungsfällen und zur Berechtigung der von den Beklagten erklärten Anfechtung ihrer Vertragserklärungen verwehrt ist.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Die Klägerinnen sind infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten nicht an die Verpflichtung aus 33 Ziffer 15.4 Satz 1 VB gebunden, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben.

Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 (unter II 1) näher dargelegt hat, ist der Anwendungsbereich der in Ziffer 15.4 Satz 1 VB vereinbarten - lediglich passiven - Prozessführungsklausel nicht eröffnet. Es fehlt an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden können. Darüber hinaus stellt sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Berufen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach § 242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.

2. Die im Hauptantrag von den Klägerinnen verfolgten Ansprüche auf Versicherungsleistung setzen einen innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfall i.S. von Ziffer 3.1 VB voraus.

a) Über die hier genommene Geld- und Werttransport-Versicherung ist nur transportiertes Bargeld gegen typische Transportrisiken bei und während des Transports bis zu dessen Abschluss versichert. Geschützt ist dabei lediglich das Sacherhaltungsinteresse des versicherten Auftraggebers. Der Versicherungsschutz erfasst nur einen "stofflichen" Zugriff auf versicherte Sachen, nicht aber einen Zugriff auf Buch- oder Giralgeld (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. November 2007 - IV ZR 48/07, VersR 2008, 395 Rn. 4 ff. und - IV ZR 70/07, TranspR 2008, 129 Rn. 4 ff.; Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 21 ff.; a.A. Armbrüster, VersR 2011, 1081, 1082 f.). 38 b) Die Klägerinnen müssen als Versicherte darlegen und beweisen, dass der geltend gemachte Schaden in den vertraglich abgesteckten Schutzbereich der Versicherung fällt; erst dann obliegt es den Beklagten als Versicherer nachzuweisen, dass der Verlust nicht auf einer Transportgefahr beruht (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 41).

aa) Die vom Berufungsgericht vorgenommene abweichende Verteilung der Darlegungslast rechtfertigt sich weder daraus, dass die Klägerinnen behaupten, durch eine vorsätzliche Straftat der A. GmbH zu Schaden gekommen zu sein, noch aus einer Auslegung des Versicherungsvertrages (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 42 ff.).

bb) Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerinnen sind - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - auch nicht damit zu begründen, dass - wie von den Klägerinnen behauptet - die Geldbearbeitung durch die A. GmbH nicht hinreichend dokumentiert ist. Eine etwaige unzureichende Dokumentation kann sich jedenfalls nicht zum Nachteil der Versicherer auswirken. Im Gegensatz zu den Auftraggebern ist ihnen nicht bekannt, welche Gelder der A. GmbH zum Transport anvertraut worden sind. Ihnen steht auch kein Anspruch gegenüber der A. GmbH auf Auskunft über deren Behandlung, Verbleib und Verbuchung zu. Dagegen haben es die Auftraggeber selbst in der Hand, ihre Interessen am Erhalt des Transportgutes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen und die Überwachung ihrer Einhaltung zu schützen.

c) Der Nachweis eines innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums eingetretenen Versicherungsfalles i.S. von Ziffer 3.1 VB im Bereich Geldentsorgung erfordert - angesichts des Bestreitens der Beklagten - zunächst Feststellungen zum Umfang des an die A. GmbH übergebenen Bargeldes sowie dazu, ob es zu dem von den Versicherungsbedingungen vorausgesetzten "stofflichen" Zugriff gekommen ist. Für Letzteren bedarf es eines nach außen in Erscheinung tretenden Aktes des Zugreifenden, in dem sich der Zugriff auf eine für den Transport vorgesehene Sache manifestiert. Das wird hier anzunehmen sein, soweit die geschuldete Übergabe an die Deutsche Bundesbank aufgrund des von der A. GmbH mit Unternehmen der R. -Gruppe abgeschlossenen "Transport- und Geldbearbeitungsvertrages" (im Folgenden: Transportvertrag) auszuführen gewesen und gegen dessen Vorgaben verstoßen worden ist.

aa) Daher kommt es nicht darauf an, ob - wie die Klägerinnen behaupten - bereits vor Einzahlung bei der Deutschen Bundesbank ein "stofflicher" Zugriff erfolgt ist. Denn auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten, den sich die Klägerinnen zu Eigen gemacht haben, steht hier fest, dass die A. GmbH ihr zur Entsorgung überlassenes Bargeld jeweils vollständig auf bei der Deutschen Bundesbank unterhaltene eigene Konten eingezahlt hat. Allein dies begründet schon einen Verstoß gegen die im Transportvertrag niedergelegten Pflichten und damit einen vom Versicherungsschutz umfassten "stofflichen" Zugriff, da hier eine Einzahlung im Wege des Nicht-Konto-Verfahrens vereinbart und damit eine Abwicklung über ein Eigenkonto der A. GmbH untersagt ist.

Das erschließt sich - wie das Berufungsgericht richtig sieht - aus § 6 Abs. 6 des Transportvertrages. Nach dessen Satz 1 "erfolgt die 44 Übergabe der Gelder einen Werktag nach Abholung in die Verfügung der Bundesbank mit der Maßgabe, die Gelder mit gleichtätiger Wertstellung auf das im Leistungsverzeichnis angegebene Konto weiterzuleiten". In Satz 2 ist ergänzend bestimmt, dass "eine vorherige Einzahlung auf ein anderes Konto ... nicht gestattet" ist.

bb) Der "stoffliche" Zugriff durch Einzahlung auf ein eigenes Konto liegt innerhalb des nach Ziffer 5.1 Satz 1 VB versicherten Zeitraums, der erst endet, wenn das Bargeld "in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben" wird. Dazu ist erforderlich, dass zum einen das Transportgut der Deutschen Bundesbank überlassen wird und diese zum anderen die - vertragsgemäße - Anweisung erhält, welchem Konto das noch "stofflich" vorhandene Bargeld gutzuschreiben ist (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 c).

cc) Das Vorgehen der A. GmbH ist - wie das Berufungsgericht richtig sieht - auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil eine Abweichung von den sich aus dem Wortlaut des Transportvertrages ergebenden Weisungen stillschweigend geduldet worden wäre. Selbst bei unterstellter Kenntnis der Klägerinnen davon, dass sie im Zuge der Geldentsorgung lediglich - gegebenenfalls verzögerte - Überweisungen von einem Eigenkonto der A. GmbH erhalten haben, ist nach den festgestellten Umständen zur Abwicklung des Geldtransports für die Annahme einer rechtserheblichen Duldung kein Raum. Denn dies hätte dazu geführt, dass die zu entsorgenden Gelder einem erweiterten, teils nicht mehr versicherten Zugriff durch die Versicherungsnehmerin ausgesetzt gewesen wären (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren IV ZR 251/08 unter II 3 d).

d) Die Annahme eines Versicherungsfalles im Rahmen der von der A. GmbH ebenfalls übernommenen Geldversorgung setzt - unter Berücksichtigung der konkreten Vereinbarungen zum Ablauf - Feststellungen dazu voraus, ob und wie auf zu wechselndes, an die A. GmbH zu übereignendes oder bereits übereignetes Geld, auf Wechselgeld oder auf dessen zur Entsorgung überlassenen Gegenwert während der versicherten Zeit zugegriffen worden ist.

Soweit es im Rahmen der für die Klägerin zu 1 durchzuführenden Geldversorgung an einer Übergabe von Bargeld an die A. GmbH fehlt, wird die Klägerin zu 1 weiter vorzutragen haben, worauf sich ein "stofflicher" Zugriff auf eine zum Transport überlassene versicherte Sache gründen kann.

3. Die Beklagten sind auch nicht - wie die Revision meint - deshalb nach §§ 130, 131 VVG a.F. i.V.m. § 79 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerinnen mit Blick auf eine etwaige Kenntnis von Pflichtverletzungen die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der A. GmbH ermöglicht oder zumindest begünstigt hätten.

Selbst bei einer - wie von der Revision behauptet - fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerinnen ist Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§ 130, 131 VVG a.F. sind gemäß Ziffer 4.2.1 VB zugunsten der Versicherten abbedungen. Diese Regelung schließt vom Versicherungsschutz Schäden aus, "die vom Auftraggeber oder seinen Repräsentanten vorsätzlich herbeigeführt werden". Dem entnimmt ein durchschnittlicher, juristisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer einer Transportversicherung, der zudem die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Versicherten beachtet (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 49 2011, HEROS I - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 22), dass nur vorsätzlich vom versicherten Auftraggeber herbeigeführte Schäden ausgenommen sind. Das darf er dahin verstehen, dass eine lediglich fahrlässige oder grob fahrlässige Verursachung eines Schadens den zu gewährenden Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt.

4. Die in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10 Mio. € je Schadenfall berührt den Anspruch der Klägerinnen nicht. Jeder einzelne vertragswidrige Umgang mit zur Ent- oder Versorgung überlassenem Bargeld begründet einen "stofflichen" Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.

5. Die Beklagten sind nicht aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (HEROS II - IV ZR 38/09 Rn. 26 ff.) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung 53 für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.

Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch Lehmann Dr. Brockmöller Vorinstanzen:

LG Essen, Entscheidung vom 29.08.2008 - 19 O 35/08 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 16.07.2010 - I-20 U 166/08 -