BGH, Beschluss vom 10.11.2011 - IX ZR 22/11
Fundstelle
openJur 2011, 117752
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Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Januar 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 507.430,66 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.

1. Zu Unrecht beanstanden die Beklagten, das Berufungsgericht habe die gebotene Prüfung der Angemessenheit der von der Klägerin abgerechneten Stunden versäumt.

a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Prüfung der Angemessenheit vorgenommen zu haben, sofern aufgrund der vorgelegten Unterlagen oder aufgrund einer Rüge oder eines tatsächlichen Vortrags des Mandanten Anhaltspunkte für Zweifel an der Angemessenheit eines nachgewiesenen Stundenaufwands bestehen. Soweit das Berufungsgericht die Angemessenheitsprü-1 fung an den Sachvortrag der Parteien knüpft, hat es die von der Beschwerde vermisste Amtsprüfung durchgeführt, die keine Amtsermittlung, sondern eine Rechtsprüfung auf der Grundlage des vorgetragenen Sachverhalts bedeutet (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 40/03, BGHZ 159, 94, 99 f; Hk-ZPO/ Bendtsen, 4. Aufl., § 56 Rn. 2). Die auf das Parteivorbringen bezogene rechtliche Würdigung entspricht den Vorgaben des Senats (Urteil vom 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 85). Insbesondere steht es - wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt - dem Mandanten frei, die Angemessenheit des abgerechneten Stundenaufwands außer Streit zu stellen.

b) Soweit die Beklagten beanstanden, wegen des gegen sie gerichteten jeweils identischen Strafvorwurfs hätte der Stundenaufwand nur einmal berechnet werden dürfen, wird ein Zulassungsgrund nicht dargelegt. Davon abgesehen ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die von der Klägerin eingesetzten Verteidiger für beide Beklagte identische Leistungen erbracht haben. Die - im Nachhinein - erwünschte Gebührenersparnis hätten die Beklagten ohne weiteres verwirklichen können, indem einer von beiden auf die Inanspruchnahme eines Wahlverteidigers verzichtet hätte.

2. Soweit die Beschwerde dem Berufungsgericht im Blick auf die Erstattung von den Beklagten erbrachter Vorschusszahlungen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) eine Verkennung der Darlegungs- und Beweislast vorwirft, ist die Rüge nicht ordnungsgemäß ausgeführt.

Die Beklagten verfolgen mit der Widerklage unter dem Gesichtspunkt vermeintlicher Honorarüberzahlungen einen Bereicherungsanspruch in Höhe von 482.596,19 € gegen die Klägerin. Ausweislich des Beschwerdevorbringens belaufen sich die von ihnen erbrachten Vorschusszahlungen auf insgesamt 4 193.075,01 €. Mithin haben die Beklagten nach Rechnungsstellung Zahlungen über 289.521,18 € an die Klägerin geleistet. Bei dieser Sachlage bedürfte es der - hier fehlenden - Darlegung, auf welche nachträglich in Rechnung gestellten anwaltlichen Tätigkeiten sich die Vorschusszahlungen beziehen. Nur eine solche Konkretisierung würde die gebotene Prüfung ermöglichen, ob die von der Klägerin im Anschluss an die Vorschusszahlungen in Rechnung gestellten Leistungen hinreichend nachgewiesen sind. Auf der Grundlage dieser Darlegung könnte dann abschließend beurteilt werden, inwieweit der den Beklagten auf die Widerklage zuerkannte Betrag über 150.115,94 € Vorschusszahlungen betrifft.

3. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor, soweit das Berufungsgericht die für den Zeitraum vom 21. bis 27. Februar 2002 in Rechnung gestellten Leistungen als nachgewiesen erachtet.

a) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen lässt, müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 300).

b) Die Beschwerdebegründung legt keine Umstände dar, die den zweifelsfreien Schluss auf eine Verletzung des Prozessgrundrechts gestatten. Die in dem fraglichen Zeitraum in Rechnung gestellten Leistungen betreffen entgegen 7 dem Beschwerdevorbringen nicht nur eine Stellungnahme zu der Anklageschrift, sondern ganz überwiegend andere Leistungen. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht das Bestreiten der Beklagten als nicht hinreichend substantiiert angesehen hat.

4. Soweit die Beschwerde eine Strafbarkeit des den Beklagten nach § 264 StGB vorgeworfenen Verhaltens mangels eines im Tatzeitpunkt gültigen Subventionsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Abrede stellt, fehlt es an der gebotenen Darlegung sowohl eines Zulassungsgrundes als auch der Entscheidungserheblichkeit.

a) Im Blick auf die von der Beschwerde alternativ angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), der Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) ist den Darlegungsanforderungen nicht genügt. Zwar ist es unschädlich, wenn der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schlüssig dargelegt, aber irrig eine grundsätzliche Bedeutung der Sache reklamiert wird (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2002 - V ZR 100/02, NJW 2003, 754 f). Anders verhält es sich hingegen, wenn - wie hier - nebeneinander mehrere Zulassungsgründe alternativ in den Raum gestellt werden und keiner von ihnen näher ausgeführt wird.

b) Da die Beklagten einer Verfahrenseinstellung zugestimmt (§ 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2 StPO) und auf die ihnen mögliche rechtliche Klärung innerhalb des Strafverfahrens verzichtet haben, kann überdies dahinstehen, ob der ihnen zur Last gelegte Strafvorwurf gerechtfertigt war.

aa) Für die Nachholung dieser rechtlichen Klärung besteht in dem vorliegenden Vergütungsverfahren keine Veranlassung. Ebenso wie ein Strafverteidiger, der zugunsten seines Mandanten einen Freispruch erwirkt, kann ein Strafverteidiger, der - wie hier - eine Verfahrenseinstellung herbeiführt, Vergütung für die von ihm geleisteten Tätigkeiten verlangen. Aus dem Umstand, dass der Mandant im Ergebnis freizusprechen war, kann nicht ein Wegfall des anwaltlichen Vergütungsanspruchs hergeleitet werden. Der Mandant kann sich der Zahlung der vereinbarten Vergütung nicht aus der Erwägung entziehen, der Verteidiger hätte sich darauf beschränken können, auf die fehlende Strafbarkeit des Verhaltens hinzuweisen.

bb) Zwar kann, wenn - wie in dem hier gegen die Beklagten angestrengten Strafverfahren - entsprechende Rechtsmittelbefugnisse bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 21), im Regressprozess davon ausgegangen werden, dass bei zugunsten der Beklagten zu unterstellender Straflosigkeit des ihnen vorgeworfenen Verhaltens jedenfalls aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht im Ergebnis ein Freispruch ergangen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324 Rn. 16). Dies schließt jedoch nicht aus, dass sich die zuvor mit der Sache befassten Strafverfolgungsbehörden - wie die hier ergangenen, strafrechtliche Schuld voraussetzenden Einstellungsentscheidungen verdeutlichen - dieser Erkenntnis nicht angeschlossen hätten. Solange die Strafverfolgungsbehörden die zutreffende rechtliche Beurteilung der Straflosigkeit nicht teilen, hat der Strafverteidiger im Interesse seines Mandanten seine - entgeltlichen - Bemühungen fortzusetzen. Der weitere Vorwurf, die für die Klägerin tätigen Verteidiger hätten gegenüber den Strafverfolgungsbehörden 13 nicht rechtzeitig auf die fehlende Strafbarkeit hingewiesen, wird nicht durch einen Zulassungsgrund unterlegt.

Kayser Gehrlein Fischer Grupp Möhring Vorinstanzen:

LG Gießen, Entscheidung vom 27.11.2007 - 3 O 68/05 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 12.01.2011 - 4 U 3/08 -