OLG Dresden, Beschluss vom 02.11.2011 - 2 Ws 433/11
Fundstelle
openJur 2011, 117501
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. I StVK 9/09
Tenor

1. Die Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bautzen vom 03. August 2011 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 21. April 2006 verhängte das Landgericht Dresden gegen den Beschwerdeführer wegen schwerer Brandstiftung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus; darüber hinaus ordnete es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Deren Vollstreckung setzte das Landgericht zwar ebenfalls zur Bewährung aus, wies den Verurteilten in Rahmen der dadurch gesetzlich eingetretenen Führungsaufsicht nach Maßgabe seines Einverständnisses aber an, für ihre Dauer seinen Aufenthalt im Sächsischen Krankenhaus Arnsdorf zu nehmen und diesen nur mit Zustimmung des Gerichts zu wechseln.

Nachdem die Aussetzung der Maßregel mit Beschluss des Landgerichts Dresden vom 01. Dezember 2006 widerrufen und sie seit dem 18. Januar 2007 im Sächsischen Krankenhaus Arnsdorf vollstreckt worden war, setzte die nunmehr zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bautzen die weitere Vollstreckung der Unterbringung mit Beschluss vom 14. August 2009 erneut zur Bewährung aus. Sie stellte fest, dass mit der Aussetzung Führungsaufsicht eingetreten sei und erteilte dem Verurteilten u.a. nunmehr die Weisung, für deren Dauer Wohnsitz in der Heimeinrichtung für geistig behinderte Menschen "Haus M..." in L. zu nehmen. Dort war der Beschwerdeführer bereits seit dem 07. Mai 2008 zu seiner Erprobung und zur Vorbereitung der von der Vollzugseinrichtung befürworteten Maßregelaussetzung integriert. Mit Bescheid vom 27. Juli 2009 des Kommunalen Sozialverbands Sachsen lag zudem eine Kostenübernahmeerklärung nach den Bestimmungen des SGB XII für die vollstationäre Heimunterbringung des Beschwerdeführers im Haus M... "für die Dauer der tatsächlichen Anwesenheit, längsten für die Dauer des Unterbringungsbeschlusses" (gemeint: eines betreuungsgerichtlichen Beschlusses nach § 1906 BGB) vor. Zur Begründung ihrer Aussetzungsentscheidung vom 14. August 2009 führte die Strafvollstreckungskammer entsprechend aus, dass es sich bei der Wohnstatt des Untergebrachten um eine Heimeinrichtung handele, in der er gut zu führen sei, so dass eine weitere Gefährlichkeit, die seine Unterbringung im Maßregelvollzug des Psychiatrischen Landeskrankenhauses erforderlich machen würde, ausgeschlossen werden könne. Den nunmehr angewiesen Wohnsitz dürfe der Beschwerdeführer aber nur mit Genehmigung der Führungsaufsichtsstelle verlassen.

Am 20. Februar 2010 genehmigte das Vormundschaftsgericht gemäß § 1906 BGB die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer geschlossenen Einrichtung für ein Jahr, somit bis längstens 19. Februar 2011. Mit Beschluss vom 09. Februar 2011 lehnte es allerdings die weitere Unterbringung über den bisherigen Genehmigungszeitpunkt hinaus ab, weil hierfür die zivilrechtlichen Voraussetzungen nach § 1906 BGB nicht (mehr) vorlägen. Der Kommunale Sozialverband Sachsen übernahm daher die Kosten für die vollstationäre Heimunterbringung des Beschwerdeführers im Wohnheim "Haus M..." nur bis zum 19. Februar 2011. Für die nachfolgende Zeit sei dem Vormundschaftsgericht zufolge eine (zivilrechtliche) Unterbringung des Verurteilten nicht erforderlich, weshalb die in der Folge entstehenden Kosten allein durch die Wohnsitzweisung des Strafvollstreckungsgerichts anfallen würden. Seit dem 20. Februar 2011 wird der (mittellose) Beschwerdeführer, der sich der führungsaufsichtsrechtlichen Weisung gemäß weiterhin in der Einrichtung aufhielt, hierfür in Anspruch genommen.

Mit Beschluss vom 03. August 2011 hob die Strafvollstrekkungskammer des Landgerichts Bautzen die Weisung, Wohnsitz im "Haus M..." zu nehmen und beizubehalten, auf. Den weitergehenden Antrag des Verteidigers, dem Verurteilten die Kosten seines Aufenthalts im Heim für die Zeit ab dem 20. Februar 2011 zu erstatten, wies das Landgericht zurück. Hiergegen richtet sich dessen form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere kann mit ihr trotz des eingeschränkten Prüfungsumfangs nach § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO auf Gesetzmäßigkeitsüberprüfung auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Bestimmtheitsgrundsatz gerügt werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl. § 453 Rdnr. 12).

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet.

Der Verurteilte greift nicht die erteilte Weisung als solche an, sondern begehrt lediglich insoweit die Auferlegung der dadurch angefallenen Kosten auf die Staatskasse.

Eine gesetzliche Regelung der Übernahme der Kosten für Anordnungen im Rahmen des § 68 b Abs. 1 Nr. 1 StGB besteht nicht. Zwar bestimmt § 465 StPO grundsätzlich, dass die Kosten eines Strafverfahrens vom Verurteilten zu tragen sind; hierzu gehören auch die Kosten der Vollstreckung (§ 464 a Abs. 1 Satz 2 StPO). Nicht aber zählen Kosten hierzu, die in Erfüllung einer Führungsaufsichtsweisung anfallen, da es sich hier nicht um Vollstreckungskosten der gerichtlichen Sanktion handelt. Die Befolgung solcher Weisungen kann nicht vollstreckt werden; vielmehr hätte ein Weisungsverstoß allenfalls neue Sanktionen, etwa die Bestrafung nach § 145 a StGB bzw. die Anordnung einer unbefristeten Führungsaufsicht nach § 68 c Abs. 1 StGB, zur Folge (OLG Nürnberg, Beschluss vom 23. März 2009, 1 Ws 94/09 - zitiert nach juris).

Die Kostentragungspflicht richtet deshalb sich wegen Fehlens anderweitiger Regelungen nach dem allgemeinen Verursacherprinzip. Danach trifft sie vorliegend den Beschwerdeführer.

a) Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang allerdings, ob die Erwägungen einiger Oberlandesgerichte (OLG Nürnberg, Beschluss vom 23. März 2009 - 1 Ws 94/09 -; OLG Jena, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 1 Ws 74/11 -; OLG Bremen, Beschluss vom 17. September 2010, 1 Ws 96/10 -, jeweils zitiert nach juris) stichhaltig sein können, wonach im Gefahrenabwehrrecht regelmäßig der Störer (der Verurteilte) mit den Kosten der Gefahrenabwehr belastet werde (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27.06.2006 - 2 BvR 1392/02 -). Denn zumindest im Bereich der Führungsaufsicht nach § 68 f StGB überwiegt - mangels zu vollstreckender (Rest)Sanktion - allein der kriminalpräventive Aspekt, ohne dass der Betreffende (wegen des Nichtvorliegens einer konkreten, sondern bloß abstrakt befürchteten Gefahr) bereits "Störer" im Sinne des polizeirechtlichen Gefahrenabwehrrechts ist (vgl. Senat, NStZ 2009, 268, wonach im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68 f StGB die Durchführungskosten eines nach § 68 b Abs. 1 StGB angeordneten Drogenscreenings grundsätzlich der Staatskasse anfallen).

b) Jedenfalls wird die Kostentragungspflicht eines Verurteilten durch § 68 b Abs. 3 StGB begrenzt, wonach bei der Erteilung führungsaufsichtsrechtlicher Weisungen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürfen. Verstößt eine Weisung gegen dieses Gebot, ist sie gesetzeswidrig und kann erfolgreich mit der Beschwerde nach §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO angegriffen werden (OLG Jena, a.a.O.). Belastet die mit der Weisung verbundene Kostentragungspflicht den Verurteilten in unzumutbarer Weise, darf die Strafvollstreckungskammer die Weisung nicht erteilen bzw. hat sie nach § 68 d StGB aufzuheben (OLG Jena, a.a.O.).

Vorliegend erging die Anordnung der Strafvollstreckungskammer vom 14. August 2009 zur Wohnsitznahme und -beibehaltung allein zur Vermeidung einer ansonsten gebotenen Maßregelvollstreckung. Die in der Maßregelklinik errungenen positiven Veränderungen konnten nur beibehalten werden, wenn der Verurteilte weiterhin im Heim wohnt. Es oblag daher dem Verurteilten, die Voraussetzungen für eine zu seinen Gunsten verantwortbare Prognoseentscheidung zu schaffen und so seine andernfalls erforderliche Unterbringung nach § 63 StGB im forensischen Maßregelvollzug zu vermeiden. Entsprechend lag die Kostenübernahmezusage ja auch vor. Der Senat vermag daher der Rechtsauffassung des Kommunalen Sozialverbands Sachsen, die Heimunterbringungskosten seien durch die führungsaufsichtsrechtliche Weisung verursacht worden, nicht ohne Weiteres zustimmen. Vielmehr scheint es nahe zu liegen, diese Kosten - bei Vorliegen der hierfür auch sonst erforderlichen Voraussetzungen - im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX abzudecken (vgl. auch SG Leipzig, Beschluss vom 23. August 2011 - S 13 SO 92/11 ER). Inwieweit hier der Subsidiaritätsgedanke im Sozialrecht eingreift, obliegt nicht der Entscheidung durch den Senat.

Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Übertragung der hier entstandenen Kosten auf die Staatskasse besteht jedenfalls nicht. Dies lässt sich auch weder der Gesetzesbegründung entnehmen (vgl. BT-Drs. 16/1993), noch ergibt sich die Kostentragungspflicht des Staates als Annex zur Entscheidung nach § 68 b Abs. 1, Abs. 2 StGB (so aber im Falle des § 68 b Abs. 1 Nr. 11 StGB OLG Nürnberg a.a.O.). Mangels gesetzlicher Regelung hat es deshalb bei der Kostentragungspflicht des Verurteilten zu verbleiben.

Allerdings werden die Strafvollstreckungsgerichte - sollte sich die (maßgeblich fiskalisch orientierte) Rechtsansicht des Kommunalen Sozialverbands durchsetzen - künftig darauf zu achten haben, dass Weisungen, die ein Verurteilter nicht finanzieren kann, und für die er auch keinen Kostenträger findet, nicht ergehen dürfen (§ 68 b Abs. 3 StGB). Die Konsequenz wäre, dass, sofern es um eine Maßregelaussetzung zur Bewährung geht, diese ausscheidet, wenn das Gericht nur unter Anordnung der entsprechenden Weisungen die notwendig günstige Aussetzungserwartung hat (Peglau in jurisPR-StrafR 7/2010 Anm. 2). Inwieweit diese Konsequenz allerdings verfassungsrechtlich mit dem gesellschaftlichen Anspruch und dem gesetzgeberischen Willen in Bezug auf eine zügige verantwortbare Wiedereingliederung straffällig gewordener Personen in die Gesellschaft zu vereinbaren ist, sollte überdacht werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.