OLG München, Urteil vom 23.01.2008 - 7 U 3668/07
Fundstelle
openJur 2012, 89617
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.05.2007 dahin abgeändert, dass die Klage, soweit die Anfechtung zu TOP 4 (Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2005) sich gegen die Entlastung der Aufsichtsräte L. und A. richtet, abgewiesen wird.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten  zurückgewiesen.

II. Von den  Kosten beider Instanzen tragen der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten zur Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats.

Am 25.08.2006 fand in  H.  die Hauptversammlung der Beklagten, einer börsennotierten Aktiengesellschaft, statt, zu der in der schriftlichen Einladung u.a. folgende Tagesordnungspunkte genannt waren:

"3. Entlastung des Vorstandes

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Mitgliedern des Vorstands einschließlich des im Geschäftsjahr ausgeschiedenen Mitglieds für ihre Tätigkeit im Geschäftsjahr 2005 die Entlastung zu erteilen.

4. Entlastung des Aufsichtsrates

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Mitgliedern des Aufsichtsrates einschließlich der im Geschäftsjahr ausgeschiedenen Mitglieder für ihre Tätigkeit im Geschäftsjahr 2005 die Entlastung zu erteilen.“

Die Beklagte hatte am 29.04.2005 folgende Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgegeben und auf ihrer Home-Page in das Internet eingestellt:

"Entsprechenserklärung nach § 161 AktG

Des Vorstandes und des Aufsichtsrats der M. AG,

vom 29. April 2005

zu den Empfehlungen der Regierungskommission

Deutscher Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 21. Mai 2003

...

Die Gesellschaft entsprach bislang den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex gemäß Entsprechenserklärung vom November 2003 mit der Ausnahme, dass die gemäß Kodex Ziffer 7.1.2 geforderte öffentliche Zugänglichmachung der Zwischenberichte binnen 45 Tagen nach Ende des Berichtszeitraums einmal nicht eingehalten werden konnte und mit der Ausnahme, dass die gemäß Kodex Ziffer 4.2.4 geforderte Offenlegung der Vergütung der Vorstandsmitglieder im Anhang des Konzernabschlusses für 2004 nicht erfolgte. Die Gesellschaft wird zukünftig diesen Empfehlungen mit folgenden Ausnahmen entsprechen: …“ (Es folgen Angaben zu Abweichungen von den Kodex  Ziffern 3.8, 4.2.4, 5.1.2, 5.2. (2. Absatz), 5.3.1/5.3.2, 5.4.5 und 6.5; vgl. Anlage K 2)."

Die Beklagte gab nach dem 29.4.2005 bis zur Hauptversammlung vom 25.8.2006 eine Entsprechenserklärung nach § 161 AktG nicht mehr ab und wies  in dem Geschäftsbericht für das Jahr 2005 auf diesen Umstand hin. Sie veröffentlichte weiterhin auf ihrer Internetseite die Entsprechenserklärung vom 29.04.2005.

Am 9.5.2005 schieden L. und A. als Aufsichtsräte der Beklagten aus.

Der Kläger hat in der Hauptversammlung vom 25.08.2006 u.a. die auf den Seiten 4 und 5 der Klageschrift im Einzelnen aufgeführten Fragen, auf die Bezug genommen wird, gestellt.

In der Hauptversammlung vom 25.08.2006 wurde über die Entlastung des Vorstandes im Wege der Gesamtentlastung und - auf Anordnung des Versammlungsleiters - über die Entlastung des Aufsichtsrats im Wege der Einzelentlastung abgestimmt.

Die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats wurde mit Mehrheit beschlossen.

Im Einzelnen wurde ausweislich des Protokolls über die Hauptversammlung (Anlage B 1) über den Antrag auf Entlastung desVorstandsbei einer Präsenz von 1.162.035 Stimmen mit 1.114.624 Ja-Stimmen, 47.071 Nein-Stimmen und 340 Enthaltungen,

über den Antrag auf Entlastung des AufsichtsratsL.bei einer Präsenz von 1.162.035 mit 1.111.596 Ja-Stimmen, 50.439 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen,

über den Antrag auf Entlastung des AufsichtsratsA.bei einer Präsenz von 1.162.035 Stimmen  mit 1.111.596 Ja-Stimmen, 50.439 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen,

über den Antrag auf Entlastung des AufsichtsratsP.bei einer Präsenz von 1.162.035 Stimmen, davon 170.147 nicht stimmberechtigten Stimmen, mit 941.449 Ja-Stimmen, 50.439 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen,

über den Antrag auf Entlastung des AufsichtsratsG.M.bei einer Präsenz von 1.162.035 Stimmen, davon 941.389 nicht stimmberechtigten Stimmen, somit eine stimmberechtigten Präsenz von 220.646 Stimmen mit 173.403 Ja-Stimmen, 47.243 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen,

über den Antrag auf Entlastung des AufsichtsratsW.bei einer Präsenz von 1.162.035 Stimmen, davon gemäß § 136 AktG nicht stimmberechtigt 941.389 Stimmen, somit einer stimmberechtigten Präsenz von 220.646 Stimmen,  mit 170.207 Ja-Stimmen, 50.439 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen,

abgestimmt.

Der Kläger erklärte gegen die Beschlussfassungen zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4  Widerspruch zur Niederschrift des Notars.

DerKlägerhat zur Begründung seiner Klage geltend gemacht, die Anfechtbarkeit der Beschlüsse zu TOP 3 und TOP 4 der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2006 ergebe sich aus der Verletzung des ihm als Aktionär zustehenden Fragerechts, weil die auf den Seiten 4 und 5 der Klageschrift im Einzelnen aufgeführten Fragen unbeantwortet geblieben seien; weitere Fragen habe der Vorstand unzutreffend beantwortet. Die Einzelentlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates widerspreche der gesetzlichen Regelung in § 120 Abs. 1 AktG; es gebe insoweit auch kein Ermessen der Versammlungsleitung. Die Beklagte habe am 29.4.2005 letztmals vor der Hauptversammlung eine Entsprechenserklärung nach § 161 AktG  abgegeben und im Geschäftsbericht für das Jahr 2005 mitgeteilt, dass eine Erklärung nach § 161 AktG nicht abgegeben worden sei. In Bezug auf die Entlastungsbeschlüsse liege ein Verstoß gegen § 161 AktG vor. Angesichts der veröffentlichten Erklärung bis zur Hauptversammlung habe jeder Aktionär davon ausgehen können, dass sich die Unternehmensleitung an die Vorgaben ihrer Entsprechenserklärung halte.

Der Kläger hat beantragt,

I. den Beschluss – TOP 3 (Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2005) der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2006 für nichtig zu erklären,

II. den Beschluss – TOP 4 (Entlastung des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2005) der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2006 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

DieBeklagteträgt vor, der Kläger habe sein Fragerecht angesichts von über 100 gestellter Fragen missbraucht. Die Beklagte habe alle Fragen beantwortet mit Ausnahme derjenigen zu den Konditionen der Veräußerung eines Geschäftsbereichs der Beklagten an die Firma M., die der vertraglichen Geheimhaltungsverpflichtung unterlegen hätten. Hinsichtlich der Fragen zur Emission einer Wandelschuldverschreibung im Jahre 2006 und einer Veröffentlichung nach § 25 WpHG im Jahr 2004 fehle es an der Relevanz für das Geschäftsjahr 2005. Die Leitungskompetenz des Versammlungsleiters habe diesen zur Anordnung der Einzelentlastung berechtigt. Die Aktionäre hätten auch erkennen können, dass eine Entsprechenserklärung entgegen der Regelung in § 161 AktG für das Geschäftsjahr 2005 fehle, nachdem hierauf im Geschäftsbericht 2005 hingewiesen worden sei. Die Rüge der unterbliebenen Veröffentlichung der Erklärung nach  § 161 AktG habe der Kläger außerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG vorgebracht.

DasLandgerichthat die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 25.08.2006 zu TOP 3 und TOP 4 für nichtig erklärt und zur Begründung ausgeführt, die Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG sei bei der am 25.09.2006 bei dem Landgericht München II eingegangenen Klage gewahrt worden. Die Zustellung sei „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt und die Verzögerung der Zustellung, die am 31.10.2006 an den Vorstand und am 10.11.2006 an den Aufsichtsrat erfolgt sei, der Sphäre des Gerichts zuzuordnen. Der Kläger habe die Aufforderung zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses abwarten dürfen und den geforderten Vorschuss 8 Tage nach Übermittlung der vorläufigen Streitwertfestsetzung rechtzeitig eingezahlt. Dass die Klage zunächst beim örtlich unzuständigen Landgericht München II anhängig gemacht worden sei, sei unschädlich.

Die Beschlüsse über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates seien anfechtbar, weil § 161 AktG nicht beachtet worden sei. Die Beschlüsse über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat könnten gemäß § 120 Abs. 1 AktG mit der Anfechtungsklage angegriffen werden. Ein Entlastungsbeschluss sei dann anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten sei, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstelle.   § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG stehe dem nicht entgegen. Vorstand und Aufsichtsrat seien ihren Leitungs- bzw. Kontrollpflichten nicht ausreichend nachgekommen, weil sie die ihnen oblegenen Pflichten aus § 161 AktG nicht erfüllt hätten. Denn Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft hätten jährlich zu erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekanntgemachten Empfehlungen der Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen worden sei und entsprochen werde und/oder welche Empfehlungen nicht angewendet worden seien oder nicht angewendet werden, wobei diese Erklärung den Aktionären nach Satz 2 dieser Vorschrift dauerhaft zugänglich zu machen sei. Diesen Verpflichtungen seien beide Organe, die Normadressaten des § 161 AktG seien, für das Geschäftsjahr 2005 nicht vollständig nachgekommen. Für dieses Geschäftsjahr sei eine entsprechende Erklärung bis spätestens 29.04.2006 nicht abgegeben worden. Damit liege ein erheblicher Verstoß vor. Da auf der Webseite der Beklagten die Entsprechenserklärung vom 29.04.2005 eingestellt gewesen sei, sei der Hinweis im Geschäftsbericht für 2005 auf das Fehlen einer weiteren Entsprechenserklärung kein Äquivalent, um den Anforderungen an einem dauerhaften Zugang zu entsprechen.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts nach § 20 Abs. 3 GG oder das Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG liege nicht vor. Denn die jährliche Veröffentlichungspflicht einer Entsprechenserklärung habe der Gesetzgeber selbst geregelt, während sich die Unternehmen den Kodex kraft freiwilliger Annahme zu Eigen machen. Für die Rüge des Verstoßes gegen § 161 AktG sei die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG eingehalten, da der Anfechtungsgrund innerhalb der Frist in seinem wesentlichen Kern dargelegt worden sei.

Die erforderliche Kausalität sei bei der am Zweck der verletzten Norm orientierten wertenden Betrachtung zu bejahen. Die Entsprechenserklärung sei eine wesentliche Informationsquelle für die Aktionäre. Denn es gehe im „Deutschen Corporate Governance Kodex“ um Führungsgrundsätze und deren Überwachung durch den Aufsichtsrat, mithin letztlich um die Qualität der Unternehmensleitung. Wenn der objektiv urteilende Aktionär die entsprechende Information über die Beachtung dieser Grundsätze nicht habe, könne er sich keinen hinreichenden Informationsstand für die Entscheidung, ob er der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zustimmen solle, verschaffen. Die Ausführungen im Geschäftsbericht des Jahres 2005 ersetzten diese Informationen nicht hinreichend, weil § 161 AktG jeweils die Wiedergabe des aktuellen Standes verlange.

Gegen das landgerichtliche Urteil hat dieBeklagteBerufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Klage gegen die Beschlüsse zur Entlastung des Aufsichtsrats sei unschlüssig, da diese nicht erkennen lasse, auf welchen Entlastungsbeschluss im Rahmen der vorgenommenen Einzelabstimmungen sich die Anfechtungsklage beziehe. Der Vorwurf, dass die gemäß § 161 AktG jährlich abzugebende Entsprechenserklärung hinsichtlich des rückwirkenden, auf das  Geschäftsjahr 2005 bezogenen Teils verspätet, nämlich nicht vor dem 29.04.2006 und auch nicht bis zur Hauptversammlung vom 25.8.2006 den Aktionären zugänglich gemacht worden sei, betreffe die bereits am 09.05.2005 ausgeschiedenen früheren Aufsichtsratsmitglieder   L. und A. nicht. Ein besonders schwerer Pflichtenverstoß sei in der verspäteten Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG auch nicht zu sehen. Der Anfechtungsgrund sei auch erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG geltend gemacht worden. In der Klageschrift seien Pflichtverstöße im Zusammenhang mit der Entsprechenserklärung nach  § 161 AktG nicht dargetan, da nicht geltend gemacht worden sei, dass eine Entsprechenserklärung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2005 nicht oder nicht rechtzeitig den Aktionären zugänglich gemacht worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 31.05.2007, Az.: 5 HKO 22300/06, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

DerKlägerträgt vor, Klageantrag und Urteilstenor lassen eindeutig erkennen, dass sich Klage und Urteilsausspruch auf die Entlastungsbeschlüsse für sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, welchen unter der streitgegenständlichen Hauptversammlung Entlastung erteilt worden sei, beziehen. Die Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse u.a. wegen Verstoßes gegen § 161 AktG sei in der Klagebegründung hinreichend dargetan. Eine Entlastung sei bei nicht ausreichender und/oder widersprüchlicher Information der Aktionärsgemeinschaft zu versagen. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Erklärung nach § 161 AktG für das Jahr 2005 bestehe auch nicht erst nach dessen Ende. Es liege auch kein unbeachtlicher Bagatellverstoß vor. Vorstand und Aufsichtsrat hätten bei der Nichtabgabe der Entsprechenserklärung vorsätzlich gehandelt.

Zu den Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf  das landgerichtliche Urteil vom 31.05.2007 Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Die Beschlüsse über die Entlastung der am 09.05.2005 ausgeschiedenen Aufsichtsräte   L. und A. sind rechtmäßig. Dementsprechend ist das landgerichtliche Urteil, soweit die Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung vom 25.08.2006 betreffend die ausgeschiedenen Aufsichtsräte   L. und A. für nichtig erklärt worden sind, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Soweit das Landgericht die Beschlüsse zur Entlastung des Vorstandes und der drei am 25.08.2006 aktiven Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten für nichtig erklärt hat, ist die Berufung unbegründet. Insoweit kann auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden. Im Hinblick auf das Vorbringen in der Berufungsinstanz ist ergänzend folgendes auszuführen:

I. Die Klage ist in zulässiger Weise erhoben.

1. Der Klageantrag zur Nichtigerklärung der Beschlüsse der Hauptversammlung zur Entlastung sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten ist hinreichend bestimmt.

Der Kläger hat beantragt: „Der Beschluss – TOP 4 (Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2005) der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2006 wird für nichtig erklärt.“

Grundsätzlich ist der Klageantrag im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis erkennbar abgrenzt, den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko des (eventuell teilweisen) Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. Zöller-Greger ZPO, 26. Aufl., § 253 Rn. 13). Der Antrag des Klägers ist dahin auszulegen, dass er sich gegen die Beschlussfassung der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2006 richtet, soweit diese eine Entlastung des Aufsichtsrates beschlossen hat. Der Klageantrag bezog sich auf die Beschlussfassung zu TOP 4 (Entlastung des Aufsichtrats für das  Geschäftsjahr 2005). Unter TOP 4 wurden 5 Einzelbeschlüsse, die Entlastung der drei aktiven und der zwei ausgeschiedenen Aufsichträte betreffend, gefasst. Die Formulierung des Klageantrags lehnt sich an den Text der schriftlichen Einladung zur Hauptversammlung an, in der unter der Überschrift „Entlastung des Aufsichtsrates“ aufgeführt ist „schlagen Vorstand und Aufsichtsrat vor, den Mitgliedern des Aufsichtsrates einschließlich der im Geschäftsjahr ausgeschiedenen Mitglieder für ihre Tätigkeit im Geschäftsjahr 2005 die Entlastung zu erteilen“. Umstände, die darauf hindeuten, dass der Kläger einzelne Beschlüsse zur Entlastung eines einzelnen Aufsichtsrats nicht angreifen wollte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere beanstandet der Kläger, dass allen Mitgliedern des Organs Aufsichtsrat ein Verstoß gegen § 161 AktG vorzuwerfen sei.

2. Die Klagefrist des § 246 Abs. 1 AktG ist gewahrt. Die Anfechtungsklage ging am 25.09.2006 und damit innerhalb eines Monats  nach der Beschlussfassung bei Gericht ein. Dass die Klageschrift dem Vorstand der Beklagten erst am 31.10.2006 und dem Aufsichtsrat der Beklagten im Rechtshilfeweg erst am 10.11.2006 zugestellt worden ist, schadet nicht, weil die Zustellungswirkung gemäß § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags gemäß § 167 ZPO eintritt, da die Klage „demnächst“ im Sinne dieser Vorschrift zugestellt worden ist.

a) Die Zustellung erfolgte am 31.10.2006 und damit ca. 5 Wochen nach Eingang der Klage. Bei der Abwägung der Interessen der Beteiligten ist zu berücksichtigen, dass der Kläger keine Ursachen gesetzt hat, die zu einer Verzögerung der Zustellung über die als rechtzeitig angesehene Frist von 3 Wochen hinaus geführt haben. Dass der Kläger die Klage zunächst bei dem für den Sitz der Beklagten zuständigen Landgericht München II erhoben hat, das jedoch unzuständig ist, weil nach § 15  a der Verordnung zur Änderung der GZVJu vom 02.11.2005 die Zuständigkeit für aktienrechtliche Anfechtungsklagen für die Landgerichtsbezirke des Oberlandesgerichts München dem Landgericht München I übertragen worden ist, führte zu keiner vom Kläger zu vertretenden, für den Eintritt der Wirkung des § 167 ZPO schädlichen Zeitverzögerung, weil dieser nach dem entsprechenden Hinweis des Gerichts vom 28.09.2006 bereits mit Schreiben vom 29.09.2006, eingegangen beim Landgericht München II am gleichen Tage, die Abgabe des Verfahrens an das Landgericht München I beantragt hat.

b) Der Kläger hatte den vorläufigen Streitwert mit 20.000,-- € angegeben und den entsprechenden Auslagenvorschuss am 26.09.2006 einbezahlt. Die vorläufige Streitwertfestsetzung vom 06.10.2006 wurde dem Kläger am 09.10.2006 übermittelt. Die Einzahlung des auf den erhöhten Streitwert entfallenden anteiligen Betrages von weiteren 3.504,-- € am 17.10.2006, nach deren Eingang die Zustellung der Klage veranlasst worden ist, bewirkte eine Zeitverzögerung von 8 Tagen. Damit haben die vom Kläger gesetzten Ursachen für die Verzögerung der Zustellung der Klage zu einer Verzögerung von insgesamt nicht mehr als 10 Tagen geführt. Die übrigen Verzögerungen hatten ihre Ursache im Geschäftsbetrieb des Gerichts und sind dem Kläger nicht anzulasten. Somit ist die Zustellung als demnächst im Sinne von § 167 ZPO anzusehen.

c) Die Angabe des Klägers in der Klageschrift zu dem Verstoß gegen   § 161 AktG genügen den Anforderungen an eine wirksame Rüge. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Beklagte am 29.4.2005 eine Entsprechenserklärung abgegeben habe, die noch am 16.5.2006 auf der Homepage der Beklagten veröffentlicht worden sei, und ausgeführt, es liege ein zur Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse führender Verstoß gegen § 161 AktG vor.

II. Die Berufung ist begründet, soweit das landgerichtliche Urteil die Beschlüsse zu Tagungsordnungspunkt 4 (Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2005 der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2006) über die Entlastung der Aufsichtsräte L. und A. für nichtig erklärt hat.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Insoweit wird auf die zu treffende Ausführung des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

1. Verfahrensfehler bei der Durchführung der Abstimmung liegen nicht vor.

60a) Dass der Vorsitzende des Aufsichtsrates  M.-W. W. als Versammlungsleiter die Beschlussfassung zu TOP 4 „Entlastung des Aufsichtrates“ in Form der Einzelabstimmung über jedes Aufsichtsratsmitglied durchgeführt hat, ist nicht zu beanstanden. Zwar sieht § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG die Gesamtentlastung vor, während nach § 120 Abs. 1 Satz 2 AktG eine gesonderte Abstimmung über die Entlastung einzelner Mitglieder des Aufsichtsrats  vorschreibt, wenn es die Hauptversammlung beschließt oder eine Minderheit es verlangt, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 1 Mio. € erreichen. Die Anordnung der Einzelentlastung durch den Versammlungsleiter in anderen Fällen als den vorgenannten, ist von § 120 Abs. 1 AktG jedoch nicht untersagt. Die Entscheidung über die Einzelabstimmung liegt in der Leitungskompetenz des Versammlungsleiters. Ein Rechtsverlust für die Aktionäre tritt hierdurch nicht ein, da über die Entlastung sämtlicher Aufsichtsräte abgestimmt wird und die Mitglieder der Hauptversammlung zusätzlich die Möglichkeit haben, über die Entlastung jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds abzustimmen. Damit darf der Versammlungsleiter auch ohne die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 Satz 2 AktG Einzelentlastung anordnen (vgl.  hierzu Schmidt/Lutter/Spindler AktG, 2008, § 120 Rn. 26; Bürgers/ Körber/ Reger AktG, 2008, § 120 Rn. 8).

Selbst wenn zusätzlich eine sachliche Rechtfertigung für die Anordnung der Einzelentlastung verlangt wird, wie sie in der Literatur teilweise vertreten wird (vgl. Lutter, Festschrift für Odersky, S. 854 f.; Semmler, Festschrift Söllner S. 556; Dietz BB 2004, 452, 453), so ist für die Anordnung der streitgegenständlichen Einzelentlastung ein sachlicher Rechtfertigungsgrund gegeben. Denn die Aufsichtsräte   L. und A. sind am 09.05.2005 während des laufenden Geschäftsjahres als Aufsichtsräte ausgeschieden. Somit hatte die Hauptverhandlung die Möglichkeit, hinsichtlich der ausgeschiedenen Mitglieder des Aufsichtsrates gesondert abzustimmen, da diese für Handlungen des Aufsichtsrates nach ihrem Ausscheiden nicht mehr verantwortlich waren. Da eine Entlastungsbeschluss getrennt nach Personengruppen unzulässig ist (vgl. Bürgers/Körber/Reger, a.a.O., § 120 Rn. 7), kam nur die grundsätzlich zulässige Einzelentlastung in Betracht.

b) Dass in der Einladung unter TOP 4 nur der Vorschlag des Vorstandes und des Aufsichtsrates aufgeführt war, den Mitgliedern des Aufsichtsrates einschließlich der im Geschäftsjahr ausgeschiedenen Mitglieder für ihre Tätigkeit im Geschäftsjahr 2005 die Entlastung zu erteilen, ohne auf die Einzelabstimmung hinzuweisen, ist unschädlich, weil § 124 Abs. 1 und 3 AktG nur inhaltliche Vorschläge zur Beschlussfassung verlangt, aber nicht die Angabe des konkreten Abstimmungsverfahrens.

c) Der Einwand des Klägers, die Einzelabstimmung sei nur angeordnet worden, um den Aufsichtsräten, die als Aktionäre in der Hauptversammlung grundsätzlich stimmberechtigt gewesen seien, die Möglichkeit zu geben, bei der Entlastung über andere Aufsichtsräte mit abzustimmen, was diesen bei der einheitlichen Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats nach § 136 AktG nicht möglich gewesen wäre, greift nicht durch. Grundsätzlich üben Aktionäre nach § 118 Abs. 1 AktG ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung gemäß den Regelungen der §§ 133 ff. AktG  aus. Zweck des § 136 AktG ist es, zu verhindern, dass ein Aktionär, der zugleich eine Funktion als Vorstand oder Aufsichtsrat hat, sich selbst entlastet und damit als Mitglied der Hauptversammlung über seine Entlastung als Organ mit entscheidet. Zweck des § 136 AktG ist es jedoch nicht, alle Aufsichtsräte bei der Abstimmung über die Entlastung eines anderen Aufsichtsratsmitglieds auszuschließen. Die Gesamtentlastung des Aufsichtsrats nach § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG, die im Wesentlichen der Verfahrensvereinfachung dient, hat nicht den Zweck, i.V.m. § 136 AktG alle Aktionäre, die eine Funktion als Vorstand oder Aufsichtsrat ausüben, von der Abstimmung über die Entlastung auszuschließen und so möglicherweise einer Minderheit von Anteilseignern bei der Abstimmung über die Entlastung des Aufsichtsrats zu einer  Mehrheit zu verhelfen.

2. Das Landgericht hat die Entlastungsbeschlüsse betreffend den Vorstand und die zum Zeitpunkt der Hauptversammlung der Beklagten am 25.08.2006 aktiven Aufsichtsratsmitglieder zu Recht für nichtig erklärt, weil diese ihren Pflichten aus § 161 AktG nicht nachgekommen sind (vgl. Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 161 Rn. 31; Seibt, AG 2002, 249, 254; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 165).

a) Nach § 161 AktG haben Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft jährlich zu erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutsche Corporate Governance Kodex “ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht eingewendet wurden oder werden. Diese Erklärung ist den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen.

66Vorstand und Aufsichtsrat haben letztmals vor der Hauptversammlung vom 25.08.2006 am 29.04.2005 die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgegeben. Da die Erklärung jährlich abzugeben und dauerhaft bekanntzumachen ist, hätten Vorstand und Aufsichtsrat spätestens am 29.04.2006 eine neue Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgeben und dauerhaft veröffentlichen müssen. Dies haben sie bis zur Hauptversammlung vom 25.08.2006 nicht getan. Damit haben sie ihre Leitungs- bzw. Kontrollpflicht verletzt, weil sie den Pflichten aus § 161 AktG nicht nachgekommen sind. Der Hinweis im Geschäftsbericht, dass für das Jahr 2005 keine Entsprechenserklärung abgegeben wurde, genügt nicht, da § 161 AktG die Abgabe der Erklärung, inwieweit den Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex entsprochen wurde und wird und welche Empfehlungen nicht angewendet wurden und werden, verlangt. Diese Anforderung wird durch die Erklärung, es sei überhaupt keine Entsprechenserklärung abgegeben worden, mangels entsprechender Angaben zur Einhaltung der Regelungen des Kodexes nicht genügt. Im Übrigen ist die Angabe im Geschäftsbericht kein Äquivalent, um den Anforderungen an einen dauerhaften Zugang des Publikums zu der Entsprechenserklärung zu genügen.

b) Das Landgericht hat zutreffend § 161 AktG als wirksam angesehen. Es liegt weder ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3 GG vor, noch ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Zwar sind die Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex  von dieser Regierungskommission aufgestellt. Sie stellen auch kein förmliches Gesetz dar. Dies stellt jedoch keinen Verfassungsverstoß dar, da die Befolgung der in dem Kodex enthaltenen Regeln nicht zur Pflicht gemacht wird. § 161 AktG ordnet lediglich an, dass jährlich von Vorstand und Aufsichtsrat eine Erklärung abzugeben ist, inwieweit die Gesellschaft den Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex  entsprochen habe und in Zukunft entsprechen werde oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder in Zukunft angewendet werden. Damit ist die Verpflichtung zur Abgabe der Entsprechenserklärung im Gesetz selbst vorgesehen, während die Einhaltung der in dem Kodex festgelegten Bestimmungen von § 161 AktG nicht verlangt wird.

c) Die Beklagte kann sich auch nicht damit entlasten, dass die Pflichtverletzung im Hinblick auf die Pflicht zur jährlichen Abgabe der Entsprechenserklärung erst ab dem 29.04.2006 eingetreten ist, während die Entlastungsbeschlüsse sich auf das Geschäfts- und Kalenderjahr 2005 bezogen haben. Denn bei der Beschlussfassung in der Hauptversammlung vom 25.08.2006 lag der Hauptversammlung lediglich die Entsprechenserklärung vom 29.04.2005 vor. Diese enthält vergangenheitsbezogen die Erklärung, dass vom 01.01.2005 – 29.04.2005 nur die in der Entsprechenserklärung aufgeführten Ziffern des Kodexes von der Gesellschaft nicht angewendet wurden, und zukunftsbezogen die Aussage, welche Ziffern in Zukunft, insbesondere im restlichen Geschäftsjahr 2005, nicht angewendet werden, ab. Mangels einer ab dem 29.04.2006 vorliegenden weiteren Entsprechenserklärung lag der Hauptversammlung vom 25.08.2006 keine gültige Entsprechenserklärung vor, die für die Zeit vom 29.04.2005 – 31.12.2005 die entsprechenden Angaben, welche Ziffern des Kodexes nicht angewendet worden sind, enthält.

d) Die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG stellt eine gewichtige Beurteilungsgrundlage für die Mitglieder der Hauptversammlung für deren Entscheidung zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat dar. In ihnen sind insbesondere in Ziffer 4 des Kodexes Angaben über Aufgaben, Zuständigkeiten, Zusammensetzung und Vergütung des Vorstandes sowie über die Behandlung von Interessenkonflikten und unter Ziffer 5 entsprechende Empfehlungen für den Aufsichtsrat aufgeführt. Ob diesen Empfehlungen entsprochen wurde und welchen Empfehlungen nicht entsprochen wurde, ist somit eine für die Entscheidung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat wichtige Information. Der Schutzzweck der verletzten Norm bezieht sich gerade auf die Unterrichtung der Aktionäre. Damit liegt bei wertender Betrachtung ein relevanter Verfahrensverstoß für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrechts des Aktionärs vor, der aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionär für die Entscheidung über die Entlastung des Aufsichtsrats wesentlich ist, ähnlich wie bei der Verweigerung von Auskünften über entscheidungsrelevante Umstände (vgl. hierzu BGHZ 149, 158, 164).

70e) Der Verstoß gegen § 161 AktG erfolgte durch den am 25.08.2006 bestellten Vorstand und Aufsichtsrat auch vorsätzlich, wie sich aus der Erklärung im Geschäftsbericht, die Gesellschaft werde keine Entsprechenserklärung abgeben, ergibt. Das der vorsätzliche Pflichtenverstoß außerhalb des Zeitraums, für den die Entlastung beschlossen wurde, verübt worden ist, ist unerheblich, weil der Zeitraum, für den die gesetzlich vorgeschriebene, jährlich abzugebende Entsprechenserklärung über die Befolgung des Kodexes gelten sollte, sich auch auf den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum vom 30.04.2005 bis 31.12.2005 beziehen sollte.

Somit hat das Landgericht die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2006 zur Entlastung des Vorstands und der am 25.8.2006 aktiven Aufsichtsratsmitglieder zu Recht wegen Verstoß gegen   § 161 AktG für nichtig erklärt. Insoweit kann offen bleiben, ob eine Verletzung des Auskunftsrechts des Klägers gemäß § 131 AktG wegen unzureichender Beantwortung von Fragen durch den Vorstand vorliegt.

III. Das Urteil des Landgerichts München I ist aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 4 der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.08.2006 sich gegen die Entlastung der Aufsichtsräte   L. und A. richtet.

1. Eine Pflichtverletzung haben diese am 09.05.2005 als Aufsichtsräte ausgeschiedenen Personen nicht begangen, da nach der u.a. von diesen Aufsichtsräten abgegebenen Entsprechenserklärung vom 29.04.2005 bis zu ihrem Ausscheiden am 09.05.2005 eine weitere Entsprechenserklärung nicht mehr abgegeben werden musste. Die Rechtspflicht zur Abgabe einer erneuten Entsprechenserklärung bestand für Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten erst  ab 29.04.2006 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die ausgeschiedenen Aufsichtsräte   L. und A. nicht mehr befugt waren, entsprechende Erklärungen abzugeben.

74Zwar ist zu berücksichtigen, dass bei Fassung des Entlastungsbeschlusses am 25.08.2006 eine auf die Vergangenheit gerichtete Entsprechenserklärung für den Zeitraum vom 29.04.2005 bis 09.05.2005 nicht vorgelegen hat und insoweit die Mitglieder der Hauptversammlung ein Informationsdefizit hinsichtlich der Beurteilung der Tätigkeit der Aufsichtsräte L. und A. hatten. Angesichts der kurzen Zeitdauer von 10 Tagen, auf den sich die fehlende auf die Vergangenheit erstreckende Erklärung bezog, und angesichts des Umstandes, dass die Fragen des Klägers, die nach seiner Behauptung unbeantwortet geblieben sind, sich nicht auf die Tätigkeit des Aufsichtsrats in der Zeit vom 29.04.2005 bis 09.05.2005 bezogen haben, ist die Relevanz des Verstoßes für die Abstimmung nicht dargetan. Während bei der Entscheidung über eine Gesamtentlastung des Aufsichtsrats die Billigung des Handelns des gesamten Organs im Vordergrund steht, ist bei der Einzelentlastung auf das etwaige pflichtwidrige Handeln des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und dessen Auswirkung maßgeblich abzustellen. Insoweit fehlt es an der notwendigen Relevanz im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG.

2. Soweit der Kläger rügt, dass die auf den Seiten 4 und 5 der Klageschrift aufgeführten Fragen in der Hauptversammlung unter Verstoß gegen § 131 AktG nicht beantwortete worden seien, hat er nicht dargetan, dass diese Fragen einen Bezug zu dem Handeln oder zur Person der ausgeschiedenen Aufsichtsräte L. und A. haben und damit die Beschlüsse der Hauptversammlung zur Entlastung  der Aufsichtsräte L. und A. auf dem behaupteten Verstoß beruhen Umstände (vgl. hierzu BGHZ 149, 158, 164). 

IV. Die Kosten wurden nach § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig aufgeteilt. Die Beklagte  ist hinsichtlich der Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses  über die Entlastung des Vorstands vollständig und der Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses  über die Entlastung des Aufsichtsrats zu 3/5 unterlegen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar nach § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V. Die Revision wird nach§ 543 Abs. 2 ZPOwegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Entscheidung zu den Folgen der Nichtabgabe einer Entsprechenserklärung nach§ 161 AktG hat wegen des Fehlens höchstrichterlicher Rechtsprechung und der Auswirkung auf die börsennotierten Aktiengesellschaften grundsätzliche Bedeutung.