OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.02.2009 - 8 W 22/09
Fundstelle
openJur 2012, 61246
  • Rkr:

Die Statthaftigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde nach § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG setzt deren ausdrückliche Zulassung in dem angefochtenen Beschluss durch das Beschwerdegericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage voraus. Eine - auch von den richterlichen Unterschriften gedeckte - (falsche) Rechtsmittelbelehrung kann die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht ersetzen.

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm/Donau vom 8. Januar 2009, Az. 3 T 20/08, wird als unzulässigverworfen.2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

1. Die Betroffene wehrt sich gegen den für die Festsetzung der Vergütung ihres Betreuers von den Vorinstanzen festgestellten Status als vermögende Betreute.

Die gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Notariats B. vom 1. Februar 2008 von der Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde wurde durch das Landgericht Ulm am 8. Januar 2009 zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde wurde nicht zugelassen.

Die Entscheidung enthält als letzten Absatz eine kleingedruckte Rechtsmittelbelehrung folgenden Wortlauts:

"Gegen diese Entscheidung ist die sofortige weitere Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Frist von zwei Wochen bei dem Notariat B., dem Landgericht Ulm oder dem Oberlandesgericht Stuttgart einzulegen. Die Frist beginnt mit Zustellung der Entscheidung. Die weitere Beschwerde kann durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eines der genannten Gerichte eingelegt werden. Erfolgt die Einlegung durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, so muss diese von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein."

Am 26. Januar 2009 legte die Betroffene durch ihre Verfahrensbevollmächtigte beim Oberlandesgericht gegen den Beschluss des Landgerichts sofortige weitere Beschwerde ein.

2. Diese ist gem. §§ 69e Abs. 1 Satz 1, 56g Abs. 5 Satz 2 FGG nicht statthaft, weil sie das Beschwerdegericht nicht zugelassen hat.

Die Zulassung muss in der Beschlussformel oder in den Gründen ausgesprochen sein (Bassenge/Roth, FGG/RpflG, 11. Aufl. 2007, § 19 FGG Rdnr. 22; Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003/2005, Vorbem. §§ 19-30 Rdnr. 30; BayObLG FGPrax 2004, 117; je m. w. N.).

Sofern der Beschluss des Landgerichts in der Beschwerdeinstanz keinen Ausspruch über die Zulassung enthält, ist damit ausgesprochen, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird, und zwar auch dann nicht, wenn das Beschwerdegericht sich über die Zulassung keine Gedanken gemacht haben sollte (Bassenge/Roth, a. a. O.; Kahl, a. a. O.; BGH NJW 2004, 779; BayObLG NJW 2002, 3262; BayObLG NJW-RR 2000, 148; je m. w. N.). Die Nichtzulassung ihrerseits ist unanfechtbar.

Eine unterbliebene Zulassung kann nicht nachgeholt werden, auch nicht entsprechend § 321 ZPO (Bassenge/Roth, a. a. O.; Kahl, a. a. O.; BGH, a. a. O.; je m. w. N.). Die Voraussetzungen für eine Berichtigung analog § 319 ZPO liegen ersichtlich nicht vor.

Eine Rechtsmittelbelehrung ersetzt nicht die Zulassung (Bassenge/Roth, a. a. O.; Kahl, a. a. O.; OLG Schleswig NJW-RR 2008, 675; BayObLGZ 2000, 318; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 302; je m. w. N.).

Im Einzelnen beruht dieses Ergebnis auf folgenden Überlegungen:

Nach § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG ist die sofortige weitere Beschwerde gegen eine Entscheidung des Landgerichts im Verfahren über die Festsetzung einer Betreuervergütung nur statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat.

Dabei erfordert die Zulassung eine Prüfung und Entschließung durch die Richter auf Grund entsprechender Willensbildung über deren Voraussetzungen in jedem Einzelfall.

Es handelt sich hierbei um einen richterlichen Willensakt, der ausnahmsweise im Hinblick auf besondere Umstände durch gerichtliche Anordnung die Überprüfung der an sich nicht anfechtbaren Entscheidung durch die übergeordnete Gerichtsinstanz ermöglicht. Kommt das Beschwerdegericht bei dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass die im Gesetz genannten Gründe eine Zulassung erfordern, hat es diese - als gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefall - in dem Beschluss entweder im Tenor oder in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auszusprechen. Die Zulassung muss sich dabei immer aus der der Anfechtung unterliegenden Entscheidung selbst und eindeutig ergeben. Dagegen braucht die Nichtzulassung - als Regelfall - nicht ausdrücklich ausgesprochen werden.

Eine - bewusst - unterbliebene oder auch nur vergessene Zulassung kann nicht entsprechend § 321 ZPO nachgeholt werden.

Eine falsche Rechtsmittelbelehrung kann die Zulassung der weiteren Beschwerde durch das Beschwerdegericht nicht ersetzen.

Eine solche beinhaltet lediglich eine Auskunft über die Erfordernisse, die für das kraft Gesetzes ohnehin bestehende Rechtsmittel bezüglich dessen Frist und Form vorgeschrieben sind und auf die der Betroffene ausdrücklich hingewiesen werden soll. Sie bezweckt - entsprechend ihrem Wortsinn - allein die Belehrung über ein gesetzlich gegebenes Rechtsmittel, sie dient keinesfalls der Eröffnung einer weiteren vom Gesetz nicht vorgesehenen Instanz und gibt ebenso wenig die Willensentschließung des Gerichts wider, ein ansonsten nicht statthaftes Rechtsmittel ausdrücklich zuzulassen.

Unerheblich ist dabei, ob die Rechtsmittelbelehrung als Bestandteil des Beschlusses durch die Unterschriften der erkennenden Richter gedeckt ist (BayObLGZ 2000, 318) oder ob die Rechtsmittelbelehrung dem Beschluss lediglich beigefügt ist (OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 302).

Denn im FG-Verfahren ist häufig die Aufnahme einer Rechtsmittelbelehrung in den Entscheidungsinhalt gesetzlich vorgeschrieben - in Betreuungssachen teilweise (§ 69 Abs. 1 Nr. 6 FGG) und in Unterbringungssachen stets (§ 70f Abs. 1 Nr. 4 FGG) - und muss in diesen Fällen von der richterlichen Unterschrift gedeckt sein (Bassenge/Roth, a. a. O., § 69 FGG Rdnr. 10 und § 70f FGG Rdnr. 4). Hierdurch verändert sich aber nicht der Sinngehalt als bloße Belehrung über ein kraft Gesetzes statthaftes Rechtsmittel. Irgend eine Willensentschließung der erkennenden und die Entscheidung unterzeichnenden Richter kann aus dieser Belehrung über Art, Frist und Form des Rechtsmittels nicht entnommen werden.

Soweit das BayObLG (a. a. O.) zusätzlich auf eine Mitteilung des Landgerichts abstellt, wonach die Rechtsmittelbelehrung versehentlich in den Beschluss aufgenommen worden und eine Entscheidung über die Zulassung der weiteren Beschwerde nicht beabsichtigt gewesen sei, kann es hierauf nicht ankommen.

Der vorliegend in dem im FG-Verfahren ergangenen Beschluss als letzter Absatz des Entscheidungsinhalts eingefügte, kleingedruckte Text mit der Überschrift "Rechtsmittelbelehrung", lässt - entsprechend den vorherigen Ausführungen - allein den Rückschluss zu, dass das Landgericht auf eine seiner Auffassung nach bestehende Rechtslage, nämlich die generelle Zulässigkeit des Rechtsmittels der (sofortigen) weiteren Beschwerde hinweisen wollte. Hierfür spricht schon der wesentlich kleinere Druck der Belehrung, wodurch dieser Hinweistext gerade abgesetzt werden sollte von den davor niedergelegten richterlichen Überlegungen und Entscheidungen.

Eine Willensentschließung des Beschwerdegerichts im Sinne des § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG kann der Rechtsmittelbelehrung keinesfalls entnommen und auch nicht durch die Einholung von Auskünften der Vorinstanz nachgeholt werden.

Dies verbietet bereits die Rechtssicherheit, wonach gerade eine Ergänzung des Beschlusses analog § 321 ZPO nicht möglich ist - selbst wenn die Zulassung nicht bewusst unterblieben, sondern lediglich vergessen worden wäre (Kahl, a. a. O., m. w. N.).

Eine etwaige - unterstellte - Auskunft des Landgerichts dahin, dass die Zulassung beabsichtigt gewesen sei und deshalb in der Rechtsmittelbelehrung gesehen werden müsse, würde deren Charakter als bloße Belehrung und damit Auskunft über Art, Frist und Form eines kraft Gesetzes statthaften Rechtsmittels gerade widersprechen und deshalb nicht lediglich die Berichtigung einer versehentlichen Abweichung der gerichtlichen Willenserklärung von der Willensbildung in Form eines Schreibfehlers oder einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 319 ZPO bedeuten, sondern die Ergänzung einer lückenhaften Entscheidung im Sinne des § 321 ZPO, die gerade nicht möglich ist.

Die falsche Rechtsmittelbelehrung rechtfertigt damit unter keinem Gesichtspunkt, die eingelegte sofortige weitere Beschwerde entgegen den gesetzlichen Bestimmungen als zulässig zu behandeln.

Hierin liegt weder ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch ein solcher gegen die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) oder den Anspruch auf ein faires Verfahren (BayObLGZ 2000, 318).

Denn die Zulassung des Rechtsmittels bedeutet die ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen gegebene Eröffnung eines weiteren Instanzenzuges durch eine ausdrückliche gerichtliche Anordnung auf Grund einer entsprechenden Willensentschließung. Diese gesetzliche Regelung kann durch eine falsche Rechtsmittelbelehrung nicht umgangen werden - auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Betroffene sein Rechtsmittel im Vertrauen auf die Richtigkeit der Belehrung eingelegt hat.

Im Rechtsmittelzug muss die Rechtssicherheit Vorrang haben vor dem Vertrauensschutz des Einzelnen. Anderenfalls würde eine nicht mehr einschätzbare, willkürliche Eröffnung weiterer Instanzenzüge ermöglicht, die mit dem bestehenden Rechtssystem nicht vereinbar wäre.

Im Hinblick auf die eindeutige Gesetzeslage und die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte erübrigte sich eine Anhörung der Betroffenen vor Erlass der - für sie gebührenfreien - Entscheidung, die nicht auf einem Tatsachenvortrag beruht, sondern allein auf der Nichtzulassung der weiteren Beschwerde.

Das Rechtsmittel der Betroffenen war deswegen - ohne die Nachprüfung der Vorentscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht - als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten beruht auf § 131 Abs. 3 KostO. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Erstattung etwaiger außergerichtlicher Kosten gem. § 13a FGG liegen nicht vor.

Eine Vorlagepflicht gem. § 28 Abs. 2 und 3 FGG besteht nicht.

Der Senat kommt zum selben Ergebnis der Auslegung des § 56g Abs. 5 Satz 2 FGG wie die übrigen mit der Problematik einer falschen Rechtsmittelbelehrung befasst gewesenen Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 302; BayObLGZ 2000, 318; OLG Schleswig NJW-RR 2008, 675).

Die Abweichungen zu den Entscheidungen des OLG Karlsruhe und des BayObLG beruhen nicht auf einer anderen Auslegung der Vorschrift in den tragenden Gründen, sondern lediglich auf abweichenden, unterstützend herangezogenen Begründungen des selben Auslegungsergebnisses (Bassenge/Roth, a. a. O., § 28 FGG Rdnr. 4; BGH NJW 2006, 1277; je m. w. N.).