OLG Hamburg, Beschluss vom 31.08.2011 - 8 W 26/11
Fundstelle
openJur 2011, 117468
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 324 O 587/08
  • nachfolgend: Az. X ARZ 413/11

Wenn der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine Gebühren aufgrund eines obsiegenden Urteils erster Instanz im eigenen Namen gemäß § 126 ZPO beigetrieben hat, kann der Gegner diese Kosten gemäß § 91 Abs.4 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den beigeordneten Rechtsanwalt rückfestsetzen lassen, wenn er im höheren Rechtszug obsiegt.

(Leitsätze: die Mitglieder des 8. Zivilsenats)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 31.05.2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 24.05.2011, mit dem die von den Klägervertretern an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten auf 1.032,85 EUR nebst Zinsen festgesetzt worden sind, wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass diese Kosten nebst Zinsen von Rechtsanwalt Dr. A... H. St.... zu erstatten sind.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von EUR 1.032,85 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist dem Kläger auf dessen Prozesskostenhilfeantrag hin vom Landgericht beigeordnet worden. Nachdem der Kläger in erster Instanz obsiegt hat, hat sein Prozessbevollmächtigter die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Beklagte aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts vom 15.05.2009 im eigenen Namen beantragt. Auf diesen Antrag hat das Landgericht am 12.06.2009 einen entsprechenden Kostenfestsetzungsbeschluss über EUR 1.024,30 nebst Zinsen erlassen, woraufhin die Beklagte den festgesetzten Betrag nebst Zinsen von 8,55 EUR (=1.032,85 EUR) an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gezahlt hat. Nachdem das Oberlandesgericht mit Urteil vom 17.11.2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen hat, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 01.02.2011 das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, das Urteil des Landgerichts abgeändert, die Klage abgewiesen und den Kläger zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt. Auf Antrag der Beklagten hat der Rechtspfleger des Landgerichts den von der Beklagten auf den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.06.2009 gezahlten Betrag von insgesamt EUR 1.035,85 mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.05.2011 nebst Zinsen rückfestgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der im Kern vorbringt, die Kostenfestsetzung könne sich nicht gegen den Prozessbevollmächtigten persönlich richten. § 91 Abs. 4 ZPO sei auf den Prozessbevollmächtigten nicht anwendbar, wie das Hanseatische Oberlandesgericht in dem Verfahren 4 W 120/11 festgestellt habe.

Mit Beschluss vom 30.06.2011 hat der Rechtspfleger des Landgerichts der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat er – unter Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen eines in der Sache entgegenstehenden Beschlusses des vierten Zivilsenats vom 03.06.2011 (Az.: 4 W 120/11) – ausgeführt, die Beklagte habe einen Anspruch auf Rückerstattung zumindest entsprechend § 717 Abs. 2 ZPO, der der Rückfestsetzung zugänglich sei. Der Klägervertreter sei Partei des Kostenfestsetzungsverfahrens. Auf dieses Verfahren seien die §§ 103 ff. ZPO entsprechend anwendbar, so dass eine Rückfestsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren für die wie hier unstreitige Zahlung möglich sei. § 91 Abs. 4 ZPO sei auf die vorliegende Konstellation zumindest entsprechend anwendbar. In dieser Vorschrift werde zwar geregelt, dass zu den Kosten des Rechtsstreits auch Kosten gehören, „die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat“. Der beigeordnete Anwalt sei aber im Verfahren nach § 126 ZPO Partei des Verfahrens, weshalb die Vorschrift zumindest entsprechend anwendbar sei.

II.

Der sofortigen Beschwerde bleibt der Erfolg versagt.

1. Die (sofortige) Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist zwar nach den §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässig. Da der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Ausübung seines Beitreibungsrechts nach § 126 Abs. 1 ZPO den Antrag auf Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Beklagte im eigenen Namen gestellt hat, ist nicht seine Partei, sondern der Prozessbevollmächtigte selbst Partei des Kostenfestsetzungsverfahrens. Daher kann der Prozessbevollmächtigte auch aus eigenem Recht Rechtsmittel einlegen (Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 03.06.2011, Az.: 4 W 120/111; vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 126 Rn. 8).

2. Die sofortige Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat die Rückfestsetzung der von der Beklagten an den beigeordneten Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 12.06.2009 gezahlten Kosten zu Recht vorgenommen. Der Senat vermag sich der Auffassung des vierten Zivilsenats nicht anzuschließen, eine Rückfestsetzung der nach § 126 ZPO zu Gunsten eines Prozessbevollmächtigten persönlich festgesetzten Kosten komme nicht in Betracht, weil § 91 Abs. 4 ZPO nur im Verhältnis der Parteien des Rechtsstreits zueinander anwendbar sei (Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 03.06.2011, 4 W 120/11).

a) § 91 Abs. 4 ZPO bestimmt zwar lediglich ausdrücklich, dass zu den Kosten des Rechtsstreits auch diejenigen Kosten gehören, „die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat“. Seinem Wortlaut nach regelt § 91 Abs. 4 ZPO damit nicht den Fall, dass die obsiegende Partei an den Prozessbevollmächtigten der unterlegenen Partei, der sein Beitreibungsrecht nach §126 Abs.1 ZPO ausgeübt hat, gezahlt hat.

Ferner ist auch der Begründung im Gesetzgebungsverfahren zu dem mit dem ersten Justizmodernisierungsgesetz eingefügten § 91 Abs. 4 ZPO (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Justiz, BT-DRs. 15/1508 S. 16 f., Begründung zu § 91 Abs. 4 ZPO) nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine über die Parteien des Rechtsstreits hinausgehende Regelung hat treffen wollen.

Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs ging es dem Gesetzgeber ausschließlich darum, die überwiegende herrschende Praxis der Rückfestsetzung überzahlter Kosten im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits abzusichern. Insoweit führt der Gesetzentwurf (aaO S. 17) aus:

„Eine Rückfestsetzung überzahlter Kosten ist im Gesetz bisher nicht vorgesehen. Nach § 103 Abs. 1 kann der prozessuale Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten nur auf Grund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Ein solcher Titel liegt für die Forderung der endgültig obsiegenden Partei auf Rückzahlung von Prozesskosten, die sie als zunächst unterlegene Partei aufgrund eines inzwischen wirkungslos gewordenen Kostenfestsetzungsbeschlusses dem Gegner erstattet hat, nicht vor. Die ursprünglich festgesetzten und nunmehr zurückzuzahlenden Prozesskosten des zunächst Obsiegenden werden nicht vom endgültigen Kostengrundtitel erfasst. Sie fallen nicht unter den Begriff der Prozesskosten im Sinne des § 91, weil sie der endgültig Obsiegende nicht zu seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aufgewandt hat. [...].“

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte eine normative Grundlage für die Rückerstattung ursprünglich festgesetzter und nunmehr zurückzuzahlender Prozesskosten des zunächst Obsiegenden für diejenigen Kosten geschaffen werden, die die endgültig obsiegende Partei aufgrund eines zwischenzeitlich wirkungslos gewordenen Kostenfestsetzungsbeschlusses dem Gegner erstattet hat. An einer solchen Sachlage fehlt es vorliegend, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht Partei des Rechtsstreits, sondern im Falle von § 126 ZPO lediglich des Kostenfestsetzungsverfahrens ist.

b) Der Sache nach ist es dem Gesetzgeber aber ersichtlich darum gegangen, die Rückfestsetzung solcher Zahlungen im – vereinfachten – Kostenfestsetzungsverfahren abzusichern, die die im Rechtsstreit zunächst unterlegene Partei vor ihrem späteren Obsiegen geleistet hat, weil diese Kosten zunächst entsprechend festgesetzt worden sind. So liegt die Sache hier, weil die Zahlungen an den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf die entsprechende Kostenfestsetzung gemäß § 126 ZPO erfolgt ist.

Zudem betrifft § 126 Abs. 1 ZPO einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft (BGH, Beschluss vom 14.02.2007, XII ZB 112/06, Rdnr. 11, zitiert nach juris; Zöller-Geimer, ZPO, 28. Auflage 2011, § 126 Rdnr. 3). Der Rechtsanwalt kann auf dieser gesetzlichen Grundlage ein fremdes Recht (nämlich das seiner Partei auf Kostenerstattung) im eigenen Namen geltend machen. Mit der Festsetzung zugunsten des Anwalts verliert die von ihm vertretene Partei die Befugnis, über die Kostenerstattungsansprüche zu verfügen, die der Rechtsanwalt einzieht (Zöller-Geimer, aaO Rdnr. 11). Geht es der Sache nach bei § 126 ZPO also um die Festsetzung eines für den Rechtsanwalt fremden Rechts seiner eigenen Partei gegen deren Prozessgegner, liegt in der aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses geleisteten Zahlung des Prozessgegners an den gegnerischen Rechtsanwalt bezogen auf den zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit der Sache nach eine Leistung an die später unterlegene Partei im Sinne von § 91 Abs. 4 ZPO.

Dies wird zudem gestützt durch den Rechtsgedanken, dass der Gegner nicht schlechter gestellt werden soll, als er stünde, wenn sein Gegner und nicht dessen Prozessbevollmächtigter im eigenen Namen die Kostenfestsetzung beantragt hätte (vgl. OLG Hamm JurBüro 1975, 946).

3. Die klarstellende Maßgabe des Senats beruht auf dem Umstand, dass die Rückfestsetzung wie vom Rechtspfleger des Landgerichts ohnehin intendiert ausschließlich den dem Kläger beigeordneten Prozessbevollmächtigten betrifft.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil er die Rechtssache für eine solche von grundsätzlicher Bedeutung hält, § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.