OLG Köln, Beschluss vom 27.01.1995 - 16 Wx 13/95
Fundstelle
openJur 2012, 74570
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller vom 30. Dezember 1994 gegen den Beschluß der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10. November 1994 - 29 T 99/94 - wird zurückgewiesen. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten werden den Antragstellern auferlegt. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe

Die gem. §§ 45 Abs. 1 WEG, 22, 27, 29 FGG statthafte und auch im

übrigen zulässige - insbesondere wegen fehlender Zustellung des

landgerichtlichen Beschlusses an die Verfahrensbevollmächtigten der

Antragsteller fristgerecht eingelegte - sofortige weitere

Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da die angefochtene

Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27

Abs. 1 FGG).

Amts- und Landgericht haben zutreffend festgestellt, daß den

übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft

grundsätzlich gegen den Antragsgegner ein Unterlassungsanspruch

nach §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 BGB zusteht.

Die Bezeichnung des streitgegenständlichen Teileigentums in der

Teilungserklärung gem. § 8 WEG vom 24.2.1978 als "Laden" stellt

eine die Nutzung des Teileigentums einschränkende Zweckbestimmung

mit Vereinbarungscharakter gem. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 1 S. 2, 15

Abs. 1 WEG dar. Bei der Auslegung der Teilungserklärung, die allein

nach objektiven Gesichtspunkten und unabhängig von den Absichten

ihres Verfassers zu erfolgen hat, ist auf ihren Wortlaut und Sinn

abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als

nächstliegende Bedeutung des Erklärten ergibt (vgl. BGH NJW 1993,

1321).

Nächstliegende Bedeutung einer Aufteilung des Eigentums in § 2

der Teilungserklärung "wie folgt" unter der dann folgenden

Auflistung der Miteigentumsanteile sowie des jeweiligen

Sondereigentums entsprechend der Bezeichnung im Aufteilungsplan und

der weiteren Angabe "bestehend aus: Laden..." ist allein, daß die

Bezeichnung "Laden" eine rechtlich verbindliche Zweckbestimmung

darstellt, durch die jedenfalls keine Nutzung zugelassen wird, die

mehr stört oder beeinträchtigt als ein Laden. Dieser Auslegung als

Zweckbestimmung entspricht auch die Vereinbarung in § 4 Abs. 1 der

Teilungserklärung über die Nutzungsrechte der Eigentümer, wonach

das Recht, das Teileigentum "entsprechend dem vorgesehenen Zweck

gewerblich zu nutzen" unberührt bleibt. Der Zweckbestimmung "Laden"

entspricht grundsätzlich nur ein an die allgemeinen

Ladenschlußzeiten gebundenes Geschäft. Hingegen ist die nach den

bindenden Feststellungen des Amts- und Landgerichts vom

Antragsgegner vorgenommene Nutzung als Bistro

vereinbarungswidrig.

Dennoch haben die Antragsteller mit ihrem Unterlassungsbegehren

keinen Erfolg. Denn der Unterlassungsanspruch ist jedenfalls nach

dem derzeitigen Streitstand zur Zeit verwirkt (§ 242 BGB).

Verwirkung setzt voraus, daß seit der Möglichkeit, ein Recht

geltendzumachen, längere Zeit verstrichen ist, und daß besondere

Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts

als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen

(Palandt-Heinrichs, § 242 BGB Rz. 87).

Der Antragsgegner hat das am 15.1.1990 im Wege der

Zwangsversteigerung erworbene Teileigentum unbestritten von Anfang

an als Bistro genutzt und ist erstmals mit Schreiben der

Verwalterin vom 30.8.1993 auf die Rechtswidrigkeit der Nutzung

hingewiesen worden. Dieser Zeitablauf reicht für eine Verwirkung

aus, da durch den Antragstellern zurechenbare Umstände bei der

Zwangsversteigerung für den Antragsgegner ein Vertrauensschutz

dahin begründet worden ist, er dürfe das Teileigentum als Bistro

nutzen:

Das der Versteigerung zugrundeliegende Verkehrswertgutachten

ging nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners davon aus,

daß das Objekt als Bistro genutzt wurde - diese Nutzung bzw. eine

solche als Café mit Nachtkonzession bzw. als Speisegaststätte

erfolgte bereits seit 1979 - und wegen dieser Nutzung für

gastronomische Zwecke einen beachtlichen Verkehrswert habe. Die

konkrete Nutzung als Café/Bistro ist allen Bietern im

Versteigerungstermin vom Gericht bekannt gemacht worden. Das Objekt

wurde als "Café" versteigert. Wenn der im Versteigerungstermin

anwesende Geschäftsführer der damaligen Verwalterin unter diesen

Umständen nicht eindeutig klarstellte, daß die weitere Nutzung nur

entsprechend der Teilungserklärung als Laden erfolgen könne, so

durfte der Antragsgegner spätestens nach einer Nutzungsdauer von

ca. 3 1/2 Jahren darauf vertrauen, daß gegen die weitere Nutzung

als Bistro keine Unterlassungsansprüche wegen Verstoßes gegen die

Teilungserklärung geltend gemacht würden.

Der Geschäftsführer der Verwalterin mag zwar, wie die

Antragsteller in erster Instanz vorgetragen haben (Bl. 38 d.A.),

alle Bietinteressenten auf die zahlreichen in der Gemeinschaft

bestehenden Probleme - auch das hier in Rede stehende - hingewiesen

haben. Daraus ergab sich für den Antragsgegner aber kein Hinweis,

daß das Teileigentum in Zukunft nur entsprechend der

Teilungserklärung genutzt werden dürfe. Hierzu hätte es vielmehr

einer ausdrücklichen, klarstellenden Erklärung bedurft.

Wenn die Antragsteller nunmehr mit der Rechtsbeschwerde eine

solche Erklärung vortragen und durch Zeugnis des Geschäftsführers

ihrer damaligen Verwalterin unter Beweis stellen, so darf der Senat

diesen Vortrag nicht mehr verwerten, denn dieses tatsächliche

Vorbringen ist neu. Die Antragsteller hatten in den

Tatsacheninstanzen gerade nicht dargetan, der Geschäftsführer der

Verwalterin habe anläßlich der Bietstunde darauf hingewiesen, daß

man künftig auf einer Nutzung als Verkaufsgeschäft bestehen werde.

Das Landgericht hatte auch keine Veranlassung, den Sachverhalt

insoweit von Amts wegen weiter aufzuklären. Denn es konnte erwartet

werden, daß die anwaltlich vertretenen Antragsteller von sich aus

erschöpfend auf den Vortrag des Antragsgegners zu den Umständen der

Zwangsversteigerung erwidert hatten.

Die Antragsteller müssen sich das Verhalten ihrer früheren

Verwalterin im Zwangsversteigerungstermin zurechnen lassen, denn

der Geschäftsführer hat an dem Termin offensichtlich im Auftrag und

in Vollmacht der Wohnungseigentümer teilgenommen, so daß der

Antragsgegner seine Äußerungen als Willensbekundungen der

Eigentümergemeinschaft verstehen durfte.

Es mag dahinstehen, ob nicht bereits infolge des Verhaltens des

Geschäftsführers der damaligen Verwalterin ein Vertrauenstatbestand

geschaffen worden ist, der die Antragsteller aus dem Gesichtspunkt

des widersprüchlichen Verhaltens an der Geltendmachung ihres

Unterlassungsanspruchs hindert. Denn jedenfalls ist der

Antragsgegner im Hinblick auf dieses Verhalten in Verbindung mit

dem Zeitablauf von ca. 3 1/2 Jahren schutzwürdig. Er durfte von

einer weiteren Duldung der vereinbarungswidrigen Nutzung

ausgehen.

Es muß allerdings klargestellt werden, daß es den Antragstellern

nicht unter allen Umständen auf alle Zeit verwehrt ist, eine

Unterlassung der vereinbarungswidrigen Nutzung zu verlangen. Der

Vertrauensschutz zugunsten des Antragsgegners geht nur dahin, daß

er bei gleichbleibenden Umständen die bisherige Nutzung im

bisherigen Umfang fortsetzen kann. Eine Änderung des Betriebes oder

ein Verkauf der Gaststätte könnten zu einer Veränderung der

Umstände führen.

Die sofortige weitere Beschwerde war daher als derzeit

unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 47 WEG. Die Antragsteller

haben die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen,

da sie unterlegen sind. Hingegen bestand kein Anlaß, von dem im

Wohnungseigentumsverfahren geltenden Grundsatz abzuweichen, daß die

Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst

tragen.

Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren: 50.000,--

DM