OLG Köln, Urteil vom 18.06.1993 - 19 U 215/92
Fundstelle
openJur 2012, 73849
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 14.10.1992 - 14 O 18/91 - wird zurückgewiesen. Die Widerklage des Beklagten wird abgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung ist zulässig.

Soweit der Beklagte mit der Berufung Widerklage auf Zahlung des

restlichen Vertragsentgelts erhoben hat, war die Widerklage gemäß

§ 530 I ZPO als sachdienlich zuzulassen, weil über sie aufgrund des

bisherigen Streitstoffes ohne weitere Verzö-gerung des

Rechtsstreits mitentschieden werden konnte.

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht

Bonn den Beklagten zur Rückzahlung des zu einem Drittel geleisteten

Entgelts aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag Zug

um Zug gegen Rückübereignung der vom Beklagten gelieferten Teile

und Löschung der auf der Anlage der Klägerin kopierten Programme

verurteilt.

Die Klägerin hat gemäß §§ 346, 327 BGB den geltendgemachten

Anspruch gegen den Beklagten, weil sie durch Schreiben vom

20.12.1990 wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist. Ihr

Rücktrittsrecht ergibt sich aus § 326 I BGB. Denn der Beklagte hat

trotz der ihm im Schreiben vom 02.11.1990 zur vollständigen

Vertragserfüllung gesetzten Fristen keine Anstalten gemacht, die

verbleibenden Vertragspflichten, die den für die Klägerin

ausschlaggebenden Teil der Gegenleistung ausmachten, zu

erfüllen.

Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei der überlassenen

Software um Standard-Software handelte. Jedenfalls hat der Beklagte

sich vertraglich zu 80-Mann-Stunden "Programm-Modifikation"

verpflichtet, worunter nach dem Sprachgebrauch Abwandlungen oder

Abänderungen zu verstehen sind, die sich nach verständiger

Würdigung der Vereinbarungen zwischen den Parteien nur auf die

Anpassung des Programms auf die individuellen betrieblichen

Verhältnisse der Klägerin bezogen haben können. Der Beklagte selbst

räumt ein, das Gegenstand der Vereinbarung auch die Erstellung von

Konvertierungsprogrammen für die vorhandenen Datenbestände der

Klägerin war und diese Daten später auf die erweiterte Anlage der

Klägerin eingespeist werden sollten. Nach den Geamtumständen war

demgemäß seitens des Beklagten mehr geschuldet als lediglich eine

Software-Lizenz.

Auf Grund der getroffenen Vereinbarungen mußte der Beklagte der

Klägerin ein aus 4 Programmteilen bestehendes Softwarepaket

liefern und installieren.

Dabei stand aufgrund der mündlichen Vertragsverhandlungen als

Anforderungsprofil der Klägerin fest, daß sie den Standard ihrer

alten Anlage insbesondere um ein Personalzeitabrechungsprogramm

erweitert haben wollte.

Soweit der Beklagte rügt, die Klägerin habe bisher nicht

angegeben, welche Anpassungen sie eigentlich verlange und die

Klägerin habe kein Pflichtenheft erstellt, entlastet ihn dies

nicht.

Zwar obliegen dem Anwender gewichtige Pflichten, denn er muß

seine Wünsche und Vorstellungen dem Anbieter deutlich machen.

Deshalb ist es Pflicht des Anwenders, ein sog. Pflichtenheft zu

erstellen. Die Erstellung eines Pflichtenheftes liegt aber nicht

einseitig beim Anwender. OLG Stuttgart, CR 1989, 598, sieht den

Anbieter als verpflichtet an, das Pflichtenheft zu erstellen. Auch

der Anbieter muß daran mitwirken. Er muß z. B. von sich aus die

innerbetrieblichen Bedürfnisse ermitteln, darauf drängen, daß der

Anwender sie in einem Pflichtenheft niederlegt, für ihn erkennbare

Unklarheiten und Bedürfnisse aufklären, bei der Formulierung der

Aufgabenstellung mitwirken und einen Organisationsvorschlag zur

Problemlösung unterbreiten, OLG Köln, VersR 1991, 106 ff. (107):

Pflicht des Anbieters, auf Grund der vom Anwender ermittelten Zahl

der Daten (Kunden, Artikel, Geschäftsvorfälle) den Speicherbedarf

der Anlage zu ermitteln; Schmidt, Beratungsleistungen und

Mitwirkungspflichten, CR 1992, 709 f. (710). All das folgt aus dem

Know-How des Anbieters und seiner im Regelfall umfangreicheren

Erfahrung im Software- und EDV-Bereich, OLG Stuttgart, CR 1989, 598

(600). Versäumt der Anbieter diese Pflicht, kann er dem Anwender

nicht vorwerfen, daß dieser die rechtzeitige Vertragserfüllung

vereitelt hat. Solange der Anbieter keine konkreten Forderungen

stellt und solange er nicht genau sagt, aus welchem beim Anwender

liegenden Grund er an der Vertragserfüllung gehindert ist, ist der

Anwender nicht in der Lage, von sich aus die Erfüllung des

Vertrages voranzutreiben.

Wie der Beklagte in der Berufungsbegründung vorträgt, war es

für die Erfüllung des Vertrages von entscheidender Bedeutung, die

bisher bei der Klägerin vorhandenen Daten in die Software des

Beklagten zu überspielen.

Hierzu hätte es der konkreten Anforderung der nach seiner

Auffassung wesentlichen Datenbestände der Klägerin sowie

gegebenenfalls eines eingehenden Fragenkatalogs bedurft.

Keinesfalls konnte der Beklagte sich auf den Standpunkt stellen,

die Datenbestände der Klägerin nicht zu kennen, und untätigg

bleiben. Vielmehr wäre es seine Aufgabe gewesen, das Datenmaterial

durch konkrete Nachforschungen zu ermitteln, nötigenfalls zu

sichten, gegebenenfalls erforderliche Aktualisierung anzuregen und

auf eine zügige Vertragserfüllung selbst hinzuwirken. Dies

spätestens nach dem Schreiben der Klägerin vom 02.11.1990. Zu Recht

ist das Landgericht Bonn davon ausgegangen, daß die Klä-gerin

spätestens in diesem Schreiben die Leistung abgerufen hat. Dem kann

der Beklagte nicht entgegenhalten, das wäre technisch gar nicht in

der Kürze der Zeit möglich gewesen. Denn er hätte zumindest alles

daran setzen müssen, die noch erforderlichen Mitwirkungshandlungen

der Klägerin abzuverlangen, um in ihrem Sinne zum Abschluß zu

kommen.

Der Beklagte hatte auch kein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der

Begleichung der Rechnung für den G.-Terminal. Der

Auftragsbestätigung ist ein Fälligkeitszeitpunkt nicht

ausdrücklich zu entnehmen. Nach der Verkehrssitte ist die Zahlung

bestellter Ware nach Lieferung und Rechnungserhalt fällig. Gründe,

warum das im vorliegenden Fall anders sein sollte, sind nicht

ersichtlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, daß

die Klägerin insoweit vorleistungspflichtig sein sollte und ihr

gegenüber erst eine Verrechnung bei der Schlußzahlung erfolgen

sollte.

Gegen eine solche Vereinbarung spricht schon der Text der

Auftragsbestätigung, in dem die drei Fälligkeitszeitpunkte für die

Zahlungen der Klägerin im einzelnen aufgeführt sind, ohne daß

hinsichtlich des G.-Terminals ein Kosteneinbehalt bei der

Schlußzahlung vereinbart wäre. Auch der Umstand, daß eine

Installation des der Klägerin so wichtigen Zeiterfassungsprogramms

erst nach Anschluß des Terminals möglich war und die zweite Rate

der Klä-gerin erst bei Installation aller Programme fällig wurde,

bestätigt, daß das Gerät sofort nach Lieferung von dem Beklagten

bezahlt werden sollte.

Da die Klägerin wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist, steht

dem Beklagten der mit der Widerklage geltendgemachte weitere

Erfüllungsanspruch nicht zu, der in Höhe der Kosten für den

G.-Terminal schon nach dem eigenen Vortrag des Beklagten

unschlüssig war.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 713

ZPO.

Gegenstandswert der Berufung und Beschwer für den Beklagten

57.500,00 DM