BGH, Urteil vom 22.09.2003 - II ZR 74/01
Fundstelle
openJur 2012, 71153
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 22. Februar 2001 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Kiel vom 10. Juni 1999 wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 24. August 2000 zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsund des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Beklagte war mit einem Geschäftsanteil von 35.000,00 DM Gesellschafter und bis zum 7. März 1996 Geschäftsführer der klagenden GmbH. Sein Mitgesellschafter hatte mit notariellem Vertrag vom 22. September 1995 seinen Geschäftsanteil von 15.000,00 DM an die Klägerin abgetreten. Durch notariellen Vertrag vom 24. Mai 1996 veräußerte der Beklagte mit der Erklärung, daß er sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin in Höhe von 50.000,00 DM innehabe, diese Anteile zum Kaufpreis von 264.000,00 DM an eine GmbH & Co. KG, vertreten durch den Steuerberater K.. Dieser und ein weiterer Gesellschafter der Erwerberin waren damals zugleich Liquidatoren der Klägerin. Nach Aufhebung des Liquidationsbeschlusses genehmigte die Klägerin am 10. November 1997, vertreten durch ihren nunmehrigen Geschäftsführer K., zu notarieller Urkunde die Veräußerung ihrer eigenen Geschäftsanteile durch den Beklagten.

Mit der Klage begehrt sie von dem Beklagten aus § 816 Abs. 1 BGB Herausgabe eines auf die Verfügung des Beklagten über ihren eigenen Geschäftsanteil entfallenden Kaufpreisanteils von 79.200,00 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin entsprochen. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.

Gründe

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe mit der Anteilsveräußerung vom 24. Mai 1996 als Nichtberechtigter i.S. von § 816 Abs. 1 BGB über die eigenen Geschäftsanteile der Klägerin verfügt und schulde ihr daher nach Genehmigung der Verfügung durch sie Herausgabe eines entsprechenden Anteils des Veräußerungserlöses, der nach Urkundenlage -entgegen der Ansicht des Landgerichts -für sämtliche und nicht nur für die von dem Beklagten gehaltenen Geschäftsanteile gezahlt worden sei. Daß den mit den Liquidatoren der Klägerin identischen Organvertretern der Erwerberin die wahren Beteiligungsverhältnisse bekannt gewesen seien, ändere daran nichts.

II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Schon im Ansatz verfehlt ist die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe als Nichtberechtigter i.S. von § 816 Abs. 1 BGB über die eigenen Anteile der Klägerin verfügt.

1. Die Klägerin war zwar formal Rechtsinhaberin ihrer eigenen Anteile (§ 33 GmbHG). Für den Begriff des "Nichtberechtigten" i.S. von §§ 185, 816 BGB kommt es jedoch nicht auf die Rechtsinhaberschaft, sondern auf die Verfügungsbefugnis an. Wer mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht des Rechtsinhabers abgeleiteten Einwilligung desselben handelt, ist kein Nichtberechtigter (vgl. Schramm in MünchKomm.BGB, 4. Aufl. § 185 Rdn. 23, 31 f.).

Der Beklagte war zur Zeit der Anteilsveräußerung alleiniger Gesellschafter der Klägerin, weil eine GmbH auch bei Innehabung eigener Anteile nicht Gesellschafterin ihrer selbst sein kann. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der übereinstimmende Wille der Gesellschafter einer GmbH sowie insbesondere derjenige ihres Alleingesellschafters mit ihrem Willen identisch (vgl. BGHZ 119, 257, 259; 122, 333, 336; 142, 92, 95; Urt. v. 7. April 2003 -II ZR 193/02, ZIP 2003, 945 f.). Aufgrund entsprechender Erwägungen hat der Senat in BGHZ 119, 257 entschieden, daß in der Überlassung eines Gegenstandes des Gesellschaftsvermögens an ein anderes Unternehmen durch den wirtschaftlichen Alleingesellschafter einer GmbH ungeachtet seiner fehlenden Vertretungsmacht keine unberechtigte, angemaßte Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) zu sehen sei, weil er ohne weiteres in der Lage sei, den Geschäftsführer zur Gestattung der betreffenden Transaktion anzuweisen (§ 46 Nr. 6 GmbHG). Für die Haftung des Alleingesellschafters gegenüber der Gesellschaft könne es keinen Unterschied machen, ob er das Geschäft, dessen Vornahme er jederzeit bindend für den Geschäftsführer hätte veranlassen können, selbst ausführte oder dem Geschäftsführer entsprechende Weisungen erteilte. Die Annahme, er habe dabei ohne den Willen der Gesellschaft gehandelt, liefe letztlich auf die Unterstellung hinaus, er habe seinem eigenen Willen zuwidergehandelt (Senat aaO, S. 260).

2. Im vorliegenden Fall gilt auch im Hinblick auf § 816 Abs. 1 BGB nichts anderes. Die Klägerin konnte hinsichtlich der Veräußerung der von ihr gehaltenen Geschäftsanteile im Innenverhältnis zu dem Beklagten keinen von ihm abweichenden Willen haben. Dabei kann dahinstehen, ob die Veräußerung von eigenen Geschäftsanteilen einer GmbH in die Vertretungskompetenz des Geschäftsleiters fällt (so Roth/Altmeppen, GmbHG 4. Aufl. § 34 Rdn. 46) oder es dazu (zusätzlich) eines Gesellschafterbeschlusses bedarf (so Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 33 Rdn. 15; Scholz/Westermann, GmbHG 9. Aufl. § 33 Rdn. 38). Jedenfalls wäre der Beklagte aufgrund seiner Weisungsbefugnis gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG, der gemäß § 69 GmbHG auch gegenüber Liquidatoren gilt (vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 69 Rdn. 18), ohne weiteres in der Lage gewesen, die damaligen Liquidatoren bindend anzuweisen, ihn zu der Veräußerung der eigenen Geschäftsanteile der Klägerin im eigenen Namen formell zu ermächtigen, ohne daß dadurch irgendwelche Ersatzansprüche der Klägerin gegenüber ihm erwachsen wären. Dies zeigt, daß er mit der Veräußerung nicht unberechtigt in ein fremdes Verfügungsrecht (der Klägerin) eingegriffen hat, wie dies § 816 Abs. 1 BGB sinngemäß voraussetzt.

III. Die Kosten seiner zweitinstanzlichen Säumnis hat der Beklagte nicht gemäß § 344 ZPO zu tragen, weil das trotz Unschlüssigkeit der Klage gegen ihn erlassene Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist (§ 344 i.V.m. § 331 Abs. 2, Halbs. 2 ZPO; vgl. RGZ 115, 310; Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. § 344 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 5).

Röhricht Goette Kraemer Graf Strohn