VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2000 - 9 S 2236/00
Fundstelle
openJur 2013, 11438
  • Rkr:

1. Die vertragschließenden Staaten der Reifezeugnis-Konvention haben sich vorbehalten, die Bestimmungen der Konvention auf die jeweils eigenen Staatsangehörigen nicht anzuwenden. Baden-Württemberg hat von diesem Vorbehalt für seinen Bereich Gebrauch gemacht. Die darin liegende Schlechterstellung Deutscher ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

2. Die Bewertungsvorschläge der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen im Sekretariat der Kultusministerkonferenz binden Behörden und Gerichte bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit ausländischer Bildungsabschlüsse im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens.

Gründe

Der Senat kann über die Beschwerde entscheiden, obwohl er sie soeben erst zugelassen hat. Der Antragsteller bittet um eine möglichst baldige Entscheidung, und die Beteiligten haben Gelegenheit gehabt, sich zur Sache selbst schon während des Zulassungsverfahrens zu äußern (vgl. Senat, Beschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, ZLR 1997, 670 (672)).

Die Beschwerde bleibt jedoch ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis mit Recht abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufzugeben, die vom Antragsteller in Norwegen erworbene schulische Vorbildung - und sei es vorläufig - als dem baden-württembergischen Abitur gleichwertig anzuerkennen. Allein mit der Vorlage des Zeugnisses über den erfolgreichen Abschluss der dreijährigen norwegischen weiterführenden Schule, die dem Antragsteller die Studienberechtigung in Norwegen vermittelt ("Vitnemal videregaende opplaering"), ohne zusätzliche nachprüfbare Angaben über seinen vorangehenden Schulbesuch hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf diese Anerkennung zu haben.

1. Der Antragsteller möchte in Baden-Württemberg studieren. Hierzu benötigt er den Nachweis der Hochschulreife (§ 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Hochschulrahmengesetz - HRG -, § 85 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Sätze 1 und 2 Universitätsgesetz - UG). Nach den Bestimmungen des Schulgesetzes hat er die Hochschulreife nicht erworben (§ 85 Abs. 5 Satz 3 UG); er hat kein Abitur in Baden-Württemberg abgelegt. Vielmehr beruft er sich auf seinen norwegischen Schulabschluss. Der Erwerb der Hochschulreife auf diesem Wege setzt voraus, dass diese ausländische Vorbildung vom Kultusministerium - bzw. vom Oberschulamt Stuttgart, an das dieses seine Zuständigkeit delegiert hat (VwV vom 09.12.1991, K.u.U. 1992 S. 4; vgl. § 5 Abs. 3 LVG) - als gleichwertig anerkannt wird (§ 85 Abs. 5 Satz 4 UG).

Der Antragsteller hat nach dem Gesetz einen Anspruch auf Anerkennung, wenn seine ausländische Vorbildung der nach dem Schulgesetz erwerbbaren Hochschulreife "gleichwertig" ist. Ein Ermessen ist der Behörde nicht eingeräumt. Der Gesetzgeber hat den Begriff der "Gleichwertigkeit" nicht näher umschrieben. Auch § 85 Abs. 5 Sätze 5 und 6 UG enthalten eine solche nähere Umschreibung nicht; diese Bestimmungen betreffen lediglich Zuständigkeiten und Verfahren der Anerkennung. Der Begriff der Gleichwertigkeit ist aber ungeachtet seiner Knappheit durchaus bestimmbar. Er wurde durch die Rechtsprechung auch bereits hinreichend bestimmt; insofern ist die zur Anerkennung ausländischer Hochschulabschlüsse für die Berufszulassung etwa als Arzt ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung hierher übertragbar. Hiernach setzt die Gleichwertigkeit voraus, dass (1) die ausländische Schulbildung erfolgreich abgeschlossen wurde, dass sie (2) im Herkunftsland den Zugang zum Studium - allgemein oder doch fachgebunden - eröffnet und dass sie (3) nach den Bildungsgegenständen als auch nach der Wirksamkeit ihrer Vermittlung und insofern nach der Schuldauer, der Didaktik und der Art der Leistungskontrolle der baden-württembergischen Schulbildung, welche die Hochschulreife nach dem Schulgesetz vermittelt, auch materiell gleichwertig ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 18.02.1993 - 3 C 64.90 -, BVerwGE 92, 88; Beschluss vom 17.03.1993 - 3 B 128/92 -, NJW 1993, 3007; Urt. vom 27.04.1995 - 3 C 23.93 -, BVerwGE 98, 180; Urt. vom 29.08.1996 - 3 C 19.95 -, BVerwGE 102, 44).

2. Der Antragsteller meint, die Gleichwertigkeit seiner Vorbildung sei - ohne besondere Prüfung der materiellen Gleichwertigkeit - allein deshalb zu bejahen, weil er die norwegische dreijährige weiterführende Schule mit Erfolg abgeschlossen und hierdurch die allgemeine Studienberechtigung in Norwegen erworben habe. Hierfür beruft er sich auf die Europäische Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse - Reifezeugnis-Konvention (GRK) - vom 11.12.1953 (BGBl 1955 II S. 599). Damit dringt er jedoch nicht durch.

a) Diese Konvention ist sowohl für die Bundesrepublik Deutschland als auch für Norwegen in Kraft getreten. Der Bundesgesetzgeber hat auch sowohl ihr als auch dem Zusatzprotokoll vom 03.06.1964 zugestimmt (vgl. Gesetz vom 09.02.1971, BGBl II S. 17). Damit gilt sie grundsätzlich mit Vorrang vor baden-württembergischem Landesrecht (Art. 31 GG). Nach Art. 1 Ziff. 1 GRK erkennt jeder Vertragschließende für die Zulassung zu den in seinem Gebiet gelegenen Universitäten, falls diese Zulassung der staatlichen Kontrolle unterliegt, die Gleichwertigkeit der im Gebiet jedes anderen Vertragschließenden erteilten Zeugnisse an, deren Besitz für ihre Inhaber die Voraussetzung für die Zulassung zu den entsprechenden Anstalten des Landes, in dem diese Zeugnisse erteilt wurden, bildet. So weit die Konvention reicht, steht damit auch für die Anwendung von § 85 Abs. 5 Satz 4 UG die Gleichwertigkeit eines in Norwegen erteilten Zeugnisses fest, das - wie das vorliegende "Vitnemal videregaende opplaering"- die allgemeine Studienberechtigung attestiert ("og har appnad generell studiekompetanse"), ohne dass es noch auf eine Prüfung der materiellen Gleichwertigkeit ankäme.

Das gilt jedoch nicht für deutsche Staatsangehörige wie den Antragsteller. Nach Art. 1 Ziff. 3 GRK behält sich jeder Vertragschließende vor, die Bestimmungen der Ziffer 1 auf seine eigenen Staatsangehörigen nicht anzuwenden. Gerade vermöge dieses Vorbehalts, der in der Bundesrepublik Deutschland zugleich die Länderhoheit im Bereich des Schulwesens schützt, ist das deutsche Zustimmungsgesetz frei von verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 13.09.1978 - I W 1584/78 -, KMK-HSchR 1979, S. 167). Der Vorbehalt enthält eine echte Vertragsabrede, die es den Vertragschließenden überlässt, für die jeweils eigenen Staatsangehörigen eine von den Bestimmungen des Art. 1 Nr. 1 GRK abweichende Regelung vorzusehen (ebenso Hess. VGH, Beschluss vom 10.03.1982 - VI TG 15/82 -, KMK-HSchR 1983, S. 9 (15)). In Deutschland obliegt die Befugnis, von dem Vorbehalt Gebrauch zu machen, den Ländern. Der Senat stimmt dem Verwaltungsgericht darin zu, dass der baden-württembergische Gesetzgeber in § 85 Abs. 5 Sätze 4-6 UG von dem Vorbehalt Gebrauch gemacht hat. Zwar unterscheidet das Gesetz nicht ausdrücklich zwischen deutschen und ausländischen Studienbewerbern mit ausländischen Bildungsnachweisen (vgl. demgegenüber zur Rechtslage etwa in Hessen: Hess. VGH, Beschluss vom 10.03.1982 a.a.O.; VG Frankfurt, Beschluss vom 07.08.1986 - V/1 G 1631/86 -, KMK-HSchR 1987, S. 1045). Es trifft jedoch in § 85 Abs. 5 Satz 4 UG eine generelle Regelung, der gegenüber die Privilegierung ausländischer europäischer Reifezeugnisse die Ausnahme darstellt und daher nach allgemeinen Regeln eng zu interpretieren ist. Aus § 85 Abs. 5 Satz 5 UG ergibt sich, dass die Regelung des Satzes 4 die Feststellung (auch) der materiellen Gleichwertigkeit im Auge hat. Nur so lässt sich die dortige Ermächtigung an das Kultusministerium verstehen, bei der Regelung des Anerkennungsverfahrens auch eine Prüfung vorzusehen. Und die Gesetzesbegründung zeigt, dass der Gesetzgeber gerade bei deutschen Studienbewerbern mit ausländischen Bildungsnachweisen die Anerkennung von einer Feststellung auch der materiellen Gleichwertigkeit abhängig machen wollte. § 85 Abs. 5 Satz 5 UG wurde nämlich durch Gesetz vom 08.12.1981 (GBl S. 582) zu dem Zweck eingefügt, hierzu die nötige gesetzliche Grundlage zu schaffen (LT-Drucks. 8/1675, S. 10). Damit wollte sich der Gesetzgeber den Empfehlungen der Kulturminister-Konferenz anschließen. Diese aber haben im Beschluss vom 1./2.10.1951, neu gefasst am 28./29.09.1961, "festgestellt, dass die Anerkennung ausländischer Reifezeugnisse nach der Europäischen Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse ... sich nur auf die Zulassung fremder Staatsangehöriger zum Studium ... bezieht" (Sammlung der Beschlüsse der KMK, Nr. 280; vgl. zur älteren Rechtslage in Bayern - im Ergebnis wie hier - VG Ansbach, Urt. vom 29.07.1986 - 2 K 85 A 981 -, KMK-HSchR 1987, S. 1037; für das Saarland und für Schleswig-Holstein offenbar a.A. OVG Saarland, Beschluss vom 13.09.1978 a.a.O.; VG Schleswig, Urt. vom 11.05.1988 -9 A 13/88 (90) -, KMK-HSchR 1988, S. 950).

b) Die Verschiedenbehandlung von deutschen und ausländischen Staatsangehörigen ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Der baden-württembergische Gesetzgeber war nicht verpflichtet, auch deutsche Staatsangehörige in den Genuss der Privilegierung aus der Konvention gelangen zu lassen. Das ergibt sich weder aus deutschem Verfassungsrecht noch aus Europarecht.

Aus Art. 12 Abs. 1 GG ergibt sich dies ohnehin nicht: Darf der Gesetzgeber den Zugang zum Studium bei deutscher Schulbildung vom Abitur abhängig machen, so darf er für Bewerber mit ausländischer Schulbildung eine gleichwertige Qualifikation verlangen. Aber auch der Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG steht einer Verschiedenbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nicht entgegen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine Gleichbehandlung nur, wenn für eine Verschiedenbehandlung von Deutschen und Ausländern kein sachlich einleuchtender Grund besteht. Ein solcher Grund besteht jedoch. Die Konvention will das Studium im Ausland erleichtern (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 29.12.1988 - Bs III 236/88 -, InfAuslR 1989, S. 192 (193)), aber nicht den Schulbesuch im Ausland. Darum sichert der Vorbehalt des Art. 1 Ziff. 3 GRK jedem Vertragsstaat die Befugnis, den Zugang seiner eigenen Staatsangehörigen zu seinen Hochschulen selbst zu regeln, dabei als Regel den Schulbesuch im eigenen Land vorzusehen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um einem "Ausweichen" über einen Schulbesuch im Ausland - soweit als nötig erachtet - entgegen zu wirken (wie hier VG Frankfurt, Beschluss vom 07.08.1986 a.a.O.; OVG Hamburg, Beschluss vom 29.12.1988 a.a.O. (S. 194f.); offenbar a.A. BayVGH, Beschluss vom 06.03.1990 - 7 CE 89.3708 -, NVwZ-RR 1990, S. 481 (483) = KMK-HSchR, n.F. 11A Nr. 1).

Auch Europarecht gebietet nicht, Deutsche mit Ausländern gleich zu stellen. Das könnte ohnehin nur im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten, zu denen Norwegen nicht gehört. Allerdings hat das Verwaltungsgericht erwogen, das Diskriminierungsverbot in Art. 4 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) vom 02.05.1992 (BGBl 1993 II S. 267, 1294), zu dessen Vertragsparteien auch Norwegen gehört, so aufzufassen wie das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV. Ob dem zu folgen ist, mag dahin stehen. Selbst dann wäre lediglich eine Handhabung von § 85 Abs. 5 Satz 4 UG geboten, welche eine Schlechterstellung ausländischer Unionsbürger gegenüber deutschen vermeidet. Art. 12 EG steht aber nationalem Recht nicht entgegen, das umgekehrt zu einer Schlechterstellung von Inländern führt (sog. Inländerdiskriminierung; vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 29.12.1988 a.a.O. (S. 195)). Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV nur im Anwendungsbereich des EG-Vertrages gilt, dass aber die Reifezeugnis-Konvention kein Bestandteil des primären oder sekundären Europarechts, sondern eine völkerrechtliche Vereinbarung zwischen den Mitgliedern des Europarates ist. Damit gebietet Art. 12 EGV lediglich die Gleichstellung von ausländischen Unionsbürgern mit Deutschen, aber nicht die Teilhabe von deutschen oder nichtdeutschen Unionsbürgern an Privilegien, die durch anderes als Europarecht Staatsangehörigen dritter Staaten eingeräumt sind.

c) Offen bleiben kann, wie § 85 Abs. 5 Satz 4 UG im Hinblick auf die Konvention vom 11.12.1953 und auf das Zusatzprotokoll vom 03.06.1964 bei solchen deutschen Staatsangehörigen auszulegen ist, die zugleich Angehörige des Staates der auswärtigen Schule sind, insbesondere ob solchen Doppelstaatern jedenfalls dann nicht der Vorbehalt des Art. 1 Ziff. 3 GRK entgegen gehalten werden darf, wenn allein ihre ausländische Staatsangehörigkeit als effektive Staatsangehörigkeit anzusehen ist (vgl. hierzu VG Frankfurt, Beschluss vom 07.08.1986 a.a.O.; OVG Hamburg, Beschluss vom 29.12.1988, a.a.O.). Denn der Antragsteller ist nicht zugleich norwegischer Staatsangehöriger. Dass er - neben der deutschen - nach seinen Angaben auch die dänische Staatsangehörigkeit besitzt, ist insofern gleichgültig. Ein Zurücktreten des Vorbehalts aus Art. 1 Ziff. 3 GRK kommt nur bei solchen Doppelstaatern in Betracht, die nicht nur deutsche, sondern zugleich Angehörige des Staates der auswärtigen Schule sind, nicht aber bei solchen, die zugleich Angehörige eines dritten Staates sind. Voraussetzung für ein solches Zurücktreten wäre, dass Baden-Württemberg andernfalls die völkerrechtlichen Pflichten, die Deutschland aus dieser Konvention einem der anderen vertragschließenden Staaten gegenüber treffen, verletzen würde. Es kann aber weder angenommen werden, dass Norwegen einen Absolventen seiner Schulen, der nicht Norweger ist, stärker schützen wollte, wenn er Däne, als wenn er Deutscher ist, noch besteht für Dänemark ein Anlass, für die Anerkennung eines norwegischen Zeugnisses in Deutschland zu sorgen.

Schließlich ist der Umstand, dass der Antragsteller zugleich dänischer Staatsangehöriger ist, auch europarechtlich gleichgültig. Eine Diskriminierung wegen seiner dänischen Staatsangehörigkeit steht von vornherein nicht in Rede.

3. Kann der Antragsteller vom Antragsgegner nach allem nicht verlangen, die Gleichwertigkeit seines norwegischen Bildungsnachweises ohne Feststellung auch der materiellen Gleichwertigkeit anzuerkennen, so hat er doch diese materielle Gleichwertigkeit - bislang - nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).

a) Allerdings bedürfen die diesbezüglichen Erwägungen des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts einer gewissen Richtigstellung.

Der Antragsteller hat ein "Vitnemal videregaende opplaering"(Zeugnis der weiterführenden Schule) vorgelegt, das den erfolgreichen Besuch der dreijährigen weiterführenden Schule und das Erreichen der allgemeinen Studienberechtigung in Norwegen nachweist und dabei die allgemeinen Mindestvoraussetzungen für die allgemeine Studienberechtigung sowie die fachspezifischen Voraussetzungen für ein technisches Studium bescheinigt. Für den Regelfall ist damit eine dem baden-württembergischen Abitur gleichwertige schulische Vorbildung dargetan. Das ergibt sich aus den Grundsätzen der Kultusministerkonferenz für den Hochschulzugang von Studienbewerbern mit deutscher Staatsangehörigkeit und ausländischen Bildungsnachweisen vom 26.01.1996 (Sammlung der KMK-Beschlüsse Nr. 290). Nach Ziff. I.2. dieser Grundsätze sind für die Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise, welche den Studienzugang im Ausstellungsland eröffnen, als der deutschen Hochschulreife gleichwertig die "Bewertungsvorschläge" der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen im Sekretariat der Kultusministerkonferenz zugrunde zu legen, und nach Ziff. III. der Grundsätze werden deutsche Inhaber ausländischer Bildungsnachweise von einer zusätzlichen Anerkennungsprüfung befreit, wenn mit den Bildungsnachweisen gemäß den "Bewertungsvorschlägen" der direkte Hochschulzugang verbunden ist. So aber liegt es hier: Nach den "Bewertungsvorschlägen" der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (Stand Mai 1997) ist das norwegische "Vitnemal videregaende opplaering"mit dem Inhalt des vom Antragsteller vorgelegten Zeugnisses als Zeugnis zur Bewerbung für alle Fächer anzusehen, und zwar - da die allgemeinen und die fachspezifischen Mindestvoraussetzungen für das vom Antragsteller erwünschte technische Studium erfüllt sind - im Sinne eines direkten Hochschulzugangs.

Das Verwaltungsgericht hat gemeint, die "Grundsätze" im Beschluss der Kultusministerkonferenz sowie die dort in Bezug genommenen "Bewertungsvorschläge" ihrer Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen seien für den Antragsgegner - ungeachtet einer erheblichen indiziellen Bedeutung - nicht verbindlich, weshalb es diesem unbenommen bleibe, die Gleichwertigkeit des norwegischen Zeugnisses des Antragstellers eigenständig zu beurteilen. Dem vermag sich der Senat in dieser Allgemeinheit nicht anzuschließen. Richtig ist allerdings, dass die "Grundsätze" keine unmittelbar gültigen Rechtsnormen darstellen. Darauf kommt es aber auch nicht an. Im vorliegenden Zusammenhang sind nicht die Rechtsnormen von Belang, welche die Kultusministerkonferenz empfiehlt, sondern die in den "Grundsätzen" und den "Bewertungsvorschlägen" enthaltenen tatsächlichen Feststellungen und Wertungen. Die Beurteilung der Gleichwertigkeit ausländischer Bildungsabschlüsse erfordert nämlich eine genaue Kenntnis sowohl des deutschen als auch des in Rede stehenden ausländischen Bildungswesens und setzt damit in aller Regel im behördlichen wie im gerichtlichen Verfahren eine sachverständige Begutachtung voraus. Diese Begutachtung wird in allgemeiner Form - und damit losgelöst vom jeweiligen Einzelfall - in den "Grundsätzen" und vor allem in den "Bewertungsvorschlägen" vorweggenommen. Sie "binden" damit als sogenanntes "antizipiertes Sachverständigengutachten" in dem Sinne, dass sich die Behörde oder das Gericht über sie nur hinwegsetzen können, wenn sie entweder als methodisch zweifelhaft oder sachlich überholt widerlegt werden oder aber wenn im jeweiligen Einzelfall Besonderheiten auftreten, die von ihnen erkennbar nicht bedacht worden sind (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl. 2000, Rdnr. 58 zu § 114 VwGO m.w.N.).

b) Der Antragsgegner ist aber im Ergebnis mit Recht davon ausgegangen, dass im Fall des Antragstellers Besonderheiten vorliegen, die von den "Bewertungsvorschlägen" erkennbar nicht erfasst sind.

Keine derartige Besonderheit des Einzelfalls stellt es allerdings dar, dass der norwegische Schulabschluss im Regelfall nur einen insgesamt zwölfjährigen Schulbesuch voraussetzt, während das baden-württembergische Abitur regelmäßig erst nach dreizehn Schuljahren abgelegt werden kann. Diese Differenz besteht generell zwischen den zu vergleichenden Bildungssystemen; sie war der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen bei der Erstellung ihrer "Bewertungsvorschläge" bekannt und wurde von ihr in Rechnung gestellt. Im Übrigen hat der baden-württembergische Gesetzgeber selbst Schritte eingeleitet, um den Zugang zum Abitur auch nach nur zwölf Schuljahren zu eröffnen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchulG i.d.F. vom 08.11.1999, GBl S. 429, § 8 Abs. 5 SchulG i.d.F. vom 25.07.2000, GBl S. 533).

Grundsätzlich ebenso wenig stellt es eine Besonderheit des Einzelfalles dar, dass der Antragsteller nicht seine gesamte Schulbildung an norwegischen Schulen erworben, sondern zunächst neun oder auch nur acht Jahre lang deutsche Schulen besucht hat. Das norwegische "Vitnemal videregaende opplaering"bescheinigt den erfolgreichen Besuch der dreijährigen norwegischen Oberschule; diese hat der Antragsteller vollständig durchlaufen. Damit kann aber nachträglich nicht mehr in Frage gestellt werden, ob der Antragsteller - nach norwegischem Recht - zu Recht in diese Oberschule aufgenommen worden ist. Vielmehr dokumentiert das Abschlusszeugnis mittelbar ebenso, dass der Antragsteller die Eingangsvoraussetzungen für die norwegische Oberschule erfüllt hat.

Allerdings könnte es eine Besonderheit des Einzelfalles darstellen, wenn der Schulbesuch des Antragstellers in Deutschland in irgendeiner Form notleidend gewesen wäre, insbesondere wenn er infolge mehrfacher Nichtversetzung das Recht, das Abitur abzulegen, verloren hätte. Solange der Schulbesuch in Deutschland Teil des gesamten Schulbesuchs ist und in Norwegen lediglich fortgesetzt und abgeschlossen wurde, stellt ein solcher Umstand eine Besonderheit dar, welche den Antragsgegner zwar noch nicht sogleich zur Verneinung der Gleichwertigkeit des norwegischen Zeugnisses, wohl aber zu deren Prüfung im Einzelfall veranlassen kann und darf. Anders läge es nur, wenn der Antragsteller - nach einem Misserfolg in Deutschland - im Ausland auf früherer Stufe, die in Deutschland noch erfolgreich absolviert wurde, oder gar gänzlich von vorne begonnen hätte. Nur für diesen Fall könnte er sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Approbation eines im Ausland ausgebildeten Arztes berufen, der nach endgültigem Scheitern in Deutschland ein Auslandsstudium völlig neu begonnen hat (BVerwG, Urt. vom 29.08.1996 - 3 C 19.95 -, BVerwGE 102, 44; Urt. vom 27.08.1997 - 6 C 9.96 -, NJW 1998, 843 = DVBl 1998, 399).

Aus diesem Grunde war es berechtigt, dass der Antragsgegner vom Antragsteller die lückenlose Dokumentation seiner Schulbiographie verlangt hat. Dem ist der Antragsteller trotz mehrfacher Aufforderung - nochmals unter Fristsetzung durch den Senat - nicht nachgekommen. Dabei hat er für seine Weigerung keinen nachvollziehbaren Grund genannt. Zunächst hat er sich "aus Prinzip" geweigert und auf sein vermeintliches Recht aus der Reifezeugnis-Konvention gepocht. Später hat er angegeben, die Zeugnisse befänden sich für ihn unerreichbar in Norwegen. Schließlich hat er behauptet, sie seien bei einem Umzug verloren gegangen. Der Senat hat dem Rechnung getragen und ihn lediglich aufgefordert, die Stationen seines Schulbesuchs - besonders des Schulbesuchs in Deutschland - aus eigenem Wissen im einzelnen anzugeben sowie Zeugnisse vorzulegen, soweit sich solche in seinem Besitz befänden; daraus hätte sich der schulische Werdegang ablesen und ggf. durch Rückfrage bei den jeweiligen Schulen verifizieren lassen. Auch hierzu war der Antragsteller nicht bereit. Damit aber bietet er selbst Anlass zu der Vermutung, es könne eine - nach dem Vorstehenden erhebliche - Abweichung von dem in den "Bewertungsvorschlägen" vorausgesetzten Regelfall vorliegen. Unter diesen Umständen hat er nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf Anerkennung seines norwegischen Reifezeugnisses als gleichwertig zu haben.

c) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Antragsgegner auch im Falle, dass in der Schulbiographie des Antragstellers tatsächlich Unregelmäßigkeiten bestehen, durch die die Aussagekraft der "Bewertungsvorschläge" im vorliegenden Einzelfall erschüttert wäre, von diesem gleichwohl keine gesonderte Anerkennungsprüfung verlangen könnte. Für eine solche Prüfung fehlt nämlich die nötige Rechtsgrundlage. Zwar hat der Gesetzgeber in § 85 Abs. 5 Satz 5 UG den Verordnunggeber ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Verfahren der Anerkennung zu regeln und dabei auch eine Prüfung vorzusehen. Diese Rechtsverordnung ist bislang aber nicht erlassen worden, und die gesetzliche Verordnungsermächtigung allein ist nicht bestimmt genug, um schon selbst als Rechtsgrundlage für die Abnahme einer Anerkennungsprüfung durch die Schulbehörden zu dienen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 25 Abs. 2, § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.