OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.05.2010 - 5 WF 50/10
Fundstelle
openJur 2012, 33102
  • Rkr:
Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert:

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinanderaufgehoben (§ 92 ZPO).

3. Wert der Kostenbeschwerde: bis 600,- EUR (§ 3 ZPO).

Gründe

Die Beteiligten schlossen am 25.9.2009 im Abänderungsklageverfahren 50 F 372/09 UK vor dem Amtsgericht Büdingen einen Unterhaltsvergleich, in dem sich der Antragsteller und damalige Kläger zur Zahlung eines monatlichen Ausbildungsunterhalts in Höhe von 480,- EURO ab August 2009 verpflichtete und der Antragsgegner in Ziffer 3 zusagte, vierteljährlich dem Kläger einen Ausbildungsnachweis zukommen zu lassen. In dem Termin erklärte die Bevollmächtigte des damaligen Beklagten, der Gegenseite noch eine Kopie einer im Termin vorgelegten Bescheinigung der Heilpraktikerschule zu übersenden.

Nachdem dem Antragsteller nach vorangegangenem Schriftwechsel bis zum 15.12.2009 keine Bescheinigung vorlag, erhob er mit Schriftsatz vom 15.12.2009 eine auf ein Zurückbehaltungsrecht gegen seine Unterhaltsverpflichtung gestützte „Klage“, mit der er die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich erklärt wissen wollte. Nach vollständiger Rücknahme der noch nicht zugestellten „Klageschrift“ wurden dem Antragsgegner mit der angefochtenen Kostenentscheidung vom 3.2.2010 die Kosten des Verfahrens nebst Auslagen auferlegt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.

Die mit Schriftsatz vom 26.2.2010 hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist unter Wahrung sämtlicher Form- und Fristerfordernisse und unter Beachtung der Wertgrenzen zulässig (§ 111 FGG-RG, §§ 111 Nr. 8, 112 Nr. 1, 113 FamFG, §§ 269 Abs. 5, 567 ff ZPO).

In Unterhaltsverfahren, die nach dem 1.9.2009 eingeleitet wurden, sind nach Art 112 Abs. 1, 111 Abs. 1 FGG-RG die Vorschriften des FamFG anzuwenden. Es handelt sich um Familienstreitsachen im Sinne der §§ 111 Nr. 8, 112 Nr. 1 FamFG. In diesen Verfahren, die auch Vollstreckungsgegenanträge gemäß § 120 FamFG, § 767 ZPO als zulässige Verfahrensart umfassen, sind nach § 113 FamFG einzelne Bestimmungen des FamFG nicht anzuwenden. An ihrer Stelle gelten die Vorschriften der ZPO entsprechend. So gelten anstelle der Kostenregelungen der §§ 80 ff FamFG die Regelungen der §§ 91 ff ZPO und insbesondere auch die Sondervorschrift des § 269 ZPO. Allerdings werden diese Vorschriften in Unterhaltssachen eingeschränkt durch die Spezialvorschrift des § 243 FamFG. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für die Kostenentscheidungen und deren damit zusammenhängende Anfechtbarkeit nunmehr entgegen den in § 113 Abs. 1 FamFG für anwendbar erklärten ZPO-Vorschriften wieder ergänzend die Kostenvorschriften der §§ 80 ff FamFG und die Rechtsmittelvorschriften der §§ 58 ff, 117 FamFG anzuwenden seien. § 243 FamFG enthält nämlich nach seinem Wortlaut nur eine die zivilprozessualen Kostenvorschriften modifizierende Bestimmung über die Verteilung der Kosten, für das Verfahren insgesamt gelten aber die in § 113 Abs. 1 FamFG normierten Verweise auf das ZPO-Verfahren, d.h. die Zulässigkeit der Kostenbeschwerde im Falle einer Antragsrücknahme bestimmt sich nach § 269 Abs. 5 ZPO. Die danach eröffnete sofortigen Beschwerde meint gesetzessystematisch diejenige nach §§ 567 ff ZPO, von einer systemwidrigen Rückverweisung auf das FamFG kann mangels dahingehender Regelung in § 269 Abs. 5 ZPO nicht ausgegangen werden (BT-Drucksache 16/ 12717, S. 71 zu § 117 FamFG; Schwamb, FamRZ 2009, 1033, m.w.N., der ebenfalls deutlich hervorhebt, dass im FamFG mit sofortiger Beschwerde immer das sich nach §§ 567 ff ZPO richtende Rechtsmittel und nicht die Beschwerde nach § 58 ff FamFG gemeint ist; Schneider, Gebühren in Familiensachen, CH Beck, NJW Praxis, § 5 Rdnr. 1166; Zöller/Herget/Lorenz, ZPO, 28. Aufl., § 243 FamFG, Rdnr. 10; Prütting/Helms, FamFG, § 243 Rdnr. 11; Keidel/Meyer-Holz, 16. Auflage, FamFG, § 58, Rdnr. 97; a. A. aber Keidel/Giers, FamFG, 16. Auflage, § 243 Rdnr 11; der meint, über die in § 269 Abs. 5 ZPO eröffnete sofortige Beschwerde seien wieder die Beschwerdevorschriften der §§ 58 ff FamFG anzuwenden, und Dötsch in Münchner Kommentar, 3.Aufl., Band 4, ZPO FamFG, § 243 FamFG, Rdnr. 11, der wohl ebenfalls die in §§ 58 ff FamFG für Endentscheidungen bestimmte Beschwerde für gegeben ansieht, ohne dass beide auf die sich aufdrängende Frage eingehen, ob als Konsequenz dann auch der - für Kostenbeschwerden systematisch unpassende - § 117 FamFG zur Anwendung kommt).

In der Sache ist die Beschwerde nur teilweise begründet.

Nach § 243 FamFG ist in Unterhaltssachen über die Kostenverteilung nach billigem Ermessen zu entscheiden. Während im Falle einer zivilprozessualen Klagerücknahme § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, anders als etwa die in Familienstreitsachen nicht anwendbaren §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG, im Regelfall von dem Gedanken ausgeht, dass grundsätzlich derjenige die Kosten trägt, der den Rechtsstreit in Gang gesetzt hat, ungeachtet der Frage, aus welchem Grunde er die Klage zurücknimmt und ob er die Tatsachen, die ihn zur Klagerücknahme veranlassten, vor der Klageerhebung kannte, eröffnet § 243 FamFG einen weiten Spielraum, der nach seinem Wortlaut über die Formulierung der Ermessensvorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO hinaus geht und vorprozessuales Verhalten der Beteiligten in die Billigkeitsabwägung einzubeziehen erlaubt.

Vorliegend berücksichtigt der Senat bei seiner Kostenentscheidung, dass der Antragsgegner zunächst durch sein Verhalten Veranlassung zu dem neuen Verfahren gab, indem er die im damaligen Termin vom 25.9.2009 zugesagte Kopie des Ausbildungsnachweises nicht übersandte. Hierbei ist unbeachtlich, dass die Vorlage dieser ersten Kopie nicht Inhalt der Vergleichsregelung war. Da der Antragsgegner Ausbildungsunterhalt verlangte, oblag es ihm bereits nach §§ 131, 133 ZPO, seinen Schriftsätzen Abschriften der Urkunde beizufügen. Soweit er dies unterließ, war er jedenfalls an seine im Termin gegebene Zusage gebunden. Es wäre daher spätestens mit dem per Fax vom gleichen Tag übersandten Schreiben vom 14.12.2009 eine Vorlage zu erwarten gewesen, statt den Antragsteller auf den am 24.12.2009 vorzulegenden ersten Ausbildungsnachweis gemäß Ziffer 3 des Vergleichs zu vertrösten.

Bestand insofern Veranlassung zu einem Vollstreckungsgegenantrag, so berücksichtigt der Senat aber auch, dass dieser Antrag zur Unzeit eingereicht wurde. Nachdem mit Schreiben vom 14.12.2009 die Übergabe des nächsten Ausbildungsnachweises gemäß Ziffer 3 des Vergleichs zum 24.12.2009 zugesagt war, war von einem verständigen Unterhaltspflichtigen im Rahmen der im gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnis als Nebenpflichten bestehenden Rücksichtnahmepflichten zu erwarten, dass er – auch zur Verhinderung vermeidbarer Kostenbelastungen des bedürftigen Unterhaltsberechtigten - noch diesen Zeitpunkt abwartete, statt bereits kaum 10 Tage vorher die Antragsschrift vom 15.12.2009 zu fertigen und per Fax einzureichen. Immerhin war dem Antragsteller aufgrund der im Termin vom 25.9.2009 vorgelegten Bescheinigung der Heilpraktikerschule bekannt, dass der Antragsgegner in Ausbildung ist, andernfalls er sich nicht vergleichsweise zu Ausbildungsunterhalt verpflichtet hätte. Demgemäß hatte er auch in der ersten Anforderung eines Ausbildungsnachweises vom 16.11.2009 gar nicht auf die fehlende Kopievorlage hingewiesen, sondern sich lediglich auf die Verpflichtung aus Ziffer 3 des Vergleichs bezogen, die zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht fällig war. Erst nach weiterem Schriftwechsel nahm er mit Schreiben vom 10.12.2009 auf die im Termin zugesagte Kopievorlage Bezug und machte deutlich, dass er den Unterhalt für Dezember 2009 erst nach Übergabe des ersten Ausbildungsnachweises zahlen werde und die folgende Januarzahlung von der Vorlage des zweiten Nachweises abhängig mache. Es bestand unter diesen Umständen kein besonderes Eilbedürfnis zu einer Antragseinreichung vor dem 24.12.2009.

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