BPatG, Beschluss vom 01.04.2011 - 28 W (pat) 588/10
Fundstelle
openJur 2011, 116660
  • Rkr:
Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 14 vom 26. Oktober 2010 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 14 vom 26. Oktober 2010 durch einen Bediensteten des gehobenen Dienstes die Anmeldung der für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 14, 35 und 37 beanspruchten Kennzeichnungteilweise für sämtliche benannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 14, 35 und 37 mit Ausnahme von "Edelmetalle und deren Legierungen, sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten" nach § 37 Abs. 1 und 3, § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wegen Bösgläubigkeit zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass aufgrund der Anmeldung der Kennzeichnung für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen von einem mangelnden Benutzungswillen der Anmelderin auszugehen sei, weil die Anmelderin nach ihrem Unternehmensgegenstand nur auf den Gebieten tätig sei, für welche die Anmeldung nicht zurückzuweisen sei; sie stelle aber weder Uhren her noch handele sie mit Juwelen noch sei sie eine Werbeagentur oder führe Büroarbeiten für andere aus, noch sei sie ein Bauoder gar Hafenoder Schiffsbauer oder führe Reparaturoder Wartungsarbeiten aus. Soweit sie die diesbezüglichen Waren und Dienstleistungen für die Anmeldemarke schützen wolle, handele sie daher bösgläubig, so dass die Anmeldung insoweit nach § 37 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG zurückzuweisen sei.

Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, dass die Annahme eines fehlenden generellen Benutzungswillens seitens der Markenstelle rechtfehlerhaft sei. Die angemeldeten Warenklassen entsprächen dem derzeitigen Tätigkeitsfeld der Anmelderin in ihrer Gesamtheit, wobei auch geplante Erweiterungen berücksichtigt seien. Die Annahme der Markenstelle, sie könne aus ihrer Lebensund Prüfungserfahrung beurteilen, wie sich das Unternehmen der Anmelderin nach der normalen Wahrscheinlichkeit entwickeln werde, sei absurd. Die Anmelderin sei auch nicht verpflichtet, im Rahmen der Anmeldung ihre Unternehmenspolitik darzulegen. Es sei auch falsch, dass die Anmelderin mit der Anmeldung beabsichtige, Vorratsmarken für sich zu beanspruchen oder Dritte abzumahnen. In der Gesamtschau entbehre daher die Annahme einer offensichtlich rechtsmißbräuchlichen Anmeldung jeglicher Grundlage.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 14 vom 26. Oktober 2010 aufzuheben.

II.

Die nach § 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde hat Erfolg. Entgegen der Ansicht der Markenstelle kann die Anmeldung nicht nach § 37, § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG zurückgewiesen werden, da konkrete Feststellungen, welche die Annahme einer ersichtlichen (§ 37 Abs. 3 MarkenG) bösgläubigen Anmeldung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG rechtfertigen könnten, von der Markenstelle nicht getroffen worden sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von der Bösgläubigkeit eines Anmelders auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist. Damit knüpft die Bestimmung an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG oder § 826 BGB unter Geltung des Warenzeichengesetzes an. Zur Beurteilung der Bösgläubigkeit eines Anmelders nach § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 10 MarkenG sind daher die insoweit entwickelten Grundsätze weiter heranzuziehen (vgl. BGH GRUR 2004, 510, 511 - S. 100 - m. w. N.). Danach ist von einer Sittenwidrigkeit der Anmeldung dann auszugehen, wenn der Anmelder die Marke entweder als "Spekulationsmarke" mit dem Ziel der Behinderung Dritter oder die Marke in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers mit dem Ziel anmeldet, diesen Besitzstand zu stören, oder wenn er die mit der Eintragung der Marke kraft Gesetzes verbundene Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzen will (vgl. BGH GRUR 1984, 210 - AROSTAR; GRUR 1998, 1034, 1037 - Makalu; GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000; BPatG 27 W (pat) 47/01 -LE FER ROUGE, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM).

Soweit die Markenstelle vorliegend das Vorliegen der ersten Fallkonstellation, bei der eine Bösgläubigkeit zu bejahen ist, also eine Behinderungsabsicht angenommen hat, hat sie sowohl die hierzu bestehenden Voraussetzungen verkannt als auch konkrete, eine Bösgläubigkeit rechtfertigende Tatsachen nicht festgestellt.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Anmeldung einer Marke grundsätzlich bösgläubig, wenn sie in der Absicht vorgenommen wird, die Marke nicht selbst zu benutzen, sondern (nur) andere an ihrer Benutzung zu hindern (vgl. BGH GRUR 2009, 780, 782 -Ivadal). Nach diesen höchstrichterlichen Vorgaben begründet das Fehlen eines generellen Benutzungswillens allerdings noch nicht zwangsläufig die Annahme der Bösgläubigkeit, vielmehr muss darüber hinaus auch feststehen, dass der Anmelder mit der Anmeldung allein die Behinderung Dritter beabsichtigt (so zutr. auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. 2009, § 8 Rn. 543; i. E. ähnlich Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 8 Rn. 303, demzufolge der fehlende Benutzungswille allenfalls noch ein jederzeit widerlegbares und für sich allein genommen noch nicht ausreichendes Indiz bei der erforderlichen Würdigung der eine Bösgläubigkeit erst begründenden Gesamtumstände darstellt).

Sowohl die Frage, ob der Benutzungswille generell fehlt, als auch die Frage, ob darüber hinaus der Anmelder auch in der Absicht, Dritte zu behindern, handelt, also das die Bösgläubigkeit erst begründende subjektive Tatbestandsmerkmal vorliegt, müssen dabei vom Patentamt im jeweiligen Einzelfall von Amts wegen konkret festgestellt werden. Dabei ist es aufgrund der Regelungsstruktur des § 37 MarkenG nicht Sache des Anmelders, das Fehlen der für die Annahme einer Bösgläubigkeit erforderlichen subjektiven Tatbestandsmerkmale nachzuweisen, vielmehr kann die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG nur zurückgewiesen werden, wenn das Patentamt das Bestehen dieses subjektiven Tatbestandsmerkmals konkret belegt. Dabei kann es wegen § 37 Abs. 3 MarkenG eine Zurückweisung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG nur aussprechen, wenn die für die Bejahung des subjektiven Tatbestand der Bösgläubigkeit erforderlichen Tatsachen ersichtlich sind, so dass aufwändige Ermittlungen hierzu zu unterbleiben haben.

Ob der Benutzungswille fehlt und ob eine Behinderungsabsicht vorliegt, kann nur aufgrund einer Würdigung des Gesamtverhaltens des Anmelders beurteilt werden. Die Feststellung des subjektiven Tatbestandsmerkmals kann dabei zwar aus verschiedenen Indizien gefolgert werden, die nur in ihrer Gesamtheit, nicht aber bereits jeweils für sich genommen die Annahme der Behinderungsabsicht zu rechtfertigen vermögen.

Soweit die Markenstelle meint, bereits aus dem Umstand, dass die Anmeldemarke für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen angemeldet werde, ergebe sich eine Bösgläubigkeit, kann dem daher nicht gefolgt werden, da es sich hierbei nur um ein -und zudem auch nur schwaches -Indiz handelt, das für sich genommen eine Behinderungsabsicht noch nicht belegen kann.

Soweit sie darüber hinaus darauf abgestellt hat, die Anmelderin sei auf den Gebieten, zu welchen die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen gehören, derzeit nicht tätig und werde dies auch in absehbarer Zeit nicht werden, vermag dies ebenfalls weder für sich noch in Verbindung mit dem oben genannten weiteren Indiz eine Behinderungsabsicht zu belegen. Dabei kann dahinstehen, ob die Markenstelle hierbei die Geschäftstätigkeit der Anmelderin -wie von dieser bestritten -richtig gewürdigt hat. Auch wenn die Wertung der Markenstelle -woran allerdings mangels konkreter Tatsachenfeststellungen erhebliche Zweifel bestehen -zutreffen sollte, könnte dieses Indiz die Schlussfolgerung der Markenstelle, dass die Anmelderin bösgläubig handele, nicht rechtfertigen. Die Markenstelle hat hierbei nämlich bereits im Ansatz verkannt, dass, es für das Vorliegen eines Benutzungswillens des Anmelders schon genügt, wenn er die Absicht hat, die Marke im geschäftlichen Verkehr zwar nicht selbst zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, sie aber der Benutzung durch einen Dritten im Wege der Lizenzerteilung oder nach einer Übertragung zuzuführen (BGH, GRUR 2001, 242 [244] -Classe E). Aus diesem Grund kann die Feststellung der aktuellen Geschäftstätigkeit allein für die Annahme eines fehlenden Benutzungswillens schon nicht ausreichen, solange nicht seitens des Patentamts konkret ausgeschlossen werden kann, dass der Anmelderin auch nicht im Rahmen von Lizenzierungen eine Verwendung der angemeldeten Marke durch Dritte zur Kennzeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beabsichtigt. Darauf, dass im Übrigen das u. a. aus diesem Indiz sich möglicherweise ergebende Fehlen eines Benutzungswillens ohnehin noch nicht die Annahme der Bösgläubigkeit rechtfertigen kann, weil es hierzu weiterer Feststellungen über eine Behinderungsabsicht bedarf, wurde bereits hingewiesen.

Somit hat die Markenstelle belastbare Tatsachen, die -und sei es indiziell -eine Behinderungsabsicht und damit eine Bösgläubigkeit der Anmelderin belegen könnten, nicht festgestellt. Damit kann ihre Annahme, dass die Anmelderin die angemeldete Kennzeichnung für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen ersichtlich bösgläubig angemeldet habe, keinen Bestand haben, so dass der sich hierauf gründende, die Anmeldung teilweise zurückweisende Beschluss der Markenstelle auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben war.

Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG bestand keine Veranlassung, denn besondere Umstände, aufgrund derer es unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 71 Rn. 31 ff.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 71 Rn. 35 ff.) sind weder dargetan noch anderweitig ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Markenstelle die rechtlichen Voraussetzungen für die von ihr vorgenommene Zurückweisung teilweise verkannt hat und zudem hierfür nicht ausreichende tatsächliche Grundlagen festgestellt hat, vermag nach st. Rspr. nicht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu rechtfertigen (vgl. BPatGE 2, 78; 22, 29, 32).

Klante Schell Schwarz Me