OLG Oldenburg, Urteil vom 16.08.2023 - 4 U 72/22
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB, Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. (...) im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 28. Juli 2023 für Recht erkannt:
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. Mai 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Oldenburg wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.024,53 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der von der Klägerin begehrten Rückabwicklung eines Pferdekaufes.
Mit Kaufvertrag vom TT.MM. 2021 erwarb die Klägerin das Pferd "CC" für 4.300 Euro von der Beklagten. Im Kaufvertrag heißt es unter "§ 2 Beschaffenheitsvereinbarung" in Ziffer 3 a) vorgedruckt "Die Parteien sind sich einig, dass aus folgenden Besonderheiten/Eigenheiten des Pferdes keine Haftung des Verkäufers hergeleitet werden kann ..........." Dort ist handschriftlich ergänzt: "Das Pferd wurde nur freizeitmäßig geritten. Es hat keine Dressur bzw Springausbildung."
Einige Tage nach Übergabe des Pferdes und der zugehörigen Papiere erkannte die Beklagte anhand der Eintragungen im Equidenpass und einer Recherche im Internet, dass "CC" früher als Rennpferd eingesetzt war und an zahlreichen Pferderennen teilgenommen hatte. Mit Schreiben vom 3. Mai 2021 erklärte sie daher unter Berufung auf die von der Beklagten verschwiegene "Rennbahnkarriere" des Pferdes den Rücktritt vom Kaufvertrag und -hilfsweise- dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Der zugleich – weiter hilfsweise – geäußerten Aufforderung, ein mangelfreies Pferd nachzuliefern, kam die Beklagte nicht nach, sondern wies mit Schreiben vom 20. Mai 2021 sämtliche Ansprüche der Klägerin als unbegründet zurück.
Die Klägerin begehrt nunmehr die Erstattung des Kaufpreises sowie von Tierarztkosten und Kosten für Medikamente sowie des Kaufpreises für den von der Beklagten gleichzeitig mit dem Pferd erworbenen Sattel.
Erstinstanzlich hat die Klägerin behauptet, das Pferd sei bei Übergabe mangelhaft gewesen, weil es sich abweichend von den Angaben der Beklagten, es habe sich um ein Freizeitpferd gehandelt, tatsächlich um ein früheres Rennpferd gehandelt habe. Es mache einen enormen Unterschied, ob man ein unverbrauchtes Freizeitpferd erwerbe, oder aber ein Rennpferd. Die Gefahr, dass ein solches Pferd auf Grund des enormen Verschleißes, z.B. wegen degenerativer Gelenkserkrankungen frühzeitig "in Rente geschickt" werden müsse, weil es schlicht nicht mehr reitbar sei, sei enorm groß – anders hingegen bei einem Pferd, dass nur rein freizeitmäßig geritten worden sei. Zudem ergebe sich ein Mangel des Pferdes daraus, dass dieses unter dem sogenannten "Kissing-Spine-Syndrom" leide.
Weiterhin hat sie behauptet, die Beklagte habe den früheren Einsatz des Pferdes als Rennpferd gekannt oder zumindest kennen müssen und gleichwohl der Klägerin gegenüber (mindestens ins Blaue hinein) angegeben, es habe sich um ein reines Freizeitpferd gehandelt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.024,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. August 2021, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes "CC", geboren am TT.MM.1010, Wallach, Rappe, mit der Lebensnummer (...), sowie nicht anrechenbare vorgerichtliche Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 627,13 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, sie habe mit der Angabe im Kaufvertrag, das Pferd sei nur freizeitmäßig geritten worden, lediglich den Ausbildungsstand des Pferdes dokumentieren und zum Ausdruck bringen wollen, dass es keine Dressur- oder Springerfahrung habe.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob das Pferd unter dem sog. Kissing-Spine-Syndrom leidet und die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Sachverständigengutachten habe das behauptete Vorliegen eines Kissing Spine Syndroms nicht bestätigt. Auch der Einsatz des Pferdes als Rennpferd stelle keinen Mangel dar. Zudem wäre ein etwaiger hieraus resultierender Mangel auch der Klägerin bekannt gewesen (§ 442 BGB), wenn er sich – wie von ihr behauptet – durch einen kurzen Blick in die Papiere hätte erkennen lassen.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin rügt, das Landgericht hätte Beweis erheben müssen über ihre Behauptung, dass sich aus dem früheren Renneinsatz ein Mangel in Form einer latenten körperlichen Beeinträchtigung ergebe. Sie ist der Auffassung bei der früheren Verwendung als reines Freizeitpferd handle es sich um eine vereinbarte Beschaffenheit, der das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe nicht entsprochen habe. Die Auffassung, ein Mangel des Pferdes ergebe sich auch aus dem sogenannten "Kissing-Spine-Syndrom" wird von der Berufung nicht aufrechterhalten.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.024,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. August 2021, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes "CC", geboren am TT.MM.1010, Wallach, Rappe, mit der Lebensnummer (...), sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 627,13 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob und inwieweit der frühere Einsatz des Pferdes als Rennpferd zu Beeinträchtigungen der Brauchbarkeit als Reitpferd geführt hat. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dr. med. vet. DD vom 8. Juni 2023 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Es kommt letztlich auf die zwischen den Parteien hoch umstrittene Frage der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der "Rennbahnkarriere" von "CC" nicht an, da der frühere Einsatz des Pferdes als Rennpferd keinen Mangel darstellt, aus dem die Klägerin die von ihr geltend gemachten Rechte herleiten könnte.
1.
Der Senat vermag der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, dass die Parteien im Kaufvertrag eine bisher ausschließliche Verwendung von "CC" als reines "Freizeitpferd" als Beschaffenheit vereinbart haben. Die von der Klägerin insoweit in Bezug genommene Formulierung im Kaufvertrag findet sich unter der Vertragsklausel, welche die Haftung des Verkäufers insoweit beschränken soll, als der Käufer aus den dort genannten Beschaffenheitsmerkmale gerade keine Gewährleistungsansprüche herleiten können soll ("Die Parteien sind sich einig, dass aus folgenden Besonderheiten/Eigenheiten des Pferdes keine Haftung des Verkäufers hergeleitet werden kann ..........."). Angesichts dessen erscheint es wenig naheliegend, dass die Parteien übereinstimmend gerade an dieser Stelle im Vertrag eine vereinbarte Beschaffenheit, aus der die Klägerin Gewährleistungsansprüche herleiten kann, dokumentieren wollten. Dass eine solche Vereinbarung gleichwohl tatsächlich getroffen war, hat die Klägerin nicht unter Beweis gestellt.
2.
Es liegt auch kein Mangel der Eignung des Pferdes für die gewöhnliche Verwendung vor. Ein solcher wäre nur gegeben, wenn die frühere Rennbeteiligung – zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs – zu mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zukünftig eintretenden körperlichen Beeinträchtigungen des Pferdes, welche die Eignung als Freizeitpferd beeinträchtigen, geführt hätte.
Der Verkäufer eines Tieres hat nämlich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urt. v. 27.05.2020, VIII ZR 315/18, NJW 2020, 2879) sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre. Demgemäß wird die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen.
Die in der Berufungsinstanz durchgeführte Beweisaufnahme hat insoweit ergeben, dass derartige Beschränkungen bei "CC" nicht festzustellen sind. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten ausführlich dargestellt, dass degenerative Glenkerkrankungen generell in keinem kausalen Zusammenhang zwischen einer erbrachten renn- oder turniersportlichen Leistung eines Pferdes stehen, sondern eher im Zusammenhang mit Alter, Art und Qualität der Haltung und des Bewegungsmanagements. Angesichts dessen sei bei einem 11-jährigen Pferd generell anzunehmen, dass Gelenkveränderungen mit der Zeit auftreten. Das Auftreten solcher Veränderungen, die zu Einschränkungen der Nutzbarkeit, etwa in Form von Lahmheit, führen, sei indes bei einem 11-jährigen Vollblüter nicht eher zu besorgen als bei einem vergleichbaren Pferd aus dem sogenannten Freizeitbereich. Der Senat schließt sich nach eigener kritischer Würdigung der Auffassung der Sachverständigen an.
Angesichts dessen ist es der Klägerin nicht gelungen, Beweis dafür zu erbringen, dass das Pferd zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Mangel behaftet war, so dass jedweder hier geltend gemachte Anspruch scheitern muss.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 704 Nr. 11, 713 ZPO.