OLG Dresden, Urteil vom 04.04.2023 - 4 U 1486/22
Fundstelle
openJur 2023, 5738
  • Rkr:

1. Auch die Verwendung eines mit individuellen künstlerischen Mitteln (hier: Linolschnitt) erstellten Bildnisses zu kommerziellen Zwecken kann eine Datenverarbeitung darstellen, sofern aufgrund einer Gesamtschau der für die Identifizierbarkeit geeigneten Daten Rückschlüsse auf die darin verkörperte natürliche Person möglich sind. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn die abgebildete Person lediglich von ihrem engen Freundes- oder Familienkreis identifiziert werden könnte; die zum Kunsturhebergesetz in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe sind im Datenschutzrecht nicht anwendbar.

2. Für die Erkennbarkeit als Voraussetzung für ein Bildnis im Sinne des Kunsturhebergesetzes ist der Abgebildete beweisbelastet; im Verfügungsverfahren kann dieser Beweis auch durch eidesstattliche Versicherung Dritter geführt werden.

3. Die kommerzielle Verwertung des künstlerisch gestalteten Porträts eines Dritten kann einem höheren Interesse der Kunst dienen.

Rubrum

Oberlandesgericht Dresden

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit

M... H... , ...

- Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte:

C... ... RA GmbH, ...

gegen

G... Z... , ...

- Verfügungsbeklagter und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte T... , ...

wegen Unterlassung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S... ,

Richterin am Oberlandesgericht Z... und

Richterin am Oberlandesgericht P...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2023

für Recht erkannt:

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil vom 01.07.2023 und der Beschluss vom 19.05.2022 des Landgerichts Görlitz - Az 1 O 177/22 EV - abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.600,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Verfügungsklägerin (im folgenden Klägerin) nimmt den Verfügungsbeklagten (im folgenden Beklagten) im Wege einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Zur-Schau-Stellung und/oder des Verbreitens eines Linolschnitts auf Bekleidungsartikeln in Anspruch, die der Beklagte unter dem Label "L... " unter anderem in einem Webshop zum Kauf anbietet.

Die Klägerin wurde im Jahr 1960 durch die sorbische Künstlerin H... K... (geb. 1901, verst. 1990) unentgeltlich in einer Bleistiftzeichnung porträtiert, die sich in ihrem Besitz befindet. Es handelt sich um das folgende Bild:

Bild

Die Künstlerin erstellte im Jahr 1974 eine weitere Zeichnung mit dem Titel "M... " sowie einen undatierten Linolschnitt. Dieser wurde vom Beklagten als Vorlage für den Nachdruck auf T-Shirts verwendet. Es handelt sich um die folgenden, in Publikationen zur Künstlerin abgedruckten Bilder:

Bild

Nachdem u.a. die sorbische Zeitung "S... N... " über den beabsichtigten Verkauf dieser T-Shirts berichtete, forderte die Klägerin den Beklagten auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Der Linolschnitt sei auf der Grundlage der Portraitzeichnung von 1960 entstanden und bilde sie erkennbar ab. Nachdem der Beklagte der Aufforderung nicht nachkam, beantragte sie den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die das Landgericht antragsgemäß erließ und den dagegen gerichteten Widerspruch des Beklagten durch das angefochtene Urteil zurückwies.

Zur Begründung seiner Berufung vertritt der Beklagte die Auffassung, der Antrag sei mangels Bestimmtheit unzulässig. Die Klägerin habe zudem nicht nachgewiesen, dass es bei dem Linolschnitt um ein Bildnis handele, auf dem sie als Jugendliche abgebildet sei. Zudem könne er sich auf die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG berufen, da er mit der Verbreitung des T-Shirts als Kunstförderer die in der Lausitz beheimatete sorbische Kultur bekannt mache.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

A) Der Verfügungsanspruch ist entgegen der Ansicht der Berufung allerdings hinreichend bestimmt, da der Verweis auf die Internetseite der Zeitung "S... N... " nur der Konkretisierung und Klarstellung des geltend gemachten Unterlassungsbegehrens dient, welches Bildnis für Bekleidungsartikel nicht mehr verwendet werden soll.

B) Der Klägerin steht jedoch ein Unterlassungsanspruch gegen die Verwendung des von der Künstlerin H... K... im Jahr 1974 gefertigten Linolschnitts auf den von ihm vertriebenen Bekleidungsartikeln nicht zu.

1.

Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog i.V.m. § 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. Art 6 Abs. 1 lit. f) der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, im folgenden DSGVO).

a) Die Rechtmäßigkeit der Nutzung von Bildnissen als personenbezogene Daten richtet sich nach datenschutzrechtlichen Regelungen, denen in ihrem sachlichen und räumlichen Geltungsbereich gegenüber kollidierenden nationalen Vorschriften wie den §§ 22, 23 KUG und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Anwendungsvorrang zukommen, zumindest, soweit nicht die Mitgliedsstaaten von der Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DSGVO Gebrauch gemacht haben – was im Streitfall mangels Verwendung des Bildnisses zu journalistischen Zwecke nicht zum Tragen kommt - oder eine Fortgeltung des KUG nach Art. 85 Art. 1 DSGVO ohne ausdrückliche gesetzgeberische Regelung angenommen wird (vgl. BGH, Urt. v. 24.02.2022, I ZR 2/21, Tina Turner -, Rn. 35, juris; zum Meinungsstand: Götting/Schertz/Seitz-Schertz Handbuch Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 2018, § 12 Rn. 5 ff, von Strobl-Albeg in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 7 Rz 119 ff, Kapitel 8, Rrn. 84; BeckOK DatenschutzR/Lauber-Rönsberg, 43. Ed. 1.11.2022, DS-GVO Art. 85 Rn. 45-50; BeckOK InfoMedienR/Cornils, 39. Ed. 1.2.2021, DS-GVO Art. 85 Rn. 36; Kühling/Buchner/Buchner/Tinnefeld, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 85 Rn. 12; Dreier/Schulze-Specht-Riemenschneider, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 22 KUG, Rn. 6a; Wandtke/Bullinger-Fricke, UrhG, 6. Aufl. 2022, § 22 KUG, Rn. 3, Lauber-Rönsberg AfP 2019, 373 (380 f.); Klein, Personenbilder im Spannungsfeld von Datenschutzgrundverordnung und Kunsturhebergesetz, 2017, 180 ff.; Benedikt/Kranig ZD 2019, 4 (5); Aßmus/Winzer ZD 2018, 508 (512); Kahl/Piltz K&R 2018, 289 (292); jeweils m.w.N.).

b) Die DSGVO erfasst ihrem sachlichen Anwendungsbereich nach gem. Art. 2 Abs. 1 DSGVO jegliche Verarbeitung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO) von personenbezogenen Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO), gleich ob sie automatisiert erfolgt oder nicht. Bei einer nicht-automatisierten Verarbeitung muss die zusätzliche Voraussetzung erfüllt sein, dass die personenbezogenen Daten in einem Dateisystem (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Art. 4 Abs. 1 DSGVO bestimmt, dass personenbezogene Daten alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person ("betroffene Person") sind. Als bestimmbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

c) Hiernach unterfällt die Verwendung des Linolschnitts für die vom Beklagten in seinem Webshop und dem Ladengeschäft vertriebenen Bekleidungsartikel nicht den datenschutzrechtlichen Vorschriften.

aa) Die Anfertigung der Zeichnung einer Person stellt begrifflich zwar eine Verarbeitung personenbezogener Daten in der Form des Erhebens dar (Art. 4 Nr. 2 DSGVO). Da es sich um eine nicht-automatisierte Datenerhebung handelt, fällt dieser Vorgang nach den Maßstäben von Art. 2 Abs. 1 DSGVO gleichwohl nicht ohne weiteres in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO, denn es ist nicht davon auszugehen, dass diese Zeichnung in einem Dateisystem gespeichert ist oder werden soll. Es liegt eine nicht-automatisierte Verarbeitung vor ohne Anhaltspunkte dafür, dass eine Speicherung in einem Dateisystem beabsichtigt wäre (vgl. Ehmann: Personenaufnahmen nach der DS-GVO, ZD 2020, 65). Gleichwohl ist das Datenverarbeitungsmerkmal gem. Art. 2 Abs. 1 DSGVO vorliegend erfüllt. Denn der Beklagte, der den Linolschnitt auf den für sein Modelabel angefertigten T-Shirts hat aufdrucken lassen, hat zu diesem Zweck auf der Grundlage des in mehreren Publikationen veröffentlichten Abdrucks des Linolschnitts Bildverarbeitungsdateien hergestellt oder herstellen lassen, in Dateiform gespeichert und für den Druck verwendet und/oder als Verantwortlicher gem. Art. 3 Abs. 1 DSGVO ein Foto der mit dem Linolschnitt bedruckten T-Shirts in seinem Internetwebshop hochgeladen oder hochladen lassen sowie in seinem Ladengeschäft präsentiert und damit durch Offenlegung verbreitet. Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich um eine "Verarbeitung personenbezogener Daten", wenn Daten natürlicher Personen auch auf der Grundlage öffentlicher Dokumente erfasst und zum Zwecke der Veröffentlichung verarbeitet werden (EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 - C-73/07, Satamedia, EuZW 2009, 108, beck-online). Werden Aufnahmen, die personenbezogene Daten enthalten, auf eine Website gestellt und damit für Internetnutzer veröffentlicht, stellt dies eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung dieser Daten dar (vgl. EuGH, Urteil vom 14.02.2019, C-345/17, GRUR 2019, 760 - Buivids -, Celex-Nr. 62017CJ0345; Urteil vom 11. Dezember 2014, - Ryneš -, C‑212/13, EU:C:2014:2428, Rn. 22, juris; EuGH, ECLI:EU:C:2003:596 = EuZW 2004, 245 Rn. 25 – Lindqvist und EuGH, ECLI:EU:C:2014:317 = NJW 2014, 2257 Rn. 26 – Google Spain und Google).

bb) Der Linolschnitt bzw. die dazugehörigen Bilddaten enthalten aber keine personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DSGVO, die eine ausreichende Grundlage für die Identifizierung der Klägerin im datenschutzrechtlichen Kontext bieten würden.

Allerdings können grundsätzlich individuell und ohne Zuhilfenahme technischer Vorrichtungen wie Kameras, Handys oder Computer erstellte Bilder einer Person individuelle Informationen enthalten und damit nach datenschutzrechtlichen Regelungen zu beurteilen sein (so Ulmer-Eilfort/Obergfell, Kap. 1 I. Persönlichkeitsrechtsschutz, Haftungsfragen und Datenschutzrecht Rn. 991, beck-online). Voraussetzung hierfür ist aber, dass aufgrund einer Gesamtschau der dem Bild zu entnehmenden und für die Identifizierbarkeit geeigneten Informationen Rückschlüsse auf die dort verkörperte natürliche Person möglich sind. Auch ein nicht originär als Bilddatei hergestelltes und künstlerisch bearbeitetes bzw. verfremdetes Bildnis einer Person kann personenbezogene Daten enthalten, soweit es bestimmte und mit vertretbarem Aufwand ermittelbare besondere Merkmale aufweist, die die dargestellte Person so weit kennzeichnen, dass sie identifizierbar wird. Neben individualisierbaren Gesichtszügen können dem Bildnis weitere persönliche Umstände wie Titel, Datum oder Ort der Anfertigung zu entnehmen sein, die auf eine bestimmte Person hinweisen und somit als personenbezogene Daten zu kennzeichnen sind. Auch äußere Umstände der Bildnisveröffentlichung, wie zB eine Bildunterschrift, können zu einer Erkennbarkeit führen. Diese muss jedoch über den engeren Familien- und Freundeskreis hinaus gehen (Hoeren/Sieber/Holznagel MMR-HdB, Teil 21.1 Social Media Rn. 21, beck-online). Je nach verfügbarer Technik (wie Datenbanken oder Gesichtserkennung) können mit diesen Informationen wiederum weitere Daten ermittelt und zusammengeführt werden (vgl. Ulmer-Eilfort/Obergfell, Kap. 1 I. Persönlichkeitsrechtsschutz, Haftungsfragen und Datenschutzrecht Rn. 991, beck-online). Setzt aber die Annahme personenbezogener Daten die Erkennbarkeit einer konkreten Person voraus, können neben analog oder digital gefertigten Fotos oder Videoaufnahmen auch fotorealistisch gefertigte Personenbilder oder sonstige Bildnisse dem Anwendungsbereich der DSGVO unterfallen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH, wonach das von einer digitalen Videokamera (einmalig) aufgezeichnete Bild einer Person dann personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DSGVO enthält, wenn es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (EuGH, Urteil vom 14.02.2019, C-345/17, GRUR 2019, 760 - Buivids -, Celex-Nr. 62017CJ0345; Urteil vom 11. Dezember 2014, - Ryneš -, C 212/13, EU:C:2014:2428, Rn. 22, juris).

cc) Bei wem eine solche Identifizierungsmöglichkeit der abgebildeten Person gegeben sein muss, wird indes unterschiedlich beurteilt. Nach einer Ansicht wird hierfür nur auf das bei dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen vorhandene Zusatzwissen und die diesem zur Verfügung stehenden Identifizierungsmittel abgestellt (relative Theorie), nach anderer Ansicht soll es hingegen ausreichen, wenn irgendwo, d.h. auch bei Dritten vorhandenes Zusatzwissen die Identifizierung ermöglicht (so die sog. objektive Theorie, vgl. die Nachweise bei Schröder: Datenschutz beim Kameraeinsatz im Automobil, ZD 2021, 302, beck-online). Vorliegend kann eine Entscheidung dieser Streitfrage indes dahinstehen. Für die objektive Theorie sprechen allerdings die zur Auslegung der Vorschriften der DSGVO primär heranzuziehenden offiziellen Erwägungsgründe. Nach Erwägungsgrund 26 "sollten alle Mittel berücksichtigt werden, die von dem Verantwortlichen oder einer anderen Person nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich genutzt werden, um die natürliche Person direkt oder indirekt zu identifizieren (... ). Bei der Feststellung, ob Mittel nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich zur Identifizierung der natürlichen Person genutzt werden, sollten alle objektiven Faktoren, wie die Kosten der Identifizierung und der dafür erforderliche Zeitaufwand, herangezogen werden, wobei die zum Zeitpunkt der Verarbeitung verfügbare Technologie und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen sind.". Die Bezugnahme auf die neben dem Verantwortlichen genannte "andere Person" deutet darauf hin, dass es dem Verordnungsgeber auch im Interesse eines zugunsten des Betroffenen möglichst weitgefassten Datenschutzes darauf ankam, den Anwendungsbereich der DSGVO nicht an der Perspektive des Verarbeiters, sondern an der realistischen Möglichkeit einer Identifizierung des Abgebildeten durch Dritte auszurichten. Vorliegend bedarf dies jedoch keiner Entscheidung, weil nach beiden Meinungen eine datenschutzrechtliche Identifizierbarkeit, die sich von der "Erkennbarkeit" im Rahmen des KUG unterscheidet (s. hierzu nachfolgend unter Ziff. 2 a)) ausscheidet.

dd) Die erforderliche Beurteilung des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtschau sämtlicher, dem Bild direkt oder indirekt zu entnehmender Informationen ergibt für den vom Beklagten verwendeten Linolschnitt nicht, dass die Klägerin als dargestellte Person zuverlässig und mit allgemein vertretbaren Aufwand vom Beklagten oder einem Dritten hätte im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO identifiziert werden können. Dabei wird zugunsten der Klägerin unterstellt, dass sowohl die von ihr vorgelegte Portraitzeichnung als auch die in diversen Publikationen veröffentlichte Zeichnung, die auf das Jahr 1974 datiert ist, und der undatierte Linolschnitt sie selbst darstellen. Direkt identifizierbar und damit bestimmbar ist eine natürliche Person zwar bereits durch ihren Namen (BeckOK DatenschutzR/Schild, 43. Ed. 1.2.2023, DS-GVO Art. 4 Rn. 16). Nur die dem Beklagten (wohl allein) bekannte Zeichnung aus dem Jahr 1974 hat den Titel "M... ", der streitgegenständliche Linolschnitt weist indes keinen Titel oder Namen auf. Allein der Titel "M... " ermöglicht aber noch nicht die Identifizierung der Klägerin, die zwar denselben Vornamen trägt, der aber weit verbreitet und allgemein gebräuchlich ist und damit keinen geeigneten Hinweis bietet. Der vollständige Name der Klägerin ist zwar auf der Portraitzeichnung von 1960 vermerkt, dieses Bild befindet sich aber im Besitz der Klägerin und wurde offensichtlich nicht veröffentlicht. Die Künstlerin selbst, die zum Zeitpunkt der Bildentstehung 1974 in V... in der Tschechoslowakei lebte und 1990 verstarb, hat - hiervon ist mangels weiteren Sachvortrags der Parteien jedenfalls im einstweiligen Verfügungsverfahren auszugehen - keine weiteren Hinweise zum Bild oder zur Bildentstehung hinterlassen. Biometrische Daten, die eine Gesichtserkennung der abgebildeten Person hinreichend zuverlässig ermöglichen, sowie sonstige Aufnahmedaten, insbesondere zum Ort enthalten die Zeichnungen und der Linolschnitt nicht. Schließlich sind auch die auf Zeichnungen und Linolschnitt dargestellten Gesichtszüge für sich genommen nicht so markant, dass sie die Identifizierung der Klägerin für sich genommen objektiv ermöglicht hätten, erst recht nicht unter Berücksichtigung dafür erforderlichen Zeitaufwandes oder der zum Zeitpunkt der Verarbeitung verfügbaren Technologien, wie von Erwägungsgrund 26 gefordert wird. Schließlich ist auch der Zeitablauf von nunmehr rund 49 Jahren zwischen Entstehung der Zeichnung von 1974 und Verarbeitung zu berücksichtigen, der eine Identifizierung der Klägerin allein aufgrund der dargestellten Gesichtszüge nochmals deutlich erschwert hat. Erst recht gilt dies, wenn man davon ausgeht, dass die 1974 gefertigte Zeichnung und der Linolschnitt auf die Bleistiftzeichnung aus dem Jahr 1960 zurückgehen.

2.

Die Klägerin kann den geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten wegen der Verwendung ihres Bildnisses auch nicht auf §§ 823 Abs. 2, 1004 analog BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG stützen.

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet oder zur Schau gestellt werden.

a) Der Beklagte hat mit der unstreitig nicht von einer Einwilligung der Klägerin gedeckten Verwendung des Linolschnitts für den T-Shirt Druck ein Bildnis der Klägerin i.S.v. § 22 Satz 1 KUG verwendet.

Ein Bildnis im Sinne des § 22 Satz 1 KUG ist die Darstellung einer natürlichen Person, die deren äußeres Erscheinungsbild in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden äußeren Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt (BGH, Urteil vom 01.12.1999 – I ZR 226/97 –, Rn. 21, juris, und Urt. v. 9.6.1965 -- Ib ZR 126/63, GRUR 1966, 102 -- Spielgefährtin I, m.w.N.). Umfasst ist die Wiedergabe des Erscheinungsbildes in jeder Form und in jedem Medium (Wandtke/Bullinger/Fricke, a.a.O., § 22 KUG Rn. 5 m.w.N.).

Die Klägerin hat noch hinreichend glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO), dass sie die auf dem Linolschnitt abgebildete Person und für Dritte erkennbar ist.

aa) Hier könnte das deshalb fraglich sein, weil die beiden Zeichnungen von der Kopfhaltung und dem Ausdruck her kleinere Abweichungen aufweisen und der Linolschnitt nochmals weitere Verfremdungen wie z.B. eine starke Stilisierung/Überzeichnung und Betonung von prägenden Merkmalen sowie weitere Besonderheiten wie die hier angedeutete Kleidung enthält. Gäbe der Linolschnitt damit keine charakteristischen Merkmale gerade der Klägerin wieder handele es sich vielmehr lediglich - wie der Beklagte behauptet - um eine künstlerisch verfremdete Darstellung eines Mädchentyps der damaligen Zeit, läge bereits kein Bildnis der Klägerin vor. Entscheidend hiergegen spricht aber, dass der Linolschnitt, der von der Künstlerin H... K... auf der Grundlage der 1974 signierten Bleistiftzeichnung mit dem Titel "M... " angefertigt wurde, starke bildliche und textliche Bezüge zu der von der Klägerin vorgelegten, von derselben Künstlerin am 21.10.1960 signierten Portraitzeichnung mit dem handschriftlichen Titel "M... D... " aufweist. Wegen dieser Übereinstimmungen und aufgrund des vom Senat in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gewonnenen persönlichen Eindrucks, ist der Senat davon überzeugt, dass es sich sowohl bei den Zeichnungen als auch beim Linolschnitt um Bildnisse der Klägerin als junges Mädchen handelt. Die Klägerin hat in ihrer Anhörung vor dem Senat die näheren Umstände der Anfertigung des Portraits glaubhaft geschildert, was zudem dadurch bestätigt wird, dass sich die Portraitzeichnung von 1960 noch in ihrem Besitz befindet. Auch wenn die Entstehungshintergründe der 1974 entstandenen Zeichnung ungeklärt sind – die Klägerin hat in ihrer Anhörung vor dem Senat erklärt, die Künstlerin habe von der in ihrem Besitz befindlichen (Original-)Portraitzeichnung weitere Zeichnungen bzw. Skizzen für sich selbst angefertigt – bestehen für den Senat aufgrund der auffälligen Ähnlichkeiten bei vielen Details keine Zweifel daran, dass die beiden Zeichnungen und der Linolschnitt dieselbe Person abbilden. Die von dem Beklagten aufgezeigten Abweichungen zwischen Zeichnung und Schnitt sprechen für eine spätere Überarbeitung der Zeichnung durch die Künstlerin für die neue künstlerische Darstellungsform "Linolschnitt", aber nicht dafür, von der Darstellung einer fiktiven oder gar anderen Person mit dem Namen "M... " auszugehen. Auch wenn die Einzelheiten der Personendarstellung, insbesondere beim Linolschnitt, unterschiedlich stark betont oder ausgeprägt dargestellt werden, sind doch Portraitansicht, Haartracht nebst Spange, Stirn- und Augenpartie, Form der Augenbrauen, des Ohres und der Nase, Kinnlinie und Wangenpartie sowie der geschwungene Halsausschnitt weitgehend gleich ausgebildet. Aufgrund dieser deutlich ausgeprägten individuellen Gesichtsmerkmale wird auf dem Linolschnitt auch nicht der beispielhaft idealisierte Typus irgendeiner jungen Frau der damaligen Zeit, sondern das Abbild einer "echten" Person wiedergegeben.

bb) Der Linolschnitt weist auch die Erkennbarkeit der Klägerin gewährleistende Merkmale auf. Dabei ist der Begriff der Erkennbarkeit entsprechend dem Zweck des § 22 KUG auszulegen, einen umfassenden Bildnisschutz zu gewährleisten, indem die Persönlichkeit davor geschützt werden soll, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung der Öffentlichkeit vorgestellt und so für andere verfügbar gemacht zu werden (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.1979 - VI ZR 108/78 -, NJW 1979, 2205 - Fußballtor). Aufgrund der abweichenden Schutzzwecke von DSGVO und KUG ist die Erkennbarkeit im Sinne von § 22 KUG nicht mit der datenschutzrechtlichen Identifizierbarkeit gleichzusetzen.

Der besonderen Gefährdung persönlichkeitsrechtlicher Interessen, die mit der Verbreitung oder öffentlichen Schaustellung von Personenbildern verbunden ist, trägt die Rechtsprechung im Rahmen des § 22 KUG dadurch Rechnung, dass sie zu Gunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen sehr geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit stellt. Voraussetzung ist, dass die abgebildete Person für Dritte als solche erkennbar ist, insbesondere dadurch, dass charakteristische Gesichtszüge des Menschen abgebildet werden. Aber auch, wenn das Gesicht kaum oder gar nicht erkennbar ist, kann der Abgebildete durch ihn kennzeichnende Einzelheiten oder durch besondere Merkmale, die sich aus dem Bild ergeben und die gerade ihm eigen sind, für das Bestehen des Bildnisschutzes hinreichend individualisierbar sein. Darüber hinaus genügt es, wenn begleitende Umstände die Erkennbarkeit zur Folge haben; insbesondere genügt es, wenn sich diese aus dem neben/unter dem Bild stehenden Text oder auf Grund früherer Veröffentlichungen ergibt (BGH, NJW 1965, 2148 [2149] – Spielgefährten -; BGH, a.a.O., – Fußballtor; OLG Frankfurt, GRUR 2006, 521,– Öffentliche Verleihung -; OLG Stuttgart, Urt. v. 2.4.2014 – 4 U 174/13, GRUR-RR 2015, 80, beck-online – gepixeltes Bild -, alle m.w.N.). Es wird auch nicht verlangt, dass der nur flüchtige Betrachter den Abgebildeten auf dem Bild erkennen kann. Vielmehr ist das Recht am eigenen Bild schon dann beeinträchtigt, wenn der Abgebildete begründeten Anlass hat, anzunehmen, er könne als abgebildet identifiziert werden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist daher die Erkennbarkeit für einen - mehr oder minder großen - Bekanntenkreis (BGH, Urteil vom 29.09.2020 – VI ZR 449/19 – G-20 Gipfel -, Rn. 19, m.w.N., - juris; BGH a.a.O. – Fußballtor-). Kann der Abgebildete dagegen weder auf dem Bild noch durch im Kontext der Abbildung gegebene Informationen durch persönliche Merkmale individualisiert werden oder ist die Identifizierbarkeit nur im engsten Freundes- und Familienkreis aufgrund nur dort bekannten Sonderwissens möglich, liegt keine Erkennbarkeit im Sinne von § 22 KUG vor (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17. Mai 2005 – 15 U 211/04 –, Rn. 18, juris, zu: LG Köln, Urteil vom 3.11.2004 – 28 O 731/03 –, - Hassprediger -, juris; KG, Urteil vom 22.01.2015, 10 U 134/14, Rn. 12, - juris; Wandtke/Bullinger/Fricke, a.a.O., § 22 KUG Rn. 7; Wenzel, a.a.O., Kap. 12, Rn. 54 m.w.N. m.w.N.). Dass der Betroffene nur von einem vergleichsweise kleinen Kreis von Personen identifiziert werden kann, mindert allerdings das Gewicht der Beeinträchtigung (BGH, a.a.O, - G-20 Gipfel -, m.w.N.; BeckOK UrhR/Engels, 37. Ed. 1.2.2023, KunstUrhG § 22 Rn. 23 m.w.N.)

Nach diesen Kriterien ist eine Erkennbarkeit der Klägerin noch zu bejahen. Anders als in dem der angeführten Entscheidung des BGH (GRUR 1979, 732, – Fußballtor –) zugrunde liegenden Sachverhalt ergeben sich aus dem Linolschnitt selbst keine Rahmenumstände, die eine Erkennbarkeit der Klägerin ermöglichen. Das Bild enthält für sich genommen keinen Hinweis auf den Namen der Klägerin oder sonstige Umstände, die gerade auf die Person der Klägerin als der Abgebildeten schließen lassen. Die Erkennbarkeit der Klägerin folgt aber zumindest für ihren – möglicherweise auch überschaubaren - Bekanntenkreis aus dem Umstand, dass sie im Besitz der Portraitzeichnung von 1960 ist, die – wie die weitere in Publikationen zur Künstlerin veröffentlichte Zeichnung - mit ihrem Namen untertitelt ist und die – wie oben bereits ausgeführt wird – eine auffallend starke Ähnlichkeit mit dem auf dem Linolschnitt wiedergegebenen Personenbildnis hat. Dass dieser Bekanntenkreis sie auch tatsächlich wiedererkannt hat, wird durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen von immerhin vier Personen (Sohn, Lebensgefährtin eines Sohnes und zwei Bekannte der Klägerin) belegt.

§ 22 KUG bezweckt allerdings nicht den Schutz von assoziativen Bildern, die möglicherweise vor dem inneren Auge des Betrachters entstehen und eine bloße Verbindung zu der Person der Klägerin im Sinne eines geistigen Erinnerungsbildes herstellen. Ein Bild, das lediglich eine Assoziation der Abbildung einer Person beim Betrachter hervorruft, aber keine Merkmale dieser Person wiedergibt, ist kein Bildnis i.S.v. § 22 KUG (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Juli 2004 – 6 U 39/04 –, Rn. 14, juris). Auch wenn die genannten Personen die gegenüber dem Linolschnitt als Jugendbildnis deutlich ältere Klägerin möglicherweise nicht aufgrund ihres von ihnen erinnerten früheren Erscheinungsbildes erkannt haben, sondern ausschließlich aufgrund der ihnen bekannten Zeichnung von 1960, ist nach dem weit gefassten Schutzzweck ein Bildnis der Klägerin i.S.v. §§ 22 KUG gegeben, denn es handelt sich bei dem Linolschnitt aufgrund der dargestellten markanten Einzelheiten der Gesichtszüge nicht um ein Bild, das lediglich eine Assoziation zur Klägerin im Sinne eines geistigen Erinnerungsbildes beim Betrachter hervorruft. Auch der erhebliche Zeitablauf zwischen Herstellung des Linolschnitts und Verbreitungshandlung sowie die starke künstlerische Verfremdung des Personenbildes durch die Linolschnitttechnik lassen für sich genommen die Erkennbarkeit nicht entfallen, denn insbesondere bei einem künstlerisch hergestellten Bild kann durch die Möglichkeit, eine Person besonders kennzeichnende typische und prägende Merkmale hervorzuheben und zu betonen, die Erkennbarkeit durchaus auch nach einem erheblichen Zeitablauf gewährleistet werden. Zudem finden die sonstigen Umstände bei der Prüfung der Frage der Erkennbarkeit nach dem weit gefassten Schutzzweck der Norm Berücksichtigung. Ein entscheidendes Indiz für die Erkennbarkeit ist der Titel "M... " der Zeichnung von 1974, mit dem in Bezug auf die T-Shirts auch auf der Website des Labels geworben wird, so dass aufgrund der Wiedergabe des Namens der Vergleich mit dem Portrait von 1960 auch für Bekannte der Klägerin naheliegend ist. Im Ergebnis geht der Senat davon aus, dass die Erkennbarkeit der Klägerin hinreichend glaubhaft ist, wenn es sich auch nur um sehr wenige Personen handelt, die die Klägerin auf dem Linolschnitt erkennen, da sie dies aus den sonstigen Umständen (Besitz der ähnlichen Bleistiftzeichnung, Titel des Werks) schlussfolgern.

bb) Der Abdruck des Linolschnitts auf den T-Shirts und deren Verkauf stellt ein Verbreiten und öffentliche Schaustellung im Sinne des § 22 S. 1 KUG dar. Eine Verbreitung des Bildnisses liegt vor bei einer Weitergabe (insbesondere) körperlicher Exemplare des Bildnisses, einer Zurschaustellung und bei dessen Sichtbarmachung für die Öffentlichkeit (vgl. Fricke in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Aufl., § 22 KUG Rn. 8 f).

b) Fehlt - wie hier - eine Einwilligung, ist die Verbreitung und Schaustellung eines Bildnisses nur zulässig, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG eingreift und berechtigte Interessen des Abgebildeten im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG nicht verletzt werden.

Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden Ausnahmetatbestandes des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG sind vorliegend erfüllt.

aa) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG dürfen nur Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt wurden, veröffentlicht, zur Schau gestellt und hergestellt werden. Eine Bestellung liegt bei einem ausdrücklichen, nicht notwendig entgeltlichen Auftrag vor (LG Frankfurt ZUM 2017, 772, 775). Die bloße Anregung zur Fertigung von Bildern genügt dagegen nicht (Specht-Riemenschneider in: Dreyer/Schulze, Urheberrecht, 7. Aufl. 2022, § 23, Rn. 43 m.w.N.). Ein solcher Auftrag hat im Streitfall nicht vorgelegen, jedenfalls ergeben sich dafür aus dem Vortrag der Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte.

bb) Die Verwendung des Linolschnitts mit dem Bildnis der Klägerin für den Druck der vom Beklagte über sein Modelabel vertriebenen T-Shirts dient neben den vom Beklagten verfolgten wirtschaftlichen Interessen auch einem höheren Interesse der Kunst, § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG. Dieses Erfordernis ist dann erfüllt, wenn die Verwendung des Bildnisses zu einem der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfallenden Zweck erfolgt. Auf § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG kann sich dagegen nicht berufen, wer durch die Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – I ZR 2/21 –, Rn. 48, -juris, - Tina Turner - m.w.N.). So darf ein künstlerisches Bildnis ohne Einwilligung des Abgebildeten nicht für reine Werbezwecke wie beispielsweise auf Warenverpackungen verwendet werden (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.7.2013 - 20 U 190/12; LG Berlin, Urt. v. 18.9.2008 - 27 O 870/07- , MMR 2008, 758, beck-online; vgl. Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, a.a.O., § 23 KUG, Rn. 44 m.w.N.). Auch bei alleiniger Verfolgung unterhaltender, die Sensationsgier befriedigender und sonstiger nicht-künstlerischer Zwecke greift die Ausnahme nicht (KG, Beschl. v. 11.06.2015 – 10 U 119/14, - Stelltafel/Blickfang - ZUM 2016, 383, beck-online). Liegt der primäre Kunstverfolgungszweck vor, ist die gleichzeitige Verfolgung wirtschaftlicher Interessen allerdings unschädlich, da die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG andernfalls völlig leerliefe (LG Hamburg, Urteil vom 13.04.2017 – 324 O 106/17 –, Rn. 37,- juris; vgl. Dreier/Schulze/Specht-Riemenschneider, 7. Aufl. 2022, KUG § 23 Rn. 43-45 m.w.N.; Schricker/Götting KUG § 23 Rn. 102; Wandtke/Bullinger/Fricke, 6. Aufl. 2022, KUG § 23). Ferner ist zu beachten, dass auch die Werbung für ein Kunstwerk - ebenso wie das Kunstwerk selbst - den Schutz der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in ihrem sogenannten Wirkbereich genießt. Es wird daher kein urheberrechtlicher Werkschutz verlangt, das heißt, ein Bildnis i.S. von § 23 I Nr. 4 KUG kann auch dann als zu künstlerischen Zwecken verbreitet angesehen werden, wenn es keinen Werkcharakter im Sinne des Urheberrechtsgesetz hat (vgl. BGH, a.a.O. m.w.N., BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 2501/04 –, BVerfGK 6, 92-100, Rn. 23 – 24; Schertz: Bildnisse, die einem höheren Interesse der Kunst dienen - Die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG, GRUR 2007, 558, 563 m.w.N.). Ein Überwiegen wirtschaftlicher gegenüber künstlerischen Zwecken schließt den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG nicht aus, ist aber bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen (so BGH a.a.O. –Tina Turner – Rn. 48, -juris mit Nachweisen zum Meinungsstreit; vgl. auch Schertz, a.a.O., GRUR 2007, 558ff.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei dem T-Shirt mit dem Linolschnitt als Kunstmotiv um ein dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG unterfallendes Produkt. Zwar hat der Beklagte selbst den Linolschnitt nicht entworfen, sondern nutzt ihn nur für sein Modelabel, das in einer speziellen T-Shirt- Edition "Alte Meister" Bilder bzw. Motive sorbischer Künstler verwendet. Dies mag auch vornehmlich wirtschaftlichen und nicht nur künstlerischen oder gar ideellen Interessen dienen. Nach seinem Vortrag bemüht er sich aber mit der Edition "Alte Meister" nach aufwändigen Recherchen zur Auswahl von Künstlern und Motiven insbesondere um die Verbreitung sorbischen Kulturgutes und die Wiederentdeckung vergessener sorbischer Künstler, wofür spricht, dass es sich bei der geringen Auflage von mit dem Linolschnitt bedruckten T-Shirts und angesichts des in erster Linie lokal beschränkten Verbreitungsgrades nicht um gewichtige wirtschaftliche Interessen des noch dazu nur nebenerwerblich tätigen Beklagten handeln dürfte. Der Beklagte nimmt im Hinblick auf die Gestaltung der Bekleidungsstücke ohne eigenen künstlerischen Gehalt und mit eher dekorativem Charakter zutreffend bereits nicht für sich in Anspruch, dass das T-Shirt selbst ein Kunstwerk darstellt (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 23.7.2013 – 20 U 190/12, - Pop Art - BeckRS 2013, 12449, beck-online). Es können sich aber nicht nur Künstler selbst bzw. Kunstschaffende oder Personen, die in deren Auftrag tätig sind, bei der Zurschaustellung und dem Verbreiten des Kunstwerks auf den Schutzbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG berufen, wie es der Vortrag der Klägerin nahelegen will. Entscheidend ist vielmehr, dass der Beklagte das Bildnis nicht unter Ausnutzung des Bekanntheitsgrades der abgebildeten Person und/oder ausschließlich zu kunstfreien Werbezwecken für sich nutzt, um seinen eigenen Bekanntheitsgrad zu fördern (vgl. etwa BGHZ 20, 345 = GRUR 1956, 427 - Paul Dahlke; BGHZ 30, 7 = GRUR 1959, 430 - Caterina Valente; BGH, GRUR 1961, 138 - Familie Schölermann; GRUR 1968, 652 - Ligaspieler; GRUR 1979, 425 - Fußballspieler; GRUR 1979, 732 - Fußballtor; NJW-RR 1987, 231 - Nena; AfP 1992, 149 (150) - Joachim Fuchsberger; Urt. v. 21.01.2021, I ZR 207/19, - Urlaubslotto -; KG, UFITA Bd. 90 (1981), S. 163 (164) - Udo Lindenberg; OLG Frankfurt a.M., ZUM 1988, 248 - Boris Becker). Die Darstellung des Bildnisses dient auch nicht nur unterhaltenden Zwecken z.B. im Rahmen einer allgemeinen Berichterstattung über "Berühmtheiten", und ist auch nicht angesichts der Aufmachung in Form einer besonders auffälligen Präsentation ohne erkennbare sonstige Zwecke als mehr oder minder kunstzweckfrei anzusehen (vgl. KG, a.a.O., Beschl. v. 11.06.2015,- Stelltafel/Blickfang -). Daher fällt wegen der Zulässigkeit der Verbreitung von Bildnissen im Wirkbereich (vgl. BGH, a.a.O., Schertz a.a.O.) nicht entscheidend ins Gewicht, dass der Beklagte mit dem Abdruck auf T-Shirts und deren Verkauf auch oder vornehmlich wirtschaftliche Zwecke verfolgt, da anderenfalls auch der Bildbandverlag, in dem der Linolschnitt und die Zeichnung der Künstlerin abgedruckt wurden, nicht mit dem Bildnis beispielsweise auf dem Cover werben könnte, was gleichfalls gegen die Zulässigkeit des Vertriebs von zahlreichen Produkten mit Bildnissen in Museumsshops bzw. -websites, Galerien, Auktionshäusern oder als Postkarten sprechen würde.

c) Die Privilegierung des § 23 Abs. 1 I Nr. 4 KUG entfällt allerdings dann, wenn die konkrete Veröffentlichung berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt, § 23 Abs. 2 KUG. Dabei erfordert die Beurteilung, ob die Verbreitung oder Schaustellung des Bildnisses der Klägerin einem höheren (also überwiegenden) Interesse der Kunst dient, die Abwägung zwischen dem Interesse der Klägerin am Schutz ihrer allgemeinen Persönlichkeitsrechte in Form ihres Rechts am eigenen Bild und dem von der Beklagten wahrgenommenen Recht, ein Kunstwerk zu vermarkten. Der Prüfung ist ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, der den widerstreitenden Interessen ausreichend Rechnung trägt. Ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten wird verletzt, wenn der Abbildung ein eigenständiger Verletzungsgehalt innewohnt, beispielsweise durch die Art ihrer Gewinnung oder Darstellung (vgl. BGH, a.a.O., - Tina Turner -, vgl. KG, a.a.O.- Stelltafel -; Schertz GRUR 2007, 558 [564]). Dies ist insbesondere bei kommerziellen Verwertungen der Fall (vgl. BGH, a.a.O. -Tina Turner -, OLG Hamburg ZUM 2004, 309 [310]; LG Frankfurt BeckRS 2009, 26562).

Im Rahmen der dabei vorzunehmenden Abwägung verdient die Kunstfreiheit des Beklagten gegenüber dem Recht der Klägerin am eigenen Bild den Vorrang. Zugunsten der Klägerin spricht zwar, dass sie durch den überwiegend zu wirtschaftlichen Zwecken erfolgten Verkauf der T-Shirts mit ihrem Jugendbildnis als Blickfang zur Schau gestellt wird, noch dazu in einem möglicherweise unpassenden oder herabwürdigen Kontext. Diesen für sie belastenden Kontrollverlust durch die Vermarktung ihres Bildnisses muss sie zudem hinnehmen, ohne davon in irgendeiner Weise profitiert zu haben oder an den Einnahmen beteiligt zu sein, während der Beklagte andererseits nicht im Besitz des Bildes oder allgemein im Besitz von Urheberrechten an dem Werk der Künstlerin H... K... ist. Die Zeichnung von 1960 ist aufgrund eines im privaten Umfeld der Klägerin bestehenden Kontakts zur Künstlerin angefertigt worden, sie hat weder in die Erstellung des Linolschnitts noch in die weitere Nutzung ihres Bildnisses konkret eingewilligt.

Dem steht jedoch gegenüber, dass es sich nicht um eine Fotografie oder um eine fotorealistische bzw. naturgetreue Abbildung handelt und die Klägerin aufgrund der erheblichen Verfremdung ihres Erscheinungsbildes im Linolschnitt, die mit der zweifachen künstlerischen Bearbeitung der ursprünglichen Portraitzeichnung der Klägerin einhergeht, ohnehin nur von einem sehr kleinen Personenkreis, der nicht über enge Bekannte der Klägerin hinausgeht, erkannt werden kann. Die Erkennbarkeit wird zudem auch angesichts des Zeitablaufs von rund 63 Jahren seit Entstehung der ersten Zeichnung und den damit einhergehenden Veränderungen im Aussehen der Klägerin nochmals erschwert. Das im Linolschnitt verkörperte Abbild der Klägerin ist für sich genommen auch nicht herabwürdigend, ehrenrührig oder die Klägerin diskreditierend, sondern trägt vielmehr in erster Linie zum Ansehen und Gedenken an die Künstlerin H... K... bei. Die Klägerin hat zudem seinerzeit für Anfertigung der Portraitzeichnung Modell gestanden, hatte somit Kenntnis von der Anfertigung und war mit der Verwendung "ihres" Bildes durch die Künstlerin einverstanden. Ihr Schutzbedürfnis ist daher herabgesetzt. Schließlich hat der Beklagte überzeugend dargelegt, dass ihm mit der Gestaltung der T-Shirts auch der Aspekt der Kunstförderung wichtig sei, insbesondere die Verbreitung sorbischen Kulturgutes und die Bekanntmachung sorbischer Künstler. Er lege großen Wert auf die Auswahl der Motive und lasse sich dabei u.a. von Mitarbeitern sorbischer Institutionen beraten und begleiten. Die Förderung des Bekanntheitsgrades der in der T-Shirt Edition "Alte Meister" verwendeten Kunstwerke sorbischer Künstler werde auch dadurch belegt, dass in jeder Produktbeschreibung auf der Internetseite auf das dargestellte Bild eingegangen sowie in die Biografie der betreffenden Künstler mit Quellenverweisen eingeführt werde. Von den Einnahmen aus den T-Shirt-Verkäufen spende er einen Betrag von 50 ct. an gemeinnützige Vereine. Angesichts dieser grundsätzlich auch im Sinne der Kunstfreiheit anerkennenswerten Motive des Beklagten fallen seine mitverfolgten wirtschaftlichen Interessen gegenüber der Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Klägerin nicht derartig ins Gewicht, dass die Klägerin Unterlassung der Verwendung des Linolschnitts beanspruchen kann.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Zur Begründung der Streitwertfestsetzung wird auf den im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss des Senats vom 06.03.2023 - Az: 4 W 461/22 - Bezug genommen.

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