LG Hamburg, Urteil vom 31.03.2023 - 310 O 316/21
Fundstelle
openJur 2023, 4374
  • Rkr:
Rubrum

Landgericht Hamburg

Urteil

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

1) Sony Music Entertainment Germany GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer ..., ..., ..., ...

- Klägerin u. Widerbeklagte -

2) Universal Music GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer ..., ..., ...

- Klägerin u. Widerbeklagte -

3) Warner Music Group Germany Holding GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer ..., ..., ...

- Klägerin u. Widerbeklagte -

Prozessbevollmächtigte zu 1 - 3:

Rechtsanwälte ...

gegen

..., ..., ...

- Beklagter u. Widerkläger -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte ...

erkennt das Landgericht Hamburg - Zivilkammer 10 - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht H..., den Richter am Landgericht H... und den Richter am Landgericht E... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2023 für Recht:

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre),

1.1.

im Verhältnis zur Klägerin zu 1) zu unterlassen, Dritten dabei Beihilfe zu leisten, wirksame technische Schutzmaßnahmen der Tonaufnahme "Kopfüber" der Künstlerin Mia ohne Zustimmung der Klägerin zu 1) zu umgehen;

1.2.

im Verhältnis zur Klägerin zu 2) zu unterlassen, Dritten dabei Beihilfe zu leisten, wirksame technische Schutzmaßnahmen der Tonaufnahme "Kein Lied" des Künstlers Wincent Weiss ohne Zustimmung der Klägerin zu 2) zu umgehen;

1.3.

im Verhältnis zur Klägerin zu 3) zu unterlassen, Dritten dabei Beihilfe zu leisten, wirksame technische Schutzmaßnahmen der Tonaufnahme "Higher Ground" des Künstlers Robin Schulz ohne Zustimmung der Klägerin zu 3) zu umgehen;

wie es hinsichtlich der vorerwähnten Tonaufnahmen durch die Software youtube-dl durch die Zurverfügungstellung von Speicherplatz an die Website https://youtube-dl.org geschehen ist, über die die Software youtube-dl abgerufen werden konnte.

2. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, Dritten Beihilfe zu leisten, eine Software oder Kopien der Software zu verbreiten, die es ermöglicht, auf der Videoplattform YouTube zum Abruf als Stream bereitgehaltene Tonaufnahmen, die mittels einer Chiffrierung oder einer ähnlichen Maßnahme vor dem direkten Zugriff zum Zwecke des Herunterladens geschützt sind, zu vervielfältigen, wie es durch die Zurverfügungstellung von Speicherplatz an die Website https://youtube-dl.org geschehen ist, über die die Software youtube-dl abgerufen werden konnte.

3. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen Auskunft über folgende Informationen - jeweils für die Zeit ab dem 25. September 2020 - zu erteilen:

3.1.

Anzahl der Downloads der Software youtube-dl über die Internetseite https://youtube-dl.org von den unterschiedlichen Quellen;

3.2.

Umsatz (einschließlich Spenden), der vom Beklagten auf seinem Geschäftskonto mit dem Vertrieb der Software erzielt wurde;

3.3.

Informationen zu den heutigen Verantwortlichen, finanziellen Unterstützern und Entwicklern betreffend die Software youtube-dl und die Internetseite https://youtube-dl.org. Die Informationen haben die Namen und Anschriften der Betreiber der Internetseite sowie der Entwickler der Software mit den Benutzernamen "...", "..." und "..." zu enthalten.

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Grund nach verpflichtet ist,

4.1.

der Klägerin zu 1) für die unberechtigten Downloads der Tonaufnahme "Kopfüber" der Künstlerin Mia,

4.2.

der Klägerin zu 2) für die unberechtigten Downloads der Tonaufnahme "Kein Lied" des Künstlers Wincent Weiss,

4.3.

und der Klägerin zu 3) für die unberechtigten Downloads der Tonaufnahme "Higher Ground" des Künstlers Robin Schulz

durch Dritte unter Verwendung der Software youtube-dl in der Bundesrepublik Deutschland Schadensersatz zu leisten, soweit die Dritten die Software ab dem 25. September 2020 über die Internetseite https://www.youtube-dl.org heruntergeladen haben.

5. Auf die Widerklage hin werden die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen verurteilt, an den Beklagten vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.211,50 nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. November 2020 zu zahlen.

6. Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.

7. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

8. Das Urteil ist für die Klägerinnen vorläufig vollstreckbar, und zwar betreffend der Aussprüche zu den vorstehenden Ziffern 1.1., 1.2., 1.3. und 2. jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 20.000,00, hinsichtlich der Aussprüche zu vorstehenden Ziff. 3.1., 3.2. und 3.3. jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 500,00 und hinsichtlich der Aussprüche zu Ziff. 5 und Ziff. 7 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Für den Beklagten ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung von Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils durch ihn vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert der Klage wird auf 100.000,00 € festgesetzt, der Streitwert der Widerklage beträgt 2.638,42 €.

Tatbestand

Die Klägerinnen werfen dem Beklagten die Beteiligung an der Umgehung angeblicher wirksamer technischer Schutzmaßnahmen vor. Er soll an der Verbreitung der Software mit dem Namen youtube-dl beteiligt sein, die ein Herunterladen von Musikvideos ermöglicht, die auf der Plattform YouTube veröffentlicht worden sind. Die Klägerinnen fordern Unterlassung, Auskunft, Feststellung von Schadensersatzpflichten und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Gestützt wird die Klage auf die angebliche Inhaberschaft von exklusiven Nutzungsrechten des Tonträgerherstellers an bestimmten Tonaufnahmen. Mit seiner Widerklage verlangt der Beklagte Ersatz der Rechtsanwaltskosten für seine vorgerichtliche Rechtsverteidigung.

Die Klägerinnen sind Unternehmen der Tonträgerherstellerindustrie.

Der Beklagte betreibt einen Web-Hosting-Dienst und bewirbt dies im Internet unter den URLs https://... und https://.../. Er stellt seinen Kunden Speicherplätze auf Servern zur Verfügung, auf denen die Kunden Internetseiten ablegen können. Darüber hinaus bietet er (weitere) technische Unterstützung für den Betrieb von Internetseiten an. Für die Web-Hosting-Dienste zahlen seine Kunden einen monatlichen Betrag.

Unter anderem stellt der Beklagte Speicherplatz für die Internetseite zur Verfügung, die unter der URL https://youtube-dl.org erreichbar ist. Die Internetseite enthält Links, über die die Software mit dem Namen youtube-dl heruntergeladen werden kann. Die Software selbst ist auf den Servern einer Dritten, "GitHub", gespeichert. Die Klägerin hat den nachfolgend wiedergegebenen Screenshot der Internetseite https://youtube-dl.org vorgelegt:

Bild

Die von dem Beklagten gehostete Internetseite enthält kein Impressum und auch sonst keine Angabe der Namen und Anschriften der Personen, die die Internetseite betreiben. Die Möglichkeit, die Software youtube-dl über einen auf der Internetseite vorhandenen Link herunterzuladen, hat im September 2020 bestanden und besteht auch weiterhin.

Bei youtube-dl handelt es sich um eine Open-Source-Software, die als Download-Manager für Video- und Audioinhalte von YouTube und anderen Videoplattformen eingesetzt werden kann. Unter Verwendung der Software lassen sich Inhalte von YouTube herunterladen, die dort für den Abruf im Streaming-Verfahren bereitgehalten werden.

Im Herbst 2020 sperrte "GitHub" vorübergehend die Downloadmöglichkeit betreffend die Software. Vorangegangen war eine Takedown-Aufforderung der "Recording Industry Association of America" (RIAA), die geltend gemacht hatte, youtube-dl verstoße gegen das Verbot der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen gem. Sec. 1201 DMCA. Am 16. November 2020 hob "GitHub" die Sperre wieder auf und erklärte, ihr lägen neue Informationen vor, nach denen das youtube-dl-Projekt nicht gegen die Vorschriften des DMCA zur Umgehung wirksamer technische Maßnahmen verstoße.

Die Betreiberin von YouTube setzt eine Technologie ein, die als "Rolling Cipher" bezeichnet wird. Ob es sich hierbei um eine Verschlüsselung handelt und ob die Technologie eine wirksame technische Schutzmaßnahme im Sinne von § 95a UrhG ist, steht zwischen den Parteien im Streit. Der allgemein zugängliche Streaming-Dienst von YouTube funktioniert jedenfalls in der Weise, dass der Speicherort einer jeweiligen Audio- und Videodatei für den Nutzer nicht unmittelbar aus der URL-Zeile seines Browsers ersichtlich ist. Audio- und Videodateien können (außerhalb von Abonnement-Verträgen) nicht unmittelbar durch einen Download-Button heruntergeladen werden. Wenn ein Internetnutzer YouTube-Inhalte anfordert, indem er eine "Standard-URL", z.B. in der Form "www.youtube.com/watch?v=[VIDEO_ID]" sendet, schickt YouTube URL-Fragmente an den Browser zurück. Browser, die für die YouTube-Player-Technologie geeignet sind, schaffen aus den Fragmenten die Medien-URL, die benötigt wird, um die Audio-/Videoinhalte abzurufen. Da die Betreiberin von YouTube den Algorithmus für die Umwandlung der Medien-URL häufig ändert (vgl. auch Anlage K 6), wird hierfür auch die Bezeichnung "Rolling Cipher" verwendet.

Streitgegenständlich sind die Tonaufnahmen "Kopfüber" der Künstlerin Mia (betreffend die Klägerin zu 1), die Tonaufnahme "Kein Lied" des Künstlers Wincent Weiss (betreffend die Klägerin zu 2) und die Tonaufnahme "Higher Ground" des Künstlers Robin Schulz (betreffend die Klägerin zu 3). Diese Tonaufnahmen werden seit längerer Zeit über YouTube-Kanäle zum Abruf angeboten, wobei von YouTube – jedenfalls teilweise – Werbespots eingespielt werden.

Am 22. September 2020 nahm ein Ermittler der proMedia GmbH, der Zeuge ... ..., unter Zuhilfenahme der Software youtube-dl Downloads betreffend die streitgegenständlichen Tonaufnahmen von der Plattform YouTube vor. Der Zeuge rief die URL https://youtube-dl.org auf und lud über den dort vorhandenen Link die Software youtube-dl herunter, die er auf seinem Rechner installierte. Anschließend rief er die URL https://www.youtube.com/watch?v=bBqrlBFsf0s auf. Er nahm das dort vorgehaltene Musikvideo mit der Tonaufnahme "Kopfüber" der Künstlerin Mia wahr. Danach kopierte er die URL und gab diese in komprimierter Form - https://youtu.be/bBqrlBFsf0s - zusammen mit dem Befehl

c:\Users\...\Downloads>youtube-dl.exe https://youtu.be/bBqrlBFsf0s -f bestaudio

in die Eingabemaske der Software youtube-dl ein. Durch Betätigen der Enter-Taste wurde ein Download-Vorgang gestartet. Eine Audio-Datei im Format WebM wurde heruntergeladen und im Downloadordner des Rechners des Zeugen ... abgespeichert. Der Zeuge ... überzeugte sich davon, dass die Datei aus einer Audio-Aufnahme des Musiktitels "Kopfüber" bestand.

In vorbeschriebener Weise lud der Zeuge ... sodann unter Einsatz der Software youtube-dl Audiodateien der beiden weiteren streitgegenständlichen Tonaufnahmen herunter.

Im Auftrag der Klägerinnen schickten Rechtsanwälte - die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen - dem Beklagten das Schreiben vom 22. September 2020 (Anlage K 10). Darin warfen sie dem Beklagten vor, durch das Hosten der Internetseite https://youtube-dl.org einen wesentlichen Beitrag zu leisten, dass Internetnutzer sich mittels der Software youtube-dl Inhalte der Plattform YouTube herunterladen, die nicht für den Download bestimmt seien. Die Software ermögliche die Umgehung einer wirksamen technischen Schutzmaßnahme. Der Beklagte wurde aufgefordert, es zu unterlassen, wirksame technische Schutzmaßnahmen der streitgegenständlichen Tonaufnahmen zu umgehen, wie dies durch die Software youtube-dl geschehen sei, und es zu unterlassen, "eine Software zu gewerblichen Zwecken zu besitzen und/oder Kopien der Software zu verbreiten und/oder mittels der Website https://youtube-dl.org/ oder einem vergleichbaren Dienst eine Dienstleistung zu erbringen, die es ermöglicht, auf der Videoplattform YouTube zum Abruf als Stream bereitgehaltene Tonaufnahmen, die mittels einer Chiffrierung oder einer ähnlichen Maßnahme vor dem direkten Zugriff zum Zwecke des Herunterladens geschützt sind, zu vervielfältigen, wie es hinsichtlich der [streitgegenständlichen] Tonaufnahme[n] (...) mittels der Software Download-DL geschehen ist". Die Klägerinnen forderten den Beklagten zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auf und zur Auskunft über (unter anderem) die Anzahl der Downloads der Software und den Umsatz, der mit dem Vertrieb der Software erzielt wurde.

Der Beklagte antwortete mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 1. Oktober 2020, Anlage K 11, indem er die Forderungen der Klägerinnen zurückwies.

Die Klägerinnen haben Anfang November 2021 die vorliegende Klage erhoben.

Sie vertreten die Ansicht, das Landgericht Hamburg sei gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Die streitgegenständlichen Tonaufnahmen seien durch den Zeugen ... unter Einsatz der Software youtube-dl von Hamburg aus auf seinen Rechner heruntergeladen worden, sodass der Begehungsort der angegriffenen deliktischen Handlungen in Hamburg liege. Bei der Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen sei – wie von der Zivilkammer 8 des Landgerichts Hamburg mit Urteil vom 19. Juli 2017, 308 O 230/17, entschieden – auch auf die Initiierung des Umgehungsvorgangs durch den Nutzer abzustellen. Die von dem Beklagten zur Verfügung gestellte Software könne überall im Bundesgebiet und damit auch in Hamburg verwendet werden.

Die Klageanträge seien ausreichend bestimmt. Die in den Unterlassungsanträgen umschriebenen Tathandlungen "wirksame technische Schutzmaßnahmen ... zu umgehen" und "eine Software oder Kopien der Software zu verbreiten..." deckten eine Verantwortlichkeit als Täter, Teilnehmer oder Störer ab. Es sei nicht erforderlich, in den Klageanträgen die Besonderheiten der Täterhaftung, der Beihilfe oder der Störerhaftung zum Ausdruck zu bringen.

Die Klägerinnen stützen die Klage auf behauptete Tonträgerherstellerrechte. Sie behaupten, jeweils Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an Ton- und Filmtonaufnahmen zahlreicher nationaler und internationaler Künstler zu sein. Die Klägerin zu 1) sei Inhaberin der exklusiven Tonträgerherstellerrechte an der Tonaufnahme "Kopfüber" der Künstlerin Mia, die Klägerin zu 2) sei Inhaberin solcher Rechte an der Tonaufnahme "Kein Lied" des Künstlers Wincent Weiss und die Klägerin zu 3) sei Inhaberin solcher Rechte an der Tonaufnahme "Higher Ground" des Künstlers Robin Schulz.

Zweck der Software youtube-dl sei es, technische Schutzmaßnahmen von YouTube zu umgehen, um ein dauerhaftes Abspeichern der über YouTube gestreamten Inhalte zu ermöglichen.

Die Betreiberin von YouTube setze eine Verschlüsselungstechnik ein, bei der es sich um eine wirksame technische Schutzmaßnahme handle, die den Download von Plattforminhalten verhindern solle. Dass YouTube dies bezwecke, könne der Senior Legal Counsel der Google Germany GmbH, ... ..., als Zeuge bestätigen und ergebe sich auch aus dessen schriftlicher Stellungnahme vom 29.09.2021, Anlage K 6. Außerdem sei dies aus den Nutzungsbedingungen des Dienstes YouTube zu schließen, nach denen Vervielfältigungen im Grundsatz unzulässig seien. Die Betreiberin von YouTube komme mit der Verschlüsselungstechnik den Anforderungen der Lizenzvereinbarungen nach, die sie mit Inhabern von Urheberrechten geschlossen habe.

Dem Beklagten sei eine Beihilfe zur Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen im Sinne von § 95a Abs. 1 UrhG vorzuwerfen.

Der Beklagte habe außerdem gegen das Verbot des § 95a Abs. 3 UrhG verstoßen. Durch das fortgesetzte Hosten der Website https://youtube-dl.org in Kenntnis der Rechtsverletzung unterstütze er die Verbreitung der Umgehungssoftware, wobei er sogar eine zentrale Rolle einnehme. Zudem erbringe er eine Dienstleistung, die der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen diene.

Dem Beklagten sei bereits vor der Abmahnung vom 22. September 2020 bekannt gewesen, dass die Software youtube-dl über einen Link der von ihm gehostete Internetseite herunterzuladen sei und für welchen Zweck die Software eingesetzt werde. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass auf der Internetseite (unstreitig) "Uberspace" als "our main website hoster" bezeichnet worden sei und (nach den Behauptungen der Klägerinnen) dies mit einem Spendenaufruf auf einer anderen Internetseite verbunden gewesen sei.

Sollte das Gericht zu der Einschätzung gelangen, der Beklagte hafte nicht als Gehilfe, würde jedenfalls eine Verantwortlichkeit des Beklagten als sogenannter Störer gegeben sein.

In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen die Anträge aus der Klageschrift umformuliert und ergänzt. Der Beklagte hat erklärt, er nehme die Klägerinnen mit der Widerklage als Gesamtschuldnerinnen in Anspruch.

Die Klägerinnen beantragen,

I. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre),

1. im Verhältnis zur Klägerin zu 1) zu unterlassen, wirksame technische Schutzmaßnahmen der Tonaufnahme "Kopfüber" der Künstlerin "Mia" ohne Zustimmung der Klägerin zu 1) zu umgehen;

2. im Verhältnis zur Klägerin zu 2) zu unterlassen, wirksame technische Schutzmaßnahmen der Tonaufnahme "Kein Lied" des Künstlers "Wincent Weiss" ohne Zustimmung der Klägerin zu 2) zu umgehen;

3. im Verhältnis zur Klägerin zu 3) zu unterlassen, wirksame technische Schutzmaßnahmen der Tonaufnahme "Higher Ground" des Künstlerin "Robin Schulz" ohne Zustimmung der Klägerin zu 3) zu umgehen;

wie es hinsichtlich der vorerwähnten Tonaufnahmen durch die Software youtube-dl durch die Zurverfügungstellung von Speicherplatz an die Website youtube-dl.org geschehen ist, über die die Software youtube-dl abgerufen werden konnte;

II. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, eine Software oder Kopien der Software zu verbreiten und/oder mittels der Website https://youtube-dl.org/ oder einem vergleichbaren Dienst eine Dienstleistung zu erbringen, die es ermöglicht, auf der Videoplattform YouTube zum Abruf als Stream bereitgehaltene Tonaufnahmen, die mittels einer Chiffrierung oder einer ähnlichen Maßnahme vor dem direkten Zugriff zum Zwecke des Herunterladens geschützt sind, zu vervielfältigen, wie es hinsichtlich der es hinsichtlich der unter Ziffer I. des Klageantrages aufgezählten Tonaufnahmen durch die Zurverfügungstellung von Speicherplatz an die Website youtube-dl.org geschehen ist, über die die Software youtube-dl abgerufen werden konnte;

III. den Beklagten zu verurteilen, Auskunft über folgende Informationen zu erteilen:

- Anzahl der Downloads der youtube-dl Software über die Website youtube-dl.org von den unterschiedlichen Quellen;

- Umsatz (einschließlich Spenden), der vom Beklagten auf sein Geschäftskonto mit dem Vertrieb der Software erzielt wurde;

- Informationen zu den heutigen Verantwortlichen, finanziellen Unterstützern, Entwicklern etc. Die Informationen sollten vor allem Namen und Anschriften der Betreiber der Website youtube-dl-org sowie der Entwickler der Software youtube-dl mit den Benutzernamen "...", "...", "..." [enthalten];

IV. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist,

- der Klägerin zu 1) für den unberechtigten Download der Tonaufnahme "Kopfüber" der Künstlerin "Mia",

- der Klägerin zu 2) für den unberechtigten Download der Tonaufnahme "Kein Lied" des Künstlers "Wincent Weiss",

- der Klägerin zu 3) für den unberechtigten Download der Tonaufnahme "Higher Ground" des Künstlers "Robin Schulz"

unter Verwendung der Software youtube-dl in der Bundesrepublik Deutschland Schadensersatz zu leisten;

V. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen zu gleichen Teilen insgesamt EUR 2.706,16 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt der Beklagte,

die Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen zu verurteilen, an ihn EUR 2.638,42 vorgerichtlicher Anwaltskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2020 zu zahlen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte rügt, das Landgericht Hamburg sei örtlich nicht zuständig. Die Klägerinnen würden ein "Forum Shopping" betreiben. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO greife bei einer behaupteten Rechtsverletzung im Internet nur dann, wenn die als rechtsverletzend geltend gemachte Handlung einen deutlichen Bezug zu dem Ort des angerufenen Gerichts in dem Sinne aufweise, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falles an dem betreffenden Gerichtsort erheblich näherliege, als dies aufgrund der bloßen Abrufbarkeit der Fall wäre.

Die Klage sei auch mangels hinreichend bestimmter Klageanträge unzulässig. Der Beklagte hat - jedenfalls bis zu den Umformulierungen der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung - die Ansicht vertreten, der Klageantrag Ziffer I lasse nicht klar erkennen, auf welche Handlungen bzw. welchen Tatbeitrag er bezogen sei. Nach der Klagebegründung würden die Klägerinnen ihn als Teilnehmer und Störer einer Rechtsverletzung im Sinne von § 95a Abs. 1 UrhG in Anspruch nehmen, die Klageanträge würden hingegen auf eine täterschaftliche Haftung gerichtet sein.

Dass die Klägerinnen Inhaberinnen ausschließlicher Nutzungsrechte an zahlreichen Ton- und Filmaufnahmen seien, werde mit Nichtwissen bestritten. Auch bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen, dass die Klägerinnen Inhaberinnen ausschließlicher Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Aufnahmen seien.

Hinsichtlich der von der Betreiberin von YouTube eingesetzten Maßnahme, "Rolling Cipher", gelte Folgendes:

Es liege keine technische Schutzmaßnahme im Sinne von § 95a Abs. 2 S. 1 UrhG vor. Bei der gebotenen objektiven Betrachtung setze die Betreiberin von YouTube die "Rolling Cipher" zu verschiedenen Zwecken ein, deren gemeinsamer Nenner darin bestehe, zur Optimierung des werbefinanzierten Geschäftsmodells von YouTube beizutragen. Dass manche Nutzer durch den Einsatz der "Rolling Cipher" vom unmittelbaren Herunterladen der Videos entmutigt werden könnten, sei nur einer dieser Zwecke.

Bei der "Rolling Cipher" handle es sich jedenfalls nicht um eine wirksame Maßnahme im Sinne von § 95a Abs. 2 S. 2 UrhG. Maßnahmen seien nicht als wirksam einzuordnen, wenn sie zwar mit dem Ziel der Nutzungsbegrenzung eingesetzt werden, aber kein nennenswerter Mindestschutz gewährleistet werde, weil sie mit den allgemein verfügbaren Programmwerkzeugen problemlos umgangen werden können. Der Mechanismus der "Rolling Cipher" unterscheide sich von der Technik, die von der Betreiberin von YouTube zum Beispiel im YouTube-Music-Dienst eingesetzt werde, bei dem die Dateien selbst verschlüsselt würden. Die "Rolling Cipher" sei keine Verschlüsselungstechnologie. Der Mechanismus der "Rolling Cipher" sei in den offen einsehbaren Programmcode der YouTube-Website eingebettet und könne von jedermann manuell oder automatisiert durch den Browser eingesehen werden.

Der "Rolling Cipher" fehle das erforderliche Mindestmaß an Wirksamkeit, weil durchschnittliche Nutzer, die mit der Nutzung eines Browsers vertraut seien, YouTube-Videos ohne zusätzliche Programme oder Programmierkenntnisse herunterladen könnten. Anleitungen hierfür seien über die Google-Suche in wenigen Sekunden auffindbar. Die Nutzer müssten dann nur wenige Schritte ausführen, um unter Einsatz lediglich eines Standardbrowsers Inhalte von YouTube herunterzuladen.

Die "Rolling Cipher" sei auch deshalb nicht als wirksam anzusehen, weil die eine Umgehung ermöglichenden Programmwerkzeuge allgemein verfügbar seien. Solche Programmwerkzeuge seien in den offiziellen App-Stores, über Online-Portalen wie "chip.de" und über zahlreiche andere Wege erreichbar und für jedermann bedienbar.

Rechtsschutz für die (angebliche) technische Schutzmaßnahme könne jedenfalls deshalb nicht beansprucht werden, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt sei. Rechtsschutz bestehe nur betreffend Schutzmaßnahmen, die verhältnismäßig sind und nicht über das zum Schutz Erforderliche hinausgehen. Der Beklagte ist der Ansicht, dass den Klägerinnen die Darlegung und der Beweis obliege, dass es keine anderen Maßnahmen gebe, die zu einer geringeren Beeinträchtigung oder Beschränkung zulässiger Handlungen Dritter führen und einen vergleichbaren Schutz bieten. Die Software, die YouTube im Rahmen von speziellen Diensten wie "YouTube-Music" nutze, stelle eine effektive Verschlüsselung dar und sei geeigneter und gegenüber rechtmäßigen Handlungen weniger einschränkend als die "Rolling Cipher".

Betreffend youtube-dl sei zu berücksichtigen, dass diese Software zu unzähligen Zwecken genutzt werden könne. So ermögliche sie unter anderem Journalisten, Wissenschaftlern, Strafverfolgungsbehörden und Menschenrechtsorganisationen die Dokumentation und Beweissicherung betreffend Rechtsverletzungen. Außerdem hätten YouTube und auch der weit überwiegende Teil der Rechteinhaber bzw. Uploader ein Interesse daran, dass Videos heruntergeladen werden, um die Bekanntheit und Reichweite der Videos zu erhöhen. Bei Videos, die unter einer Creative-Commons-Lizenz stehen, sei die Anwendung technischer Maßnahmen nicht gestattet.

Nutzer, die mittels youtube-dl Inhalte von YouTube herunterladen, handelten nicht mit dem für einen Verstoß gegen § 95a Abs. 1 UrhG erforderlichen Umgehungsvorsatz, denn ihnen sei nicht bekannt, dass sie eine wirksame technische Maßnahme umgehen. Tools zum Herunterladen von YouTube-Videos seien weit verbreitet; dem Nutzer werde durch eine einfache Internetrecherche bestätigt, dass ein Herunterladen im Rahmen der "Privatkopieschranke" erlaubt sei, was auch objektiv der Fall sei.

Auch sei keine der Tatbestandsvarianten des § 95a Abs. 3 UrhG verwirklicht. Verstöße gegen § 95a Abs. 3 UrhG setzten neben der Verwirklichung einer der dort genannten Tathandlungen voraus, dass die Software Gegenstand einer Verkaufsförderung sei (§ 95a Abs. 3 Nr. 1 UrhG) oder die Software neben der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen habe (§ 95a Abs. 3 Nr. 2 UrhG) oder dass sie hauptsächlich zur Umgehung solcher Maßnahmen entworfen worden sei (§ 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG), was sich aus dem Klägervortrag nicht ergebe.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, es fehle jedenfalls an seiner Verantwortlichkeit: Als Betreiber eines Webhosting-Dienstes sei er gem. § 10 TMG haftungsprivilegiert. Mit Blick auf § 7 Abs. 2 TMG und § 10 TMG seien Betreiber von Webhosting-Diensten nicht verpflichtet, aktiv nach Rechtsverletzungen zu suchen. Sie müssten erst dann tätig werden, wenn sie auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden seien, was vorliegend auch mit der Abmahnung der Klägerinnen nicht geschehen sei. Es treffe nicht zu, dass er seit jeher von dem Angebot und der Funktion der Software youtube-dl Kenntnis habe, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass er eine Vielzahl an Internetseiten hoste.

Jedenfalls fehle es am sogenannten doppelten Gehilfenvorsatz, der sich sowohl auf seine Beihilfeleistung als auch auf das Vorliegen einer rechtswidrigen Haupttat beziehen müsse. Erforderlich sei Kenntnis der konkreten Haupttat. Da er mit dem Webhosting eine neutrale Handlung ausführe, könnte eine Beihilfe allenfalls angenommen werden, wenn das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf die Begehung einer strafbaren Handlung abziele und der Hilfeleistende dies wisse.

Betreffend den weiteren Vortrag der Klägerinnen und des Beklagten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2023 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend begründet.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg folgt aus § 32 ZPO.

Der deliktische Gerichtsstand erfasst auch durch § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz sanktionierte unerlaubte Handlungen (vgl. Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 32 Rn. 2). Bei den Verboten des § 95a Abs. 1 und 3 UrhG, auf die die Klage gestützt ist, handelt es sich um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2014, I ZR 124/11, Rn. 68, juris – Videospiel-Konsole II).

Die Bestimmung des § 95a UrhG schafft kein absolutes Recht, sondern regelt Verhaltenspflichten, die unmittelbar dem Schutz technischer Maßnahmen und mittelbar dem Schutz der durch diese technischen Maßnahmen urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen dienen (BGH, Urteil vom 27. November 2014, I ZR 124/11, Rn. 68, juris – Videospiel-Konsole II).

1.1.

Bei der Umgehung einer technischen Maßnahme im Sinne von § 95a Abs. 1 UrhG wird der Umgehungsvorgang von dem Verwender der Umgehungsmaßnahme gesteuert, sodass der Handlungsort überall dort liegt, wo Verwender die Maßnahmen initiieren, vorliegend also auch in Hamburg (vgl. auch LG Hamburg, Urteil vom 19. Juli 2017, 308 O 230/17, Rn. 30, juris).

1.2.

Soweit die Klage auf eine Verletzung von Verhaltenspflichten des § 95a Abs. 3 UrhG gestützt wird, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg ebenfalls aus § 32 ZPO. Die Regelung des § 95a Abs. 3 UrhG setzt zwar nicht die Verletzung eines Rechtsguts als Erfolg voraus. In Fällen von Verhaltensunrecht im Internet ist Begehungsort aber (auch) jeder Ort, an dem die Information dritten Personen bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht wird und keine bloß zufällige Kenntnisnahme vorliegt (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 14 Rn. 18). Das Angebot der Software youtube-dl über die durch den Beklagten gehostete Internetseite richtet sich an Internetnutzer im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Eine Kollision der widerstreitenden Interessen ist auch in Hamburg gegeben.

1.3.

Eine Einschränkung der grundsätzlich bundesweit gegebenen Zuständigkeit kommt auch nach der von dem Beklagten angeführten Rechtsprechung (u.a. des OLG Brandenburg) nur in Betracht, wenn der streitgegenständliche Internetinhalt einen klaren lokalen oder regionalen Bezug aufweist (OLG Brandenburg, Urteil vom 28. November 2016, 1 U 6/16, Rn. 29, juris), was vorliegend nicht der Fall ist.

2.

Auch ist - jedenfalls soweit für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung - hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gegeben.

Ersichtlich stützen die Klägerinnen ihre Begehren auf den Vorwurf, der Beklagte habe Speicherplatz für die Website https://youtube-dl.org zur Verfügung gestellt (und mache dies weiterhin), über die die Software youtube-dl (durch einen Link) abzurufen ist. Die Klägerinnen haben dies inzwischen in die (neu formulierten) Klageanträge aufgenommen (S. 4 f. des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2023). Soweit der Tenor dieses Urteils von der Formulierung der Klageanträge abweicht, dient dies lediglich der Klarstellung des von den Klägerinnen erkennbar Gewollten.

Hinreichende Bestimmtheit ist auch insoweit gewahrt, als die Klägerinnen zum Ausdruck gebracht haben, den Beklagten primär als Täter oder Teilnehmer und hilfsweise als sogenannten Störer in Anspruch zu nehmen. Sollte hinsichtlich der Geltendmachung der Störerhaftung erforderlich sein, dass Anträge auf diese Verletzungsform angepasst werden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08, Rn. 37, Sommer unseres Lebens, beck-online; BGH, Urteil vom 12.07.2012, I ZR 18/11, Rn. 43, Alone in the Dark, juris; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 02.06.2022, I ZR 140/15, Rn. 26, juris – YouTube II), wäre dies allenfalls für das Hilfsbegehren von Bedeutung, über das aber vorliegend - wie nachstehend ausgeführt wird - nicht zu entscheiden ist. Die (primär geltend gemachte) Inanspruchnahme des Beklagten als Täter oder Teilnehmer kommt in den Klageanträgen hinreichend zum Ausdruck.

3.

Der Klageantrag Ziffer I, mit dem die Klägerinnen einen Verstoß gegen § 95a Abs. 1 UrhG geltend machen, ist begründet. Der Unterlassungsanspruch der Klägerinnen gegenüber dem Beklagten, Ziffer 1 des Tenors dieses Urteils, ergibt sich aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 95a Abs. 1 UrhG.

Wie oben ausgeführt, handelt es sich bei § 95a Abs. 1 UrhG um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 S. 1 BGB.

Gemäß § 95a Abs. 1 UrhG ist es verboten, wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Schutzgegenstandes ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zu umgehen, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen.

3.1.

Die Klägerinnen sind aktivlegitimiert.

Der rechtliche Schutz technischer Maßnahmen im Sinne von § 95a UrhG soll den Inhabern von Urheberrechten und den Inhabern von Leistungsschutzrechten im Sinne des Urheberrechtsgesetzes zugutekommen (BGH, Urteil vom 17.07.2008, I ZR 219/05, Rn. 16 f., Clone-CD, juris). Inhaber (exklusiver) Tonträgerherstellerrechte gehören zu den von § 95a Abs. 1 UrhG geschützten Rechteinhabern (BGH, Urteil vom 17.07.2008, I ZR 219/05, Rn. 17, Clone-CD, juris).

Die Klägerinnen sind Inhaberinnen exklusiver Rechte der Tonträgerhersteller an den streitgegenständlichen Tonaufnahmen, und zwar ist die Klägerin zu 1) Inhaberin dieser Rechte betreffend die Tonaufnahme "Kopfüber" der Künstlerin Mia, die Klägerin zu 2) ist Inhaberin dieser Rechte betreffend die Tonaufnahme "Kein Lied" des Künstlers Wincent Weiss und die Klägerin zu 3) ist Inhaberin exklusiver Tonträgerherstellerrechte betreffend die Tonaufnahme "Higher Ground" des Künstlers Robin Schulz.

Zwar bestreitet der Beklagte die Behauptung der Klägerinnen, sie seien Inhaberinnen der Tonträgerherstellerrechte an den genannten Aufnahmen, und die Klägerinnen tragen zu den Vorgängen der Begründung der Tonträgerherstellerrechte nicht konkret vor. Das Gericht ist dennoch zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerinnen Inhaberinnen der behaupteten Tonträgerherstellerrechte sind. Diese Überzeugung beruht auf der Würdigung der vorliegenden Indizien im Rahmen von § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Als ein Indiz für die Inhaberschaft der Tonträgerherstellerrechte kommt die Eintragung in den Medienkatalog der Phononet GmbH in Betracht (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016, I ZR 48/15, Rn. 26 ff., Everytime we touch, juris). Der Medienkatalog richtet sich an Unternehmen der Musikindustrie und des Tonträgerhandels. Soweit nach dem Inhalt des Medienkatalogs betreffend eine Tonaufnahme ein Unternehmen Tonträgerherstellerin sein soll, deutet dies stark darauf hin, dass dieses Unternehmen tatsächlich Inhaberin der Tonträgerherstellerrechte ist. Dies gilt insbesondere für nachgefragte und erfolgreiche Tonaufnahmen, bei denen eine unzutreffende Eintragung in dem Medienkatalog den Fachkreisen, an die der Medienkatalog sich richtet, zeitnah auffallen und zu einer Korrektur führen würde.

a)

Betreffend die Tonaufnahme "Kopfüber" der Künstlerin Mia liegt ein Auszug des Medienkataloges der Phononet GmbH vor, der die Tonaufnahme als zum Album "Limbo" gehörend und unter "Firmenname" die Klägerin zu 1) ausweist (Anlage K 14). Betreffend die Tonaufnahme "Higher Ground" des Künstlers Robin Schulz legt die Klägerseite einen Auszug des Medienkatalogs der Phononet GmbH vor, der die Tonaufnahme als zum Album "Uncovered" gehörend und unter "Firmenname" die Klägerin zu 3) ausweist.

Die Beklagte bestreitet nicht, dass der Medienkatalog der Phononet GmbH diese Inhalte hat. Da keine greifbaren Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Eintragungen bestehen, geht das Gericht von der Inhaberschaft der Tonträgerherstellerrechte bei der Klägerin zu 1) bzw. der Klägerin zu 3) aus.

b)

Betreffend die Tonaufnahme "Kein Lied" des Künstlers Wincent Weiss legt die Klägerseite einen Screenshot des Audio-Dienstes Spotify vor, der sich auf die Tonaufnahme bezieht und unter und "℗" (und "©") ausweist "2019 Wincent Weiss, under exclusive license to Universal Music GmbH" (Anlage K 15). Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin zu 2), die Universal Music GmbH, Inhaberin ausschließlicher Tonträgerherstellerrechte ist. Der Beklagte bestreitet nicht, dass die Tonaufnahme bei Spotify wie von der Klägerin behauptet gekennzeichnet ist. Im konkreten Einzelfall geht die Kammer davon aus, dass die Rechteinhaberschaft der Klägerin zu 2) durch die Bezugnahme auf den "P-Vermerk" im Rahmen des Streaming-Angebotes des stark nachgefragten Dienstes Spotify hinreichend belegt ist.

3.2.

Die Tonträger sind von der Betreiberin der Plattform Youtube durch technische Maßnahmen im Sinne von § 95a UrhG geschützt.

Gemäß § 95a Abs. 2 S. 1 UrhG handelt es sich bei technischen Maßnahmen um Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach dem Urheberrechtsgesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken.

a)

Soweit die Klägerinnen die Ansicht vertreten, das Fehlen eines Download-Buttons auf den frei abrufbaren Internetseiten von YouTube und das Fehlen eines ohne Abschluss eines Abonnement-Vertrags funktionsfähigen Download-Buttons in der YouTube-App seien technische Maßnahmen im vorgenannten Sinne, bestehen daran Zweifel. Dies könnte mit dem Wortlaut von § 95a Abs. 2 S. 1 UrhG (und Art. 6 Abs. 3 S. 1 RL 2001/29/EG) nicht zu vereinbaren sein, soweit dort "Technologien, Vorrichtungen und Bestandteilen" mit bestimmten Zwecken als Voraussetzung genannt sind, die vorhanden sein müssen; das Fehlen eines Download-Buttons könnte nicht als "Technologie, Vorrichtung und Bestandteil" zu verstehen sein.

b)

Vorstehendes kann aber dahinstehen, da jedenfalls mit der "Rolling Cipher" eine technische Maßnahme im Sinne von § 95a Abs. 2 S. 1 UrhG vorliegt.

Der Begriff der (wirksamen) technischen Maßnahmen ist in einem weiten Sinne zu verstehen (EuGH, EuGH, Urteil vom 23. Januar 2014, C-355/12, juris, Rn. 27, Nintendo u.a.).

Eine Technologie im Sinne von § 95a Abs. 2 S. 1 UrhG liegt vor.

Betreffend den Zweck der Verhinderung oder Einschränkung ist die objektive Zweckbestimmung maßgeblich (Fromm/Nordemann/Czychowski, UrhG, 12. Auflage 2018, § 95a Rn. 13 m.w.N.).

Bei technischen Maßnahmen, die jedenfalls auch darauf zielen, eine urheberrechtswidrige Nutzung technisch zu verhindern, ist der Schutzbereich des § 95a UrhG eröffnet (Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Auflage 2018, § 95a, Rn. 10, juris). Schutzmechanismen, die allein zum Zwecke der Marktzugangsbeschränkung eingesetzt werden, sollen zwar (jedenfalls nach der Begründung des deutschen Gesetzgebers, BT-Drs. 15/38 S. 26; vgl. aber auch EuGH, Urteil vom 23. Januar 2014, C-355/12, juris, Nintendo u.a.) nicht geschützt sein. Ob die technische Maßnahme auch weiteren Zwecken dient, ob also Dritte von der Nutzung des urheberrechtlich geschützten Gegenstandes generell ausgeschlossen oder zum Beispiel nur zum Erwerb von Zubehör veranlasst werden sollen, mit denen eine "Entsicherung" ermöglicht wird, ist hingegen unerheblich (Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, a.a.O., Rn. 13, juris). Dies gebietet das – oben erwähnte – weite Verständnis des Begriffs der (wirksamen) technischen Maßnahmen. Das deutsche Urheberrechtsgesetz und die InfoSoc-RL enthalten keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung in dem Sinne, dass nur Maßnahmen erfasst werden sollen, die allein oder hauptsächlich dem Schutz vor Vervielfältigungen dienen. Auf die einschränkenden Voraussetzungen der Wirksamkeit und der Verhältnismäßigkeit wird unten eingegangen.

Die "Rolling Cipher" ist eine Technologie, die im normalen Betrieb jedenfalls auch dazu bestimmt ist, nach dem Urheberrechtsgesetz geschützte Gegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Durch diese Technologie wird es Internetnutzern jedenfalls erschwert, Inhalte der Plattform YouTube (dauerhaft) herunterzuladen. Der Beklagte trägt selbst vor, dass die Betreiberin von YouTube durch den Einsatz der "Rolling Cipher" (auch) sicherstelle, dass manche Nutzer vom unmittelbaren Herunterladen der Videos entmutigt werden können (S. 27 der Klagerwiderung = Bl. 78 d.A.). Auch in dem von ihm vorgelegten Privatgutachten von Prof. Dr. ... und ..., Anlage B 12, heißt es, die "Rolling Cipher" werde zum Schutz der Inhalte eingesetzt (letzter Absatz auf S. 6 der Anlage B 12). Soweit die Betreiberin von YouTube den (weiteren) Zweck verfolgt, Einnahmen durch das Einbinden von Werbung in die Streams sicherzustellen, ist dies unschädlich, da bei objektiver Betrachtung jedenfalls auch bezweckt ist, das Herunterladen geschützter Inhalte zu erschweren und (jedenfalls manche) Nutzer von diesem Herunterladen abzuhalten.

Soweit die Betreiberin von YouTube - wie der Beklagte behauptet - die Technologie auch bei gemeinfreien oder CC-lizenzierten Videos einsetzen sollte, schließt dies nicht aus, dass der Einsatz bei (umfassend) urheberrechtlich geschützten Inhalten auch zur Einschränkung der (dauerhaften) Vervielfältigungen eingesetzt wird.

Auch soweit die Parteien sich auf Nutzungsbedingungen von YouTube beziehen, ist zugrunde zu legen, dass bei objektiver Betrachtung auch die Verhinderung (dauerhaften) Herunterladens bezweckt wird. Für dieses Verständnis spricht die von den Klägerinnen angeführte Klausel der Betreiberin von YouTube, in der es heißt:

"Die Nutzung des Dienstes unterliegt jedoch bestimmten Einschränkungen. Folgendes ist nicht zulässig:

1. Auf jegliche Teile des Dienstes oder der Inhalte zuzugreifen sowie diese zu vervielfältigen, herunterzuladen, zu verbreiten, zu übersenden, zu übertragen, anzuzeigen, zu verkaufen, zu lizenzieren, zu ändern, anzupassen oder anderweitig zu verwenden, ausgenommen (a) in der Art und Weise, wie sie im Dienst genehmigt wurde; oder (b) nach vorheriger Genehmigung durch YouTube in Textform und, sofern relevant, durch die jeweiligen Rechteinhaber oder (c) soweit durch anwendbares Recht gestattet (...)."

Die vom Beklagten angeführten Klauseln enthalten Einschränkungen, die ebenfalls der Schlussfolgerung entgegenstehen, ein Vervielfältigen durch (dauerhaftes) Herunterladen sei erlaubt. Der Beklagte nimmt Bezug auf die folgenden Klauseln:

"Lizenz an YouTube

Durch das Einstellen von Inhalten in den Dienst räumen Sie YouTube und seinen verbundenen Unternehmen (unter anderem YouTube LLC, Google LLC und Google Commerce Limited) das weltweite, nicht-exklusive, kostenfreie Recht ein, diese Inhalte zu nutzen (einschließlich ihres Hosting, ihrer öffentlichen Zugänglichmachung, Vervielfältigung, Verbreitung, Änderung, Anzeige und Wiedergabe, jeweils unter Beachtung der Urheberpersönlichkeitsrechte), ausschließlich zum Zweck der Erbringung und Verbesserung des Dienstes (auch durch die Inanspruchnahme von Dienstleistern) und lediglich in dem dafür nötigen Umfang."

"Lizenz an andere Nutzer

Sie gewähren auch jedem anderen Nutzer des Dienstes das weltweite, nicht-exklusive, kostenfreie Recht, im Rahmen des Dienstes auf Ihre Inhalte zuzugreifen und diese nutzen zu können (einschließlich der Vervielfältigung, Verbreitung, Änderung, Anzeige und Wiedergabe, jeweils unter Beachtung der Urheberpersönlichkeitsrechte), soweit dies erforderlich ist und durch Funktionen des Dienstes ermöglicht wird."

Die Klauseln sind nicht dahingehend zu verstehen, dass sie das Herunterladen von Inhalten erlauben. Durch die Beschränkungen

"(...) ausschließlich zum Zweck der Erbringung und Verbesserung des Dienstes (auch durch die Inanspruchnahme von Dienstleistern) und lediglich in dem dafür nötigen Umfang (...)"

und

"(...) soweit dies erforderlich ist und durch Funktionen des Dienstes ermöglicht wird (...)"

wird deutlich, dass sich die Erlaubnisse im frei zugänglichen (werbefinanzierten, nicht an ein Abonnement geknüpften) Bereich nur auf den Betrieb des Streaming-Dienstes beziehen. Ein Herunterladen zur dauerhaften Speicherung durch Nutzer ist für den Betrieb des Streaming-Dienstes nicht erforderlich.

3.3.

Die technische Maßnahme - "Rolling Cipher" - ist auch eine wirksame technische Maßnahme im Sinne von § 95a UrhG.

Gemäß § 95a Abs. 2 S. 2 UrhG sind technische Maßnahmen wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Gegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird. Die Wirksamkeit eines technischen Sicherungssystems setzt nach der Begründung des deutschen Gesetzgebers (BT-Drucks. 15/38 S. 26) nicht voraus, dass es überhaupt nicht umgehbar ist, denn dann würde der rechtlichen Regelung der Anwendungsbereich fehlen. Es ist vielmehr auf die Situation eines durchschnittlichen Benutzers abzustellen und darauf, ob dieser durch die technischen Schutzmechanismen von Verletzungen des Urheberrechts abgehalten werden kann (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 24. Juni 2009, 5 U 165/08, Rn. 35, juris; Götting in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Auflage 2020, § 95a Rn. 22). Eine Verschlüsselung, die nicht oder nur unter erheblichem Einsatz von Fachkompetenz überwunden werden kann, ist nicht erforderlich. Lediglich technische Mittel, die der Rechtsinhaber zwar mit dem Ziel einer Nutzungsbegrenzung einsetzt, die in der Praxis jedoch keinen nennenswerten Mindestschutz erzielen, sind nicht wirksam i.S.v. § 95a Abs. 2 S. 2 UrhG und daher vom Umgehungsverbot des § 95a Abs. 1 UrhG nicht erfasst (OLG Hamburg CR 2010, 125, 128 – Session-ID).

a)

Durch die "Rolling Cipher" wird der zur Annahme von Wirksamkeit im Sinne von § 95a UrhG erforderliche Mindestschutz erreicht. Es lassen sich durchschnittliche Benutzer der Plattform YouTube vom (dauerhaften) Herunterladen von Inhalten der Plattform abhalten.

Die Betreiberin von YouTube hat nicht nur auf einen "Download-Button" verzichtet, sondern (zusätzlich) die "Rolling Cipher" eingesetzt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass aufgrund der "Rolling Cipher" das (dauerhafte) Herunterladen von Plattforminhalten nicht mittels eines bloßen (Rechts-)Klicks bei bloßem Einsatz eines der marktgängigen Standardbrowser möglich ist.

Der Beklagte trägt (unter anderem durch Vorlage des oben erwähnten Privatgutachtens, Anlage B 12) vor, ein durchschnittlicher Internetnutzer könne mithilfe von Anleitungen, die durch eine "Googlesuche" auffindbar seien, unter Einsatz eines Standardbrowsers ohne ein zusätzliches Programm Medieninhalte der Plattform YouTube herunterladen. Anleitungen seien zum Beispiel auffindbar, wenn man "youtube download developer tools" in die "Googlesuche" eingebe (S. 8 der Anlage B 12). Man bekomme dann einen Link zu einer Anleitung angezeigt, die einem das Herunterladen der Medieninhalte in wenigen Schritten ermögliche. So müsse man bei Einsatz eines Firefox-Browser zum Herunterladen von Audioinhalten nur das Video in dem Browser öffnen und dann das Menü des Browsers und dort die Anwendung "Web Developer Setting" öffnen. Durch das Starten von "Web Developer Setting" werde ein Menü eingeblendet. In der Suchmaske müsse man alle Daten nach "Audio" filtern. Dann kopiere man die erste URL, die "videoplayback" enthalte, indem man mit einem Rechtsklick ein Menü öffnen und dort den Befehl "URL kopieren" anklicke. Diese URL müsse in der Adresszeile des Browsers eingefügt werden. Danach müssten alle Elemente der URL ab "range" entfernt werden. Der Nutzer erhalte damit Zugriff auf die Audiodatei. Zur Speicherung der Datei seien ein Rechtsklick zum Öffnen eines Menüs und ein Linksklick zur Speicherung der Datei erforderlich. Standardmäßig verfüge der Nutzer dann über eine Datei im Format "webm". Das Format lasse sich problemlos in andere Formate, z.B. "mp4" konvertieren.

Auch unter Zugrundelegung dieses Vortrags des Beklagten handelt es sich bei der "Rolling Cipher" um eine wirksame technische Schutzmaßnahme. Im Hinblick auf den maßgeblichen Kreis durchschnittlicher Internetnutzer wird durch diese Technologie ein erheblicher Teil von dem Herunterladen von YouTube-Inhalten abgehalten, so dass der erforderliche Mindestschutz erreicht wird. Dabei kommt es nach Ansicht der Kammer nicht darauf an, ob es sich bei den Browser-Programmen mit dem von dem Beklagten angeführten "Web Developer Setting" um ein allgemein verfügbares Programmwerkzeug (vgl. hierzu Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Auflage 2022, § 95a Rn. 15, beck-online) handelt.

Die erkennende Zivilkammer nimmt insoweit Bezug auf das von den Parteien angesprochene Urteil der Zivilkammer 8 des Landgerichts Hamburg und macht sich die nachfolgenden Ausführungen aus den Entscheidungsgründen jenes Urteils (LG Hamburg, Urteil vom 19.07.2017, 308 O 230/17, Rn. 42 f., juris) zu eigen:

"Nach Auffassung der Kammer richten sich die von der Antragsgegnerin in Feld geführten Programmwerkzeuge jedoch nicht an den durchschnittlichen Benutzer. Dies kann die Kammer als Urheberrechtskammer und mit Internetsachverhalten regelmäßig befasster Spruchkörper aus eigener Anschauung beurteilen. Der Zweck eines Browsers besteht für den durchschnittlichen Nutzer vornehmlich darin, Internetseiten von Interesse aufzurufen, Multimediaangebote wie vorliegend das Video-Streaming wahrzunehmen, mit Hilfe von Social-Media-Angebote selbst am Kommunikationsprozess teilzunehmen oder Waren und Dienstleistungen zu erwerben. Für diese Zwecke bedarf es keiner besonderen technischen Fähigkeiten oder spezieller Kenntnisse über den Prozess des Datenaustauschs mit Hilfe des Internetprotokolls. Der durchschnittliche Nutzer wird sich auch regelmäßig weder den Quellcode einer Website ansehen, noch wird er Entwicklertools - insbesondere nicht die Netzwerkanalyse-Instrumente - nutzen. Die Funktionalitäten sind für die übliche Internetnutzung des Durchschnittsverbrauchers nicht erforderlich ist, weil die von den Anbietern vermittelten Angebot typischerweise ohne Verwendung von Entwicklertools genutzt werden können. Im streitgegenständlichen Fall der Website YouTube ist das Informationsangebot darauf angelegt, mit dem Browser die Videos zu streamen, nicht jedoch herunterzuladen. Aus diesem Grund besteht für einen durchschnittlichen Nutzer im Regelfall kein Anlass, auf Entwicklertools zurückzugreifen. Selbst sog. "Addons" (Zusatzprogramme wie beispielsweise Werbeblocker), mit denen sich der Nutzungsumfang eines Browsers erweitern lässt, können vom durchschnittlichen Nutzer installiert werden, ohne dass hierfür über das Optionsmenü in den Einstellungsbereich gewechselt werden muss.

Auch wenn der durchschnittliche Nutzer Kenntnisse über Anwendung von Netzwerkanalyse-Instrumente hätte, wäre die hier streitgegenständliche technische Maßnahme dennoch als wirksam anzusehen. Das bloße Öffnen der Netzwerkanalyse allein zeigt dem Nutzer noch nicht den genauen Speicherort des Videos. Vielmehr existieren mehrere Adresspfade - im Streitfall mindestens 22 Links - die teils auf Video- und teils auf Audiospuren verweisen. Der Nutzer muss somit zunächst einen Link identifizieren, der auf die Audiospur verweist, diesen Pfad kopieren, in ein neues Fenster bzw. eine neue Registerkarte einfügen und den Pfad schließlich um eine sog. "range-Variable" kürzen, die sich am Ende der URL befindet. Erst dann ist es möglich, die Audiospur von vom Googlevideo-Server aufzurufen. Hiernach muss der Nutzer die Audiodatei noch herunterladen, in dem er durch Rechtsklick in das Fenster ein Dropdown-Menü öffnet und den Download startet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Rechtsklick in dem Bereich des sich dann öffnenden Players erfolgen muss, um die Downloadoption überhaupt anzuzeigen. Schließlich handelt es sich bei der dann heruntergeladenen Datei unstreitig nicht um eine MP3-Audiodatei, so dass der Nutzer die Datei in dieses Format umwandeln müsste werden, um sie auf externen Audiogeräten abspielen zu können, die ausschließlich das MP3-Format unterstützen."

Soweit es sich bei den Browsern mit "Web Developer Settings" (oder ähnlichen Werkzeugen) um allgemein verfügbare Programmwerkzeuge handelt, ermöglichen diese den durchschnittlichen Nutzern nicht das problemlose Herunterladen. Ein durchschnittlicher Nutzer hat nicht die Kenntnisse, mit diesen Werkzeugen umzugehen, um ein Herunterladen vorzunehmen, sondern es bedarf hierfür auch unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrags einer Anleitung. Ein durchschnittlicher Nutzer weiß nach Auffassung der Kammer ohne eine Anleitung nicht einmal, dass ihm die "Web Developer Settings" diese Möglichkeit eröffnen. Es kann demnach dahinstehen, ob ein Herunterladen mittels dieses Werkzeugs unter Verwendung der von dem Beklagten angeführten Anleitungen für einen Nutzer einfacher ist, als die Verwendung von youtube-dl.

Soweit neben youtube-dl eine Mehrzahl anderer Umgehungssoftware angeboten wird, die ein Herunterladen von YouTube-Inhalten ermöglichen, und diese Angebote weit verbreitet sind, führt auch dies nicht dazu, dass alle Umgehungssoftwares als allgemein verfügbare Programmwerkzeuge und die Schutzmaßnahme als unwirksam anzusehen sind. Aus der bloßen Existenz von Umgehungsmaßnahmen kann nicht auf die Unwirksamkeit der betroffenen Schutzmaßnahmen geschlossen werden, denn dann würde der rechtlichen Regelung der Anwendungsbereich fehlen (OLG München, Urteil vom 23.10.2008, 29 U 5696/07, Rn. 53, juris).

Auch in der Literatur - insbesondere den von dem Beklagten in Bezug genommenen Quellen - wird - soweit ersichtlich - nicht die Auffassung vertreten, dass ein Herunterladen von zum Streaming angebotenen Videos nie eine wirksame technische Schutzmaßnahme umgehe. Es wird lediglich ausgeführt, dass der Umstand, dass Streaming-Plattformen nicht standardmäßig den Download der Inhalte ermöglichen, allein nicht ausreicht, um eine wirksame technische Schutzmaßnahme anzunehmen (Götting in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Auflage 2020, § 95a Rn. 22; Härtling/Thiess, Streaming-Plattformen: Neue Abmahnwelle in Sicht?, WRP 2012, 1068, 1070, juris). So heißt es in dem (inzwischen mehr als zehn Jahre alten) Aufsatz von Härtling und Thiess, sollten Streaming-Plattformen dazu übergehen Verschlüsselungstechniken zu entwickeln, die das Herunterladen von Videos und Musik gezielt erschweren, würde es in jedem Einzelfall darauf ankommen, ob es sich um Techniken handle, die dem Durchschnittsnutzer die Möglichkeit des Downloads nehmen.

b)

Der Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine wirksame technische Schutzmaßnahme nur dann Schutz durch § 95a UrhG begründen kann, wenn sie die Verhältnismäßigkeit wahrt. Die "Rolling Cipher" stellt sich jedoch als verhältnismäßig dar.

(1)

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2014 ausgeführt, der Rechtsschutz gegen die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2001/29/EG müsse den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH, GRUR 2014, 255 Rn. 30 ff., 38 – Nintendo u.a.; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. November 2014, I ZR 124/11, Rn. 57, Videospiel-Konsolen II, juris). Rechtsschutz werde daher nur für technische Maßnahmen gewährt, die das Ziel verfolgen, die vom Inhaber eines Urheberrechts nicht genehmigte Vervielfältigung, öffentliche Wiedergabe oder öffentliche Zugänglichmachung von Werken oder die Verbreitung des Originals eines Werkes und seiner Vervielfältigungsstücke zu verhindern oder zu unterbinden. Die Maßnahmen müssten zur Verwirklichung dieses Ziels geeignet sein und dürften nicht über das hierzu Erforderliche hinausgehen. In diesem Zusammenhang müsse geprüft werden, ob andere Maßnahmen zu geringeren Beeinträchtigungen oder Beschränkungen der Handlungen Dritter, für die es keiner Genehmigung des Inhabers der Urheberrechte bedürfe, hätten führen können, dabei aber einen vergleichbaren Schutz für die Rechte des Betroffenen geboten hätten.

Zwar trägt grundsätzlich derjenige, der für eine wirksame technische Maßnahme nach § 95a UrhG Schutz beansprucht, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es keine andere Maßnahme gibt, die zu einer geringeren Beeinträchtigung oder Beschränkung zulässiger Handlungen Dritter führt und einen vergleichbaren Schutz für die Rechte des Betroffenen bietet. Da es sich bei dem Umstand, dass es keine andere Maßnahme gibt, um eine negative Tatsache handelt, trägt die Gegenseite - hier also der Beklagte - allerdings eine sekundäre Darlegungslast, sodass es zunächst ihre Sache ist, substantiiert darzulegen, dass es eine andere Maßnahme gibt (BGH, Urteil vom 2. März 2017, I ZR 273/14, Rn. 46, juris – Videospiel-Konsolen III).

(2)

Die von dem Beklagten allein angeführte Verschlüsselung ist keine gegenüber rechtmäßigen Nutzungen schonendere Technologie.

Die Verschlüsselung mittels der Software "Google Widevine DRM", die zum Beispiel bei besonderen Diensten wie "YouTube Music" eingesetzt wird, schützt nach dem Beklagtenvortrag effektiver vor dem Herunterladen von Inhalten, als die "Rolling Cipher". Würde die Verschlüsselungssoftware "Google Widevine DRM" jedoch in dem Umfang eingesetzt werden, wie die "Rolling Cipher" gegenwärtig von der Betreiberin von YouTube im allgemein zugänglichen Angebot eingesetzt wird, würde dies zu einer noch weitergehenden Erschwernis des Herunterladens führen. Eventuell rechtmäßiges Herunterladen - der Beklagte führt insoweit unter anderem CC-lizenzierte Inhalte an - würde dann in noch weitergehender Weise (bzw. jedenfalls nicht mit einer geringeren Beeinträchtigung) beschränkt werden. In welchem Umfang die Betreiberin von YouTube die "Rolling Cipher" (oder eine andere Schutzmaßnahme) bei anderen, hier nicht gegenständlichen Inhalten, zum Beispiel CC-lizenzierten Inhalten, einsetzen darf, ist vorliegend nicht erheblich.

(3)

Die Einordnung der "Rolling Cipher" als wirksame technische Schutzmaßnahme ist auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 53 Abs. 1 UrhG zur Zulässigkeit von Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch verhältnismäßig.

Soweit der Einsatz wirksamer technischer Schutzmaßnahmen im Sinne von § 95a UrhG die Zulässigkeit der digitalen Privatkopie beschränkt, handelt es sich dabei lediglich um eine wirksame Inhalts- und Schrankenbestimmung, da den Verbrauchern aus der Befugnis zur Privatkopie kein Recht erwachsen ist, das sich gegen das seinerseits durch Art. 14 GG geschützte geistige Eigentum ins Feld führen ließe (OLG München, Urteil vom 23. Oktober 2008, 29 U 5696/07, Rn. 65, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Juli 2008, I ZR 219/05, Rn. 29, juris – Clone-CD).

(4)

Der Verhältnismäßigkeit (der Einordnung als wirksame technische Maßnahme) steht auch nicht entgegen, dass Downloads, die mit dem Ziel der Beweissicherung (z.B. bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen mittels im Internet veröffentlichter Videos) erfolgen sollen, beeinträchtigt werden. Eine Beweissicherung ist auch auf andere Weise – zum Beispiel mittels Abfilmen eines Bildschirms, auf dem der Videostream angezeigt wird – möglich.

3.4.

Es ist zumindest im Sinne einer Begehungsgefahr damit zu rechnen, dass Internetnutzer die Software youtube-dl nutzen (werden), um den Schutz der streitgegenständlichen Tonaufnahmen durch die "Rolling Cipher" zu umgehen und die Tonaufnahmen zum Zwecke dauerhafter Speicherung von YouTube herunterzuladen, was eine Umgehung im Sinne von § 95a Abs. 1 UrhG darstellt.

Eine Umgehung im Sinne von § 95a Abs. 1 UrhG erfordert in objektiver Hinsicht die Ausschaltung oder Manipulation des technischen Schutzes, in subjektiver Hinsicht muss dem Handelnden bekannt oder den Umständen nach bekannt sein, dass die Umgehung mit dem Ziel erfolgt, den Zugang zu einem geschützten Werk oder einer geschützten Leistung oder deren Nutzung zu ermöglichen (Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Auflage 2022, § 95a Rn. 10 und 12, beck-online). Beides ist vorliegend anzunehmen.

a)

Objektiv müssten die Verwender von youtube-dl mit dieser Software eine Vorrichtung einsetzen, die - wie es in der InfoSoc-Richtlinie, Art. 6 Abs. 2 lit. c Richtlinie 2001/29/EG heißt - hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht wurde, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Bei der Beurteilung, ob Vorrichtungen hauptsächlich für den Zweck entworfen oder hergestellt worden sind, die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen, kommt es insbesondere darauf an, in welcher Weise diese Vorrichtungen tatsächlich verwendet wird (vgl. EuGH, GRUR 2014, 255 Rn. 34 bis 36 - Nintendo/PC Box und 9Net, beck-online). Die dem Entwurf oder der Herstellung solcher Vorrichtungen zugrundeliegenden Absichten des Entwerfers oder Herstellers sind demnach nicht ausschlaggebend. Vielmehr kommt es entscheidend auf die objektive Zweckbestimmung dieser Vorrichtungen an, die sich in ihrer tatsächlichen Verwendung zeigt. Es ist daher nicht maßgeblich, ob und inwieweit diese Vorrichtungen auch für andere Zwecke verwendet werden können, wenn sie tatsächlich vor allem zur Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen verwendet worden sind (BGH, Urteil vom 27. November 2014, I ZR 124/11, Rn. 52, juris – Videospielkonsolen II).

Dies zugrunde gelegt ist bei youtube-dl anzunehmen, dass diese Software hauptsächlich zum Zweck der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen, so bei YouTube der "Rolling Cipher", eingesetzt wird. Andere tatsächliche Einsatzzwecke sind nicht ersichtlich.

b)

In subjektiver Hinsicht muss dem Handelnden - wie ausgeführt - den Umständen nach bekannt sein, dass die Umgehung mit dem Ziel erfolgt, den Zugang zu einem geschützten Werk oder einer geschützten Leistung oder deren Nutzung zu ermöglichen (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 RL 2001/29/EG). Dieses Kriterium der Bösgläubigkeit gilt auch für diejenigen zivilrechtlichen Ansprüche, die wie etwa der Unterlassungsanspruch regelmäßig die objektive Störereigenschaft genügen lassen (Specht-Riemenschneider in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 95a Rn. 12, beck-online; siehe auch die amtliche Begründung des deutschen Gesetzgebers, BT-Drucks. 15/38, S. 26). Umstritten ist insoweit lediglich, ob einfache Fahrlässigkeit ausreicht (so u.a. Fromm/Nordemann/Czychowski, UrhG, 12. Auflage 2018, § 95a Rn. 40, beck-online) oder grobe Fahrlässigkeit erforderlich ist (so u.a. Dreyer in: Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Auflage 2018, § 95a Rn. 33, juris).

Es erscheint zwar nicht ausgeschlossen, dass manche Verwender von youtube-dl nicht erkennen, dass YouTube eine technische Schutzmaßnahme einsetzt, um das Herunterladen von Inhalten zu verhindern, und dass sie annehmen, youtube-dl schaffe nur eine Funktion, die die Betreiberin von YouTube nicht vorhält. Der Durchschnittsnutzer muss jedoch erkennen, dass YouTube-Inhalte anders als Medieninhalte anderer Internetseiten nicht mittels eines einfachen Rechtsklicks herunterzuladen sind und es muss sich ihm aufdrängen, dass dies auf dem Einsatz einer Technologie bei YouTube erreicht wird und dass youtube-dl ein "Aushebeln" dieses Schutzes erreicht. Es ist deshalb von Bösgläubigkeit der Durchschnittsnutzer auszugehen.

3.5.

Auch die Verantwortlichkeit des Beklagten ist gegeben.

Der Beklagte haftet zwar nicht als Täter, da es ihm an der hierfür erforderlichen Tatherrschaft betreffend die konkreten Umgehungen fehlt (vgl. auch BGH, Urteil vom 05.03.2020, I ZR 32/19 – Internet-Radiorecorder, juris). Er haftet jedoch als Teilnehmer im Sinne der Beihilfe.

a)

Die objektive Beihilfehandlung des Beklagten liegt in dem Zurverfügungstellen von Speicherplatz für die Internetseite, die offenbar allein bezweckt, für die Software youtube-dl zu werben und Links zum Download und zu Bedienungsanleitungen betreffend die Software zu setzen.

b)

Auch die subjektive Voraussetzung, Gehilfenvorsatz, ist gegeben.

Gehilfenvorsatz setzt voraus, dass der Gehilfe die Tatumstände jedenfalls in ihren groben Zügen kennt; die Einzelheiten der Tat (wann, wo, wem gegenüber und unter welchen Umständen) muss er ebenso wenig kennen, wie die Person des Haupttäters (u.a. BGH, Urteil vom 05.03.2020, I ZR 32/19, Rn. 47, juris – Internet-Radiorecorder).

Nach dem Abmahnschreiben der Klägerseite vom 22.09.2020, Anlage K 10, hatte der Beklagte Kenntnis davon, dass die Software youtube-dl über die von ihm gehostete Internetseite beworben wird und heruntergeladen werden kann. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass YouTube technische Maßnahmen implementiert habe, die ein Herunterladen geschützter Inhalte verhindern sollen. Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Software youtube-dl nach Ansicht der Klägerinnen allein zu dem Zweck entwickelt worden sei, diese technischen Maßnahmen zu umgehen. Die tatsächlichen Umstände betreffend "Rolling Cipher" und youtube-dl sind dem Beklagten damit bekannt gegeben worden. Dennoch hostet er weiterhin die Internetseite mit der Werbung / Linksetzung betreffend youtube-dl.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe darauf vertraut, die Verwendung von youtube-dl sei rechtlich zulässig. Der Beklagte muss erkannt haben, dass sich der Einsatz von youtube-dl zumindest in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt (u.a. BGH, Urteil vom 05.03.2020, I ZR 32/19, Rn. 48, juris – Internet-Radiorecorder), so dass ihm (zumindest) vorzuwerfen ist, dass er eine Widerrechtlichkeit billigend in Kauf genommen hat.

c)

Auf die Haftungsprivilegierung des § 10 Satz 1 TMG beruft sich der Beklagte ebenfalls ohne Erfolg.

(1)

Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG gilt nicht für Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben (BGH, Urteil vom 9. August 2022, VI ZR 1244/20, Rn. 21, juris – Hotelbewertungsportal; BGH, Urteil vom 1. März 2016, VI ZR 34/15, Rn. 19, juris – jameda II).

(2)

Zudem setzt der Ausschluss der Verantwortlichkeit des Diensteanbieters für fremde Informationen, die er für einen Nutzer speichert, gem. § 10 S. 1 TMG voraus, dass der Diensteanbieter entweder keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information hat und ihm im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird (§ 10 S. 1 lit. a TMG), oder er unverzüglich tätig geworden ist, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald er diese Kenntnis erlangt hat (§ 10 S. 1 lit. b TMG). Betreffend die subjektiven Voraussetzungen reicht im vorliegenden Fall eine abstrakte Kenntnis des Beklagten, dass von ihm zur Verfügung gestellte Speicherplätze für Rechtsverletzungen genutzt werden, zwar nicht aus (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2021, C-683/18, Rn. 111 - Peterson/Google, beck-online).

Nach Kenntnisnahme und Würdigung des Schreibens der Klägervertreter vom 22. September 2020, Anlage K 10, hätte der Beklagte den Zugang zu der Internetseite https://youtube-dl.org für den Abruf durch Internetnutzer jedoch sperren müssen. Er hatte danach konkrete Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung, nämlich der Ermöglichung der widerrechtlichen Umgehung technischer Schutzmaßnahmen von YouTube über die von ihm gehostete Internetseite. Ihm war damit bekannt, dass die Internetseite für die Software youtube-dl wirbt und einen Link zum Herunterladen der Software enthält. Auch war ihm mitgeteilt worden, dass bei YouTube eine technische Maßnahme implementiert ist, die ein Herunterladen von Inhalten verhindern soll, und dass youtube-dl der Umgehung dieser Maßnahme dient. Kenntnis der Widerrechtlichkeit der Handlung war damit ebenfalls gegeben; der Beklagte hat die Widerrechtlichkeit jedenfalls billigend in Kauf genommen.

4.

Der Klageantrag Ziffer II, mit dem die Klägerinnen einen Verstoß gegen § 95a Abs. 3 UrhG geltend machen, ist ebenfalls begründet, und zwar gemäß § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 95a Abs. 3 UrhG.

4.1.

Bei der Bestimmung des § 95a Abs. 3 UrhG handelt es sich ebenfalls um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008, I ZR 219/05, Rn. 14, juris – Clone-CD).

4.2.

Als Inhaberinnen exklusiver Tonträgerherstellerrechte sind die Klägerinnen auch betreffend § 95a Abs. 3 UrhG aktivlegitimiert (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008, I ZR 219/05, Rn. 147 juris – Clone-CD).

4.3.

Durch das anhaltende Zurverfügungstellen von Speicherplatz für die Internetseite https://youtube-dl.org leistet der Beklagte Beihilfe zu Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen, die gemäß § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG verboten sind.

Gemäß § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG ist unter anderem die Verbreitung von Erzeugnissen verboten, die hauptsächlich hergestellt werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu umgehen.

a)

Bei youtube-dl handelt es sich um eine Software, die hauptsächlich zur Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen (bei YouTube) hergestellt worden ist.

Bei der Beurteilung, ob Erzeugnisse im Sinne von § 95 Abs. 3 Nr. 3 UrhG hauptsächlich für den Zweck entworfen oder hergestellt worden sind, die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen, kommt es entscheidend auf die objektive Zweckbestimmung dieser Erzeugnisse an, die sich in ihrer tatsächlichen Verwendung zeigt (EuGH, Urteil vom 23.01.2014, C-355/12, Rn. 24, juris, Nintendo u.a.). Die dem Entwurf oder der Herstellung solcher Vorrichtungen zugrundeliegenden Absichten des Entwerfers oder Herstellers sind hingegen nicht ausschlaggebend.

Die Kammer geht davon aus, dass die Software youtube-dl hauptsächlich zum Herunterladen von Inhalten der YouTube-Plattform genutzt wird, bei denen mit der "Rolling Cipher" eine technische Maßnahme eingesetzt wird, die dieses Herunterladen erschweren bzw. verhindern soll. Dass die Software hauptsächlich bei YouTube eingesetzt wird, ist bereits aufgrund ihres Namens anzunehmen. Dass eine Verwendung darüber hinaus auch bei anderen Internet-Plattformen erfolgt, ist unschädlich.

b)

Die Software youtube-dl wird über die Internetseite https://youtube-dl.org gemäß § 95a Abs. 3 UrhG verbreitet, wobei unter Verbreitung in diesem Sinne jede vorübergehende oder dauernde Weitergabe von Umgehungsmitteln zu verstehen ist (Schricker/Loewenheim/Götting, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 95a Rn. 28, beck-online; BT-Drucks. 15/38, Seite 26).

5.

Der Beklagte ist den Klägerinnen gemäß Ziffer 4 des Tenors dieses Urteils dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, und zwar aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95a Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 3 UrhG.

Indem er die Internetseite https://youtube-dl.org auch nach der Inkenntnissetzung durch das Schreiben vom 22. September 2020, Anlage K 10, weiter hostete, hat er schuldhaft gegen die Verbote gem. § 95a Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 3 UrhG verstoßen. Verschulden des Beklagten ist unter Berücksichtigung üblicher Postlaufzeiten und der dem Beklagten zuzubilligenden Prüfungsfrist ab dem 25. September 2020 anzunehmen.

Soweit die Klägerinnen die Feststellung der Schadensersatzpflicht auch für die Zeit vor dem 25. September 2020 begehren, ist die Klage unbegründet. Aus den von den Klägerinnen in Bezug genommenen früheren Spendenaufrufen auf einer anderen Internetseite ("ytdl-org.github.io") musste der Beklagte keine (vorherige) Kenntnis haben. Eventuelle Zahlungseingänge (Spenden) oder ein Hosten auch der Software youtube-dl selbst (wie von den Klägerinnen behauptet) lassen nicht zur Überzeugung der Kammer darauf schließen, dass der Beklagte bereits vor dem 25. September 2020 die erforderliche Kenntnis hatte.

6.

Der Auskunftsanspruch der Klägerinnen gegenüber dem Beklagten gemäß Ziffer 3 des Tenors dieses Urteils ergibt sich aus § 242 BGB. Zur Bezifferung ihnen gegenüber dem Beklagten zustehender Schadensersatzansprüche sind die Klägerinnen auf die Auskünfte des Beklagten angewiesen. Zur Befristung des Auskunftsanspruchs wird auf die vorstehenden Ausführungen zum Schadensersatz (Ziff. I.6.) Bezug genommen.

7.

Den Klägerinnen steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht zu. Die Verantwortlichkeit des Beklagten war zu der Zeit, als die Klägervertreter für die Klägerinnen auftragsgemäß tätig geworden sind, noch nicht begründet.

II.

Die Widerklage ist teilweise begründet. Dem Beklagten steht gegenüber den Klägerinnen ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverteidigungskosten in Höhe von EUR 1.211,50 aus § 678 BGB zu.

1.

Mit dem Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 22. September 2020, Anlage K 10, haben die Klägerinnen den Beklagten unberechtigt abgemahnt und Unterlassung und Schadensersatz unberechtigt gefordert. Der Beklagte wurde erst verantwortlich, indem er nach Kenntnisnahme die Internetseite https://youtube-dl.org weiter hostete. Die Klägerinnen haben insoweit gem. § 678 BGB eine Geschäftsführung für den Beklagten gegen dessen Willen durchgeführt.

2.

Die Klägerinnen traf auch ein sog. Übernahmeverschulden. Dass der Beklagte betreffend die Internetseite lediglich ein Hosting erbracht hatte, war den Klägerinnen bekannt.

3.

Der Kostenerstattungsanpruch des Beklagten besteht (nur) in Höhe von EUR 1.211,40.

Die ihm entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nach einem Gegenstandswert von EUR 25.000,00 zu bemessen. Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem Interesse des Beklagten an der Verteidigung gegenüber der unberechtigten Inanspruchnahme. Der Gegenstandswert der Abmahnung, der sich nach dem klägerischen Interesse bemisst, kann allenfalls zu einer Begrenzung der Aufwendungsersatzansprüche des Abgemahnten führen (vgl. die Regelung im Wettbewerbsrecht § 13 Abs. 5 S. 2 UWG).

Nach dem RVG in der maßgeblichen alten Fassung (Geltung bis zum 31.12.2020) sind dem Beklagten Rechtsverteidigungskosten in Höhe von netto EUR 1.044,40 (1,3 Geschäftsgebühr und Auslagenpauschale) bzw. - bei dem Umsatzsteuersatz von 16 Prozent, der im Herbst 2020 galt - brutto EUR 1.211,50 entstanden.

4.

Der Zinsanspruch des Beklagten ergibt sich aus den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind betreffend die vorläufige Vollstreckung der Klägerinnen auf § 709 ZPO und betreffend die vorläufige Vollstreckung des Beklagten auf die §§ 708 Nr. 11 Alt. 1, 709 S. 1 und 2, 711 ZPO gestützt.

IV.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.