LG Kiel, Urteil vom 04.11.2022 - 12 O 198/21
Fundstelle
openJur 2022, 22818
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.336,43 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.11.2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 14.336,43 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung einer gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Vertrag vom 14.12.2016 ein Immobiliar-Verbraucherdarlehen xxx mit (anfänglich) gebundenem Sollszins über 114.000,00 € zur Finanzierung des Objektes xxx. Der vereinbarte Sollzinssatz war bis zum 30.12.2031 gebunden.

Nr. 10.2 des Vertrages enthielt zur Vorfälligkeitsentschädigung folgende Klausel:

"Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung (Ablösungsentschädigung) durch die Sparkasse erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dies ist derzeit die sog. "Aktiv/Passiv-Methode". Durch diese Berechnungsmethode wird die Sparkasse so gestellt, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre.

Für die Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung wird von einer Anlage der vorzeitig zurückgeführten Darlehensmittel in sichere Kapitalmarkttitel (Pfandbriefrenditen der Deutschen Bundesbank) ausgegangen. Zunächst wird der Betrag ermittelt, der zum Ablösestichtag erforderliche ist, um sämtliche ursprüngliche vereinbarten Zahlungen aus dem Kreditvertrag (Zinsen, Tilgung) sowie das rechnerische Restkapital am Ende der Zinsfestschreibung zu erzielen. Die anfallenden Zinsen sind in diese Berechnung einbezogen.

Zusätzlich wird das auf den restlichen Zinsbindungszeitraum entfallende und somit - auf Basis des effektiven Jahreszinses - zu erstattende Disagio in die Berechnung einbezogen, sofern ein Disagio vereinbart wurde.

Die Sparkasse ermittelt ferner die zukünftig entfallenden Risiko- und Verwaltungskosten und reduziert die Vorfälligkeitsentschädigung entsprechend.

Durch die vorzeitige Ablösung des Darlehens entsteht ein Institutsaufwand, der Ihnen in Rechnung gestellt wird.

Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wird zusätzlich von Folgendem ausgegangen:

- Berücksichtigung der sich durch die Tilgung verringernde Darlehensschuld;

- Schadensmindernde Berücksichtigung vereinbarter Sondertilgungsrechte;

- Abzinsung der ermittelten Schadensbeträge auf den Rückzahlungszeitpunkt.

Sofern der Darlehensnehmer der Sparkasse die Absicht mitteilt, das Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen, übermittelt die Sparkasse dem Darlehensnehmer in Textform unverzüglich Informationen zu Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung, im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrages und gegebenenfalls die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Kreditvertrag vom 14.12.2016 (Anlage K1, Bl. 6 d.A.). Zur Sicherung wurde für die Beklagte eine Buchgrundschuld über 164.000,00 € in das Grundbuch eingetragen.

Im Oktober 2020 wandte sich der Kläger an die Beklagte, weil er beabsichtigte das finanzierte Objekt zu verkaufen. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 02.11.2020 und führte unter anderem aus:

"Sie überlegen, ob Sie von Ihrem gesetzlichen Kündigungsrecht gemäß den § 490(2) BGB Gebrauch machen und Ihre o.g. Darlehen vorzeitig zurückzahlen.

Nach § 490 Abs. 2 S. 3 BGB sind Sie verpflichtet, der Sparkasse denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr aus dieser vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung)...."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten vom 02.11.2020 (Anlage B1, Bl. 42) Bezug genommen.

Im März 2021 verkaufte der Kläger das finanzierte Objekt.

Mit Schreiben vom 11.03.2021 wandte sich der Notar xxx, der den Verkauf abwickelte, an die Beklagte und teilte mit, dass gemäß dem Kaufvertrag das im Grundbuch zugunsten der Beklagten eingetragene Grundpfandrecht aus dem Kaufpreis abgelöst und gelöscht werden solle. Er bat deshalb um Mitteilung des Valutastandes des eingetragenen Rechts und Übersendung der Löschungsbewilligung zu treuen Händen.

Mit Schreiben vom 18.03.2021 teilte die Beklagte dem Notar den Valutastand mit und übersandte die Löschungsbewilligung zu treuen Händen. Eine Verfügung über die Löschungsbewilligung war nach dem Schreiben erst zulässig, wenn der geforderte Betrag vorbehaltlos gezahlt wurde. In dem von der Beklagten geforderten Betrag war auch eine Vorfälligkeitsentschädigung für das Darlehen Nr. xxx in Höhe von 14.111,43 €, eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 200,00 € und eine Urkundengebühr in Höhe von 25,00 € enthalten.

Mit Schreiben vom selben Tag erklärte die Beklagte zudem gegenüber dem Kläger:

"auf Ihren Wunsch sollen die oben genannten Darlehen vorzeitig abgelöst werden.

Sie haben damit von Ihrem gesetzlichen Kündigungsrecht gemäß § 490 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht. Wir bestätigen Ihnen die Kündigung zum 14.04.2021...."

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben vom 18.02.2021 (Anlage B4, Bl. 48 d.A.).

Der Kläger zahlte den von der Beklagten geforderten Betrag. Die Beklagte gab die Grundschuld frei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.336,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückgewähr der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 14.111,43 €, der gezahlten Bearbeitungsgebühr in Höhe von 200,00 € und der gezahlten Urkundengebühr in Höhe von 25,00 € aus § 812 Abs. 1 BGB.

1.) Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ist ohne Rechtsgrund erfolgt. Die Beklagte hatte keinen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

a) Ein Anspruch der Bank ergab sich insbesondere nicht aus § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB. Ein Anspruch aus § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB setzt nämlich eine Kündigung des Vertrages durch den Kläger voraus. Eine Kündigungserklärung des Klägers liegt indessen nicht vor. Der Kläger hat das Darlehen weder ausdrücklich gekündigt, noch kann von einer konkludenten Kündigung des Darlehens ausgegangen werden. Eine Kündigung des Klägers ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte mehrfach in ihren Schreiben erklärt hat, von einer Kündigung nach § 490 Abs. 2 BGB auszugehen. Die Beklagte durfte das Schweigen des Klägers darauf nicht als Kündigung verstehen. Schweigen gilt grundsätzlich nicht als Willenserklärung.

Der Kläger hat durch sein Verhalten auch nicht konkludent zum Ausdruck gebracht, den Vertrag kündigen zu wollen. Seine Anfrage auf Mitteilung der Ablösesumme war auch im Hinblick auf eine vorzeitige Rückführung des Darlehens nach § 502 BGB plausibel. Die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass der Kläger ohne Not auf das grundsätzlich ihn als Verbraucher schützende Recht aus § 500 Abs. 2 Satz 2 BGB verzichtet. Der Kläger war gemäß § 500 Abs. 2 S. 2 BGB zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens berechtigt. Der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags, für den ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, kann seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht. Dies war hier der Fall. Der Kläger hatte ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens. Ein berechtigtes Interesse liegt vor bei beabsichtigter Verwertung der beliehenen Sache, also des Grundstücks oder Wohnungsanteils bei Immobiliarkrediten. Wie schon bei § 490 Abs. 2 BGB folgt dies vor allem aus der notwendigen Erhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit und Eigentumsfreiheit des Kreditnehmers, hinter dem das Interesse des Kreditgebers an dem Vertrag festzuhalten, zurückstehen muss. Regelmäßig ist die Ablösung des Kredits nebst Lastenfreistellung erforderlich, um den Verkauf zu ermöglichen, weil der Käufer das Darlehen nicht übernehmen oder das Grundstück nur lastenfrei erwerben will (BeckOGK/Knops, 15.8.2022, BGB § 500 Rn. 21). So lag der Fall auch hier. Der Kläger hatte sich durch den Kaufvertrag vom 10.03.2021 verpflichtet, das Hausgrundstück lastenfrei zu übertragen.

b) Ein Anspruch der Bank auf die vom Kläger gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung ergab sich auch nicht aus § 502 Abs. 1 S. 1 BGB. Danach kann der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet.

Ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 1 S. 1 BGB war aber nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Danach ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.

Vorliegend sind die Angaben in dem Darlehensvertrag zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft und damit unzureichend. Unzureichend sind nicht nur solche Informationen, die für den Verbraucher nicht nachvollziehbar sind, sondern auch unrichtige Angaben (BeckOGK/Knops, 15.8.2022, BGB § 502 Rn. 57).

Die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung in dem Vertrag sind fehlerhaft. In dem Vertrag ist unter Punkt 10.2 zur Vorfälligkeitsentschädigung ausgeführt, dass die Beklagte so gestellt werde, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre. Dies trifft indessen nicht zu. Der Zins war nach dem Vertrag bis zum 30.12.2031 gebunden. Mit dem Begriff "Zinsbindung" kann aus Sicht des Verbrauchers nur diese in Nr. 3.2 vertraglich vereinbarte Zinsbindung gemeint sein. Dass sich aus dem Gesetz, insbesondere aus § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB für den Darlehensnehmer eine Einschränkung dieser Frist ergibt, ist für den Verbraucher nicht ohne Weiteres erkennbar. Die Vorfälligkeitsentschädigung war aber nur bis zum Zeitpunkt des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu berechnen. Entscheidend für die Ermittlung des Zinsnachteils bei vorzeitiger Kreditbeendigung ist der Zeitraum der rechtlich gesicherten Zinserwartung. Dieser Zeitraum stimmt nicht immer mit dem vereinbarten Zinsfestschreibungszeitraum überein (Ellenberger/Bunte BankR-HdB, § 54. Kündigungsrecht Rn. 169, beck-online). Die rechtlich geschützte Zinserwartung endet immer dann, wenn der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag durch Ausübung eines ihm zustehenden vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsrechts, insbesondere nach § 489 BGB hätte beenden können. Dies ist bei grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen mit einer zehnjährigen Zinsbindung nach zehn Jahren unter Einhaltung einer weiteren Kündigungsfrist von sechs Monaten, also nach 10 Jahren und sechs Monaten nach dem vollständigen Bezug des Darlehens der Fall (§ 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB) (Ellenberger/Bunte BankR-HdB, § 54. Kündigungsrecht Rn. 170, beck-online).

2.) Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Bearbeitungsgebühr in Höhe von 200,00 € und der gezahlten Urkundengebühr in Höhe von 25,00 €. Auch dies ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Ein Rechtsgrund für die Zahlungen dieser Gebühren ist nicht erkennbar. Dass sich ein solcher Anspruch auf den AGB der Beklagten ergibt, ist nicht vorgetragen. Auf die Wirksamkeit einer etwaigen derartigen Klausel kommt es daher nicht an (vgl. dazu (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 7. Juli 2022 - 2 U 43/21 -, juris). Der Kläger hat auch nicht konkludent einer Zahlung dieser Gebühren zugestimmt, indem er den von der Beklagten geforderten Betrag vorbehaltlos gezahlt hat. Wie bereits dargelegt, konnte dem Verhalten des Klägers im vorliegenden Fall kein Erklärungswert beigemessen werden.

3.) Dem Anspruch steht § 814 BGB nicht entgegen. Auch ohne Vorbehalt geleistete Zahlungen einer Vorfälligkeitsentschädigung können, wenn sie nicht in Kenntnis der Bereicherungsproblematik erbracht worden sind, zurückgefordert werden. Wegen der immer noch nicht vollständig geklärten Rechtslage zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung gibt es zugunsten beider Vertragsteile keinen absoluten Vertrauensschutz in die Endgültigkeit der Betragshöhe (BeckOGK/Knops, 15.8.2022, BGB § 502 Rn. 51). Zudem hatte der Kläger gar nicht die Möglichkeit, die Vorfälligkeitsentschädigung unter Vorbehalt zu zahlen. Schließlich hatte die Beklagte erklärt, die Grundschuld nur freizugeben, wenn der Kläger den von ihr zur Ablösung des Darlehens geforderten Betrag vorbehaltlos zahlt. Dies beinhaltete auch die vorbehaltslose Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung, der Bearbeitungsgebühr und der Urkundengebühr.

4.) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 291 BGB.

5.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Berichtigungsbeschluss vom 22 November 2022

Tenor:

Das Endurteil des Landgerichts Kiel - 12. Zivilkammer - vom 04.11.2022 wird

in den Entscheidungsgründen wie folgt berichtigt:

Auf Seite 6 des Urteils heißt es in den Zeilen 7, 10 und 19 jeweils statt "§ 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB":

§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Der Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Berichtigung des Urteils erfolgt nach § 319 ZPO. Es liegt ein offensichtliches Diktat- oder Schreibversehen vor.

II. Der Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten ist zurückzuweisen.

Der Tatbestand eines Urteils liefert gem. § 314 Satz 1 ZPO allein positiven Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Tatbestand eines Urteils hat indes keine negative Beweiskraft hinsichtlich nicht erwähnten mündlichen Parteivorbringens, soweit sich dieses in vorbereitenden Schriftsätzen befindet (OLG Düsseldorf Beschl. v. 10.5.2016 - I-4 Sch 4/15, BeckRS 2016, 124827 Rn. 5, beck-online). Insbesondere seit der gänzlichen Aufgabe des Bezugnahmeverbots durch § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO stehen die vorbereitenden Schriftsätze ebenfalls zum Nachweis des Parteivorbringens zur Verfügung. Da mit der Antragstellung und der mündlichen Verhandlung im Zweifel eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist, ergibt sich der Prozessstoff auch aus dem Inhalt der Gerichtsakten. Daher fehlt es an "Auslassungen" i.S.v. § 320 Abs. 1 ZPO, soweit sich der Tatbestand aus der Inbezugnahme vorbereitender Schriftsätze ergibt; im Übrigen ist im Hinblick auf "Auslassungen" weiter zu beachten, dass der Tatbestand nur eine knappe Darstellung des wesentlichen Inhalts der vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel beinhalten soll. Aus diesem Grund besteht auch für eine Partei, die eine Entscheidung mit einem Rechtsmittel angreifen und sich dabei auf von ihr bereits schriftsätzlich Vorgetragenes, vom erkennenden Gericht aber nicht ausdrücklich im Tatbestand Erwähntes stützen will, kein Bedürfnis, den entsprechenden Sachvortrag im Wege einer Tatbestandsberichtigung in die anzugreifende Entscheidung aufnehmen zu lassen (OLG Düsseldorf Beschl. v. 10.5.2016 - I-4 Sch 4/15, BeckRS 2016, 124827 Rn. 5, beck-online). Der Tatbestand des Urteils vom 04.11.2022 ist vor diesem Hintergrund weder unrichtig noch enthält er Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche.

Im Einzelnen:

1. Soweit das Gericht im Tatbestand des Urteils nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass die Zahlung des Klägers vorbehaltlos war, handelt es sich nach den obigen Ausführungen schon nicht um eine berichtigungsbedürftige Auslassung. Dass die Zahlung vorbehaltlos erfolgt ist, ergibt sich im Übrigen aus den Entscheidungsgründen.

2. Der Tatbestand soll eine knappe Darstellung des Sach- und Streitstandes enthalten. Das Gericht hat auf den Kreditvertrag vom 14.12.2016 Bezug genommen. Dies war ausreichend.

3. Der Tatbestand des Urteils ist nicht um die im nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz der Beklagten vom 19.10.2022 vorgetragene Zahlung an den Klägern in Höhe von 710,81 € zu ergänzen. Die Beklagte hat in dem Schriftsatz vorgetragen, die Vorfälligkeitsentschädigung neu berechnet zu haben und die Differenz von 710,81 € dem Kläger bereits erstattet zu haben. Insoweit handelte es sich um nicht nachgelassenen Vortrag im Sinne von § 296a ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass das Gericht den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2022 gemäß § 139 Abs. 5 ZPO eine Frist zu Stellungnahme zu den erteilten Hinweisen gegeben hat. Die protokollierten Hinweise des Gerichts betrafen nicht die konkrete Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Eine innerhalb der nach § 139 Abs. 5 ZPO eingehende Erklärung muss das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen, soweit sie sich zu dem Hinweis verhält oder durch ihn veranlasst ist (BeckOK ZPO/von Selle, 46. Ed. 1.9.2022, ZPO § 139 Rn. 50). Ausführungen zu eine Neuberechnung der Vorfälligkeitsentschädigung waren aufgrund der protokollierten Hinweise des Gerichts nicht veranlasst.

Soweit auch die Gründe, die zur Neuberechnung der Vorfälligkeitsentschädigung durch die Beklagte geführt haben dürften, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gewesen sein mögen, indessen nicht protokolliert wurden, bezog sich die Frist des § 139 Abs. 5 ZPO nicht darauf. Die Erörterungen im Termin und die protokollierten Hinweise des Gerichts haben für die Parteien die Auffassung des Gerichts, dass die gesamte Vorfälligkeitsentschädigung zurückzuzahlen ist, hinreichend deutlich gemacht. Ausführungen zur konkreten Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung waren deshalb nicht notwendig. Hätte das Gericht insoweit seine Rechtsauffassung geändert, hätte die mündliche Verhandlung ohnehin wieder eröffnet werden müssen.

Hätte das Gericht den neuen Vortrag zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Schriftsatz vom 19.10.2022 zugelassen, hätte dies zu einer unnötigen Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Das Gericht hätte dann nämlich, um dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, die mündliche Verhandlung wieder eröffnen müssen. Der Beklagte entsteht durch die Nichtberücksichtigung kein Nachteil. Da die Zahlung nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, ist sie durch § 767 ZPO ausreichend geschützt. Für das Berufungsverfahren ist die Zahlung als neue Tatsache im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO berücksichtigungsfähig.

4. Der Verweis auf den Kreditvertrag ist ausreichend.

5. Eine Unrichtigkeit des Tatbestandes im Hinblick auf die Bearbeitungsgebühr ist nicht erkennbar.