1. Wenn ein Energieversorgungsunternehmen, das keine Kundenanlage, sondern ein Energieversorgungsnetz betreibt, eine Umspannanlage errichtet hat, an die Niederspannungsleitungen mit Weiterverzweigungen zur Versorgung einer aus mehreren Einzelbauten und insgesamt über 250 Wohneinheiten bestehenden größeren Wohnlage angeschlossen sind, so können die eine öffentliche Straße querenden Niederspannungsleitungen nicht als "Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern" i.S.d. § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG angesehen werden und dementsprechend auch keinen Anspruch auf Abschluss eines einfachen Wegenutzungsvertrags mit der Gemeinde begründen.
2. Die Wertungen in §§ 1, 46 Abs. 1, Abs. 2 EnWG sind bei der Prüfung einer vermeintlichen Behinderung oder Diskriminierung gem. § 19 Abs. 2 GWB zu berücksichtigen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden -
1. Zivilkammer - vom 2.10.2018 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin begehrt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, einen Wegenutzungsvertrag für die Verlegung von drei in Schutzkabeln befindlichen Niederspannungskabeln im als öffentlichen Straßenraum gewidmeten Grundstück der Beklagten Flur ..., Flurstück ... abzuschließen, um weiterhin Teile der von ihr gegenwärtig mit Strom versorgten sog. ...höfe mit Strom zu versorgen (Plan BK 2 Anlagenband).
Die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils werden gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung wie folgt ausgeführt:
Der Klägerin stünde kein Anspruch auf Abschluss eines Wegenutzungsvertrages nach § 46 Abs. 1 EnWG zu. Bei der streitgegenständlichen Anlage handele es sich um ein Energieversorgungsnetz; die konkreten Leitungen seien wesentlicher Teil des Netzes. Die Energieanlage sei - wie vom Senat mit Beschluss vom 8.3.2018 (...) festgestellt - keine Kundenanlage. Die hier begehrten Leitungen seien wesentlicher Teil dieses Energieversorgungsnetzes selbst, es handele sich nicht um unmittelbare Versorgungsleitungen für Letztverbraucher i.S.d. § 46 Abs. 1 EnWG.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Feststellungsantrag hinsichtlich des Abschlusses eines Wegenutzungsvertrages nach § 46 Abs. 1 EnWG für die drei Niederspannungsleitungen aufrechterhält.
Sie rügt die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da kein Schriftsatznachlass gewährt worden sei.
Zudem habe das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht verkannt, dass es sich bei den drei streitgegenständlichen Niederspannungsleitungen nicht um Verbindungsleitungen zwischen zwei wesentlichen Teilen eines Stromversorgungsnetzes, sondern um Leitungen zum Anschluss eines Grundstücks an die Stromversorgung handele. Die ...höfe verteilten sich auf drei eigenständige Grundstücke. Mit der Klage werde die Verbindung zwischen dem Grundstück, auf dem sich die Umspannanlage befindet, mit dem zu versorgenden Grundstück Flurstück ... mit 258 Wohneinheiten begehrt. Ausweislich Anlage BK 2 würden über die Niederspannungsleitung 1 (blau) 5 Hausnummern (72 Wohneinheiten) versorgt, über die Niederspannungsanschlussleitung 2 (rot) 9 einzelne Hauseingänge (111 WE) sowie über die Niederspannungsanschlussleitung 3 (Grün) 6 Hauseingänge (75 WE). Es handele sich damit nicht um die Verbindung zweier wesentlicher Teile eines Energieversorgungsnetzes.
Für einen Anspruch auf einfache Wegenutzung nach § 46 Abs. 1 EnWG komme es allein darauf an, dass die Niederspannungsleitung der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern diene. Dies sei unabhängig davon zu beurteilen, ob die Anlage als Kundenanlage anzusehen sei. Der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern nicht näher konkretisiert. § 3 Nr. 25 EnWG definiere Letztverbraucher als natürliche oder juristische Personen, die Energie für den eigenen Verbrauch kauften. Die Bewohner der Wohnungen auf dem Flurstück ... seien Letztverbraucher. Sie, die Klägerin, versorge diese Verbraucher auch. Zur Auslegung könne insoweit auch auf § 48 Abs. 1 EnWG zurückgegriffen werden.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts diene bereits das der Umspannstation vorgelagerte Mittelspannungsnetz der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern. Anders lasse sich nicht erklären, dass sie zur Zahlung von Konzessionsabgaben an die V verpflichtet sei.
Auf die Beschaffenheit der Leitungen komme es nicht an. Ausweislich der Gesetzesbegründung würden auch Einzelleitungen von § 46 Abs. 1 EnWG erfasst und nicht zwischen Netzen und Einzelleitungen differenziert. Selbst wenn nur einzelne bzw. Direktleitungen erfasst sein sollten, lägen die Voraussetzungen hier vor. Nach § 3 Nr. 12 EnWG liege eine Direktleitung vor, wenn sie einen Elektrizitätserzeuger zum Zwecke der direkten Versorgung mit ihrer eigenen Betriebsstätte, Tochterunternehmen oder Kunden verbinde. Eine Eingrenzung auf einzelne Kunden sei nicht erforderlich. Zudem werde hier tatsächlich nur ein einzelnes Grundstück verbunden. Die streitgegenständlichen Leitungen könnten damit nicht Bestandteil eines Netzes sein, welches definitionsgemäß der Verteilung von Energie an Dritte diene, ohne die Dimension vorher zu kennen.
Es lägen auch keine Gründe für die Beklagte vor, den Abschluss eines Wegenutzungsvertrages zu verweigern. Vielmehr sei sie, die Klägerin, bereits zur Zahlung von Konzessionsabgaben für die Belieferung der Anschlussnehmer auf dem Grundstück Flurstück ... verurteilt worden. Im Übrigen könnten den allgemeinen kartellrechtlichen Erwägungen gemäß nur sachliche Gründe den Abschluss eines Wegenutzungsvertrages verhindern. Derartige Gründe lägen nicht vor. Soweit bereits die W AG über Kabelkanäle im streitgegenständlichen Straßenbereich verfüge, gehe das Gesetz ersichtlich davon aus, dass auch mehrere Wegenutzungsverträge hinsichtlich desselben Gebietes bestehen könnten. Der Gesetzgeber habe gerade Wettbewerb durch alternativen Leitungsbau fördern wollen. Ein bestehender Konzessionsvertrag mit einem Dritten sei insbesondere kein Grund, den Abschluss eines einfachen Wegenutzungsvertrages zu versagen.
Hilfsweise stünde ihr ein Anspruch nach §§ 33 i.V.m. 19 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1 GWB zu.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
unter Abänderung des am 02.10.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Wiesbaden, Az. 1 O 120/18 festzustellen,
dass die Berufungsbeklagte dazu verpflichtet ist, mit der Berufungsklägerin unverzüglich und nicht diskriminierend einen Wegenutzungsvertrag im Sinne des § 46 Abs. 1 EnWG abzuschließen, der die Berufungsklägerin gegen Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze im Sinne des § 48 Abs. 2 EnWG dazu berechtigt, das Straßengrundstück der Berufungsbeklagten der Gemarkung Stadt1, Bezirk ..., Flur ..., Flurstück ... zwischen den Gebäudekomplexen Straße1 ... und ... mittels kreuzende Verlegung von drei unterirdischen mit Schutzrohren gesicherter Niederspannungsleitungen zur Versorgung von Letztverbrauchern in der Liegenschaft Straße1 ..., Straße2 ... (...höfe) dauerhaft zu nutzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Bei den drei streitgegenständlichen Leitungen handele es sich um Bestandteile eines Energieversorgungsnetzes, für die kein Anspruch auf Wegenutzung nach § 46 Abs. 1 EnWG bestehe. Die Netzqualität der Infrastruktur der Klägerin ergebe sich aus dem Beschluss des Senats vom 8.3.2018.
Sie, die Beklagte, habe mit der W AG einen Stromkonzessionsvertrag für das Stadtgebiet Stadt1 abgeschlossen. Damit habe sie sich für die W AG als das Unternehmen entschieden, welches während der Vertragslaufzeit berechtigt sei, das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung zu betreiben. Grundsätzlich gebe es in einem Konzessionsvertragsgebiet nur eine Netzbetreiberin der allgemeinen Versorgung. Mit Ausnahme der von der Klägerin versorgten Letztverbraucher seien alle weiteren Letztverbraucher im X-Viertel an die Elektrizitätsversorgung der W angeschlossen. Die Y GmbH betreibe in dem hier streitgegenständlichen Gebäudekomplex ein der W nachgelagertes Niederspannungsnetz entgegen den gesetzlichen Vorgaben. Der Senat habe zu Recht festgestellt, dass es sich hier um ein Energieversorgungsnetz handele. Insbesondere sei auch ohne gegenseitige Vermaschung bei einem sog. Strahlennetz ein Energieversorgungsnetz anzunehmen.
Zu Unrecht nehme die Klägerin erstmals in der Berufung eine isolierte Betrachtung der drei Niederspannungsleitungen vor. Die eingereichten Skizzen enthielten nicht die Gesamtheit der Netzleitungen. Die Klägerin könne ihre elektrischen Anlagen südlich der Straße1 an das von der V betriebenen Niederspannungsnetz der W anschließen lassen; die V sei zu einem Anschluss auch gesetzlich verpflichtet.
Die Klägerin sei nicht gem. § 46 Abs. 1 EnWG anspruchsberechtigt, da nur derjenige, der unmittelbar eine Versorgung von Letztverbrauchern vornehme, begünstigt werde. Hier versorge nicht die Klägerin, sondern die Y die Kunden.
Es lägen auch nicht die Voraussetzungen von § 46 Abs. 1 EnWG vor. Da sich § 46 Abs. 2 EnWG auf Leitungen beziehe, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung gehörten, folge daraus, dass § 46 Abs. 1 EnWG nicht die Leitungen erfasse, die zu einem Energieversorgungsnetz im Sinne von § 46 Abs. 2 EnWG zählten. § 46 Abs. 1 EnWG beziehe sich demnach auf einzelne Leitungen, § 46 Abs. 2 dagegen auf Netze.
Die Versorgung einzelner Letztverbraucher bedeute zudem "einige, wenige". Mit 400 Letztverbrauchern sei diese Zahl deutlich überschritten. Grundsätzlich sei § 46 Abs. 1 EnWG eng auszulegen.
Jedenfalls wäre sie, die Beklagte, lediglich zur diskriminierungsfreien Handhabung verpflichtet. Entsprechend den kartellrechtlichen Erwägungen dürften gleichartige Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund nicht ungleich behandelt werden. Es komme dabei nicht darauf an, ob der Straßenkörper überhaupt noch zusätzliche Leitungen aufnehmen könne. Ein sachlicher Grund sei vielmehr auch die in § 1 EnWG festgelegte Zwecksetzung der sicheren, preisgünstigen und verbraucherfreundlichen Energieversorgung. Diese Zwecke könnten bei Einräumung entsprechender Wegerecht für Direktleitungen gefährdet werden. Es bestehe die Gefahr des so genannten Rosinenpickens. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte bereits einen qualifizierten Wegenutzungsvertrag mit der W AG abgeschlossen habe. Mehrere Wegenutzungsverträge könnten hinsichtlich des gleichen Gebietes nur bestehen, wenn es sich um einfache Wegenutzungsrechte handele, nicht aber, wenn es sich um qualifizierte handele.
Auf die Verurteilung der Y GmbH zur Zahlung von Konzessionsabgaben komme es für die hiesige Streitigkeit nicht an.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, dass festgestellt wird, dass die Beklagte mit ihr einen einfachen Wegenutzungsvertrag abschließen muss.
1. Die Klage ist - wie vom Landgericht zutreffend dargelegt - zulässig. Der dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit dienende Vorrang der Leistungsklage steht der Feststellungsklage hier nicht entgegen. Ist damit zu rechnen, dass der Beklagte sich einer aus der Feststellung ergebenden Leistungspflicht von allein beugen wird, ist diesem Grundsatz auch bei der Feststellungsklage genüge getan. Diese Annahme ist bei einer öffentlichen Körperschaft wie hier infolge der ihr obliegenden Amtspflichten gerechtfertigt (Baumbach, ZPO, 81. Aufl., § 256 Rn. 77).
2. Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Der Klägerin steht weder nach § 46 Abs. 1 EnWG (unter a.) noch nach § 19 Abs. 2 GWB (unter b.) der geltend gemachte Anspruch zu.
a. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf einen Anspruch nach § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG. Gemäß § 46 Abs. 1 EnWG haben die Gemeinden ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Die streitgegenständlichen Leitungen dienen hier jedenfalls nicht der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Sinne des § 46 Absatz 1 S. 1 EnWG.
aa. Die Klägerin ist anspruchsberechtigt. Sie ist als Eigentümerin der Umspannanlage und daran angeschlossenen Niederspannungsleitungen ein Energieversorgungsunternehmen (i.F.: EVU). Anspruchsberechtigt nach § 46 Ab. 1 EnWG sind grundsätzlich EVUs und reine Netzbetreiber (vergleiche Hellermann, Energiewirtschaftsgesetz, § 46 Rn. 40; Wegner in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2. Aufl., § 46 Rn. 23). EVUs sind gemäß § 3 Nr. 18 EnWG Personen, die Energie an andere liefern, ein Energieversorgungsnetz betreiben oder an einem Energieversorgungsnetz als Eigentümer Verfügungsbefugnis besitzen. Der Begriff des Netzes ist dabei grundsätzlich weit auszulegen (Beschluss vom 13.06.2018 - VI-3 Kart 48/70 (V)). Alle Anlagen, die einer Versorgung der Letztverbraucher dienen, sind als Netz anzusehen; Ausnahme hiervon bilden lediglich die in § 3 Nr. 24a EnWG genannten Kundenanlagen (OLG Düsseldorf ebenda Rn. 57). Die Klägerin hat als Eigentümerin die Verfügungsbefugnis über das von der Y GmbH betriebene Netz i.S.d § 3 Nr. 18 EnWG. Die elektrische Infrastruktur ist dabei- wie vom Senat ausgeführt - als Energieversorgungsnetz und nicht als reine Kundenanlage einzuordnen.
Soweit die Beklagte meint, die Klägerin sei nicht anspruchsberechtigt, da sie den Betrieb der elektrischen Anlagen der Y GmbH überlassen habe und letztlich nicht selbst eine Energieversorgung bzw. einen Netzbetrieb vornehme, überzeugt dies angesichts des Wortlauts von § 3 Nr. 18 EnWG, der ausdrücklich auch auf Verfügungsbefugte abstellt, nicht. Unstreitig ist die Klägerin Inhaberin des Energienetzes, welches sie lediglich an die Y GmbH verpachtet hat.
bb. Die Beklagte ist als Eigentümerin der betroffenen Verkehrsflächen auch Anspruchsverpflichtete. Es handelt sich um öffentliche Verkehrsflächen. Dies sind sämtliche Wege einer Gemeinde, auf denen tatsächlich der öffentliche Verkehr eröffnet ist (BGH, Urteil vom 11.11.2008 - KZR 43/07; auch Wegner in: Säcker ebenda § 6 40 Rn. 22).
cc. Die streitgegenständlichen Leitungen dienen jedoch nicht der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern, wie es in § 46 Abs. 1 S. 1 EnWG vorgesehen ist.
Einfache Wegenutzungsverträge sind grundsätzlich leitungsbezogen (Huber in: Kment, 2. Aufl., Energiewirtschaftsgesetz, § 46 Rn. 17; Theobald in: Danner/Theobald, Energierecht, 2018, § 46 Rn. 24). Welche Leitungen dabei der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern i.S.d. § 46 Abs. 1 EnWG tatsächlich dienen, ist anhand der konkreten Umstände im Einzelfall zu beurteilen (Huber a.a.O. § 46 Rn. 19; Wegner in: Säcker a.a.O. § 46 Rn. 28). Die Norm ist eng auszulegen (Theobald a.a.O. § 46 Rn. 21). Grundsätzlich ist der Bau von Direktleitungen volkswirtschaftlich unsinnig und zur Sicherstellung von Wettbewerb nicht erforderlich (Theobald a.a.O. § 46 Rn. 12). Sofern ein Netz besteht, ist ein Durchleitungsbegehren vorrangig (Theobald a.a.O. § 46 Rn. 4). § 46 Abs. 1 EnWG erfasst vorrangig Direkt- bzw. Stichleitungen zur Versorgung einzelner Letztverbraucher (Huber ebenda § 46 Rn. 19; Theobald a.a.O.§ 46 Rn. 23, 20); für diese gibt es nicht die Möglichkeit einer Durchleitung. Mit der Neuregelung des EnWG soll allerdings der Wettbewerb auch im leitungsgebundenen Versorgungsmarkt gestärkt werden. Laut Gesetzesbegründung wird der Schutz geschlossener Versorgungsgebiete beseitigt (vgl. BT Drs. 13/7274 S. 10). Jeder Anbieter von Gas oder Strom soll jeden Kunden durch "Direktleitungen" erreichen können (a.a.O.). Freier Leitungsbau sei, so die Gesetzesbegründung, ein unverzichtbares Instrument für die wettbewerbliche Öffnung der Strom- und Gasmärkte - in den Grenzen des ökologisch Vertretbaren (a.a.O.).
Im Ergebnis kann hier offenbleiben, ob und wieweit § 46 EnWG nicht nur Wettbewerb um die Netze, sondern auch innerhalb der Netze - über Durchleitungen hinaus - fördert. Offenbleiben kann auch, ob - wie von der Beklagten vertreten - bereits die Einordnung der elektrischen Infrastruktur der Klägerin als Energieversorgungsnetz der Anwendung von § 46 Abs. 1 EnWG entgegensteht (vgl. dazu auch Wegner a.a.O. § 46 Rn. 46; Theobald a.a.O. S. 424). Die Klägerin kann jedenfalls nicht den Abschluss eines einfachen Wegenutzungsvertrags nach § 46 Abs. 1 EnWG verlangen, da die streitgegenständlichen Leitungen hier aufgrund des Netzzuschnitts und ihrer Dimension deutlich nicht der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern dienen:
Vorliegend führen die drei Leitungen jeweils zu einer Mehrzahl einzelner Hauseingänge mit wiederum mehreren Nutzern. Auch wenn richtigerweise - ohne dass dies infolge der unstreitigen Zahlen und Begebenheiten als verspätet zurückzuweisen ist gem. § 531 Abs. 2 ZPO - auf 258 über die streitgegenständlichen Leitungen versorgte Haushalte und nicht 397 abzustellen ist, sprechen Zuschnitt und Dimension gegen die Annahme von Direktleitungen i.S.d. § 46 Abs. 1 EnWG. Die Leitungen stellen sich unter Berücksichtigung des Netzplanes als netzbezogene Leitungen dar. Die streitgegenständlichen Leitungsstränge leiten unmittelbar die aus dem Umspannwerk gewonnene Energie zu den Häusern Straße ... und Straße2 ... sowie ...; von dort erfolgt bei den einzelnen Hauseingängen der sechs bis siebenstöckigen Häuser die Weiterverzweigung zur Anbindung der einzelnen Letztverbraucher. Eine unmittelbare Versorgung der Letztverbraucher in den einzelnen Haushalten findet damit durch die Leitungen nicht statt. Auch ein Vergleich mit der Gesamtdimension des überhaupt von der Klägerin innegehaltenen Netzes spricht gegen die Annahme, dass vorliegend allein vereinzelte Direktleitungen zu beurteilen sind. Die drei streitgegenständlichen Leitungen beziehen sich auf 2/3 der insgesamt von der Klägerin versorgten Haushalte.
Das Begehren erfüllt damit - unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit von § 46 Abs. 1 EnWG - nicht die Voraussetzungen des §§ 46 Abs. 1 EnWG.
b. §§ 19 Abs. 2 Nr. 4, Nr. 1 GWB:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht über §§ 19 Abs. 2 Nr. 4, Nr. 2 GWB zu. Dabei kann offenbleiben, ob der ausdrücklich auf den Abschluss eines Wegenutzungsvertrags nach § 46 Abs. 1 EnWG bezogene Antrag überhaupt einen derartigen kartellrechtlichen Anspruch umfassen sollte. Jedenfalls stellt sich das Verhalten der Beklagten nicht als missbräuchlich dar, da ihrer Weigerung einer sachlicher Grund zugrunde liegt:
Kartellrechtliche Vorschriften finden grundsätzlich neben § 46 Abs. 1 und 2 EnWG Anwendung (BGH, Urteil vom 11.11.2008 - KZR Bd. 40/07; Theobald am angegebenen Ort Seite 426). Liegen die Voraussetzungen für eine spezialgesetzliche Wegenutzung nicht vor, bleibt damit der Rückgriff auf §§ 19, 20 GWB möglich.
aa. Die Beklagte verfügt als Eigentümerin über die öffentlichen Wege über ein natürliches Monopol für die Vergabe von Wegenutzungsrechten und ist insoweit marktbeherrschend i.S.d. § 18 GWB (BGH, a.a.O.; Theobald a.a.O. S. 426).
bb. Ein Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB liegt nicht vor, da die Beklagte weder auf dem vor- noch dem nachgelagerten Markt selbst tätig ist. Gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB ist es missbräuchlich, wenn sich ein marktbeherrschendes Unternehmen weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden. Ob das Straßennetz eine Infrastruktureinrichtung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB darstellt, kann dabei offenbleiben. Die Bestimmung erfasst nach der Neufassung jedenfalls nur noch die Fallkonstellationen, in denen das marktbeherrschende Unternehmen auf dem vor- oder nachgelagerten Markt des Unternehmens, das Zugang zu der Einrichtung sucht, ebenfalls tätig ist (Nothdurft in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl., § 19 Rn. 433). Dies ist hier nicht der Fall.
cc. Die Beklagte verstößt mit ihrem Verhalten auch nicht gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Demnach ist es missbräuchlich, wenn das marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen.
Vorliegend hat die Beklagte der W die Verlegung von Grundrohren gestattet, was sie der Klägerin verweigert und damit die - unternehmerisch gleichartige - Klägerin anders behandelt.
Dieser Ungleichbehandlung liegt indes ein sachlicher Grund zugrunde.
Ohne Erfolg hat die Beklagte allerdings gegenüber der Klägerin zunächst auf eine zu hohe Belastung des Straßenkörpers verwiesen, da bereits 10 Leerrohre im Straßenkörper verlegt seien und dieser damit keine weiteren Leitungen mehr aufnehmen könne. Laut Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 1 EnWG - dessen Wertungen auch im Rahmen der kartellrechtlichen Prüfung zu beachten sind - kann der Abschluss eines Wegenutzungsvertrags zwar verweigert werden, wenn der Straßenkörper keine zusätzlichen Leitungen aufnehmen kann (BT-Drs 13/7274, S. 21). Unstreitig werden die 10 Leerrohre von der V - infolge der Stromversorgung der Häuser Straße1 ... und Straße2 ... und ... durch die Klägerin - hier indes nicht genutzt, so dass eine Entfernung jedenfalls im Umfang der hier begehrten neuen Schutzrohre für die streitigen Leitungen möglich wäre.
Zu Recht verweist die Beklagte jedoch auf die weiteren spezialgesetzlichen Wertungen des EnWG, aus denen hier ein sachlicher Grund erwächst. Sowohl die allgemeinen Ziele des EnWG gem. § 1 als auch die in § 46 EnWG niedergelegte Konzeption der Wegenutzung erlangen bei der Prüfung des Vorliegens eines sachlichen Grunds nach § 19 Abs. 2 GWB Bedeutung. Das EnWG bezweckt gemäß § 1 EnWG eine sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Energieversorgung. Nach § 46 Abs. 2 EnWG sollen Verträge mit den Gemeinden über die Wegenutzung für Leitungen eines Netzes der allgemeinen Versorgung spätestens nach 20 Jahren neu vergeben werden. Die Voraussetzungen für einfache Wegerechte nach § 46 Abs. 1 EnWG wurden bereits oben unter a. ausführlich dargestellt.
Die Beklagte betont insoweit zu Recht, dass die nach § 46 Abs. 2 EnWG erfolgte Vergabe des Netzes an die W sowie die zu gewährleistende Wirtschaftlichkeit der allgemeinen Versorgung und das Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 EnWG für die Einräumung eines einfachen Wegerechts auch kartellrechtlich einen sachlichen Grund darstellen, der Klägerin die Verlegung der streitgegenständlichen Leitungen zu verweigern. Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse, die Wirtschaftlichkeit des ihrer Konzessionsinhaberin überlassenen Netzes nicht durch alternativen Leitungsbau mit geringen Investitionskosten und höheren Erlösen zu gefährden. Eine potentielle Entsolidarisierung und die mit einer Zersplitterung verbundenen möglichen Verteuerungen sind Gesichtspunkte, die den Zielen des EnWG gerade konträr entgegenstehen. Insoweit hat die Beklagte ausführlich dargelegt, dass der Rückgang der Auslastung des Energieversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung höhere Niederspannungsentgelte und damit einhergehend eine Verteuerung zur Folge haben kann. Der Einwand der Klägerin, grundsätzlich solle mit dem EnWG auch ein Wettbewerbsdruck für die Betreiber des Netzes der allgemeinen Versorgung geschaffen werden, der sich nicht auf die Verpflichtung zur Durchleitung beschränke, sondern den physischen Leitungsbau mitumfasse, führt dabei nicht zu einer anderen Beurteilung. Das EnWG hat klare Vorgaben für einen Anspruch im alternativen Leitungsbau in § 46 Abs. 1 EnWG niedergelegt. Ersichtlich hat der Gesetzgeber mit § 46 Abs. 1 und 2 EnWG ein Konzept im Leitungsbau verfolgt, welches nicht unabhängig von diesen Wertungen über allgemeine kartellrechtliche Wertungen unterlaufen werden soll. Das EnWG enthält vielmehr spezialgesetzliche Vorgaben, die im Rahmen der allgemeinen Kartellrechtsprüfung zu beachten sind. Die Beklagte kann damit berechtigt die § 46 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG i.V.m. § 1 EnWG zugrundeliegenden Wertungen als sachlichen Grund im Rahmen des § 19 Abs. 2 GWB anführen.
Soweit die Klägerin meint, die Ziele des § 1 EnWG seien hier nicht betroffen, da vorliegend keine Kunden aus einem bestehenden Gebiet herausgelöst würden, sondern ein Neubaugebiet zu beurteilen sei, überzeugt dies nicht. Die Beklagte hatte im Zusammenhang mit der Erschließung des Neubaugebiets geregelt, dass die Leitungsrechte dem Konzessionsinhaber zustehen. Entsprechend hat die Konzessionsnehmerin in das Netz investiert. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin in die Vertragsverhandlungen um den Erschließungsvertrag nicht eingebunden war. Maßgeblich ist allein, dass die Beklagte insoweit aus sachlichen Gründen, nämlich unter Berücksichtigung der gesetzlich nach § 46 Abs. 2 EnWG gestützten Interessen ihrer Konzessionärin und des fehlenden Vorliegens der Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 EnWG die Vergabe der begehrten Wegerechte verweigert.
Soweit die Klägerin meint, sie habe in das Netz investiert und damit der Konzessionärin Ausgaben erspart, überzeugt auch dies nicht. Die Konzessionärin war als allgemeine Versorgerin verpflichtet, gemäß dem ihr obliegenden Anschlusszwang die Versorgung aller in dem Erschließungsgebiet liegenden Haushalte sicherzustellen. Entsprechend erfolgte die hier streitgegenständliche Verlegung der 10 Grundrohre. Die Konzessionsinhaberin hat damit weder Investitionen erspart noch erfolgten diese - wie von der Klägerin ausgeführt - auf eigenes Risiko. Die Konzessionärin war vielmehr verpflichtet, die Versorgung sicherzustellen.
Soweit die Parteien über die Bedeutung der von der Klägerin entrichteten Konzessionsabgaben für die Berechtigung zur Wegenutzung streiten, kommt es darauf nicht an. Dass nach § 46 Abs. 1 S. 2 EnWG der Abschluss eines Wegenutzungsvertrags von der Bereitschaft zur Konzessionsabgabenzahlung abhängig gemacht werden kann, führt nicht umgekehrt dazu, dass die Zahlung einer Konzessionsabgabe per se zur Verpflichtung der Beklagten, Wegerechte einzuräumen führt. Dies gilt jedenfalls, da die Klägerin auch als Weiterverteilerin gem. § 2 Abs. 6 KAV die Verpflichtung zur Entrichtung von Konzessionsabgaben trifft, so dass die zwischen den Parteien streitig erörterte Frage, welche Wegerechtsnutzung tatsächlich mit der Zahlung abgegolten sein soll, nicht entschieden werden muss.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Hinsichtlich der Einräumung eines einfachen Wegerechts nach § 46 Abs. 1 EnWG beruht sie auf dem hier im tatsächlichen verhafteten Umstand der fehlenden unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern. Hinsichtlich der kartellrechtlichen Prüfung beruht die Entscheidung auf der Übernahme der Wertungen des EnWG und wirft auch insoweit keine grundsätzlichen Erwägungen auf. Die Wertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO und entspricht den Angaben der Berufungsklägerin.