Niedersächsisches FG, Urteil vom 21.09.2022 - 9 K 203/21
Fundstelle
openJur 2022, 20953
  • Rkr:
Tatbestand

Streitig ist, ob eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 vor dem Hintergrund eines den Klägern im Zusammenhang mit der Übersendung der Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019 unterlaufenen Versehens möglich ist.

Die Kläger, die als Eheleute im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, sind als Angestellte nichtselbständig tätig und erzielten im Streitjahr Einkünfte gemäß § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ferner erzielten sie geringe Kapitalerträge. Der Kläger vereinnahmte darüber hinaus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehrerer Mietobjekte.

Am 28. August 2019 übermittelten die Kläger dem Beklagten ihre komprimierte Steuererklärung des Streitjahres auf elektronischem Wege. Hierin erklärten sie u.a. folgende Besteuerungsgrundlagen:

Bruttoarbeitslohn des Ehemannes in Höhe von .... € und der Ehefrau in Höhe von ..... €. Diese Beträge entsprachen den von den Arbeitgebern auf elektronischem Weg übermittelten Daten.

Ferner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Ehemannes in Höhe von .... € (...), .... € (....) und .... € (....).

Im Nachgang zu ihrer Erklärung übersandten die Kläger am 3. September 2019 eine Bescheinigung X-Bank zur Anlage KAP. Da der Beklagte zu diesem Zeitpunkt einen Eingang der Einkommensteuererklärung des Streitjahres nicht feststellen konnte, forderte er die Kläger mit Schreiben vom 20. September 2019 auf, ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 umgehend elektronisch oder – sofern zulässig – nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck in Papierform einzureichen.

Am 24. September 2019 brachten die Kläger in einer per E-Mail übersandten Nachricht ihre Verwunderung über die Anforderung vom 20. September 2019 zum Ausdruck, da sie ihre Steuererklärung 2018 bereits am 28. August 2019 "erfolgreich" an das Finanzamt übermittelt hätten. Die verspätete Abgabe sei dem Beklagten auch per E-Mail vom 11. Juli 2019 angekündigt worden. In einer Antwortmail vom 26. September 2019 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass diese für ihre Einkommensteuererklärung das komprimierte Verfahren gewählt hätten. Hierzu sei es notwendig, zum übertragenen Datensatz die Papierausfertigung mit Unterschrift zu versenden und zusätzlich beim Finanzamt einzureichen. Falls dieses noch nicht geschehen sei, wurden die Kläger gebeten, dies nachzuholen. Daraufhin reichten die Kläger ihre unterschriebene und mit einer Telenummer versehene komprimierte Einkommensteuererklärung 2018 – unter Hinweis auf die bereits am 28. August 2019 mit Elster-Formular elektronisch übermittelten Steuerdaten – noch am gleichen Tag beim Beklagten ein. Die Einkommensteuererklärung wurde durch den Beklagten sodann am 30. September 2019 zur Bearbeitung freigeschaltet.

Der Beklagte führte die Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres antragsgemäß durch und erließ am 23. Oktober 2019 einen Einkommensteuerbescheid 2018, in welchem er die Einkommensteuer 2018 unter Hinweis auf ein zu erstattendes Guthaben in Höhe von .... € auf .... € festsetzte. Der Bescheid wurde mit einfachem Brief zur Post gegeben.

Am 25. Oktober 2019 übermittelten die Kläger eine weitere Einkommensteuererklärung 2018 im authentifizierten Verfahren. Abweichend von der am 28. August 2019 eingereichten Steuererklärung erklärten die Kläger hierin folgende Besteuerungsgrundlagen:

Bruttoarbeitslohn

EM    

        

.... €   

        

EF    

        

.... €   

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

EM    

....    

.... €   

        

        

.....     

.... €   

        

        

.....     

.... €   

sowie Aufwendungen (Schulgeld) für das Kind .... für den Besuch einer Privatschule in Höhe von .... €. Ferner wichen die erklärten Vorsorgeaufwendungen und die Kapitalerträge geringfügig von den am 28. August 2019 übermittelten Daten ab.

Der Beklagte sah hierin eine berichtigte Einkommensteuererklärung und änderte den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 23. Oktober 2019 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO), indem er die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers, das Schulgeld sowie die Kapitalerträge wie in der Erklärung vom 25. Oktober 2019 abweichend erklärt berücksichtigte. Die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich der Lohnabzugsbeträge sowie die Vorsorgeaufwendungen ließ der Beklagte entsprechend der von den Arbeitgebern der Kläger elektronisch übermittelten Daten in unveränderter Höhe bestehen. In den Erläuterungen zum Bescheid wies der Beklagte auf die Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 23. Oktober 2019 infolge der am 25. Oktober 2019 eingereichten geänderten Einkommensteuererklärung hin. Ferner erläuterte der Beklagte, dass der Arbeitslohn und die einbehaltene Lohn- und Kirchensteuer sowie der Solidaritätszuschlag und die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend den vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten angesetzt worden seien.

Die mit Bescheid vom 13. November 2019 festgesetzte Einkommensteuer betrug .... € zzgl. eines Solidaritätszuschlags in Höhe von .... € und führte zu einer Nachzahlung in Höhe von insgesamt .... €. Diese wurde durch die Kläger Ende Dezember 2019 überwiesen, nachdem eine Einzugsermächtigung nicht ausgeführt werden konnte. Die Bekanntgabe des geänderten Einkommensteuerbescheides 2018 erfolgte mit einfachem Brief. Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid legten die Kläger nicht ein.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2020 beantragten die Kläger die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019, da mit Bescheid vom 23. Oktober 2019 bereits eine antragsgemäße Einkommensteuerveranlagung stattgefunden habe. Mit dem Änderungsbescheid vom 13. November 2019 seien u.a. die Vermietungseinkünfte aus dem Jahr 2017 fehlerhaft auch im Jahr 2018 berücksichtigt worden.

Am 22. Mai 2020 ergänzten die Kläger ihren Vortrag dahin, dass sie am 20. September 2019 eine Erinnerung an die Abgabe der Einkommensteuererklärung 2018 erhalten hätten. Diese Steuererklärung sei von ihnen jedoch bereits am 28. August 2019 abgegeben worden, durch den Beklagten jedoch scheinbar nicht auffindbar gewesen. Sodann hätten sie versucht, die Daten nochmals an das Finanzamt zu senden, was leider unter "Elster Formular" nicht gelungen sei, da offensichtlich nur eine Erklärung pro Jahr übersandt werden dürfe. Daher hätten sie ein weiteres Programm geladen, um die Daten erneut an den Beklagten zu übersenden. Dabei sei dem Kläger offensichtlich ein Fehler unterlaufen und er habe die Daten des Jahres 2017 in das neue Programm für das Jahr 2018 "eingemischt" und übersandt. Sämtliche nachträglich übersandten Daten seien falsch gewesen. Dies habe sowohl den Arbeitslohn, Versicherungsaufwendungen als auch die Mieteinnahmen betroffen. Obwohl mit einem Blick erkennbar gewesen sei, dass es sich um die Steuerdaten des Jahres 2017 gehandelt habe, habe der Beklagte ohne Rücksprache mit den Klägern einfach die höheren Mieteinnahmen angesetzt, die niedrigeren Löhne allerdings unberücksichtigt gelassen. Es läge daher ein erheblicher offensichtlicher Fehler auf Seiten des Beklagten vor, welcher zu einer Änderung nach § 129 AO innerhalb von 4 Jahren berechtige.

Mit Bescheid vom 8. Juni 2020 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 nach § 129 AO ab. Der Sachbearbeiter des Beklagten sei bei der Bearbeitung der Steuererklärung davon ausgegangen, dass es sich bei der am 25. Oktober 2019 übermittelten Einkommensteuererklärung 2018 um eine berichtigte Erklärung gehandelt habe. Es sei nicht ersichtlich gewesen, dass es sich um die Beträge aus dem Jahr 2017 gehandelt habe.

In ihrem hiergegen gerichteten Einspruch führten die Kläger ergänzend aus, dass, selbst wenn kein Fehler des Beklagten vorliege, ein Fehler des Klägers bei der Erstellung der Erklärung vom 25. Oktober 2019 gegeben sei. So hätten die Kläger dem Beklagten eine fehlerhafte Übertragung der Einkünfte mitgeteilt. Beim Einmischen der Daten in das aus dem Internet heruntergeladene Programm habe sich der Kläger offensichtlich bei der Jahreszahl vertippt, sodass die Daten des Jahres 2017 in die Erklärung des Jahres 2018 eingemischt und an das Finanzamt weitergeleitet worden seien. Es habe somit ein klassischer Anwendungsfehler vorgelegen. Anstelle der Ziffer 8 habe der Kläger die Ziffer 7 getippt. Dieses berechtige zu einer Änderung nach § 173a AO, da unter den Begriff des Schreibfehlers auch die Eingabe einer falschen Zahl zu verstehen sei. Dabei habe es sich um ein rein mechanisches Versehen gehandelt. Der Gesetzgeber habe zudem bei Erlass der Vorschrift eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass diese im Interesse der Steuerpflichtigen geschaffen werde und eine Änderung mit einem solchen Fehler grundsätzlich zu erfolgen habe (Bundestagsdrucksache – BT-Drucks. – 18/7457, 87, S. 49). Der Fehler sei auch offenbar, denn er sei für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Schreib- oder Rechenfehler zu erkennen.

Sollte zudem eine Änderung nach § 173a AO nicht möglich sein, so sei auf jeden Fall eine Änderung nach § 173 AO vorzunehmen, da dem Beklagten erst im Nachgang aufgefallen sei, dass im geänderten Bescheid teilweise die Werte des Jahres 2017 angesetzt worden seien. Dies sei eine neue Tatsache, an deren nachträglichem Bekanntwerden die Kläger kein Verschulden treffe. Die Eingabe einer falschen Jahreszahl sei kein Fehler, der ein grobes Verschulden begründe. Vielmehr sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die Voraussetzung für eine Änderung nicht nur verfahrensrechtlich, sondern auch materiell-rechtlich zu prüfen. Dies gelte umso mehr, als alle erneut übermittelten Daten nahezu komplett von den bisherigen Daten abgewichen seien. Wenn dem Finanzamt Fehler bei der Sachverhaltsermittlung unterlaufen seien, könne den Steuerpflichtigen kein Verschulden und schon gar kein grobes Verschulden vorgeworfen werden.

Ergänzend vertraten die inzwischen durch die Kläger beauftragten steuerlichen Berater die Auffassung, dass der Beklagte die bei ihm innerhalb der Rechtsbehelfsfrist des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 23. Oktober 2019 eingegangene Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019 nicht als schlichten Antrag auf Änderung habe ansehen dürfen. Vielmehr sei diese unter Gewährung des größtmöglichen Rechtsschutzes als Einspruch zu behandeln gewesen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Einspruch in diesem Fall vor Eintritt der Bekanntgabefiktion erfolgt sei, da den Klägern der Bescheid vom 23. Oktober 2019 bei der erneuten Übermittlung der Steuerdaten am 25. Oktober 2019 vorgelegen habe. Die Bekanntgabe sei somit bei Einlegung des Rechtsbehelfs bereits wirksam erfolgt gewesen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens hätte der Beklagte den Sachverhalt erneut in vollem Umfang prüfen müssen. Hierbei hätte der Fehler der falschen Übermittlung auffallen müssen. Zudem sei der neue Bescheid vom 13. November 2019 lediglich Gegenstand des anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens geworden. Dieses habe zur Folge, dass das Einspruchsverfahren bisher nicht abgeschlossen worden sei, da bislang keine Einspruchsentscheidung ergangen und dem Einspruch durch die unzutreffende Änderung gerade nicht abgeholfen worden sei. Auch hätte der Beklagte vor Erlass des geänderten Bescheides auf die Verböserung hinweisen müssen.

Der Beklagte folgte der Auffassung der Kläger nicht und wies den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 mit Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2021 als unbegründet zurück. Hierzu führte der Beklagte unter ausführlicher Darlegung des Verfahrensablaufes aus, dass keine der benannten Änderungsvorschriften greifen würde.

Eine Änderung nach § 173a AO komme im Streitfall nicht in Betracht, da entgegen der Auffassung der Kläger ein Fehler beim Schreiben von Zahlen keinen Schreibfehler im Sinne der Vorschrift darstelle. Darüber hinaus sei der den Klägern unterlaufene Fehler nicht offenbar. Denn aus Sicht des Beklagten hätten die Kläger berichtigte Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2018 übermittelt. Der Beklagte habe nicht davon ausgehen können, dass es sich tatsächlich um die Besteuerungsgrundlagen der Kläger aus dem Jahr 2017 gehandelt habe. Andernfalls wäre der Beklagte in unzumutbarer Weise angehalten, bei jeder elektronisch übermittelten berichtigten Einkommensteuererklärung zu prüfen, ob die berichtigten Besteuerungsgrundlagen gegebenenfalls (irgend-)einen früheren Veranlagungszeitraum betreffen könnten. Im Streitfall sei die am 25. Oktober 2019 übermittelte Einkommensteuererklärung durch die Kläger erkennbar als solche des Veranlagungszeitraums 2018 deklariert worden, sodass für den Beklagten kein Anlass bestanden habe, dieses in Zweifel zu ziehen. Der Fehler sei insgesamt bei Offenlegung des Sachverhaltes des Veranlagungszeitraums 2018 nicht für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Schreib- oder Rechenfehler erkennbar gewesen. Zur Fehlerfeststellung hätten vielmehr weitere Prüfungen auch im Zusammenhang mit einem anderen Veranlagungszeitraum vorgenommen werden müssen, was die Anwendung der Vorschrift ausschließe.

Eine Änderungsmöglichkeit wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO sei ebenfalls zu verneinen. Zwar handele es sich vorliegend um eine ähnliche Unrichtigkeit in Form eines mechanischen Versehens, da diese durch die Kläger unbewusst herbeigeführt wurde. Allerdings sei das Versehen vorliegend nicht offenbar, da zur Feststellung des Fehlers erst umfangreiche Ermittlungen erforderlich gewesen seien. Insoweit würden dieselben Grundsätze wie bei einer Änderung nach § 173a AO gelten. Zudem liege im Streitfall auch kein Fehler der Finanzbehörde vor, da der Fehler des Klägers beim Erlass des Verwaltungsaktes nicht erkennbar gewesen sei. Der Beklagte habe sich den Fehler des Klägers nicht zu eigen gemacht, da er diesen nicht habe erkennen können.

Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen neuer Tatsachen komme im Streitfall ebenfalls nicht in Betracht, da die Kläger ein grobes Verschulden im Sinne der Vorschrift treffe. So handele es sich bei dem bei Eingabe des Veranlagungszeitraums erfolgten Tippfehler zwar um ein mechanisches Versehen. Dieser Tippfehler sei auch als reine Nachlässigkeit der Kläger zu werten, der für sich alleine nicht für eine grobe Fahrlässigkeit sprechen würde. Gleichwohl habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt, indem er die eingemischten Besteuerungsgrundlagen vor der Absendung an das Finanzamt nicht auf ihre Richtigkeit überprüft habe, obwohl er dies aufgrund eigener Sachkenntnis ohne weiteres hätte tun können. Darüber hinaus entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass für die Prüfung, ob den Steuerpflichtigen der Vorwurf eines grob schuldhaften Verhaltens am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen und Beweismittel gemacht werden könne, nicht nur der Zeitraum bis zum Erlass des zu ändernden Bescheides, sondern auch der Zeitraum bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft einzubeziehen sei. Der Steuerpflichtige könne sich daher auch dadurch grob schuldhaft verhalten, wenn er es versäumt habe, den steuermindernden Sachverhalt noch im Rahmen des Einspruchsverfahren zu unterbreiten, wenn sich die Geltendmachung dieser Tatsache hätte aufdrängen müssen. Im Streitfall sei der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 23. Oktober 2019 erst mit Ablauf des 18. Dezember 2019 formell bestandskräftig geworden, sodass auch erst zu diesem Zeitpunkt der Zeitraum des zu prüfenden groben Verschuldens der Kläger geendet habe. Der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 13. November 2019 sei innerhalb dieses Zeitraums ergangen, sodass die Kläger ein grobes Verschulden daran treffe, dass sie diesen, zu ihren Ungunsten geänderten Einkommensteuerbescheid nicht auf Richtigkeit geprüft haben. Denn spätestens bei Überprüfung dieses Bescheides vom 13. November 2019, welcher den Hinweis enthalte, dass die Änderung aufgrund der von ihnen geänderten Einkommensteuererklärung erfolgt sei, hätte den Klägern auffallen müssen, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 2017 in die Berechnung des zu versteuernden Einkommens 2018 eingeflossen seien und zu einer erhöhten Steuerfestsetzung geführt hätten.

Entgegen der Auffassung der Kläger sei die am 25. Oktober 2019 übermittelte Einkommensteuererklärung nicht als Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 23. Oktober 2019 zu werten. Hierbei sei im Rahmen der Auslegung auf den eigentlichen Willen der Kläger abzustellen. Es sei jedoch kein Grund ersichtlich, der dafür spreche, dass die Kläger durch Übermittlung der Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019 mit vorrangig höheren Besteuerungsgrundlagen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 23. Oktober 2019 hätten einlegen wollen.

Gegen diese Einspruchsentscheidung richtet sich die beim Niedersächsischen Finanzgericht am 25. August 2021 erhobene Klage, mit der die Kläger weiterhin ihr Begehren aus dem Vorverfahren verfolgen.

Ergänzend führen die Kläger aus, dass es nach ihrer Auffassung zur Mehrfachübersendung der Steuererklärung nur deshalb gekommen sei, weil offenbar strukturelle Prozesse in der Datenverarbeitung beim Beklagten nicht optimal gearbeitet hätten. Zu einem weiteren Fehler des Beklagten sei es gekommen, als dieser die innerhalb der Rechtsbehelfsfrist des ursprünglichen Bescheides vom 23. Oktober 2019 übersandte zweite Einkommensteuererklärung als Antrag auf schlichte Änderung und nicht als Einspruch gewertet habe. Infolge dieser fehlerhaften Wertung durch den Beklagten sei zum einen keine entsprechende Einspruchsentscheidung ergangen, zum anderen habe es der Beklagte unterlassen, den Sachverhalt entsprechend § 367 Abs. 2 Satz 2 AO einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Im Rahmen dieser Überprüfung wären die technischen Fehler aufgefallen und es hätte zumindest nachgefragt werden müssen, welches nun die Besteuerungsgrundlagen für den Streitzeitraum seien.

Demgegenüber sei den Klägern keinerlei Verschulden vorzuwerfen, denn bei den vom Beklagten zu vertretenen Versuchen die Steuererklärung einzureichen, sei es zu einer erkennbar falschen Zahleneingabe gekommen, die ein reines Schreib- und Übertragungsversehen im Sinne des § 173a AO darstelle und die begehrte Korrektur des Einkommensteuerbescheides vom 13. November 2019 ermögliche. Nach herrschender Auffassung seien Schreibfehler im Sinne der Vorschrift auch Fehler, die beim Schreiben von Zahlen unterlaufen seien, insbesondere Zahlendreher und Zahlenübertragungsfehler. Als ähnliche offenbare Unrichtigkeiten qualifiziere die Rechtsprechung zudem solche Fehler, die mit Schreib- und Rechenfehlern auf einer Stufe stünden, also beispielsweise mechanische Eingabe- und Übertragungsfehler. Selbst wenn diese im Wortlaut des § 173a AO nicht ausdrücklich enthalten seien, seien sie doch im Rahmen einer teleologischen Auslegung in die Änderungsvorschrift hineinzulesen. Im Streitfall habe der Kläger bei einem seiner mehrfachen Versuche die Einkommensteuererklärung 2018 zu übermitteln, die falsche Jahreszahl eingegeben und damit die falsche Datei mit den Vorjahreswerten angehängt.

Darüber hinaus erweise sich die falsche Zahlenübertragung auch als offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO. Entscheidend sei dabei, ob der Fehler bei der Offenlegung des Sachverhaltes für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar sei. Es komme nicht darauf an, ob sich die offenbare Unrichtigkeit aus dem Bescheid ergebe. Da im Streitfall die richtigen Zahlen mehrfach übermittelt worden seien, stelle sich die Unrichtigkeit auch als offensichtlich dar. Zudem seien die übermittelten geänderten Werte nicht durch Belege unterlegt gewesen und hätte den Beklagten zumindest zu weiteren Ermittlungen veranlassen müssen. Auch die vom Beklagten erkannten Abweichungen bei den erklärten Bruttoarbeitslöhnen zu den vom Arbeitgeber übermittelten Daten habe den Fehler des Klägers offen zu Tage treten lassen und hätte das Finanzamt zwingend veranlassen müssen, die übermittelten Werte zu prüfen.

Ein Verschulden der Kläger sei nicht feststellbar. Ihnen sei bei der Mehrfachversendung der Erklärung ein verzeihbarer Schreib-/Tippfehler unterlaufen. Der Begriff des Verschuldens im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen nicht anders auszulegen, als bei schriftlich gefertigten Erklärungen. Die Steuerpflichtigen hätten alles getan, um ihren steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen und sogar die Steuererklärung mehrfach übermittelt, wobei bei einem dieser Versendungsversuche der fatale Fehler passiert sei.

Demgegenüber habe sich der Beklagte eines organisatorischen Versagens schuldig gemacht, indem eine korrekte Steuererklärung "verschlampt" worden sei. Aus den Unterlagen zur elektronischen Übermittlung vom 28. August 2019 sei zweifelsfrei erkennbar, dass die Daten dem Beklagten erfolgreich übermittelt worden seien. Wenn der Steuerpflichtige aus dem Elster-Portal eine erfolgreiche Übermittlungsbestätigung erhalte, müsse er auch davon ausgehen dürfen, die Formalien korrekt eingehalten zu haben. Daher sei die Aufforderung des Beklagten vom 20. September 2019 Grundlage der vorliegenden Missverständnisse geworden, was auch bei einer wertenden Betrachtung zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus sei der Verweis auf die fehlende Unterschrift reiner Formalismus. Eine Rechtsvorschrift, nach der bei der elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung für deren wirksame Annahme zur Sachbearbeitung eine Unterschrift erforderlich sei, sei nicht bekannt.

Zudem sei die erneute Übermittlung der Einkommensteuererklärung 2018 als Einspruch auszulegen gewesen. Selbst wenn die Einlegung des Einspruchs vor Bekanntgabe des betreffenden Bescheides erfolgt sei, wachse der Einspruch mit Zeitablauf in die Zulässigkeit hinein.

Schließlich könne eine Änderung des fehlerhaften Einkommensteuerbescheides auch aus der Pflicht zur Berichtigung von Erklärungen gemäß § 153 AO begründet werden.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Bescheides über die Ablehnung der Änderung vom 8. Juni 2020 und der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2021 den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 13. November 2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt weiter seine in der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2021 dargestellte Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 nicht vorliegen.

Ergänzend stellt der Beklagte klar, dass es beim Beklagten nicht zu Fehlfunktionen im Zusammenhang mit strukturellen Prozessen in der Datenverarbeitung und damit nicht zu einem organisatorischen Versagen gekommen sei. Die elektronische Übermittlung der Einkommensteuererklärung 2018 vom 28. August 2019 sei durch die Kläger in komprimierter und nicht in authentifizierter Form erfolgt. Um die Steuererklärung freizuschalten und zu bearbeiten sei es daher erforderlich gewesen, dass die Kläger diese noch eigenhändig unterschreiben und die erteilte Telenummer übermitteln. Nachdem die Einkommensteuererklärung sodann am 26. September 2019 durch die Kläger unterschrieben vorgelegt worden sei, sei die Erklärung beim Finanzamt am 30. September 2019 als eingegangen freigeschaltet und zur Bearbeitung genommen worden. Die Verzögerung in der Bearbeitung sei daher allein darauf zurückzuführen, dass die Einkommensteuererklärung infolge der am 26. September 2019 nachgeholten Unterschrift erst in diesem Zeitpunkt vollständig vorgelegen habe. Aufgrund der fehlenden Unterschrift galt die Erklärung bis dahin als nicht eingegangen. Mithin sei die Steuererklärung durch den Beklagten keineswegs verschlampt worden. Der Beklagte durfte die Kläger daher am 20. September 2019 aufgrund des am 3. September 2019 zur Einkommensteuererklärung übermittelten Belegs auffordern, die noch fehlende Einkommensteuererklärung einzureichen.

Ferner vertritt der Beklagte weiterhin die Auffassung, dass Tippfehler sowie Fehler bei der Eingabe von elektronischen Steuererklärungen nicht unter den Anwendungsbereich des § 173a AO fallen würden. Darüber hinaus komme eine Änderung nach dieser Vorschrift bereits deshalb nicht in Betracht, da der dem Kläger unterlaufene Fehler nicht durchschaubar, eindeutig und augenfällig sei. Zudem könne das Vorliegen einer unrichtigen Tatsachenwürdigung, eines Rechtsirrtums oder eines Rechtsanwendungsfehlers insgesamt nicht ausgeschlossen werden.

Eine Auslegung der Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019 als Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 23. Oktober 2019 komme nicht in Betracht, da ein Einspruch vor Bekanntgabe nicht möglich sei.

Dem Senat hat die unter der Steuernummer ....geführte Einkommensteuerakte vorgelegen. Wegen des weiteren Vorbringens wird hierauf sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom .... Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid über die Ablehnung der Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 8. Juni 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 101 FGO). Der Beklagte hat es – mangels Vorliegens einer Änderungsvorschrift – zu Recht abgelehnt, den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 13. November 2019 zu ändern.

1. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Ablehnungsbescheid vom 8. Juni 2020 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2021 seien aufzuheben, weil die am 25. Oktober 2019 übermittelte Einkommensteuererklärung 2018 durch den Beklagten als Einspruch und nicht als Antrag auf schlichte Änderung hätte ausgelegt werden müssen und das Einspruchsverfahren mit dem Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheides vom 13. November 2019 noch nicht abgeschlossen sei.

Der geänderte Einkommensteuerbescheid 2018 vom 13. November 2019 erging nicht im Rahmen eines offenen Einspruchsverfahrens und wurde damit nicht Gegenstand eines – bisher noch nicht abgeschlossenen – Rechtsbehelfsverfahrens (§ 365 Abs. 3 Satz 1 AO). Die Übermittlung der (berichtigten) Einkommensteuererklärung 2018 vom 25. Oktober 2019 wurde durch den Beklagten rechtsfehlerfrei als Antrag auf (schlichte) Änderung verstanden und nicht als Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 23. Oktober 2019 ausgelegt.

Zwar sind Willenserklärungen des Steuerpflichtigen vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes in Zweifelsfällen als Einspruch auszulegen, da dieser die Rechte des Steuerpflichtigen umfassender wahrt als ein Antrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 2. September 2002 1 BvR 476/01, HFR 2003, 74; BFH, Urteil vom 27. Februar 2003, V R 87/01, BFHE 201, 416, BStBl II 2003, 505). Einer Auslegung als Einspruch steht im Streitfall jedoch entgegen, dass dieser unzulässig gewesen wäre. Die Auslegung einer Willenserklärung in ein unzulässiges Rechtmittel kommt nicht in Betracht.

a) Der vermeintliche Einspruch in Form der (berichtigten) Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019 wurde nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides vom 23. Oktober 2019 eingelegt (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Beklagte weist in diesem Zusammenhang zurecht daraufhin, dass vor Bekanntgabe des (streitigen) Verwaltungsaktes ein Rechtsbehelf nicht rechtswirksam eingelegt werden kann (BFH, Urteile vom 13. Dezember 1973 I R 143/03, BFHE 112, 107, BStBl II 1974, 433; vom 8. April 1993, VI R 209/79, BFHE 138, 154, BStBl II 1983, 551; Beschluss vom 1. Juli 2010, V B 108/09, BFH/NV 2010, 2014).

Der Einkommensteuerbescheid 2018 wurde durch den Beklagten am Mittwoch, den 23. Oktober 2019 mit einfachem Brief zur Post gegeben und galt damit am Montag, den 28. Oktober 2019 als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 108 Abs. 3 AO). Den Vortrag der Kläger, ihnen habe bei Übermittlung der Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019 der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 23. Oktober 2019 bereits vorgelegen, wertet der Senat als reine Schutzbehauptung. Denn es entbehrt jeder Logik, warum die Kläger in diesem Fall nochmals eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr an das Finanzamt hätten übermitteln wollen und sollen, da die Veranlagung vom 23. Oktober 2019 antragsgemäß erfolgte und die Festsetzung dem Klagebegehren der Kläger im anhängigen Verfahren entspricht.

b) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung wächst ein verfrüht erhobener Einspruch auch nicht in die Zulässigkeit hinein.

Vor Bekanntgabe kann ein Rechtsbehelf nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht rechtswirksam eingelegt werden (BFH, Urteile vom 13. Dezember 1973 I R 143/03, BFHE 112, 107, BStBl II 1974, 433; vom 8. April 1983 VI R 209/79, BFHE 138, 154, BStBl II 1983, 551). Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Norm ("Der Einspruch ist ... innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen") als auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, unnötige Rechtsbehelfe zu vermeiden. Durch die Verwendung des Wortes "innerhalb" in der Vorschrift hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Sinn und Zweck des § 355 Abs. 1 AO nicht nur darin besteht, den Steuerpflichtigen zu veranlassen, einen Rechtsbehelf bis zum Ablauf einer bestimmten Frist einzulegen, vielmehr wollte er auch die Einlegung vor Fristbeginn, also vor Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, ausschließen. Im Streitfall liegt auch nicht die in der Literatur vereinzelt diskutierte Ausnahme vor, dass dem Steuerpflichtigen der Inhalt eines bereits erlassenen, aber erst später bekanntgegebenen Bescheides infolge eines erfolgten digitalen Datenabrufs bereits bekannt war (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 355 AO, Rz 9) und infolgedessen von einer Bekanntgabe im Sinne der Norm ausgegangen werden könne.

2. Die Kläger können ihr Begehren auch nicht auf § 153 AO stützen, da es sich bei dieser Vorschrift bereits nicht um eine Änderungsnorm handelt, sondern diese den Zweck verfolgt, die aus § 150 Abs. 2 AO für Angaben in der Steuererklärung resultierende Wahrheitspflicht auch nach Abgabe der Erklärung fortbestehen zu lassen (vgl. Hasselmann in: Koenig, AO, § 153 Rz. 2). Adressat dieser Vorschrift ist mithin auch nicht die Finanzverwaltung, als Urheber eines Verwaltungsaktes, sondern der Steuerpflichtige selbst (§ 153 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Vorschrift ist daher auch im 2. Abschnitt des Gesetzes unter Mitwirkungspflichten verortet.

3. Eine Änderung des mangels Einlegung eines Einspruchs durch die Kläger bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 ist weder nach § 173 AO noch nach § 129 AO oder § 173a AO möglich.

a) Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt nicht in Betracht, da die Kläger ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen trifft.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

aa) Nachträglich bekannt werden Tatsachen oder Beweismittel i.S.d. Vorschrift, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist, bekannt werden (BFH, Urteile vom 26, Mai 2020 IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233; vom 5. Dezember 2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588, m.w.N.). Hierbei sind nachträglich bekannt gewordene Tatsachen oder Beweismittel nach der Rechtsprechung nur gegeben, wenn das Beweismittel im Zeitpunkt der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung bereits vorhanden und nur nicht bekannt war (BFH, Urteil vom 25. Februar 2003 VIII R 98/01, Entscheidungssammlung Deutsches Steuerrecht – DStRE – 2003, 949). Dabei kommt es nicht auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen, sondern allein auf die der Finanzbehörde an (BFH, Urteile vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; vom 19. April 1988 IX R 122/83, BFH/NV 1988, 685). Innerhalb der Finanzbehörde kommt es auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle an, nicht auf die Kenntnis der Finanzbehörde als solcher (BFH, Urteile vom 26. Mai 2020 IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233; vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5).

Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist insoweit alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann (ständige Rechtsprechung, zum Beispiel Urteil des BFH vom 19. Februar 2013 IX R 24/12, BFHE 240, 265, BStBl II 2013, 484 m.w.N.).

Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH, Urteile vom 26. Mai 2020 IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233; vom 10. Februar 2015 IX R 18/14, BFHE 249, 195, BStBl II 2017, 7). Demgegenüber stellen Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei unbewussten – mechanischen – Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit – nicht stets, aber im Einzelfall – ausgeschlossen sein (BFH, Urteil vom 26. Mai 2020 IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, sind die Voraussetzungen für eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Streitfall nicht erfüllt.

Die in einer Steuererklärung anzugebenden Einnahmen und Ausgaben sind Tatsachen im Sinne des § 173 AO, denn diese sind Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Einkünfteermittlung nach § 2 EStG. Dass es sich insoweit um die Besteuerungsgrundlagen des Vorjahres 2017 gehandelt hat, ist der für die Veranlagung verantwortlichen Dienststelle des Beklagten auch erst nach abschließender Zeichnung durch den zuständigen Bearbeiter bekannt geworden. Am nachträglichen Bekanntwerden tragen die Kläger jedoch ein grobes Verschulden.

Während die Auswahl eines falschen Datenordners oder das Vertippen bei der Eingabe von Zahlen in das Steuererklärungsformular noch als unbewusstes, mechanisches Versehen eine grobe Fahrlässigkeit ausschließen kann, trifft die Kläger bereits ein grobes Verschulden im Hinblick auf die nicht hinreichende Prüfung der durch das Programm eingespielten und im Folgenden an das Finanzamt übermittelten Daten. Die Kläger durften in diesem Zusammenhang nicht darauf vertrauen, dass auch in das neu erstellte Einkommensteuererklärungsformular die bereits hinterlegten und am 28. August 2019 an das Finanzamt übermittelten Daten (fehlerfrei) eingepflegt worden sind. Da das Programm die Abschnitte, in welchem importierte Daten zu finden sind, farblich deutlich kennzeichnet, war es den Klägern auch möglich, die Daten leicht zu identifizieren und mit den aktuellen Daten des Streitjahres 2018 zu vergleichen. Gleiches gilt vor dem Hintergrund, dass die Kläger lediglich eine übersichtliche Anzahl von Daten an den Beklagten übermittelt haben. Dies gilt nach Ansicht des Senats unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob das Programm "MeinElster" den Steuerpflichtigen nochmals ausdrücklich dazu auffordert, die zur Übermittlung anstehenden Daten vor Absendung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Im Streitfall trifft die Kläger zudem ein grobes Verschulden im Hinblick auf die nicht hinreichende bzw. vollständig unterbliebene Prüfung des im Anschluss ergangenen Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass für die Prüfung, ob den Steuerpflichtigen der Vorwurf eines grob schuldhaften Verhaltens am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen und Beweismittel gemacht werden kann, nicht nur der Zeitraum bis zum Erlass des zu ändernden Bescheids, sondern auch der Zeitraum bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft einzubeziehen ist (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 10. Dezember 2013 VIII R 10/11, BFH/NV 2014, 820 mit Hinweis auf die BFH-Urteile vom 25 November 1983 VI R 8/82, BFHE 140, 18, BStBl II 1984, 256; vom 4. Februar 1998 XI R 47/97, BFH/NV 1998, 682; vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75; vom 22. Mai 2006 VI R 17/05, BFHE 214, 154, BStBl II 2006, 806, m.w.N.). Denn würde ohne Rücksicht auf die Änderungsmöglichkeit eines Steuerbescheides im Einspruchs- oder Klageverfahren eine spätere Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugelassen, wäre ein schuldhaftes Verstreichenlassen der Einspruchs- oder Klagefrist bei allen ersichtlich falschen Steuerbescheiden bedeutungslos, falls den Steuerpflichtigen oder seine steuerlichen Berater an der Nichtangabe des steuerlich bedeutsamen Sachverhalts bei der Abgabe der Steuererklärung kein grobes Verschulden getroffen hätte.

Im Streitfall haben es die Kläger offensichtlich unterlassen, den geänderten Einkommensteuerbescheid 2018 vom 13. November 2019 auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen und den Beklagten innerhalb der Rechtsbehelfsfrist von der Fehlerhaftigkeit in Kenntnis zu setzen. Die vorgenommenen Änderungen und auch der Grund der Änderung (berichtigte Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019) waren durch den Beklagten im Bescheid ausführlich erläutert worden. Auch die sich aus dem geänderten Einkommensteuerbescheid ergebende Zahllast in Höhe von .... € hätte die Kläger zur näheren Prüfung und zur Einlegung eines Einspruchs unter Hinweis auf die fehlerhafte Datenübermittlung veranlassen müssen.

b) Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 gemäß § 129 AO ist ebenfalls nicht möglich.

Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).

aa) Berichtigungsfähige Fehler im Sinne der Vorschrift sind mechanische Versehen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten müssen ebenso wie Schreib- oder Rechenfehler ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können. Übertragungsfehler oder Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung können als rein mechanische Versehen ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sein. Dabei gelten die Grundsätze, die in Bezug auf Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung entwickelt wurden, entsprechend, wenn Daten direkt in die automatische Datenverarbeitung eingegeben werden. Denn es kann für die Entscheidung über die Beurteilung eines Fehlers als offenbare Unrichtigkeit keinen Unterschied machen, ob die fehlerhafte Eintragung auf einem Vordruck in Papierform oder direkt als Eingabe in einen Computer vorgenommen worden ist (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. März 2008 13 V 2901/07, juris). Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts schließen hingegen eine offenbare Unrichtigkeit aus (BFH, Urteil vom 29. Januar 2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139). § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (BFH, Urteil vom 10. Dezember 2019 IX R 23/18, BFHE 266, 297, BStBl II 2020, 371). Vor diesem Hintergrund schließt auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit in der Regel aus (BFH, Urteil vom 13. Januar 1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359). Denn eine, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen (BFH, Urteile vom 25. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946; vom 23. Januar 1991 I 26/90, BFH/NV 1992, 359).

bb) Eine Berichtigung nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass der Fehler bzw. die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 16. September 2015 IX R 37/14, BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040). Da die Unrichtigkeit aber nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 3. Mai 2017 X R 4/16, BFH/NV 2017, 1415 m.w.N.). Unrichtigkeiten auf der Seite des Steuerpflichtigen sind offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben (BFH, Urteile vom 26. Mai 2020 IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233; vom 16. September 2015 IX R 37/14, BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040; vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 956). Soweit das Finanzamt auf Akten der Vorjahre zurückgreifen muss, liegt grundsätzlich keine offenbare Unrichtigkeit vor (BFH, Urteil vom 31. Juli 1990 I R 116/88, BFHE 162, 115, BStBl II 1991, 22; vom 26. Mai 2020 IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233; FG Münster, Urteil vom 5. September 2012 12 K 1948/11 E, EFG 2012, 2183; Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 129 Rn. 11).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, ist im Streitfall eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 nach § 129 AO bereits deshalb zu verneinen, weil die Übernahme des von den Klägern fehlerhaft ausgewählten Datensatzes des Jahres 2017 in die Einkommensteuererklärung 2018 vom 25. Oktober 2019 durch das Finanzamt ohne Kenntnis der Akten des Jahres 2017 nicht als offenbare Unrichtigkeit erkannt werden konnte. Die aus der fehlerhaften Datenübernahme resultierende Unrichtigkeit der Steuererklärung vom 25. Oktober 2019 wäre für den zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamts nur erkennbar gewesen, wenn er die Steuererklärung des Jahres 2017 bei der Veranlagung des Streitjahres zugezogen hätte. Denn nur im unmittelbaren Vergleich mit der Einkommensteuererklärung des Vorjahres war erkennbar, dass es sich nicht um die Steuerdaten des aktuellen Jahres 2018 handeln konnte, sondern vielmehr Daten des Jahres 2017 fehlerhaft übermittelt worden waren. Aus der streitbefangenen Steuererklärung vom 25. Oktober 2019 war der Fehler der Kläger für die Finanzbehörde nicht als mechanisches Versehen ersichtlich. Damit scheidet die Anwendung des § 129 AO im Streitfall aus.

dd) Auch der von den Klägern erhobene Vorwurf der schuldhaft unterbliebenen Sachverhaltsermittlung des Beklagten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Entgegen der Auffassung der Kläger rechtfertigen die vom Sachbearbeiter des Beklagten festgestellten Abweichungen der für das Streitjahr elektronisch übermittelten Daten der Arbeitgeber zu den fehlerhaft erklärten Bruttoarbeitslöhnen nicht die Annahme eines offenbaren Fehlers, welchen sich das Finanzamt zu eigen gemacht hat. Die Feststellung solcher Differenzen verpflichtete den Sachbearbeiter möglicherweise zu einer weiteren Sachverhaltsermittlung. Eine Pflichtverletzung ist aber nicht mit einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen (BFH, Urteil vom 25. Februar 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550). Vielmehr schließt eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht, wie sie die Kläger im Streitfall auf Seiten des Beklagten sehen, eine offenbare Unrichtigkeit in der Regel aus (vgl. BFH, Urteil vom 13. Januar 1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359). Denn eine, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen (BFH, Urteile vom 25. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946; 23. Januar 1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359).

c) Schließlich ist auch eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2018 vom 13. November 2019 gemäß § 173a AO ausgeschlossen, da den Klägern bei der Erstellung ihrer Steuererklärung kein Fehler im Sinne der Vorschrift unterlaufen ist.

Nach § 173a AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei der Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat.

Während § 129 AO voraussetzt, dass die Fehler von der Finanzbehörde begangen werden und eine Berichtigung von Fehlern des Steuerpflichtigen gemäß § 129 AO nur dann möglich ist, wenn das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeiten als eigene übernimmt, trägt § 173a AO dem Umstand Rechnung, dass in einem modernisierten Besteuerungsverfahren die Erklärungen des Steuerpflichtigen automatisch verarbeitet werden, ohne dass es einer formellen oder materiellen Übernahme der vom Steuerpflichtigen übermittelten Daten durch einen Sachbearbeiter der Finanzbehörde bedarf und die Finanzbehörde daher Fehler des Steuerpflichtigen nicht erkennen und sich diese somit auch nicht zu eigen machen kann (vgl. BT-Drucks. 18/7457, 87, zu Nr. 32). Allerdings beschränkt sich die Vorschrift ihrem Wortlaut nach auf die Korrektur von Schreib- und Rechenfehlern.

aa) Schreibfehler im Sinne dieser Vorschrift sind insbesondere Rechtschreibfehler, Wortverwechslungen, Wortauslassungen oder fehlerhafte Übertragungen. Rechenfehler sind vorrangig Fehler bei der Addition, Subtraktion, Multiplikation oder Division sowie bei der Prozentrechnung. Fehler bei der Übertragung von Daten sowie bei der Eingabe der elektronischen Steuererklärung werden dem Wortlaut nach vom Tatbestand des § 173a AO nicht erfasst (BFH, Urteil vom 26. Mai 2020 IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233; Hessisches FG, Urteil vom 10. September 2019 4 K 1018/19, EFG 2020, 245; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173a Rz. 8).

Den Klägern ist vorliegend weder ein Schreib- noch ein Rechenfehler unterlaufen. Ein Rechenfehler scheidet bereits aus, weil die Übermittlung der Steuerdaten des Vorjahres nicht auf einer fehlerhaft durchgeführten Rechenoperation beruhte. Die fehlerhafte Auswahl der in die Einkommensteuererklärung 2018 vom 25. Oktober 2019 übernommenen Daten basierte allerdings auch nicht auf einem Schreibfehler. Zwar geht der Senat mit den Klägern davon aus, dass ein Schreibfehler im Sinne der Norm sowohl beim Schreiben von Buchstaben als auch von Zahlen vorkommen kann, unabhängig davon, ob es sich um einen manuellen Eintrag in die Steuererklärung handelt oder dieser in digitaler Form erfolgt ist. Mithin können auch Tippfehler Schreibfehler im Sinne der Vorschrift darstellen. Anderenfalls ginge nach Auffassung des erkennenden Senats der Tatbestand des § 173a AO, welche insbesondere die Besonderheiten des elektronischen Besteuerungsverfahrens abbilden soll, ins Leere.

Im Streitfall ist den Klägern jedoch kein Tippfehler unterlaufen. Anders als noch im außergerichtlichen Vorverfahren vorgetragen, haben sich die Kläger bei der Auswahl der zu exportierenden Steuerdaten nicht bei der Eingabe einer falschen Ziffer "vertippt". Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert hat, hatten die Kläger beabsichtigt, bei der nochmaligen Erstellung der Einkommensteuererklärung 2018 am 25. Oktober 2019 die bereits am 28. August 2019 an den Beklagten übermittelten und in einem eigenen externen Ordner gespeicherten Steuerdaten des Streitjahres zu verwenden. Hierzu haben sie die auf ihrem Computer lokal in einem für steuerliche Zwecke angelegten Ordner gesicherten Daten aufgerufen, um diese anschließend in die im Programm "MeinElster" zu erstellende Einkommensteuererklärung 2018 zu übernehmen. Dabei wurde durch den Kläger versehentlich nicht der Ordner mit den Steuerdaten des Jahres 2018, sondern des Jahres 2017 durch "Anklicken" ausgewählt. Infolge der Auswahl des falschen Datenordners wurden anstelle der Steuerdaten des Jahres 2018 die Daten aus der Vorjahreserklärung 2017 zur Einspielung in das Einkommensteuererklärungsformular bereitgestellt und anschließend bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2018 vom 25. Oktober 2019 über das Programm "MeinElster" eingepflegt. Bei der versehentlich erfolgten Auswahl des falschen Datenordners handelt es sich jedoch nicht um einen Fehler in der manuellen Verwendung von Buchstaben bzw. Zahlen/Ziffern und damit auch nicht um einen Schreibfehler im Sinne der Vorschrift.

cc) Die fehlerhafte Auswahl bzw. das fehlerhafte "Anklicken" stellt als mechanische Handlung vielmehr eine ähnliche Unrichtigkeit dar, die jedoch nicht vom Wortlaut des § 173a AO erfasst ist. Der Senat vertritt dabei nicht die in Teilen der Literatur diskutierte Auffassung, dass infolge der Anlehnung des Tatbestandes des § 173a AO an die Vorschrift des § 129 AO eine Regelungslücke im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der "ähnlichen Unrichtigkeiten" anzunehmen und im Rahmen einer teleologischen Extension zu schließen sei (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173a Rz. 5 m.w.N.) Gegen eine planungswidrige Regelungslücke spricht neben dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch die Ausführung zur Gesetzeseinführung (siehe BT-Drucks. 18/1457, zu Nr. 32), welche – trotz Ausführungen zum erweiterten Tatbestand des § 129 AO – den Anwendungsbereich des § 173a AO ausdrücklich auf Schreib- oder Rechenfehler beschränkt. Entsprechend sieht auch die bisher zur Vorschrift des § 173a AO ergangene Rechtsprechung eine Änderung wegen ähnlicher (offenbarer) Unrichtigkeiten als nicht vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst (BFH, Entscheidung vom 27. April 2022 IX B 57/21, BFH/NV 2022, 803; Hessisches FG, Urteil vom 10. September 2019 4 K 1018/19, EFG 2020, 245, bestätigt durch BFH, Urteil vom 26 Mai 2020 IX R 30/19, BFH/NV 2020, 1233).

Nach alledem war der Klage daher der Erfolg zu versagen.

4. Lediglich nachrichtlich weist der Senat darauf hin, dass im Streitfall auch bei einer extensiven Auslegung des Anwendungsbereichs des § 173a AO Bedenken am Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen bestehen. Denn zum einen muss der Fehler des Steuerpflichtigen, wie im Anwendungsbereich des § 129 AO, offenbar, d. h. durchschaubar, eindeutig oder augenfällig sein; zum anderen muss er bei Erstellung der Steuererklärung auftreten.

a) Der Fehler ist dann offenbar, wenn er bei Offenlegung des Sachverhaltes für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Schreib- oder Rechenfehler erkennbar ist und kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, dass eine unrichtige Tatsachenwürdigung, ein Rechtsirrtum oder ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt (BT-Drucks. 18/7457, 87, zu Nr. 32; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173a Rz. 6; Hessisches FG, Urteil vom 10. September 2019 4 K 1018/19, EFG 2020, 245). Hieraus folgt, dass Schreibfehler, die trotz des Fehlers einen vollständigen, wenn auch sinnentstellten Satz ergeben, oder auch sonst nicht als offenbarer Fehler erkennen sind, nicht unter § 173a AO fallen (vgl. auch Frotscher in: Schwarz/Pahlke, AO, § 173a Rz. 8). Vorliegend ergibt sich der Fehler weder – mittelbar noch unmittelbar – aus der Steuererklärung oder den der Steuererklärung beigefügten Unterlagen. Vielmehr erfolgte das Versehen des Klägers im Vorfeld der Erstellung der Steuererklärung. Die Folgen dieses Versehens waren nur durch einen direkten Vergleich der erklärten Steuerdaten mit den Daten der Einkommensteuererklärung 2017 erkennbar und bedurften mithin weiterer Prüfungstätigkeiten und Schlussfolgerungen.

b) Der Fehler erfolgte vorliegend zudem nicht unmittelbar bei der Erstellung der streitbefangenen Einkommensteuererklärung. Die (digitale) Steuererklärung lag im Zeitpunkt der fehlerbehafteten Handlung des Klägers noch nicht vor. Vielmehr erfolgte der Fehler im Rahmen vorbereitender Maßnahmen. Im Streitfall waren die später verwendeten Steuerdaten auf dem Computer des Klägers in einem externen Ordner gespeichert. Der streitgegenständliche Fehler des Klägers erfolgte bei der Auswahl der zu exportierenden Steuerdaten. Erst nach Abschluss dieses Vorgangs wurde durch den Kläger im Programm "MeinElster" das Formular der zu erstellenden Einkommensteuererklärung 2018 ausgewählt und die zuvor bereitgestellten Steuerdaten durch die Auswahl ("Anklicken") des entsprechenden Buttons in die Einkommensteuererklärung eingepflegt und dem Kläger durch das Programm zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Der Fehler ist damit nicht bei der Erstellung der Steuererklärung entstanden, sondern bereits in einem Stadium, in welchem das Einkommensteuererklärungsformular noch nicht vorgelegen hat.

Zwar vertritt Frotscher (in: Schwarz/Pahlke AO/FGO, 173a AO, Rz. 6) unter Hinweis auf Habel/Müller (DStR 2016, 2791, 2792) die Auffassung, dass der Schreib- oder Rechenfehler nicht in der Steuererklärung selbst unterlaufen sein muss. Vielmehr könne er auch in vorbereitenden Unterlagen eingetreten sein, müsse dann aber Eingang in die Steuererklärung gefunden haben. Als Beispiel nennen Habel/Müller der Steuererklärung beigefügte Unterlagen, wie eigens erstellte Übersichten, Additionen oder Anlagen und leiten dieses aus der im Gesetz verwendeten Formulierung "... rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat" ab.

Damit wird de facto der Begriff der Steuererklärung um vorbereitende Unterlagen, die zudem der Steuererklärung beigefügt sein müssen, erweitert. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Vorliegend folgt der Fehler nicht aus vorbereitenden Unterlagen, welche der Steuererklärung beigefügt waren. Der Fehler des Klägers lag vielmehr darin, dass die im weiteren verwendete Daten im Vorfeld fehlerhaft ausgewählt wurden. Diese Handlung erfolgte jedoch vor Erstellung der Steuererklärung.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Das Gericht hat die Revision zugelassen, da für die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erforderlich erscheint (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und um diesem die Gelegenheit zu geben, zu der Frage Stellung zu nehmen, inwieweit Fehler des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der elektronischen Übermittlung von Daten zu einer Änderung bzw. Aufhebung von Steuerbescheiden nach § 173a AO berechtigen.

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