BVerfG, Beschluss vom 27.09.2022 - 1 BvR 2661/21
Fundstelle
openJur 2022, 20234
  • Rkr:
Tenor

1. § 10 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Erhaltung, zum Schutz und zur Bewirtschaftung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Thüringer Waldgesetz ‒ ThürWaldG ‒) in der Fassung des Artikel 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes vom 21. Dezember 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen vom 30. Dezember 2020 Seite 665) ist mit Artikel 14 Absatz 1 und Artikel 74 Absatz 1 Nummer 18 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

2. Der Freistaat Thüringen hat den Beschwerdeführenden die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes (ThürWaldG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes vom 21. Dezember 2020 (GVBl <TH> S. 665), dessen Bestimmungen nach Art. 2 des Änderungsgesetzes am Tag nach der Verkündung, mithin am 31. Dezember 2020, in Kraft traten. Die angegriffene Regelung verbietet jede Änderung der Nutzungsart von Waldgebieten zur Errichtung von Windenergieanlagen. Die Beschwerdeführenden, eine Eigentümerin und mehrere Eigentümer von Waldgrundstücken, sehen sich durch dieses Verbot in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

I.

1. Die angegriffene Regelung wurde in die waldrechtlichen Bestimmungen über die Genehmigung einer Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart eingefügt. Um in einem Waldgebiet eine Anlage - auch eine Windenergieanlage - errichten zu können, müssen die dafür erforderliche Rodung und die Überführung des Waldbodens in die neue Nutzungsart als Umwandlung von Wald genehmigt werden. Im Rechtsverkehr maßgeblich sind die landesrechtlichen Vorschriften (hier: § 10 ThürWaldG), deren Rahmen aber durch § 9 des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) bestimmt wird (siehe zu dessen Rahmencharakter § 5 BWaldG). Grundsätzlich besteht damit für die Änderung der Nutzungsart von Wald nach Bundes- und nach Landesrecht ein Verbot mit Genehmigungsvorbehalt. Die angegriffene Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG begründet hingegen für eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen ein striktes Verbot ohne Möglichkeit der Genehmigung.

§ 10 ThürWaldG, dessen Absatz 1 Satz 2 hier angegriffen ist, lautet:

§ 10 ThürWaldG

Änderung der Nutzungsart

(1) Wald darf nur nach vorheriger Genehmigung der unteren Forstbehörde in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden (Änderung der Nutzungsart). Eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen ist nicht zulässig. Die Genehmigung erfolgt im Einvernehmen mit der unteren Naturschutzbehörde und nach Anhörung der oberen Landesplanungsbehörde. Soll die Fläche nachfolgend landwirtschaftlich genutzt werden, ergeht die Genehmigung darüber hinaus im Einvernehmen mit der oberen Landwirtschaftsbehörde.

(1a) Bedarf die Änderung der Nutzungsart nach

1. dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94) in der jeweils geltenden Fassung oder

2. dem Thüringer UVP-Gesetz einer Umweltverträglichkeitsprüfung, so muss das Genehmigungsverfahren den Anforderungen der genannten Gesetze entsprechen.

(2) Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Änderung der Nutzungsart sind die berechtigten Interessen des Waldbesitzers und die Belange der Allgemeinheit gegeneinander und untereinander abzuwägen. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn

1. die Erhaltung des Waldes im öffentlichen Interesse Vorrang vor den Interessen des Antragstellers hat,

2. Raumordnung und Landesplanung Wald am jeweiligen Ort zwingend vorsehen,

3. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes nachhaltig geschädigt wird,

4. Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, der Landeskultur, der Luft- und Wasserreinhaltung und der Erholung der Bevölkerung gefährdet werden,

5. erheblicher Schaden in angrenzendem Wald absehbar ist oder

6. die Bewertung der zusammenfassenden Darstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge dies gebietet.

(3) Zur Milderung nachteiliger Wirkungen einer genehmigten Änderung der Nutzungsart ist vom Antragsteller auf eigene Kosten eine funktionsgleiche Ausgleichsaufforstung innerhalb von zwei Jahren nach bestandskräftiger Genehmigung durchzuführen. Dazu können Auflagen erteilt werden. Bei auch nachträglich nicht genehmigter Änderung der Nutzungsart wird unter Fristsetzung die Rückwandlung durch Aufforstung angeordnet. Pflegemaßnahmen, die in den Schutzgebietsverordnungen oder in Pflege- und Entwicklungsplänen vorgesehen sind, entfalten keine nachteilige Wirkung, sofern sie nach Art und Umfang zwischen der unteren Forstbehörde und den zuständigen Naturschutzbehörden sowie dem Eigentümer einvernehmlich abgestimmt worden sind. Das Gleiche gilt bei Pflegemaßnahmen für gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) in der jeweils geltenden Fassung und § 15 des Thüringer Naturschutzgesetzes, sofern diese nach Art und Umfang zwischen der unteren Forstbehörde und den zuständigen Naturschutzbehörden sowie dem Eigentümer einvernehmlich abgestimmt worden sind.

(4) Können nachteilige Wirkungen auf den Naturhaushalt nicht durch funktionsgleiche Ausgleichsaufforstung ausgeglichen werden, ist eine Walderhaltungsabgabe in Abhängigkeit von der Schwere der Beeinträchtigung und vom erzielten Vorteil des Verursachers der Beeinträchtigung zu zahlen. Die Walderhaltungsabgabe darf nur zur Erhaltung des Waldes verwendet werden. Bemessungsgrundlagen, Verfahren und Verwendung der Mittel werden im Einvernehmen mit dem für Finanzen zuständigen Ministerium durch die oberste Forstbehörde durch Rechtsverordnung geregelt.

(5) Bei befristeter Genehmigung der Änderung der Nutzungsart sind auf der Grundlage eines Planes des Antragstellers Fristen zur Rückführung (Rekultivierung) zu setzen sowie die Leistungen und Kosten für die Rückführung zu sichern. Zu diesem Zwecke können vom Antragsteller Sicherheitsleistungen verlangt werden.

(6) Die Genehmigung erlischt, wenn diese nicht innerhalb von zwei Jahren durchgeführt worden ist.

(7) Die Änderung der Nutzungsart ist im Waldflächenverzeichnis festzuhalten. Sie ist durch die untere Forstbehörde der oberen Kataster- und Vermessungsbehörde mitzuteilen.

Die Regelung des Bundesrechts über die Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart lautet:

§ 9 BWaldG

Erhaltung des Waldes

(1) Wald darf nur mit Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde gerodet und in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden (Umwandlung). Bei der Entscheidung über einen Umwandlungsantrag sind die Rechte, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen des Waldbesitzers sowie die Belange der Allgemeinheit gegeneinander und untereinander abzuwägen. Die Genehmigung soll versagt werden, wenn die Erhaltung des Waldes überwiegend im öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Wald für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die forstwirtschaftliche Erzeugung oder die Erholung der Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung ist.

(2) Eine Umwandlung von Wald kann auch für einen bestimmten Zeitraum genehmigt werden; durch Auflagen ist dabei sicherzustellen, daß das Grundstück innerhalb einer angemessenen Frist ordnungsgemäß wieder aufgeforstet wird.

(3) Die Länder können bestimmen, daß die Umwandlung

1. keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedarf, wenn für die Waldfläche auf Grund anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften rechtsverbindlich eine andere Nutzungsart festgestellt worden ist;

2. weiteren Einschränkungen unterworfen oder, insbesondere bei Schutz- und Erholungswald, untersagt wird.

Für Fragen der Nutzung von Waldflächen kommt es nicht auf deren tatsächliche Situation, sondern auf die rechtliche Einordnung als Wald an. Nach § 2 Abs. 2 ThürWaldG und § 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG gelten auch geschädigte Waldbestände und Kahlflächen als Wald, sofern der Waldstatus nicht durch behördliche Genehmigung (Umwandlung) zugunsten einer nicht-forstbezogenen Nutzungsart aufgehoben wurde (vgl. Endres, BWaldG, 2. Aufl. 2022, § 2 Rn. 11 m.w.N.).

Für die Genehmigungsentscheidung statuiert die bundesrechtliche Regelung ein Abwägungserfordernis bezüglich der Rechte, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen der Waldbesitzer einerseits und der Belange der Allgemeinheit andererseits (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BWaldG). Die Genehmigung soll nach § 9 Abs. 1 Satz 3 BWaldG versagt werden, wenn die Erhaltung des Waldes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Auch § 10 Abs. 2 ThürWaldG statuiert ein ähnliches, umfassendes Abwägungserfordernis. Demgegenüber untersagt die angegriffene Neuregelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG die Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen im Wald pauschal. Eine Abwägung findet insoweit nicht statt. Dies hat zur Folge, dass in Thüringen auf Waldflächen die Errichtung von Windenergieanlagen ausnahmslos unzulässig ist.

2. Rund 34 % der Fläche des Freistaats Thüringen sind Waldflächen (vgl. Fachagentur Windenergie an Land, Entwicklung der Windenergie im Wald ‒ Ausbau, planerische Vorgaben und Empfehlungen für Windenergiestandorte auf Waldflächen in den Bundesländern, 6. Aufl. 2021, S. 46). Ein nennenswerter Teil des Waldes besteht allerdings aus sogenannten Kalamitätsflächen, bei denen eine forstwirtschaftliche Nutzung wegen Waldschäden, etwa aufgrund von Sturmfolgen oder Schädlingen, nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist. Nur etwa 20 % der Bäume im Thüringer Wald gelten als gesund, die übrigen weisen sogenannte Vitalitätsverluste auf (vgl. Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, Waldzustandsbericht 2021 ‒ Forstliches Umweltmonitoring in Thüringen, S. 3 ff.).

Eine Windenergienutzung von Waldflächen war in Thüringen bis 2014 regionalplanerisch nicht vorgesehen. Der Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode von 2014 bis 2019 enthielt die Vereinbarung, die Voraussetzungen für den Bau von Windenergieanlagen im Wald zu schaffen (Koalitionsvertrag zwischen den Parteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. November 2014, S. 42). Im sogenannten Windenergieerlass des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft vom 21. Juni 2016 wurden die Träger der Regionalplanung und die obere Landesplanungsbehörde angewiesen, Vorranggebiete für Windenergie (s. dazu § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Raumordnungsgesetz ‒ ROG) auszuweisen (vgl. Erlass des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft vom 21. Juni 2016, Erlass von Vorranggebieten "Windenergie", S. 2 f.). Schutz- und Erholungswälder sollten als sogenannte harte Tabuzonen gelten, bei denen eine Nutzung zur Windenergieerzeugung raumplanerisch ausnahmslos ausgeschlossen bleibt. Andere Waldgebiete mit hervorgehobenen Funktionen sollten als sogenannte weiche Tabuflächen kategorisiert werden, bei denen eine Nutzung zur Windenergieerzeugung nach Abwägung zulässig sein kann. In der Planungsregion Ostthüringen wurden Genehmigungen für zwei Windräder im Wald erteilt, die 2017 in Betrieb gingen (vgl. Fachagentur Windenergie an Land, Entwicklung der Windenergie im Wald ‒ Ausbau, planerische Vorgaben und Empfehlungen für Windenergiestandorte auf Waldflächen in den Bundesländern, 5. Aufl. 2020, S. 41). Zu weiteren Genehmigungen für Windenergieanlagen auf Waldflächen kam es nicht mehr (vgl. Fachagentur Windenergie an Land, Entwicklung der Windenergie im Wald ‒ Ausbau, planerische Vorgaben und Empfehlungen für Windenergiestandorte auf Waldflächen in den Bundesländern, 6. Aufl. 2021, S. 46). Seit dem 31. Dezember 2020 steht die hier angegriffene Regelung der Erteilung der erforderlichen Umwandlungsgenehmigung für Windenergieanlagen entgegen; Anträge auf Erteilung von Umwandlungsgenehmigungen wurden unter Verweis auf § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG abgelehnt.

3.§ 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG wurde mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes vom 21. Dezember 2020 eingefügt und dabei in § 67 ThürWaldG durch eine Vorschrift zur Evaluation ergänzt.Das Gesetz war zuvor achtmal beraten worden (vgl. Thüringer Landtag, Plenarprotokoll 7/31 vom 18. Dezember 2020, S. 2270). Die mit den Stimmen sämtlicher Fraktionen beschlossene Gesetzesänderung ging auf einen Entwurf der Fraktion der FDP zurück, den diese gemeinsam mit der Fraktion der CDU eingebracht und begründet hat. Durch den Windenergieerlass sei der Bau von Windenergieanlagen in Thüringer Wäldern nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen. Dies habe bereits zur Errichtung von Windenergieanlagen geführt, teilweise gegen erhebliche Proteste der Bevölkerung vor Ort. Windenergieanlagen und Maßnahmen zu deren Errichtung führten nicht nur direkt wegen der Rodung für die erforderlichen großen Freiflächen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Waldes, sondern führten auch indirekt in der Umgebung zu großen Schäden (vgl. LTDrucks 7/62, S. 1). Die Sprecherinnen und Sprecher der die Minderheitsregierung tragenden Koalitionsfraktionen bekundeten in der parlamentarischen Debatte ihre inhaltliche Ablehnung des Gesetzentwurfs, kündigten aber an, diesem zuzustimmen, um so die Zustimmung der CDU-Fraktion zum Landeshaushalt 2021 zu erhalten (vgl. Thüringer Landtag, Plenarprotokoll 7/31 vom 18. Dezember 2020, S. 2270 ff.). Vor Verabschiedung des Gesetzes hatten die Regierungsfraktionen beim Wissenschaftlichen Dienst des Landtags ein Gutachten zur Rechtmäßigkeit der vorgeschlagenen Regelung in Auftrag gegeben. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Regelung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne (Thüringer Landtag, Wissenschaftlicher Dienst, Gutachterliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen der FDP und der CDU für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes, LTDrucks 7/1170).

II.

Mit ihrer am 21. Dezember 2021 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführenden eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Sie sind Eigentümerin und Eigentümer von in Thüringen gelegenen Waldgrundstücken. Der Waldbestand auf ihren Grundstücken ist teilweise insbesondere durch Schädlingsbefall erheblich geschädigt und wurde deshalb gerodet. Beabsichtigt ist eine Nutzung der Grundstücke durch Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen. Die Beschwerdeführenden haben die Grundstücke zu diesem Zweck an Projektentwickler verpachtet.

Sie halten die angegriffene Norm für verfassungswidrig. Der Freistaat Thüringen habe für § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG keine Gesetzgebungskompetenz. Die angegriffene Regelung sei nicht dem Kompetenztitel für Naturschutz und Landschaftspflege zuzuordnen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG), sondern sei eine bodenrechtliche Regelung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Eine darauf gründende Gesetzgebungszuständigkeit des Freistaats Thüringen setze gemäß Art. 72 Abs. 1 GG voraus, dass der Bund von der ihm zustehenden Gesetzgebungskompetenz nicht Gebrauch gemacht oder eine Öffnung für Landesgesetze vorgesehen habe. Mit dem besonderen Städtebaurecht des Baugesetzbuchs habe der Bund seine Kompetenz aber ausgeübt. Er habe die grundlegende Entscheidung über die Zulässigkeit bestimmter Vorhaben in der städtebaulichen Planung getroffen und habe durch § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB die Errichtung und Nutzung von Windenergieanlagen im Außenbereich bauplanungsrechtlich privilegiert. Die bundesrechtliche Norm des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG sei keine Öffnungsklausel für Landesregelungen, die auf die Unterbindung eines bestimmten Umwandlungszwecks oder einer bestimmten Nutzungsart gerichtet seien, sondern nehme auf bestimmte Umwandlungsgegenstände - wie etwa den in § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG erwähnten "Schutz- und Erholungswald" - Bezug, hinsichtlich derer die Umwandlung ausgeschlossen werden könne.

Die Eigentumsfreiheit werde durch die angegriffene Regelung unzumutbar beschränkt. Dass die verfassungsrechtlich geschützte Nutzung und Verwertung der Waldgrundstücke für die Windenergienutzung vollumfänglich unterbunden werde, ohne die Eigentümerinteressen zu berücksichtigen, sei eine gesetzgeberische Fehlabwägung. Insbesondere unterscheide die angegriffene Regelung nicht zwischen dem Zustand der jeweiligen Waldflächen, mithin nach gesundem Baumbestand und weder nutzbaren noch schützenswerten Waldflächen. Für letztere treffe die pauschale Annahme des Gesetzgebers nicht zu, dass Windenergieanlagen und Maßnahmen, die zu deren Errichtung dienten, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Waldes führten, da Rodungen teilweise ohnehin bereits erfolgen mussten oder noch erforderlich seien. Der generelle Ausschluss von Windenergieanlagen im Wald verstoße auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Verfassungswidrig sei zum einen die Ungleichbehandlung von Waldeigentümern und Eigentümern von anders nutzbaren Grundstücken, da sachliche Gründe hierfür nicht ersichtlich seien; insbesondere seien naturschutzrechtliche Belange sowohl auf Waldflächen als auch auf anderen Flächen betroffen. Zum anderen sei das gleichheitsrechtliche Gebot, wesentlich ungleiche Fallkonstellationen ungleich zu behandeln, verletzt, weil die Regelung auf schutzwürdige und -bedürftige Waldflächen und auf weniger schutzbedürftige Waldflächen gleichermaßen Anwendung finde.

III.

Von der eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme haben die Äußerungsberechtigten nicht Gebrauch gemacht.

B.

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG greift als Inhalts- und Schrankenbestimmung in das Eigentumsrecht der Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer ein (I). Der Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil das Gesetz formell verfassungswidrig ist, da dem Freistaat Thüringen für die angegriffene Regelung die Gesetzgebungskompetenz fehlt (II).

I.

§ 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG greift als Inhalts- und Schrankenbestimmung in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsgrundrecht ein.

1. Das Waldeigentum der Beschwerdeführenden und dessen Nutzung sind durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Der Eigentumsgarantie kommt im Gefüge der Grundrechte insbesondere die Aufgabe zu, einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis der Eigentümerin oder des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. Es soll als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein. Zugleich soll der Gebrauch des Eigentums dem Wohl der Allgemeinheit dienen (Art. 14 Abs. 2 GG). Hierin liegt die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse von Eigentümerinnen und Eigentümern den unbedingten Vorrang vor Interessen der Allgemeinheit hat (vgl. BVerfGE 134, 242 <290 f. Rn. 167> m.w.N.; stRspr).

Unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben dürfen (vgl. BVerfGE 155, 238 <270 Rn. 74> m.w.N.; stRspr). Vom Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG umfasst ist das zivilrechtliche Sacheigentum, dessen Besitz und die Möglichkeit, es zu nutzen (BVerfGE 143, 246 <327 Rn. 228> m.w.N.; stRspr). Für den grundrechtlichen Schutz der Eigentumsnutzungsbefugnis kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob Eigentümer den Nutzen unmittelbar selbst ziehen wollen, oder ihr Eigentum in der Weise nutzen wollen, dass sie anderen die Nutzenziehung überlassen (vgl. BVerfGE 79, 292 <304>). Verfassungsrechtlichen Schutz genießen auch das Eigentum Privater an Waldgrundstücken und dessen Nutzung.

2. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG greift als Inhalts- und Schrankenbestimmung in das Eigentumsgrundrecht ein.

Das Verbot der Änderung der Nutzungsart von Waldflächen zur Errichtung von Windenergieanlagen ist ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition der Waldeigentümerin oder des Waldeigentümers. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG schließt vorbehaltlos aus, Waldeigentum zur Erzeugung von Strom aus Windenergieanlagen zu nutzen. Dass andere Nutzungen möglich bleiben, ändert nichts am Grundrechtseingriff. Eine Nutzungsbeschränkung greift in das Eigentum grundsätzlich auch dann ein, wenn nur eine von verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten ausgeschlossen wird (vgl. etwa BVerfGE 110, 141 <173>).

Dabei handelt es sich nicht um eine Enteignung, sondern um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Enteignung ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet. Unverzichtbares Merkmal der zwingend entschädigungspflichtigen Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG in der Abgrenzung zur grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmenden Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist das Kriterium der vollständigen oder teilweisen Entziehung von Eigentumspositionen und der dadurch bewirkte Rechts- und Vermögensverlust. Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen von Eigentümerbefugnissen können daher keine Enteignung sein, selbst wenn sie die Nutzung des Eigentums nahezu oder völlig entwerten (vgl. BVerfGE 143, 246 <333 Rn. 245> m.w.N.; stRspr). Die Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG setzt weiterhin zwingend voraus, dass der hoheitliche Zugriff auf das Eigentumsrecht zugleich eine Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder des sonst Enteignungsbegünstigten ist (BVerfGE 143, 246 <333 f. Rn. 246>). § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG bewirkt in diesem Sinne weder die Entziehung einer Eigentumsposition noch handelt es sich dabei um einen Güterbeschaffungsvorgang.

II.

Der Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil die angegriffene Regelung formell verfassungswidrig ist, da es dem Freistaat Thüringen hierfür an der Gesetzgebungszuständigkeit fehlt. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist der Gesetzgebungszuständigkeit für das Bodenrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) zuzuordnen, von der der Bund insoweit, insbesondere durch die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich, abschließend Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Dabei kann der Thüringer Gesetzgeber Waldgebiete aufgrund seiner Gesetzgebungskompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG) grundsätzlich durchaus unter Schutz stellen, wenn diese aufgrund ihrer ökologischen Funktion, ihrer Lage oder auch wegen ihrer Schönheit schutzwürdig und -bedürftig sind (näher unten Rn. 47), und er könnte insoweit auch die Errichtung von Windenergieanlagen bei einem überwiegenden Schutzbedürfnis des Waldes ausschließen. In Thüringen hat der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit naturschutz- und landschaftspflegerechtlichen Waldschutzes gebietsbezogen insbesondere durch die Verordnungsermächtigungen in § 9 Abs. 2 und 3 ThürWaldG Gebrauch gemacht (näher unten Rn. 58 ff.). In den danach zu schützenden Waldgebieten ist die Umwandlung von Waldflächen in eine andere Nutzungsart verboten; auch die Errichtung von Windenergieanlagen kann insoweit ausgeschlossen werden. Für naturschutzrechtliche Regelungen im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG prägend ist aber ein über den generellen Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft hinaus gehender spezifischerer Bedarf, konkrete Teile von Natur und Landschaft wegen ihrer besonderen Funktion, Lage oder Schönheit zu erhalten oder auch zu entwickeln. Diese Voraussetzung erfüllt § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG im Ergebnis nicht.

1. a) Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zuweist. Eine solche Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an den Bund findet sich vor allem in den Vorschriften über die ausschließliche (Art. 73 und Art. 105 Abs. 1 GG) und die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 74 und Art. 105 Abs. 2 GG). Daneben werden dem Bund in zahlreichen Einzelbestimmungen weitere Gesetzgebungsbefugnisse zugewiesen (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2021 - 2 BvL 2/15 -, Rn. 50 m.w.N.; stRspr). Das Grundgesetz enthält - von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen - eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Mit Hilfe der in den Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge grenzt das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern durchweg alternativ voneinander ab. Weist die Materie eines Gesetzes Bezug zu verschiedenen Sachgebieten auf, die teils dem Bund, teils den Ländern zugewiesen sind, besteht die Notwendigkeit, sie dem einen oder anderen Kompetenzbereich zuzuordnen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2021 - 2 BvL 2/15 -, Rn. 51 m.w.N.; stRspr).

b) Für die kompetenzrechtliche Überprüfung einer Vorschrift sind zunächst die in Betracht kommenden Kompetenztitel des Grundgesetzes auszulegen. Sodann ist zu prüfen, welchem dieser Titel die angegriffene Vorschrift zuzuordnen ist.

aa) Die Auslegung der Kompetenztitel des Grundgesetzes erfolgt anhand der allgemeinen Regeln der Verfassungsinterpretation und damit vor allem nach Wortlaut, Systematik, Normzweck und Entstehungsgeschichte. Dabei ist eine möglichst eindeutige vertikale Gewaltenteilung zu gewährleisten. Für Zweckmäßigkeitserwägungen ist dabei ebenso wenig Raum wie für am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder dem Subsidiaritätsprinzip orientierte Abwägungen (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 55 m.w.N.; stRspr).

bb) Die Zuordnung einer bestimmten Regelung zu einer Kompetenznorm geschieht insbesondere anhand des unmittelbaren Regelungsgegenstands und der Wirkung, aber auch nach dem Normzweck der zuzuordnenden Norm. Entscheidend ist der sachliche Gehalt einer Regelung und nicht die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung. Die Zuordnung ist in erster Linie anhand des objektiven Gegenstands des zu prüfenden Gesetzes vorzunehmen. Die Wirkungen eines Gesetzes sind anhand seiner Rechtsfolgen zu bestimmen.Der Normzweck ist mit Hilfe der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu ermitteln, das heißt anhand des Wortlauts der Norm, ihrer systematischen Stellung, nach dem Sinnzusammenhang sowie anhand der Gesetzesmaterialien und ihrer Entstehungsgeschichte(vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 56 f. m.w.N.; stRspr). Hierbei kommt es auf den in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers an. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder. Der Entstehungsgeschichte kommt für die Auslegung regelmäßig nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die ansonsten nicht ausgeräumt werden können. Die in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen können nicht mit dem objektiven Gesetzesinhalt gleichgesetzt werden. Für die Erfassung des objektivierten Willens des Gesetzgebers sind vielmehr alle anerkannten Auslegungsmethoden heranzuziehen, die sich gegenseitig ergänzen und nicht in einem Rangverhältnis zueinander stehen (BVerfGE 144, 20 <212 f. Rn. 555> m.w.N.; stRspr).

Dabei dürfen Teilregelungen eines umfassenden Regelungskomplexes nicht ohne Weiteres aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und isoliert betrachtet werden. Sind Teilregelungen derart eng mit dem Schwerpunkt der Gesamtregelung "verzahnt", dass sie als Teil derselben erscheinen, gehören sie zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung. Eine enge Verzahnung und ein geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprechen regelmäßig für eine Zuordnung zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung. Umgekehrt ist eine Teilregelung, die einen erheblichen eigenen Regelungsgehalt hat und mit der Gesamtregelung nicht eng verzahnt ist, auch kompetenziell eigenständig zu beurteilen (vgl. BVerfGE 137, 161 <108 Rn. 123>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 58 m.w.N.; stRspr).

c) Ist eine Landesregelung dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung zuzuordnen, richtet sich die Zuständigkeit nach Art. 72 Abs. 1 GG. Danach haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Ein die Länder von der Gesetzgebung ausschließendes Gebrauchmachen liegt vor, wenn ein Bundesgesetz eine bestimmte Frage erschöpfend regelt. Dies kann positiv durch eine Regelung oder negativ durch einen absichtsvollen Regelungsverzicht erfolgen. Entscheidend ist stets, dass ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist oder nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Der Gebrauch der Kompetenz durch den Bund muss "hinreichend erkennbar" sein. Bloße Wert- und Zielvorstellungen entfalten keine Sperrwirkung. Führte der Vollzug einer landesrechtlichen Bestimmung dazu, dass die bundesrechtliche Regelung nicht mehr oder nicht mehr vollständig oder nur noch verändert angewandt werden könnte, ist dies als Indiz für eine Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG anzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 82 m.w.N.; stRspr). Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen sind grundsätzlich zulässig (vgl. Art. 71 und Art. 72 Abs. 1 GG).

2. Eine Gesetzgebungszuständigkeit für das Waldrecht als eigene Rechtsmaterie regelt das Grundgesetz nicht (a). In Betracht kommt aber eine Zuordnung der angegriffenen Regelung zu in Art. 74 Abs. 1 GG aufgeführten Regelungsmaterien der konkurrierenden Gesetzgebung, insbesondere zu Nr. 18 (Bodenrecht) (b) und zu Nr. 29 (Naturschutz und Landschaftspflege) (c), die hier zunächst näher ausgelegt werden müssen.

a) Die Regelungen des Grundgesetzes über die Gesetzgebungszuständigkeiten weisen das Waldrecht nicht als eigenständige Regelungsmaterie aus. Auch der Kompetenztitel für die land- und forstwirtschaftliche Erzeugung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG begründet keine umfassende forstrechtliche Gesetzgebungskompetenz, sondern bezieht sich nur auf die Urproduktion von Rohstoffen durch die Bewirtschaftung von Feldern und Wäldern (vgl. Broemel, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 59 f. m.w.N.) und ermöglicht Regelungen, die auf die Förderung dieser Rohstofferzeugung gerichtet sind (vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 119 m.w.N.). Vielmehr beruhen das Bundeswaldgesetz und die Waldgesetze der Länder, die insbesondere mit ihrer forstwirtschaftlichen Ausrichtung einerseits und ihrer naturschutzrechtlichen Ausrichtung andererseits ganz unterschiedliche Zwecke verfolgen, auf verschiedenen Gesetzgebungszuständigkeiten (vgl. Endres, BWaldG, 2. Aufl. 2022, Einleitung Rn. 3; Franz, Forstrecht, 3. Aufl. 2014, S. 37; Kloepfer, Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, § 12 Rn. 569; Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl. 1998, Einleitung B., S. 10 f.; Lückemeier, in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, Vorbemerkung BWaldG Rn. 3). Für § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG kommt insbesondere eine Zuordnung zu in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG (Bodenrecht) und in Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG (Naturschutz und Landschaftspflege)aufgeführten Regelungsmaterien in Betracht; hingegen scheidet eine Zuordnung zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG von vornherein aus, weil die Regelung ersichtlich nicht auf die Nutzung des Waldes zur Holzgewinnung zielt.

b)Die Auslegung der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG genannten Materie des "Bodenrechts" kann nicht an einen vorgefundenen Normbereich als zu regelnde Materie anknüpfen (aa), sondern muss eigenständig in Abgrenzung zu verwandten Materien erfolgen (bb).

aa) Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes kennt zunächst normativ-rezeptiv gefasste Kompetenzen (vgl. BVerfGE 109, 190 <218>; 134, 33 <55 Rn. 55>; 145, 20 <62 Rn. 105>; 157, 223 <264 f. Rn. 110>). Die jeweilige Kompetenzmaterie wird dabei nicht faktisch-deskriptiv durch Benennung der zu regelnden Lebenssachverhalte, sondern durch Aufnahme eines vorgefundenen Normbereichs als zu regelnde Materie der Kompetenznorm zugeordnet. Hat der Verfassungsgebereine normativ ausgeformte Materievorgefunden und sie als solche gleichsam nachvollziehend benannt, so ist davon auszugehen, dass die einfachgesetzliche Ausformung in der Regel den Zuweisungsgehalt auch der Kompetenznorm bestimmt (BVerfGE 109, 190 <218>). Knüpft ein in Art. 74 Abs. 1 GG genannter Sachbereich an einen vorkonstitutionell bekannten Sachbereich an und macht sich diesen zu eigen, kommt der Regelungstradition eine besondere Bedeutung für die Auslegung des Kompetenztitels und seiner Reichweite zu (vgl. BVerfGE 157, 223 <264 f. Rn. 110> m.w.N.). Dabei werden das Kompetenzverständnis nach der Weimarer Reichsverfassung, die Entstehungsgeschichte des Kompetenztitels im Grundgesetz sowie die historische Entwicklung der Materie und der Staatenpraxis herangezogen, um den Inhalt des Kompetenztitels näher zu konturieren. Allerdings genügt die bloße Bezeichnung als Rechtsgebiet innerhalb des Kataloges des Art. 74 Abs. 1 GG nicht, um von einer normativ-rezeptiven Kompetenzzuweisung ausgehen zu können. Dies setzt vielmehr das Vorliegen eines entwicklungsmäßig oder ordnungspolitisch weitgehend abgeschlossenen Normkomplexes wie etwa beim Strafrecht voraus. Dann kann bei der Auslegung auf die normativen Strukturen der Kompetenzmaterie, wie sie sich in der Tradition des jeweiligen Rechtsgebiets entwickelt haben, zurückgegriffen werden (vgl. BVerfGE 145, 20 <62 Rn. 105> m.w.N.).

Das "Bodenrecht" ist keine normativ-rezeptiv gefasste Kompetenz. Obwohl die Materie des Bodenrechts in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG nicht als Lebenssachverhalt, sondern als Rechtsgebiet ("das Bodenrecht") bezeichnet ist, kann sie so nicht verstanden werden. Das Bodenrecht fand sich zwar als Kompetenztitel schon in Art. 10 Nr. 4 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) und wurde in den Kompetenzkatalog des Grundgesetzes übernommen (vgl. dazu BVerfGE 3, 407 <413 ff.>). Das Bodenrecht hatte sich unter der Weimarer Reichsverfassung jedoch nicht zu einem einheitlichen und geschlossenen Rechtsgebiet und einer abgrenzbaren Materie herausgebildet (vgl. Brandt, DÖV 1996, 675 <679> m.w.N.; Tillmanns, AöR 132 (2007), 582 <596 ff.> m.w.N.).

bb)Die Auslegung des Kompetenztitels "Bodenrecht" muss dahereigenständig in Abgrenzung zu anderen Gesetzgebungsmaterien erfolgen.

(1) Als Bodenrecht wird die flächenbezogene Ordnung der Nutzung von Grund und Boden durchöffentlichrechtliche Normen angesehen, die Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben; also Normen, welche die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Bodenregeln (grundlegend BVerfGE 3,407 <424>), indem sie den Flächen Nutzungsfunktionen zuweisen und diese voneinander abgrenzen (dazu BVerfGE 145, 20 <65 Rn. 115>; vgl. auch BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 71; Degenhart, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 73;Kment, in: Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. 2022, Art. 74 Rn. 45; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, Einleitung Rn. 10a;Seiler, in: BeckOK, GG, 52. Edition, Stand: 15. August 2022, Art. 74 Rn. 66). Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist die Inanspruchnahme von Grund und Boden. Regelungsgegenstand ist die flächenhafte Zuweisung von Nutzungsrechten, die Gestaltung eines Nutzungsregimes (BVerwGE 129, 318 <327 f. Rn. 27>).

Bodenrechtliche Bestimmungen regeln insbesondere die Koordinierung und ausgleichende Zuordnung konkurrierender Bodennutzungen und Bodenfunktionen(vgl. BVerfGE145, 20 <65 Rn. 115>; s. auch BVerwGE 129, 318 <327 f. Rn. 27>). Sie vermeiden und lösen spezifische Bodennutzungskonflikte und gleichen bodenrechtliche Spannungslagen aus (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 71; Wittreck, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 74 Rn. 81). Geregelt wird in Vorschriften des Bodenrechts die Art der Nutzbarkeit von Flächen dem Grunde nach. Nicht zum Bodenrecht zählen hingegen Nutzungsbestimmungen im weiteren Sinne, welche die Art und Weise einer grundsätzlich zulässigen Nutzung im Einzelnen näher regeln, etwa um von dieser typischerweise ausgehende Gefahren zu verhindern (vgl. BVerfGE 145, 20 <65 Rn. 115>). Erfasst sind Vorschriften zur "rechtlichen Qualität" des Bodens in dem Sinne, dass sie generell regeln, in welcher Weise die Grundstücke genutzt werden dürfen (vgl. BVerfGE3, 407 <424>;65, 283 <288 f.>) oder eine Art der Flächennutzung an diesem Standort ausschließen (vgl. BVerwGE 129, 318 <327 f. Rn. 27>).

Zum Bodenrecht gehört danach insbesondere die Bauleitplanung, die Art und Weise der baulichen Nutzbarkeit des Bodens rechtlich bestimmt (BVerfGE 3, 407 <424>; 56, 298 <311> m.w.N.). Sie verleiht der Materie des Bodenrechts prägende Gestalt, ohne dass sich das Bodenrecht in ihr erschöpfte. Insbesondere ist es kein unerlässliches Merkmal bodenrechtlicher Normen, dass sie gerade solche Bodennutzungen regeln müssten, die eine feste physische Verankerung im Grund verlangen. Prägend ist vielmehr die Flächenzuweisung für eine bestimmte Nutzung, die andere Nutzungen an diesem Standort im Wesentlichen ausschließt.

Nicht zum Bodenrecht zählt hingegen etwa die nähere Regelung von Betretungsvoraussetzungen und -rechten auf öffentlichem oder privatem Grund (vgl. BVerwGE 85, 332 <341 f.> ‒ Pflicht zur Kennzeichnung von Pferden beim Betreten des Waldes zu Pferde; BVerwGE 159, 337 <350 Rn. 50> ‒ naturschutzrechtliches Betretungsrecht). Zwar betrifft dies in einem weiteren Sinne die Beziehung des Menschen zu Grund und Boden, da gerade dessen Betreten geregelt wird. Solche Betretungsregeln bestimmen die Art der Nutzbarkeit von Flächen jedoch nicht dem Grunde nach, indem sie eine Hauptnutzung an einem Standort zuließen oder ausschlössen; Gegenstand der Vorschriften ist nicht die Regelung einer verstetigten "Standardnutzung" des Bodens, wie sie insbesondere die bauliche Nutzung prägt, sondern das punktuelle Betreten von Boden. Auch sind nicht alle Vorschriften mit Auswirkung auf die bauliche Nutzung von Grundstücken - etwa solche des Rechts des Naturschutzes und des Denkmalschutzes - nur wegen dieser Auswirkung ohne Weiteres Bodenrecht (vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 76; s. auch Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 129).

(2) Von der Gesetzgebungsmaterie der Raumordnung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG) unterscheidet sich das Bodenrecht durch seinen unmittelbaren Bezug zu konkreten Flächen. Raumordnung ist demgegenüber die zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes (vgl. BVerfGE 3, 407 <425>) und umfasst nicht unmittelbare Festsetzungen zur Bodennutzung, also solche Regelungen, die dem Grundstückseigentümer direkt und ohne wesentliche Zwischenschritte die Art und Weise der Grundstücksnutzung vorschreiben oder gar eine bestimmte Nutzung untersagen (vgl. Boas-Kümper, in: Kment, ROG, 2019, § 3 Rn. 45 m.w.N.; Kment, NuR 2006, 217 <218 f.> m.w.N.; Steinberg/Steinwachs, NVwZ 2004, 530 <535 f.> m.w.N.).

(3) Dem bodenrechtlichen Charakter einer Norm steht nicht entgegen, dass sie die Nutzung von Waldflächen regelt. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG schließt Regelungen über die Nutzung des Bodens in bewaldeten Gebieten ein, betrifft mithin auch die (Wald-)Bodennutzung (vgl. näher Schrödter/Gellermann, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 1a Rn. 104 ff.). Es besteht kein Sonderregime für die Nutzung von Waldboden, das der Gesetzgebungsmaterie des Bodenrechts im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG von vornherein entzogen wäre.

Bei Vorschriften, die flächenbezogen die Nutzungsmöglichkeiten für Waldboden regeln, kann die bodenrechtliche Gestaltung eines Flächennutzungsregimes im Einzelfall allerdings etwa den Schutz der Natur oder der Landschaftspflege berühren, was Gegenstand des Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG ist. Wenn eine flächenbezogene Gestaltung des Nutzungsregimes neben anderen Nutzungsfunktionen auch dem Naturschutz und der Landschaftspflege dient, nimmt ihr das jedoch nicht den bodenrechtlichen Charakter. Vielmehr dient die flächenbezogene grundlegende Ordnung konkurrierender Bodennutzungen mittelbar immer auch den auszugleichenden Flächennutzungsfunktionen. Zwar beruht dann die nähere Regulierung dieser Funktionen - etwa nach bestimmten Schutz- oder Förderbedarfen oder zur Verhinderung der von einer Nutzung ausgehenden Gefahren - auf anderen Kompetenztiteln. Die Regelung der grundlegenden Flächenzuordnung verliert damit jedoch nicht ihren bodenrechtlichen Charakter. Das gilt auch für Vorschriften, die Nutzungsmöglichkeiten von Waldflächen regeln.

Auch eine die Erholungsfunktion des Waldes betreffende Flächennutzungsregelung ist kompetenziell nicht automatisch Naturschutzrecht. Vielmehr kann es sich eben wegen dieser funktionalen Erholungszielsetzung um eine Regelung des Bodenrechts handeln (vgl. BVerwGE 55, 272 <274>), das insbesondere mit den bauplanungsrechtlichen Regelungen zum Schutz des Außenbereichs in § 35 BauGB Flächen gerade auch als Erholungslandschaft für die Allgemeinheit freihält (vgl. Jeromin, in: Kröninger/Aschke/Jeromin, BauGB, 4. Aufl. 2018, § 35 Rn. 34; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 35 Rn. 139; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 96 <Oktober 2019> m.w.N.). Umgekehrt sind natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen, die besonders schutz- und förderungsbedürftige Flächen unter Schutz stellen, nicht allein wegen der räumlichen Regelungsdimension automatisch dem Bodenrecht zuzuordnen (dazu unten Rn. 47).

c) Die Auslegung der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG genannten Kompetenzbereiche "Naturschutz" und "Landschaftspflege" kann ebenfalls nicht an vorgefundenen Normbereiche als zu regelnde Materie anknüpfen (aa), sondern muss eigenständig in Abgrenzung zu verwandten Materien erfolgen (bb).

aa) Gegen einen normativ-rezeptiven Charakter von Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG spricht bereits, dass die Materie "Natur und Landschaft" dort nicht als Rechtsgebiet, sondern als Lebenssachverhalt bezeichnet ist. Es handelt sich auch historisch nicht um einen Normbereich, den der Verfassungsgeber als vorgefundene normativ ausgeformte Materie gleichsam nachvollziehend benannt hätte. Die Weimarer Reichsverfassung kannte einen solchen Kompetenztitel nicht. Die Begriffe "Natur" und "Landschaft" finden sich zwar im Zweiten Hauptteil "Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen" im vierten Abschnitt "Bildung und Schule" in Art. 150 Abs. 1 WRV. Dort heißt es: "Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates." Naturschutz und Landschaftspflege finden hier jedoch nicht als Begriffspaar wie im Grundgesetz Erwähnung, sondern Natur und Landschaft werden als nicht enger verbundene Glieder in größerer Aufzählung genannt. Ausdrücklich nennt Art. 150 Abs. 1 WRV auch gar nicht den Schutz der Natur, sondern den der "Denkmäler der Natur" (vgl. dazu Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner GG, 3. Aufl. 1996, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Rn. 380 ff.). Dafür, dass bei der Entstehung des Grundgesetzes an die Begriffe Natur und Landschaft im Sinne einer normativ ausgeformten Materie angeknüpft worden sein könnte, ist auch aus den Materialien zur Entstehung des Grundgesetzes nichts ersichtlich, die über einen Diskussionsverlauf zu diesem Kompetenztitel ohnehin fast keinen Aufschluss geben (vgl. Knauff, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Rn. 4 ff. <Februar 2015> m.w.N.; Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner GG, 3. Aufl. 1996, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Rn. 386 ff.).

bb) Die Auslegung des Kompetenztitels Naturschutz und Landschaftspflege muss daher ebenfalls eigenständig in Abgrenzung zu verwandten Materien erfolgen.

(1) Die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG umfasst sowohl den Schutz durch Abwehr von Gefahren für Natur und Landschaft als auch die Pflege durch gestaltende Tätigkeit des Staates, die darauf abzielt, den Zustand von Natur und Landschaft zu verbessern (vgl. Broemel, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 100; Degenhart, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 122; Knauff, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Rn. 9 <Februar 2015>; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Art. 20a GG Rn. 114 <Dezember 2021> m.w.N.; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 183; Wittreck, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 74 Rn. 142). Regelungen zur Abwehr von Gefahren für Natur und Landschaft sind insbesondere solche, "die bestimmte Gebiete oder Arten unter Schutz stellen oder besondere Anforderungen an Gefahrenquellen stellen" (Broemel, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 100). Insgesamt sind jene Maßnahmen erfasst, die der "Erhaltung und Förderung von Pflanzen und Tieren wildlebender Arten, ihrer Lebensgemeinschaften und natürlichen Lebensgrundlagen sowie zur Sicherung von Landschaften und Landschaftsteilen unter natürlichen Bedingungen" dienen (Schlacke, Umweltrecht, 8. Aufl. 2021, § 10 Rn. 13; vgl. Knauff, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Rn. 10 <Februar 2015>). Insofern können auf Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG auch spezifische Nutzungs- und Zugangsbeschränkungen festgelegt werden (vgl. Knauff, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Rn. 15 <Februar 2015>; s. auch Broemel, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 100; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hennecke, GG, 15. Aufl. 2022, Art. 74 Rn. 51).

Natur und Landschaft können dabei nicht nur in ihrer ökologischen, sondern auch in ihrer ästhetischen Funktion Regelungsgegenstand sein. Erfasst werden also auch "Regelungen, die die Schönheit der Natur als solche schützen, und zwar unabhängig von Auswirkungen auf den Naturhaushalt" (Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Art. 20a GG Rn. 114 <Dezember 2021> m.w.N.;vgl. Brinktrine, in: BeckOK, Umweltrecht, 63. Edition, Stand: 1. Januar 2022, § 1 BNatSchG Rn. 51; Gassner, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, 2. Aufl. 2003, Einführung Rn. 3; Heß/Wulff, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 BNatSchG Rn. 28 <Dezember 2021>; Knauff, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Rn. 9 <Februar 2015>; vgl. auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Dabei wird historisch wie aktuell vor allem der Pflege der Landschaft eine ästhetische Funktion beigemessen (vgl. Kane, Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Umweltschutz, 2013, S. 119 f., 133; s. auch Weber, in: Festschrift Paul Gieseke, 1958, S. 95 <97 ff.>), die gerade durch ihre Erscheinungsform geprägt ist (vgl. Kotulla, NVwZ 2007, 489 <492>).

(2) Regelungen im Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege können bodenrechtlichen Regelungen ähneln, wenn sie wie diese gegenständlich an Bodenflächen ansetzen und - möglicherweise gebietsbezogen - bestimmten Formen der Bodennutzung entgegenstehen, insbesondere die Bebaubarkeit von Grundstücken beeinflussen. Umgekehrt schließt das Bodenrecht mit den Bestimmungen zur Bebaubarkeit des Außenbereichs Regelungen ein, die Gebiete gezielt von Bebauung freihalten und so Raum für Natur und Landschaft lassen; die Funktion des bodenrechtlich von Bebauung freigehaltenen Außenbereichs liegt gerade auch in seiner erheblichen Bedeutung für den Umweltschutz im Allgemeinen (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 13 <Oktober 2019>; vgl. zum Freihaltungsziel auch Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 1).Regelungen im Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege unterscheiden sich dann von bodenrechtlichen Regelungen durch ihre spezifischere Ausrichtung an den Schutzgütern Natur und Landschaft. Sie weisen nicht bestimmte Nutzungsarten oder -funktionen dem Grunde nach flächenhaft zu, sondern setzen an der Eigenart oder der besonderen Lage konkreter Teile der Natur und Landschaft an, die wegen ihrer besonderen, sei es auch ästhetischen, Funktionen besonders schutz- oder entwicklungsbedürftig sind. Für naturschutzrechtliche Regelungen prägend ist also ein über den generellen Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft hinaus gehender spezifischer Bedarf, konkrete Teile von Natur und Landschaft wegen ihrer Eigenart zu erhalten oder auch zu fördern.

3. Die in Betracht kommenden Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG und des Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG haben unterschiedliche Voraussetzungen und Folgen. Insbesondere dürfen die Länder nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG im Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege grundsätzlich auch vom Bundesrecht abweichende Regelungen treffen. Daher muss § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG einer bestimmten Gesetzgebungszuständigkeit zugeordnet werden. Dafür kommt es auf den unmittelbaren Regelungsgegenstand, den Normzweck und die Wirkung der Norm an, wobei die Zuordnung in erster Linie anhand des objektiven Gegenstands des zu prüfenden Gesetzes vorzunehmen ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 56 m.w.N.; stRspr; näher oben Rn. 25).

a) Der unmittelbare Regelungsgegenstand des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG spricht für eine Zuordnung zur Materie des Bodenrechts (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG). Unmittelbarer Gegenstand des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG sind Grund und Boden. Bodenrechtstypisch klärt die Norm als flächenbezogene Regelung - hier negativ - die Nutzungsfunktion von Grund und Boden, indem sie die Nutzung von Waldflächen für die Errichtung von Windenergieanlagen ausschließt (vgl. auch BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 71).

Dem Gegenstand der Regelung nach liegt zwar auch eine Zuordnung zur Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG) nicht fern, weil die Regelung Waldflächen betrifft. Wald hat neben seinem wirtschaftlichen Nutzen auch für die Umwelt besondere Bedeutung, insbesondere für die dauernde Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes (vgl. § 1 Nr. 1 BWaldG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 ThürWaldG). Weil die Regelung außerdem gerade den Bau von Windenergieanlagen betrifft, die regelmäßig jedenfalls als ästhetische Verschlechterung des Landschaftsbildes empfunden werden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 71), ist auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Schönheit von Natur und Landschaft im Ausgangspunkt an eine Zuordnung zur Materie des Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG zu denken.

Die Regelung greift jedoch keinen spezifischen Schutzbedarf von in ihrer Lage konkret schutz- und entwicklungsbedürftigen Waldflächen auf, wie dies etwa in § 9 ThürWaldG geschieht (näher unten Rn. 59), sondern schützt alle Waldgebiete ausnahmslos vor Bebauung durch Windenergieanlagen.Gebietsbezogene Regelungen können aber nur dann der Gesetzgebungszuständigkeit für Naturschutz und Landschaftspflege zugeordnet werden, wenn sie spezifisch am Schutzgut Natur und Landschaft ausgerichtet sind, indem sie an der Eigenart oder Lage konkreter Teile der Natur und Landschaft ansetzen, die wegen ihrer besonderen, sei es auch ästhetischen, Funktionen besonders schutz- oder entwicklungsbedürftig sind. Dazu müssten sie über den generellen Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft hinaus einem spezifischeren Bedarf dienen, konkrete Bestandteile von Natur und Landschaft zu erhalten oder zu entwickeln. Die bloße Waldeigenschaft einer Fläche genügt dafür grundsätzlich weder in ihrer ökologischen noch in ihrer ästhetischen Funktion. Auch flächenbezogene Nutzungsregelungen über die Bebaubarkeit von Waldflächen sind nur dann der Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege zuzuordnen, wenn diese Flächen über die bloße Waldeigenschaft hinaus besondere Schutzbedarfe aufweisen, wie sie etwa in § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 bis 8 ThürWaldG aufgelistet sind. Das pauschal an der rechtlichen Charakterisierung als Wald ansetzende, nicht nach dem spezifischen Schutzbedarf differenzierende, flächenbezogene Nutzungsverbot des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG, adressiert demgegenüber regelmäßig keinen über den generellen Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft hinaus gehenden spezifischeren Bedarf, konkrete Teile von Natur und Landschaft wegen ihrer Eigenart oder Lage zu erhalten oder zu entwickeln.Dem Gegenstand nach handelt es sich vielmehr um eine bodenrechtliche Regelung zur Freihaltung von Außenbereichsflächen.

Als unmittelbare Regelung zur Bodennutzung, die den Grundstückseigentümern direkt und ohne jeden Zwischenschritt eine bestimmte Nutzung untersagt, ist die angegriffene Vorschrift ihrem Gegenstand nach auch nicht als Regelung der Raumordnung nach Art. 74 Abs.1 Nr. 31 GG einzuordnen (dazu oben Rn. 38).

b) Auch die Wirkung der angegriffenen Norm spricht für eine Zuordnung zum Bodenrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Die Wirkungen eines Gesetzes sind anhand seiner Rechtsfolgen zu bestimmen (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 57 m.w.N.; stRspr). Unmittelbare Rechtsfolge der angegriffenen Regelung ist das Verbot der Nutzungsänderung von Waldflächen, um Windenergieanlagen zu errichten. Der flächenbezogene Ausschluss bestimmter Nutzungsarten ist ein typisches Instrument zum Ausgleich bodenrechtlicher Spannungslagen und damit des Bodenrechts und kennzeichnet auch die Wirkung von § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG als bodenrechtlich (vgl. zum bodenrechtlichen Charakter des Ausschlusses der Nutzung von Flächen zur Errichtung von Windenergieanlagen auch BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 71; s. auch § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, dazu näher unten Rn. 74). Die bodenrechtliche Wirkung von § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG wird auch dadurch bestätigt, dass die Vorschrift den seinerseits bodenrechtlichen Effekt der Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB über die Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich (dazu näher unten Rn. 73) strukturell durchbricht, indem er an die Stelle der flächenbezogenen Privilegierung ein flächenbezogenes Verbot setzt.

c) Der Zweck der Regelung spricht ebenfalls für eine Zuordnung zur Materie des Bodenrechts. Der Normzweck ist anhand des Wortlauts der Norm, ihrer systematischen Stellung, nach dem Sinnzusammenhang sowie anhand der Gesetzesmaterialien und ihrer Entstehungsgeschichte zu ermitteln (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 57 m.w.N.; stRspr). Maßgeblich ist jedoch nur der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 144, 20 <212 f. Rn. 555> m.w.N.; stRspr).

aa) Hier lässt der Wortlaut der angegriffenen Norm zwar für sich genommen keine Schlüsse zu, ob sie auf eine Regelung zum Bodenrecht oder zum Schutz von Natur und Landschaft zielt. Ihre systematische Stellung spricht jedoch gegen eine Zuordnung zur Materie Naturschutz und Landschaftspflege und für eine Zuordnung zum Bodenrecht.

(1) Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Kompetenztiteln das Regelungsumfeld des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG zuzuordnen ist. Die angegriffene Vorschrift ist mit diesem nicht so eng verzahnt, dass ihre kompetenzielle Zuordnung den Zuordnungen der umgebenden Regelungen folgte (vgl. dazu BVerfGE 137, 108 <161 Rn. 123>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 58 m.w.N.; stRspr). Die Regelung steht für sich, ist in ihrer Wirkung insbesondere von den anderen Bestimmungen des § 10 ThürWaldG völlig unabhängig und statuiert mit einer von der Regelung aller anderen Nutzungsarten abweichenden Regelungstechnik formal wie inhaltlich ein anderes Flächennutzungsregime. Für alle anderen Nachnutzungen von Waldflächen begründet § 10 Abs. 1 Satz 1 ThürWaldG ein Verbot mit Genehmigungsvorbehalt. Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Änderung der Nutzungsart sind nach Absatz 2 die berechtigten Interessen von Eigentümern und die Belange der Allgemeinheit abzuwägen. Hingegen führt der angegriffene Absatz 1 Satz 2 für die Nachnutzung zur Windenergieerzeugung zu einem absoluten Verbot. Eine Abwägung nach Absatz 2 findet gerade nicht statt; eine Zulassung ist pauschal ausgeschlossen. Die Regelung des angegriffenen Absatzes 1 Satz 2 wirkt von den anderen Vorschriften unabhängig. Sie würde die Nutzung von Waldflächen zur Errichtung von Windenergieanlagen auch dann ausschließen, wenn es Satz 1 nicht gäbe. Durch die Regelung wurde also in der Sache ein spezifisches Nutzungsverbot für Windenergie im Wald geschaffen, dessen kompetenzielle Zuordnung daher eigenständig erfolgt.

Für die kompetenzrechtliche Zuordnung von § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist danach weder die vollständige Bezeichnung des Gesetzes ("Gesetz zur Erhaltung, zum Schutz und zur Bewirtschaftung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft") noch die Verortung der angegriffenen Norm im zweiten Teil des Gesetzes mit der Überschrift "Forstliche Rahmenplanung, Erhaltung und Schutz des Waldes" noch der Umstand, dass § 9 BWaldG als Rahmenrecht mit "Erhaltung des Waldes" überschrieben ist, von Bedeutung (vgl. aber Thüringer Landtag, Wissenschaftlicher Dienst, Gutachterliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen der FDP und der CDU für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes, LTDrucks 7/1170, S. 11 Fußnote 23). Abgesehen von der fehlenden Verzahnung der angegriffenen Regelung mit dem Regelungsumfeld lassen die Überschriften ganzer Normabschnitte und -komplexe im Waldrecht schon wegen dessen Multifunktionalität kaum Rückschlüsse auf die für einzelne Vorschriften anwendbaren Kompetenztitel zu. Ohnehin entscheidet generell der sachliche Gehalt einer Regelung und nicht die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 56 m.w.N.; stRspr).

(2) Systematisch spricht gegen die Annahme, objektiv ziele die angegriffene Norm auf spezifische Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftspflege, vor allem, dass das Thüringer Waldgesetz in § 9 und auch in § 9a bereits Regelungen enthält, die spezifisch natur- und landschaftsschützende, gebietsbezogene Regelungen für Waldflächen zulassen.

Nach § 9 Abs. 1 ThürWaldG sind Schutzwälder und Erholungswälder geschützte Waldgebiete, in denen die Umwandlung von Waldflächen in eine andere Nutzungsart verboten ist. Nach § 9 Abs. 2 und 3 ThürWaldG können Wälder durch Rechtsverordnung zu Schutz- und Erholungswäldern erklärt werden, wenn damit bestimmte Schutzzwecke verfolgt werden. Das Gesetz zählt in Absatz 2 umfassend spezifische, auch ökologische Gesichtspunkte auf, die die Erklärung zum Schutzwald und den damit verbundenen Ausschluss von Nutzungsänderungen gestatten. Insbesondere nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 6 und 7 ist ein schutzbedarfsspezifischer Gebietsschutz für Wald aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglich; nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 kommt als Schutzzweck auch die Erhaltung von Wäldern in ausgeräumten, waldarmen Gebieten als wichtige Landschaftsbestandteile in Betracht. Nach § 9 Abs. 3 ThürWaldG können Wälder in der Nähe von Städten oder größeren Gemeinden, Heilbädern, staatlich anerkannten Kur- und Erholungsorten sowie in siedlungsfernen Erholungsräumen durch Rechtsverordnung zu Erholungswald erklärt werden.

Darüber hinaus eröffnet § 9a ThürWaldG die Möglichkeit, zur dauerhaften Erhaltung und Entwicklung naturnaher alt- und totholzreicher Waldflächen Waldgebiete ohne forstliche Nutzung auszuweisen. Diese Waldgebiete sollen insbesondere den an die Alters- und Zerfallsphase gebundenen Tier- und Pflanzenarten einen geeigneten Lebensraum bieten, die Lebensgemeinschaften sollen sich ohne Nutzung oder pflegende Maßnahmen des Menschen entwickeln. In diesen Waldgebieten ist das Fällen von Bäumen untersagt.

Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren spezifisch naturschutzrechtlichen oder landschaftspflegerischen Schutzbedarfe darüber hinaus durch das Umwandlungsverbot des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG gedeckt werden sollten. Das spricht dagegen, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG seinerseits auf spezifische Natur- und Landschaftsschutzbelange zielt. Objektiv zielt er vielmehr darauf, unabhängig von spezifischen naturschutzrechtlichen und landschaftspflegerischen Schutzbedarfen den gesamten Waldbereich Thüringens generell von Windenergieanlagen freizuhalten. Dabei handelt es sich aber um ein bodenrechtliches Regelungsziel.

Neben den gebietsbezogenen Regelungen in §§ 9, 9a ThürWaldG enthält das Gesetz zahlreiche weitere Regelungen, die Gesichtspunkte des Naturschutzes und der Landschaftspflege im konkreten Umwandlungsverfahren bereits zur Geltung bringen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 ThürWaldG erfolgt die Genehmigung der Umwandlung im Einvernehmen mit der unteren Naturschutzbehörde und nach Anhörung der Behörde der Regionalplanung. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 ThürWaldG ist die Genehmigung unter anderem dann zu versagen, wenn die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts nachhaltig geschädigt wird (Nr. 3) oder wenn etwa Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, der Luft- und Wasserreinhaltung und der Erholung der Bevölkerung gefährdet werden (Nr. 4). Besondere Bedeutung kommt hier auch der bundesrechtlich nicht vorgesehenen Kompensationsregelung in § 10 Abs. 3 und 4 ThürWaldG zu. Nach Absatz 3 Satz 1 muss der Antragsteller auf eigene Kosten eine funktionsgleiche Ausgleichsaufforstung innerhalb von zwei Jahren nach bestandskräftiger Genehmigung durchführen. Wenn nachteilige Wirkungen auf den Naturhaushalt hierdurch nicht kompensiert werden können, ist nach Absatz 4 eine Walderhaltungsabgabe zu zahlen, die nur zur Erhaltung des Waldes verwendet werden darf.

Angesichts dieser bereits bestehenden Schutzvorschriften könnte die angegriffene Neuregelung überhaupt nur hinsichtlich solcher Waldflächen eigene Bedeutung entfalten, bei denen Aspekte des Naturschutzes und der Landschaftspflege aus tatsächlichen Gründen ein so geringes Gewicht haben, dass sie sich in einer Abwägung nicht durchsetzen könnten. Wenn die Regelung aber nur dazu führt, die Errichtung von Windkraftanlagen auf für Naturschutz und Landschaftspflege wenig bedeutenden Waldflächen zu verhindern, dient sie objektiv nicht spezifischen Bedarfen des Naturschutzes und der Landschaftspflege.

bb) Auch der inhaltliche Sinnzusammenhang (vgl. dazu BVerfGE 144, 20 <212 f. Rn. 555> m.w.N.) spricht dafür, dass die angegriffene Regelung ihrem objektiven Zweck nach der Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) zuzuordnen ist.

Gegen die Annahme, die Regelung ziele objektiv darauf, spezifische Naturschutz- und Landschaftspflegebedarfe zu erfüllen, spricht, dass es ihr wegen des pauschalen Ausschlusses von Windkraftanlagen im Wald - anders als etwa nach § 9 ThürWaldG - auf die Eigenarten oder die Lage des jeweils genutzten Waldes und seine spezifische Schutzwürdigkeit nicht ankommt. Selbst eine besonders geringe Schutzwürdigkeit bleibt unberücksichtigt. Nach der angegriffenen Regelung können Windenergieanlagen auch dann nicht im Wald zugelassen werden, wenn es sich um Waldgebiete handelt, die massiven ökologischen Schädigungen ausgesetzt sind, möglicherweise sogar nur noch aus Totholz oder Kahlflächen bestehen und doch weiterhin als Wald im forstrechtlichen Sinne gelten (vgl. dazu Endres, BWaldG, 2. Aufl. 2022, § 2 Rn. 11 m.w.N.). Dies betrifft beachtliche Teile des Thüringer Waldes (vgl. Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, Waldzustandsbericht 2021 ‒ Forstliches Umweltmonitoring in Thüringen, S. 5). Für diese Flächen verfängt jedenfalls das Argument nicht, die Rodung für die Errichtung von Windenergieanlagen vernichte ökologisch wertvollen Baumbestand. Denn ungeachtet des Wiederaufforstungsgebots des § 23 ThürWaldG, wonach kahle Waldflächen innerhalb von sechs Jahren wieder aufgeforstet werden müssen, wird auf diesen Flächen durch eine Nutzungsänderung nicht bestehender Wald durch Rodung vernichtet. Zwar können durch die Errichtung der Anlagen Schneisen entstehen, die auch den Umgebungswald anfälliger für Sturmschäden machen. Auch dies trifft aber nicht ohne Ansehung des Einzelfalls pauschal zu, sondern hängt davon ab, wie es um das Umfeld des Vorhabens bestellt ist, ob dieses etwa ausschließlich aus Kalamitätsflächen besteht oder nicht. All dies wäre aber in einem Genehmigungsverfahren im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen und könnte im Einzelfall auch zu deren Versagung führen. Hinzu kommt, dass nach § 10 Abs. 3 ThürWaldG im Fall der Nutzungsänderung bereits innerhalb von zwei Jahren nach bestandskräftiger Genehmigung der Nutzungsänderung (also schneller als nach dem Wiederaufforstungsgebot des § 23 ThürWaldG) eine funktionsgleiche Ausgleichsaufforstung durchzuführen ist.

Als weiteres Indiz dafür, dass die Regelung objektiv auf den Ausschluss der Flächennutzung zur Errichtung von Windkraftanlagen, nicht aber spezifisch auf Naturschutz- und Landschaftspflegebedarfe zielt, kann gewertet werden, dass nur die Umwandlung zur Windenergienutzung, nicht aber sonstige Nutzungsänderungen ausgeschlossen werden, die die Waldfunktionen ähnlich beeinträchtigen könnten. Auch andere, nach § 35 Abs. 1 BauGB im Außenbereich grundsätzlich in Betracht kommende Vorhaben - etwa auch Stromfreileitungen, Industrie oder Gewerbebebauung (vgl. die Aufzählung bei Lietz, UPR 2010, 54 <58>) - können Rodungen und Waldschneisen erfordern, die die Anfälligkeit für Sturmschäden ebenso erhöhen können.

cc) Die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte zu § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG sprechen ebenfalls eher dagegen als dafür, den objektiven Zweck der Regelung in Naturschutz und Landschaftspflege zu sehen. Der Entstehungsgeschichte kommt für die Auslegung allerdings ohnehin regelmäßig nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die ansonsten nicht ausgeräumt werden können. Die in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen können nicht mit dem objektiven Gesetzesinhalt gleichgesetzt werden (BVerfGE 144, 20 <212 f. Rn. 555> m.w.N.; stRspr). Hier gibt die Entstehungsgeschichte jedenfalls keinen Anlass, an der Zuordnung zum Bodenrecht zu zweifeln.

In der Begründung des Gesetzentwurfs wird der Erhalt des Waldes hervorgehoben:

"Windenergieanlagen und Maßnahmen zu deren Errichtung führen nicht nur direkt wegen der Rodung für die erforderlichen großen Freiflächen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Waldes, sondern führen auch indirekt in der Umgebung zu großen Schäden. Beispielsweise steigt die Wahrscheinlichkeit von Sturmschäden massiv durch die Schneisen für die Zugangswege. Nur eine geschlossene Baumfläche kann sich gegen schwere Stürme schützen. Auch die riesigen Betonfundamente können beispielsweise den Wasserhaushalt massiv stören.

Nicht zuletzt wegen des durch Trockenheit, Sturmschäden und Borkenkäferbefall bereits ohnehin stark geschädigten Waldes ist das Hauptanliegen des Thüringer Waldgesetzes, nämlich der Erhalt und der Schutz des Waldes, an oberste Stelle zu setzen. Das sollte folgerichtig eine Schädigung des Waldes durch Windenergieanlagen ausschließen.

Der Bau von Windenergieanlagen auf Waldflächen auf Grundlage des Windenergieerlasses unterläuft damit § 1 des Thüringer Waldgesetzes" (LTDrucks 7/62, S. 1).

"Über dies ist der Wald ein natürlicher CO2-Speicher und hilft Belastungen zu reduzieren. Die Robustheit und Leistungsfähigkeit sowie die Eignung des Waldes für die naturbezogene Erholung werden durch Windenergieanlagen herabgesetzt; Vogelschutz, Wasserhaushalt und der bessere Schutz vor Stürmen durch geschlossene Waldflächen geraten ebenso in Gefahr" (LTDrucks 7/62, S. 3).

Dass die Regelung dem Erhalt des Waldes dienen soll, der hier gerade auch in seinen ökologischen Funktionen angesprochen wird, könnte eine Zuordnung zur Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege zulassen, wobei für Vogelschutz und Wasserhaushalt eigene Zuständigkeitsnormen gelten (Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 und 32 GG). Bei genauerer Betrachtung zielen die Argumente jedoch kaum auf spezifische Schutzbedarfe, sondern vielmehr auf eine generelle Unterschutzstellung von Waldflächen ungeachtet konkreter Störungen der ökologischen oder landschaftspflegerischen Waldfunktion durch Windkraftanlagen. Dies hebt den gesamten Wald materiell auf die Stufe von Schutzwäldern, obwohl er nur vor einer ganz konkreten Nutzungsform - der Nutzung durch Windenergieanlagen - geschützt werden soll.

Der ökologische Nutzen der Regelung wurde ausweislich der Plenardebatte zum Teil sogar bezweifelt. So wies eine Abgeordnete einer die Regelung mittragenden Regierungsfraktion darauf hin, dass in den Anhörungen des Ausschusses die für den Antrag herangezogene Begründung von angeblich massiven Störungen der Waldfunktion durch Windkraftanlagen klar widerlegt worden sei. Denn weder die CO2-Speicherfähigkeit noch der Wasserhaushalt des Waldes würden durch den Bau von Windkraftanlagen signifikant beeinträchtigt. Zudem hätten Naturschutzverbände ausgeführt, dass es aus Arten- und Naturschutzgründen keinen Unterschied mache, ob diese Flächen im Wald oder im Offenland lägen (vgl. Thüringer Landtag, Plenarprotokoll 7/31 vom 18. Dezember 2020, S. 2272). Auch wenn der ökologische Nutzen der Regelung also streitig war, bleibt allerdings das in der Plenardebatte ebenfalls angesprochene Ziel, Wald in seiner landschaftlichen Ästhetik zu erhalten. Dies könnte den Regelungszweck ebenfalls als einen naturschutzrechtlichen und landschaftspflegerischen im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG qualifizieren. So wurde argumentiert, den Wald auch "als landschaftsprägendes Element in der grünen Lunge Deutschlands" zu erhalten (vgl. Thüringer Landtag, Plenarprotokoll 7/31 vom 18. Dezember 2020, S. 2273) und dass "die Schönheit der Thüringer Wälder nicht durch Windräder beeinträchtigt werden" dürfe (vgl. Thüringer Landtag, Plenarprotokoll 7/31 vom 18. Dezember 2020, S. 2276). Jedoch spricht auch insoweit die pauschale Unterschutzstellung von Waldflächen, die nicht, wie etwa Art. 9 ThürWaldG nach der konkreten Erholungsfunktion oder landschaftsästhetischen Schutzwürdigkeit und ihrer Beeinträchtigung durch Windkraftanlagen differenziert, gegen eine Zuordnung zur Materie des Naturschutzes und der Landschaftspflege und für eine Zuordnung zum Bodenrecht.

4. Ob Thüringen für die angegriffene Regelung von der demnach maßgeblichen Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG Gebrauch machen durfte, richtet sich nach Art. 72 Abs. 1 GG. Danach haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Zuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Im Ergebnis ist hier die Landeskompetenz zu verneinen. Der Bund hat seine Gesetzgebungskompetenz durch gesetzliche Regelungen im Baugesetzbuch abschließend genutzt, so dass für landesrechtliche Regelungen die Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG besteht.

a) Der Bundesgesetzgeber hat seine Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG vor allem mit dem Baugesetzbuch umfassend genutzt (vgl. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, Einleitung Rn. 10a; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 129; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 249 Rn. 27 <August 2021>; Wittreck, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 74 Rn. 81). Für die Flächenzuweisung zur Errichtung von Windenergieanlagen im Außenbereich hat der Bundesgesetzgeber von dieser Gesetzgebungskompetenz insbesondere durch § 35 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 249 Abs. 3 BauGB und in § 35 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Gebrauch gemacht (künftig § 35 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 249 Abs. 1 bis 3 BauGB in der zum 1. Februar 2023 in Kraft tretenden Neufassung durch Art. 2 des Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land vom 20. Juli 2022, BGBl I S. 1353). Im Ergebnis hat der Bundesgesetzgeber die bodenrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen und die Möglichkeiten eigener Regelungen der Länder in diesen Vorschriften abschließend geregelt.

aa) § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB normiert die bauplanungsrechtliche Privilegierung der Windenergie im Außenbereich. Vorhaben zur Windenergienutzung sind danach insofern gegenüber anderen Vorhaben bevorzugt, als sie auch dann zulässig sind, wenn sie öffentliche Belange "beeinträchtigen". Erst wenn öffentliche Belange "entgegenstehen", begründet das die Unzulässigkeit (vgl. § 35 Abs. 1 BauGB). Dies erleichtert die Zulassung einer Windenergieanlage im Außenbereich erheblich. Da Windenergieanlagen öffentliche Belange in aller Regel beeinträchtigen, könnten sie als nicht privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB kaum zugelassen werden. Wegen § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sind sie hingegen grundsätzlich zulässig. Nur wenn insgesamt wichtigere öffentliche Belange entgegenstehen, sind sie danach unzulässig. Der mit Wirkung zum 29. Juli 2022 neu gefasste § 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verstärkt das Gewicht der Windenergienutzung in der Abwägung nun noch weiter. Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie der dazugehörigen Nebenanlagen liegen jetzt im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.

Das bundesrechtliche Flächennutzungsregime für Windenergieanlagen wird durch § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ergänzt. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB können im Wege der sogenannten Konzentrationszonenplanung durch Windenergie-Standortzuweisung auf bestimmten Flächen andere Flächen von Windenergieanlagen freigehalten werden; ein Ausschluss ist also durch positive Ausweisung an anderer Stelle zu erreichen. Eine bloß negative Planung, die allein das Ziel des Ausschlusses von Vorhaben hat, reicht nicht; die bundesgesetzliche Privilegierung der Windenergie darf nicht durch sogenannte Verhinderungsplanung unterlaufen werden (vgl. Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 116; Söfker, in: BeckOK, BauGB, 55. Edition, Stand: 1. August 2021, § 35 Rn. 113 mit umfassenden Nachweisen zur Rechtsprechung). Die noch nicht in Kraft getretene Neuregelung durch § 249 Abs. 1 und 2 BauGB n.F. wirkt insoweit ähnlich.

bb) Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Baugesetzbuch daneben bodenrechtliche Regelungen der Länder zulassen wollte, die wie § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ihrerseits die Flächennutzung zur Errichtung von Windenergieanlagen im Wald ausschließen. Zwar erlaubt § 249 Abs. 3 Satz 1 BauGB (künftig ähnlich § 249 Abs. 9 BauGB n.F.) den Ländern gewisse Sonderregelungen über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Außenbereich. Die Landesgesetzgeber können bestimmen, dass § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Vorhaben, die der Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie bestimmte Mindestabstände zu baulichen Nutzungen zu Wohnzwecken einhalten. Die privilegierte Zulässigkeit von Vorhaben der Windenergie im Außenbereich kann auf diese Weise durch Landesgesetz räumlich eingeschränkt werden. Die Zulässigkeit richtet sich dann nach § 35 Abs. 2 BauGB, so dass das Vorhaben bereits scheitert, wenn öffentliche Belange lediglich beeinträchtigt sind. § 249 Abs. 3 BauGB erlaubt den Ländern also, eine (bodenrechtliche) Regelung zu treffen, die die Errichtung von Windenergieanlagen in einem bestimmten Umkreis um Wohnbebauung praktisch ausschließt. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist jedoch offensichtlich nicht von § 249 Abs. 3 BauGB gedeckt. Zwar wirkt die angegriffene Vorschrift ähnlich, indem auch sie die Errichtung von Windenergieanlagen ausschließt. Es handelt sich jedoch nicht um eine nach § 249 Abs. 3 BauGB zulässige Abstandsregelung, sondern um ein waldflächenbezogenes Verbot.Nach § 249 Abs. 3 BauGB können aber keine weitergehenden oder anderen einschränkenden Bestimmungen zu § 35 BauGB über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im Außenbereich getroffen werden (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 249 Rn. 31 <August 2020>). Eine weitere Öffnung, aus der der Landesgesetzgeber eine Kompetenz für den generellen Ausschluss von Windenergieanlagen auf Waldflächen herleiten könnte, enthält das Baugesetzbuch nicht.

b) Im Ergebnis öffnet auch § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG das Bundesrecht nicht für eine Regelung wie die des § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG. Nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG können die Länder zwar bestimmen, dass die Umwandlung von Wald weiteren Einschränkungen unterworfen oder, insbesondere bei Schutz- und Erholungswald, gänzlich untersagt wird. Der Annahme, dass auf dieser Grundlage die Regelungen des Baugesetzbuchs über die Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich durchbrochen werden könnten, stehen aber sowohl § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB als auch § 9 BWaldG selbst entgegen.

aa) § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB kann nicht so gelesen werden, dass er zuließe, die darin geregelte Privilegierung der Windkraft auf der Grundlage des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG für Waldflächen durch pauschale landesrechtliche Verbote von Windenergieanlagen im Wald zu durchbrechen.

(1) Schon bei äußerlicher Betrachtung liegt es fern, dass das Baugesetzbuch eine Durchbrechung des in § 35 und § 249 BauGB für den Bau von Windenergieanlagen im Außenbereich detailliert errichteten Flächennutzungsregimes durch das Waldrecht für alle Waldflächen zulassen wollte; denn für eine so breite Durchbrechung wäre eine ausdrückliche Öffnung zu erwarten. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Waldflächen nicht gelten sollte. Die Regelungen über das Bauen im Außenbereich beanspruchen für Waldflächen uneingeschränkt Geltung. Darauf deutet beispielsweise § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB hin, der forstwirtschaftliche Betriebe als im Außenbereich privilegierte Vorhaben ausweist.

(2) Inhaltlich spricht gegen eine Durchbrechung der in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB geregelten Privilegierung durch § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG, dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leistet. Um das verfassungsrechtlich maßgebliche Klimaschutzziel zu wahren, die Erderwärmung bei deutlich unter 2,0 °C, möglichst 1,5 °C anzuhalten (vgl. BVerfGE 157, 30 <145 ff. Rn. 208 ff.>), müssen erhebliche weitere Anstrengungen der Treibhausgasreduktion unternommen werden (vgl. BVerfGE 157, 30 <158 ff. Rn. 231 ff.>), wozu insbesondere der Ausbau der Windkraftnutzung beitragen soll. Zugleich unterstützt dieser Ausbau die Sicherung der Energieversorgung, die derzeit besonders gefährdet ist (vgl. näher zur Bedeutung des Ausbaus der Windenergie für die beiden Ziele BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. März 2022 - 1 BvR 1187/17 -, Rn. 103 - 108 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund liegt es bei objektiver Betrachtung fern, dass das Bundesrecht auf eine zentrale Klimaschutz- und Energieversorgungsstrategie, nämlich die im Bauplanungsrecht privilegierte Zulassung der Windenergienutzung, in nennenswertem Umfang verzichten könnte, indem es über § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG den Ländern - zumal denen mit so hohem Waldanteil wie Thüringen - erlaubte, durch landesrechtliche Umwandlungsverbote die Windenergieerzeugung auf Waldflächen vollständig auszuschließen.

bb) Auch § 9 BWaldG selbst spricht dagegen, dass § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG den Ländern ein pauschales Umwandlungsverbot von Waldflächen für Windenergieanlagen ermöglichen soll.

(1) Es liegt von vornherein eher fern, dass die selbst im Wesentlichen auf die Gesetzgebungskompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege gestützte Vorschrift des § 9 BWaldG (vgl. zur kompetenziellen Zuordnung Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl. 1998, Einleitung B., S. 11) die abschließenden Regelungen des Bauplanungsrechts über die Errichtung von Windenergieanlagen im Außenbereich für kompetenziell dem Bodenrecht zuzuordnende Regelungen der Länder öffnen soll. Einer Interpretation, nach der § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG den Ländern ein pauschales Umwandlungsverbot von Waldflächen für Windenergieanlagen ermöglichen soll, steht zudem auch hier schon äußerlich entgegen, dass § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG mit keinem Wort zum Ausdruck bringt, dass die Länder auf dieser Grundlage die im Baugesetzbuch genau geregelte Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich auf sämtlichen Waldflächen sollten durchbrechen können. Gerade weil das Baugesetzbuch hierzu detaillierte Regelungen enthält, wäre aber eine ausdrückliche Klärung im Bundeswaldgesetz zu erwarten, wenn dieses eine Durchbrechung der Regelungen des Baugesetzbuchs zulassen sollte.

(2) § 9 BWaldG steht auch in der Sache entgegen. § 9 Abs. 1 BWaldG gibt ein inhaltlich deutlich umrissenes Abwägungsregime vor, an dessen Stelle die Länder nicht pauschale Umwandlungsverbote setzen dürfen - auch nicht mittels § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG.

(a) § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG grenzt die Landeskompetenz zur Regelung der Untersagung von Umwandlungen inhaltlich zwar nicht ausdrücklich ein. Dass § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG die Untersagung "bei Schutz- und Erholungswald" erwähnt, deutet aber darauf hin, dass auf der Grundlage von § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG nur solche Landesregelungen ergehen können, die einenkonkreten Schutzbedarf für Waldfunktionenbedienen. Dass eine Umwandlung durch Landesrecht "insbesondere" bei Schutz- und Erholungswald untersagt werden kann, bedeutet zwar, dass auch andere Umwandlungsverbote in Betracht kommen, bringt aber zugleich zum Ausdruck, dass Umwandlungsverbote einen Schutzbedarf für besonders schützenswerte Waldtypen oder -lagen adressieren müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 1990 - 4 NB 4/90 -, Rn. 10 f. ‒ zu "Bannwald").

Pauschale Umwandlungsverbote durch den Landesgesetzgeber widersprächen § 9 BWaldG auch konzeptionell. § 9 BWaldG statuiert eine Abwägungsregel, nach der spezifische forstrechtliche Interessen (Walderhalt und -ökologie, Forstwirtschaft, Waldeigentum), aber auch die Interessen der Waldeigentümer zu einem Ausgleich zu bringen sind. § 9 Abs. 1 Satz 2 BWaldG enthält mit dem forstrechtlichen Abwägungsgebot das "Zentrum der Regelung" (Schmidt-Aßmann, NuR 1986, 98 <99>; vgl. auch Büllesbach, NVwZ 1991, 22 <23>) und nennt in Satz 3 für diese Abwägung die der Umwandlung entgegenstehenden Parameter. Zwar wird den Ländern zugestanden, weitere besonders schutzwürdige Waldkategorien neben dem genannten Schutz- und Erholungswald zu schaffen. Anhaltspunkte dafür, dass über § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG eine pauschale Verbotsmöglichkeit für einzelne Nutzungsarten eröffnet werden sollte, finden sich jedoch nicht. Überzeugender erscheint vielmehr, § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG als Ermächtigung des Landesgesetzgebers zu verstehen, die Prämissen der im Bundeswaldgesetz vorgegebenen Abwägung mit Blick auf besondere landestypische Waldschutzbedarfe zu präzisieren. In Betracht kommen etwa an landesspezifische Waldschutzbedarfe angepasste Gewichtungsregeln (vgl. Schmidt-Aßmann, NuR 1986, 98 <99>) oder auch die Festlegung weiterer schutzwürdiger Waldkategorien.

Die Begründung des Gesetzentwurfs zum neuen § 2 EEG bestätigt indirekt, dass der Bundesgesetzgeber in § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG keine Öffnung für ein pauschales Umwandlungsverbot von Wald zugunsten einer Nutzung für Windenergie sieht: Bei gesetzlich vorgesehenen Abwägungsentscheidungen müsse allgemein das besonders hohe Gewicht der erneuerbaren Energien berücksichtigt werden. Dieses sei im Rahmen von Abwägungsentscheidungen in verschiedenen Gebieten, aber eben auch im Forstrecht nur noch in Ausnahmefällen überwindbar (vgl. BTDrucks 20/1630, S. 158 f.). Angesichts dieser Äußerung wird der Bundesgesetzgeber nicht angenommen haben, dass der Belang der Nutzung erneuerbarer Energien durch ein pauschales landesrechtliches Umwandlungsverbot auf Waldflächen von vornherein ganz ausgeschaltet werden könnte.

(b)§ 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG öffnet das in § 9 Abs. 1 BWaldG vorgegebene Abwägungsregime also nicht für einen pauschalen landesrechtlichen Ausschluss von Windenergieanlagen im Wald, wie er in § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG erfolgt, und kann auch deshalb nicht die Sperrwirkung der bauplanungsrechtlichen Vorschriften des Bundes beseitigen. Es wäre auch nicht plausibel anzunehmen, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG Ergebnis einer die Abwägung generalisierend vorwegnehmenden Bewertung eines spezifischen Waldschutzbedarfs ist und als solche doch von § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG gedeckt wäre. In welchem Maße die Errichtung einer Windenergieanlage die Funktionen des Waldes beeinträchtigt, lässt sich nicht pauschal für alle, insgesamt 34 % der Landesfläche ausmachenden Waldgebiete Thüringens beurteilen. Dies hängt stark von der Situation und der Lage des von einem Vorhaben betroffenen Waldgebiets ab. Eine an den inhaltlichen Maßstäben des Waldrechts ausgerichtete Abwägung generalisierend für sämtliche Waldflächen Thüringens vorwegzunehmen, ist vor diesem Hintergrund kaum sinnvoll möglich. Ungeachtet des Umstands, dass § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG das Bundesrecht von vornherein kaum für bodenrechtliche Landesregelungen öffnen, jedenfalls aber nicht stillschweigend die in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB bundesbodenrechtlich geregelte Privilegierung von Windenergieanlagen maßgeblich durchbrechen will, wäre der pauschale Ausschluss einer bestimmten Nutzungsart auf allen Waldflächen demnach auch mit der bundesrechtlichen Waldnutzungsregelung selbst schwer zu vereinbaren.

cc) § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG kann dem Land auch nicht etwa deshalb eine Gesetzgebungskompetenz für § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG vermitteln, weil § 9 BWaldG einst auf die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für Naturschutz und Landschaftspflege gestützt wurde, jetzt nach Art. 125b Abs. 1 Satz 1 GG als Bundesrecht fortgilt und die Länder hiervon nach Art. 125b Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG abweichen dürften. Auch eine vor der Föderalismusreform erlassene Bundesrahmenvorschrift aus dem Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege kann von den Ländern nicht als Grundlage für Gesetzgebung in bodenrechtlichen Materien genutzt werden, für die sie nicht zuständig sind. Die Bedeutung von Art. 125b Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG liegt nicht darin, dass sich die Länder im Wege der Abweichung Gesetzgebungsmöglichkeiten auf anderen Gebieten als Naturschutz und Landschaftspflege verschaffen könnten, sondern vielmehr darin, dass die Sperrwirkung des Bundesrechts nach Art. 72 Abs. 1 GG gegenüber der Gesetzgebung des Landes auf den Gebieten des Naturschutzes und der Landschaftspflege entfällt. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG kann darauf nicht gestützt werden, weil er keine Regelung auf den Gebieten des Naturschutzes oder der Landschaftspflege, sondern eine Regelung des Bodenrechts ist.

C.

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.