KG, Beschluss vom 15.10.2021 - 5 W 133/21
Fundstelle
openJur 2022, 16593
  • Rkr:
Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 19.08.2021- 52 O 253/21 - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 35.000 €.

Gründe

A.

Die Antragstellerin hat mit am 30.07.2021 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage beantragt, den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, im Rahmen einer Investoren-Präsentation mit bestimmten Portfoliounternehmen der Antragstellerin sowie mit bestimmten Aussagen u.a. zur Unternehmensgröße und Expertise zu werben.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 19.08.2021 den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 27.08.2021 zugestellt worden ist, hat die Antragstellerin mit am 10.09.2021 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 13.09.2021 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Kammergericht vorgelegt.

Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer sofortigen Beschwerde ihr ursprüngliches Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, der Antrag sei nicht rechtsmissbräuchlich. Die Nichtvorlage des Fristverlängerungsantrages der Antragsgegner und der darauf folgenden Ablehnung der Antragstellerin sei versehentlich erfolgt. Dies sei damit zu erklären, dass aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in der Ferienzeit und der bereits fortgeschrittenen Zeit die Aufnahme der beiden Schreiben "schlicht versehentlich vergessen" worden sei. Dies werde anwaltlich versichert. Die Antragsschrift habe erst nach mehrmaligen Rücksprachen mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin um 20:46 Uhr eingereicht werden können. Der hiesige Fall sei auch nicht mit dem Fall des OLG München, auf welchen das Landgericht Bezug nehme, vergleichbar. Dort sei nämlich eine umfangreiche Stellungnahme nicht erwähnt worden. Hier handele es sich demgegenüber um ein Fristverlängerungsgesuch, welches mit unwichtigen vorgerichtlich geführten Telefonaten gleichzusetzen sei, die gegenüber dem Gericht nicht unaufgefordert bekannt gemacht werden müssten.

Es fehle an einer Gesamtbewertung aller maßgeblichen Umstände. Die E-Mails vom 24. und 28.07.2021 des Antragsgegners zu 3. an Herrn Dr. ... seien der Rechtsanwältin ... "bis jetzt" (= Schriftsatz vom 08.10.2021) nicht bekannt gewesen. Herr Dr. ... habe innerhalb der Sozietät ein anderes Dezernat betreut und sei in diesem Verfahren ursprünglich nicht beteiligt gewesen.

Soweit das Landgericht Zweifel an der Dringlichkeit geäußert habe, sei auch dies unbegründet. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe die E-Mail, in der sich die Präsentation befunden habe, am 28.05.2021 erhalten, diese jedoch erst am 31.05.2021 zur Kenntnis genommen. Der Geschäftsführer der Antragstellerin erhalte mehr als 100 E-Mails am Tag, die es zu lesen, bearbeiten und beantworten gelte. Hierbei müsse auch eine Priorisierung bei der Bearbeitung getroffen werden. Insofern sei es im Geschäftsleben nicht einmal ansatzweise ungewöhnlich, dass E-Mails gar nicht geöffnet oder zunächst nur überflogen werden und Anhänge gegebenenfalls erst später geöffnet werden, so wie es vorliegend der Fall gewesen sei. Auch ergebe sich aus der E-Mail, mit der die Präsentation übersandt worden sei, in keiner Weise, dass der Absender mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin ein vorangehendes Telefonat über die Vorgänge betreffend die Präsentation geführt habe. Der Zeitraum zwischen der Kenntnisnahme der E-Mail und der Absendung der Abmahnung am 23.07.2021 sei nicht ungewöhnlich lang. Die Antragstellerin habe Aussagen aus insgesamt 31 Folien auf wettbewerbsrechtliche Relevanz prüfen und zudem das Gesellschaftsgeflecht der Antragsgegner durchblicken müssen, um die entsprechenden Abmahnungen zu versenden. Zudem habe die Antragstellerin umfassende eigene Recherchen durchgeführt, um die gemachten Aussagen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln selbst verifizieren zu können, was offensichtlich nicht möglich gewesen sei. Hierzu sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zunächst habe sichergehen wollen, die betreffenden Informationen nicht über öffentlich zugängliche Quellen erhalten zu können, und die eigenen Recherchemöglichkeiten voll ausgeschöpft habe. Aufgrund des Umfangs der Recherche sei die Bearbeitungszeit daher nicht übermäßig lang gewesen.

Ferner äußert sich die Antragstellerin zum Verfügungsanspruch.

Die Antragstellerin beantragt,

dem mit Verfügungsantrag vom 30. Juli 3021 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 19. August 2021, Az. 52 O 253/21, zu entsprechen.

Die Antragsgegner haben zweitinstanzlich keinen eigenen Antrag gestellt.

Die Antragsgegner treten der sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 20.09.2021 entgegen. Sie sind der Auffassung, die Beschwerde sei schon unzulässig, da nicht glaubhaft sei, dass der Beschluss des Landgerichts bei dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin erst am 27.08.2021 eingegangen sein soll, denn sie selbst hätten den Beschluss bereits am 25.08.2021 erhalten.

Das Landgericht habe zu Recht den Antrag als rechtsmissbräuchlich abgelehnt. Es sei unglaubhaft, dass bei Verfassung der Antragsschrift schlicht vergessen worden sei, dass zwei Tage zuvor, am 27.07.2021, ein Fristverlängerungsgesuch eingegangen sei und dass dieses nur einen Tag zuvor, am 28.07.2021, zurückgewiesen wurde. Erschwerend komme hinzu, dass die Antragstellerin auf den Seiten 9 und 10 der Antragsschrift ausdrücklich anführe, es habe keine Reaktion der Antragsgegner gegeben.

Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin erst am 31.05.2021 Kenntnis von der Präsentation gehabt haben will. Die Antragstellerin habe außerdem eine völlig andere Zielsetzung verfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

B.

Die zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

I.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 922 Abs. 1 Satz 1, 936 ZPO statthaft und gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Da hier ein unterzeichnetes Empfangsbekenntnis vom 27.08.2021 vorliegt (Blatt 91 d.A.) ist von einer Zustellung an diesem Tage auszugehen, § 174 Abs. 4 ZPO. Aus dem Umstand alleine, dass das Empfangsbekenntnis der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner das Datum des 25.08.2021 trägt, kann nicht geschlossen werden, dass das Datum 27.08.2021 unzutreffend ist. Es kommt für eine Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO nicht darauf an, wann die Postsendung in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eingegangen ist, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem der Rechtsanwalt das Schriftstück in Empfang genommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09 -, Rn. 9, juris).

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Durch ihren Antrag gefährdet die Antragstellerin die Verwirklichung des Rechts der Antragsgegner auf prozessuale Waffengleichheit, so dass die Verfolgung ihrer Ansprüche im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig ist (hierzu unter 1.), ferner fehlt es an einem Verfügungsgrund (hierzu unter 2.).

1.

Die Antragstellerin gefährdet mit ihrem Antrag das Recht der Antragsgegner auf prozessuale Waffengleichheit. Rechtsfolge eines auf die Erschleichung einer einstweiligen Verfügung durch Vereitelung des Anspruchs des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs gerichteten Verhaltens ist regelmäßig die Unzulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs im Eilverfahren.

1. 1

In rechtlicher Hinsicht ist von Folgendem auszugehen:

1. 1. 1

Prozessuale Anforderungen an das angegangene Gericht

Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Zivilprozess und sichert verfassungsrechtlich die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter, der - auch im Blick auf die grundrechtlich gesicherte Verfahrensgarantie aus Art. 103 Abs. 1 GG - den Prozessparteien im Rahmen der Verfahrensordnung gleichermaßen die Möglichkeit einzuräumen hat, alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr des gegnerischen Angriffs erforderlichen prozessualen Verteidigungsmittel selbständig geltend zu machen (BVerfG, Beschluss vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 14, juris, zum Presse- und Äußerungsrecht).

Erforderlich sind danach die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter und gleichwertige Möglichkeiten zur Ausübung ihrer Rechte. Die prozessuale Waffengleichheit steht dabei im Zusammenhang mit dem Gehörsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist. Als prozessuales Urrecht gebietet dieser, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 15, juris).

Hingegen haben die Fachgerichte hinsichtlich der Frage, wann gemäß § 937 Abs. 2 ZPO über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, einen weiten Wertungsrahmen (BVerfG, Beschluss vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 19, juris).

Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung berechtigt aber nicht ohne weiteres dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag generell aus dem Verfahren herauszuhalten. Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit kommt eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag vielmehr grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite zuvor die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern (BVerfG, Beschluss vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 21, juris).

Es ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn das Gericht für die Gewährung des Gehörs in Eilverfahren auch die Möglichkeiten einbezieht, die es der Gegenseite vorprozessual erlauben, sich zu dem Verfügungsantrag zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass solche Äußerungen vollständig dem Gericht vorliegen. Hierfür kann auch auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 22, juris).

Die vorstehend vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zur prozessualen Waffengleichheit sind auch in kennzeichenrechtlichen (vgl. dazu OLG München, Urteil vom 05. August 2021 - 29 U 6406/20 -, Rn. 10, juris) sowie in lauterkeitsrechtlichen Verfügungsverfahren (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2020 - 1 BvR 1379/20 -, Rn. 6, juris) zu beachten.

1. 1. 2

Prozessuale Anforderung an den Antragsteller eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

1. 1. 2. 1

Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es grundsätzlich vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Es ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, dass jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt. Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00 - Rn. 34, juris). Auch im Zivilverfahren unterliegt jede Rechtsausübung dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte (BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - VI ZB 1/12 -, Rn. 9, juris); die Parteien sind vor diesem Hintergrund zu redlicher Prozessführung verpflichtet. Ein Verstoß gegen § 242 BGB führt zur Unzulässigkeit der Ausübung prozessualer Befugnisse und ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (OLG München, Urteil vom 05. August 2021 - 29 U 6406/20 -, Rn. 3, juris).

1. 1. 2. 2

Eine gezielte Gehörsvereitelung durch den Antragsteller eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt keinen Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit von Seiten des Gerichts dar. Eine sachgerechte Entscheidung über die etwaige Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Erlass der einstweiligen Verfügung oder eine schriftliche Anhörung des Antragsgegners respektive den Verzicht darauf unter dem Aspekt der Dringlichkeit nach § 937 Abs. 2 ZPO ist dem Gericht regelmäßig erst bei Vorliegen der gesamten vorgerichtlichen Korrespondenz möglich (BVerfG, Beschluss vom 03. Dezember 2020 - 1 BvR 2575/20 -, Rn. 19, juris). Verschweigt der Antragsteller die Reaktion des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung, kann darin ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen gesehen werden. Denn die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet den Antragsteller zu vollständiger Erklärung über die tatsächlichen Umstände (BVerfG, Beschluss vom 03. Dezember 2020 - 1 BvR 2575/20 -, Rn. 13, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. Februar 2019 - 1 W 9/19 -, BeckRS 2019, 12651. Rn. 10). Kann dem Antragsteller eine planmäßig gezielte Gehörsvereitelung zur Erschleichung eines Titels vorgeworfen werden, kann ein Verfügungsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sein (OLG München, Urteil vom 05. August 2021 - 29 U 6406/20 -, Rn. 4, juris; BVerfG, Beschluss vom 03. Dezember 2020 - 1 BvR 2575/20 -, Rn. 13, 19, juris)

In einem einstweiligen Verfügungsverfahren, das seitens des Gerichts einseitig geführt wird und in dem der Antragsgegner somit keine Gelegenheit hat, sich gegenüber dem Gericht entsprechend dem jeweiligen Verfahrensstand zu äußern, treffen somit nicht nur das Gericht aus den Grundsätzen der prozessualen Waffengleichheit resultierende Pflichten, sondern hat auch der Antragsteller alles ihm Zumutbare und Mögliche zu unternehmen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob, wann und wie der Antragsgegner vor einer Entscheidung in der Sache einzubeziehen ist. Dazu gehört regelmäßig das unaufgeforderte und unverzügliche Einreichen eines die Streitsache betreffenden Schriftsatzes der bislang nicht am Verfahren beteiligten Gegenseite auch dann, wenn das Verfahren bereits in Gang gesetzt wurde und der außergerichtliche Schriftsatz der Gegenseite erst danach, aber vor einer Entscheidung des Gerichts die Antragstellerseite erreicht (OLG München, Urteil vom 05. August 2021 - 29 U 6406/20 -, Rn. 8, juris).

Denn die prozessuale Besonderheit, dass eine einstweilige Verfügung gemäß § 937 Abs. 2 ZPO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung und sogar ohne gerichtliche Beteiligung der Gegenseite erlassen werden kann, verschafft dem Antragsteller einen erheblichen Vorteil. Er bestimmt zunächst allein den einer Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt. Kehrseite dieses Vorteils muss aber nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen sein, dass sein Vortrag vollständig, wahrheitsgemäß und eindeutig zu sein hat, da nur so das Gericht in die Lage versetzt wird, nicht nur über die Frage, ob dem Antrag stattzugeben ist, sachgerecht zu entscheiden, sondern auch darüber, ob zuvor die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder zumindest die schriftliche Anhörung des Antragsgegners erforderlich ist.

Ob der Antragsteller dies für nötig befindet oder - etwa, weil er den Inhalt des Schriftsatzes des Gegners nicht für relevant hält - für nicht nötig, ist unerheblich. Denn die Beurteilung der Relevanz tatsächlicher und rechtlicher Ausführungen obliegt nicht dem Antragsteller oder seinen Verfahrensbevollmächtigten, sondern dem Gericht (OLG München, Urteil vom 05. August 2021 - 29 U 6406/20 -, Rn. 15, juris).

Unerheblich ist, ob sich das prozessual unredliche Verhalten des Antragstellers im Ergebnis ausgewirkt hat. Unerheblich ist also etwa, ob das angegangene Gericht von einer Einbeziehung des Antragsgegners vor Erlass einer Beschlussverfügung hätte absehen dürfen. Entscheidend ist alleine, ob der Antragsteller gegen die ihm obliegende prozessuale Wahrheitspflicht verstoßen hat und sich deshalb prozessual unredlich bzw. rechtsmissbräuchlich verhalten hat (OLG München, Urteil vom 05. August 2021 - 29 U 6406/20 -, Rn. 18, juris).

1. 2

Dem Verfahren liegt - soweit von Interesse - folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegner mit Schreiben vom 23.07.2021 (Anlage AST 10) ab und setzte ihnen eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum 30.07.2021, 12:00 Uhr.

Mit E-Mail vom 24.07.2021 (Anlage AG 52) nahm der Antragsgegner zur 3. gegenüber Rechtsanwalt Dr. ... aus der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin inhaltlich zu den Abmahnungen - kurz - Stellung und vertrat unter anderem die Auffassung, die "neue ..." - also offensichtlich die Antragstellerin (vgl. dazu auch die dies so verstehende Erklärung der Antragstellerin im Schriftsatz vom 08.10.2021, dort S. 2) - sei gar kein Wettbewerber mehr, weshalb ihre Forderungen ins Leere gingen.

Mit Schreiben vom 27.07.2021 baten die Antragsgegner unter Hinweis auf urlaubsbedingte Abwesenheiten um Verlängerung der Frist um eine Woche bis zum 06.08.2021 (Anlage AST 16). Die Antragstellerin lehnte diese Bitte mit Schreiben vom 28.07.2021 ab (Anlage AST 16). Mit Schriftsatz vom 30.07.2021, beim Landgericht eingegangen am selben Tage um 20:46:56 Uhr, beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung. In diesem Schriftsatz befasste sie sich auf Seite 11 unter "IV. Vorprozessuales" mit den vorprozessualen Geschehnissen. Sie teilte dort mit, dass sie die Antragsgegner unter dem 23.07.2021 abgemahnt habe. Weiter erklärte sie, die Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung habe nicht stattgefunden; die Gegenseite habe sich darüber hinaus auch nicht zu der Richtigkeit der von ihr im Rahmen ihrer Investoren-Präsentation getätigten Aussagen geäußert. Weder an dieser noch an anderer Stelle ihre Antragsschrift erwähnte die Antragstellerin, dass die Antragsgegner um Fristverlängerung gebeten hatten (und dass die Antragstellerin dies abgelehnt hatte).

Der Antragsgegner zu 3. rügte mit E-Mail vom 28.07.2021 (Anlage AG 45) unter Beifügung des Ablehnungsschreibens der Antragstellerin vom 28.07.2021 gegenüber Rechtsanwalt Dr. ... den mit diesem Ablehnungsschreiben verbundenen "neue[n] Stil".

Die Antragsgegner hinterlegten unter den 30.07.2021 eine Schutzschrift, in welcher sie unter anderem ihr Fristverlängerungsgesuch thematisierten. Nachdem das Landgericht von dieser Schutzschrift Kenntnis erlangt hatte, wies es die Antragstellerin mit am 04.08.2021 abgesandter Verfügung auf Bedenken gegen den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung hin, weil "die Antragstellerin dem Gericht nicht mitgeteilt hat, dass die Antragsgegnerin auf die Abmahnungen vom 23.7.2021 mit einer Bitte um Fristverlängerung reagiert hat, den die Antragstellerin ausdrücklich abgelehnt hat".

1. 3

Bei Anwendung der dargestellten Rechtsgrundsätze auf den vorliegend relevanten Sachverhalt ergibt sich, dass die Antragstellerin mit ihrem Antrag die Verwirklichung des Rechts der Antragsgegnerin auf prozessuale Waffengleichheit gefährdet.

1. 3. 1

Vorliegend hat die Antragstellerin mit dem Unterlassen der Mitteilung des - von ihr abgelehnten - Fristverlängerungsgesuchs ihren prozessualen Pflichten zuwider vorgetragen. Sie hat das angerufene Gericht nicht vollständig von der gesamten vorprozessualen Korrespondenz, mithin von der vollständigen Sachlage, in Kenntnis gesetzt und so gegen ihre Pflicht zum vollständigen Sachvortrag gemäß § 138 Abs. 1 ZPO verstoßen.

1. 3. 1. 1

Bereits der Umstand, dass die Antragsgegner um eine Fristverlängerung nachgesucht haben, hätte dem Landgericht mitgeteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob die Antragstellerin davon ausging, eine Fristverlängerung brauche nicht gewährt zu werden. Unerheblich ist ebenfalls, ob die Antragstellerin das Fristverlängerungsgesuch als vorgeschoben ansah. Die Antragsgegner haben jedenfalls nach außen dokumentiert, zu der Abmahnung Stellung nehmen zu wollen. Entscheidend ist, dass die Antragstellerin dem Landgericht diese Reaktion der Gegenseite nicht mitgeteilt hat und es so dem Landgericht nicht ermöglicht hat, auf der Grundlage des gesamten vorprozessualen Sachverhalts zu entscheiden, ob Anlass für eine Beteiligung der Gegenseite bestand und wenn ja, wie diese Beteiligung durchzuführen sei. Diese Entscheidung aber musste die Antragstellerin dem Landgericht überlassen; sie durfte sich nicht gewissermaßen an seine Stelle setzen.

Hinsichtlich der von der Antragstellerin geäußerten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bitte der Antragsgegner um Verlängerung der "zur Beantwortung" gesetzten Frist wird ergänzend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin dem Landgericht ohne weiteres hätte mitteilen können, dass sie der Auffassung ist, diese Fristverlängerungsbitte sei lediglich vorgeschoben (sei es, weil die Antragstellerin meinte, die Antragsgegner hätten nie vorgehabt, eine Unterlassungserklärung abzugeben, sei es, weil die Antragstellerin meinte, dem Antragsgegner zu 3. sei es nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung gegangen, vgl. zu beiden Vorhalten den Schriftsatz vom 08.10.2021, dort S. 3). Es bestand aber für die Antragstellerin keinen Grund, dem Landgericht die entsprechende Sachinformation, nämlich die antragsgegnerseitige Bitte um Fristverlängerung, vorzuenthalten.

In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass im hiesigen Fall von den Antragsgegnern am 30.07.2021 eine Schutzschrift eingereicht worden ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Antragstellerin gegen die ihr obliegende prozessuale Wahrheitspflicht verstoßen und sich deshalb prozessual unredlich verhalten hat. Dieses Verhalten wird nicht dadurch ungeschehen gemacht, dass es etwa folgenlos geblieben ist.

1. 3. 1. 2

Darüber hinaus hat die Antragstellerin dem Landgericht auch die inhaltliche Reaktion des Antragsgegners zu 3. aus der E-Mail vom 24.07.2021, in welcher er unter anderem sogar eine Wettbewerberstellung der Antragstellerin in Abrede gestellt hat, nicht nur vorenthalten, sondern durch die in der Antragsschrift enthaltene Erklärung, die Antragsgegner hätten sich zu einem bestimmten anderen Umstand nicht verhalten, suggeriert, es fehle insgesamt an einer inhaltlichen Erwiderung der Antragsgegner. Dieses Verhalten grenzt bereits an eine Lüge. Ferner gilt auch insoweit, dass das Landgericht eine sachgerechte Entscheidung, ob und gegebenenfalls wie die Gegenseite zu beteiligen sei, nur auf der Grundlage eines vollständigen und wahrheitsgemäßen Sachvortrags der Antragstellerin möglich war. Ebenfalls ist auch insoweit eine etwaige Folgenlosigkeit des Verstoßes der Antragstellerin unerheblich.

1. 3. 2

Der objektive Pflichtverstoß der Antragstellerin lässt den Schluss darauf zu, die Antragstellerin habe versucht, durch Vereitelung des Anspruchs des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs eine einstweilige Verfügung zu erschleichen.

1. 4

Rechtsfolge des hier vorliegenden auf die Erschleichung einer einstweiligen Verfügung durch Vereitelung des Anspruchs des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs gerichteten Verhaltens ist - wie regelmäßig - die Unzulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs im Eilverfahren.

1. 4. 1

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 03.12.2020 (- 1 BvR 2575/20 -, Rn. 19, juris) ausgeführt, dass einer missbräuchlichen Titelerschleichung durch gezielte Gehörsvereitelung gegenüber dem Gegner durch den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach - jetzt - § 8c UWG "adäquat zu begegnen" ist. Es hat indes in derselben Entscheidung (a. a. O., Rn. 13, juris) ausgeführt, in einem solchen Fall "kann ein Verfügungsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sein".

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat es nicht als zwingend an, in Fällen der vorliegenden Art Rechtsmissbrauch nach der genannten Norm des UWG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 242 BGB, anzunehmen. Jedenfalls im vorliegenden Fall erscheint es dem Senat sachgerecht, der Antragstellerin das Rechtschutzbedürfnis für die Verfolgung ihrer Ansprüche im Eilverfahren abzusprechen.

Ebenso wie der Senat bereits in den Fällen des unzulässigen Forum-Shopping (vgl. Senat, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 5 U 139/15 -, Rn. 3, juris) entschieden hat, besteht ein Rechtschutzbedürfnis nicht, wenn eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Antragsteller eine vorgesehene Beteiligung des Antragsgegners vereiteln will. Durch diese Art der unredlichen Prozessführung begibt er sich des rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung im Wege einstweiligen Rechtschutzes (Senat, a.a.O.; vgl. auch OLG Hamburg, Urteil vom 06. Dezember 2006 - 5 U 67/06 -, Rn. 23, juris; Feddersen in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12, Aufl. 2019, Kapitel 54 Rn. 24d). Ebenso ist der Fall des unvollständigen Vortrags zu bewerten. Denn durch diesen unvollständigen Vortrag legt der Antragsteller dem zur Entscheidung berufenen Gericht einen unvollständigen Sachverhalt vor, der eine sachgerechte Entscheidung über den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung und die sachgerechte Entscheidung darüber, ob und in welcher Weise die Gegenseite beteiligt werden soll, unmöglich macht. Damit versucht er, seinen Anspruch auf unredliche Art durchzusetzen, nämlich dadurch, dass er einen ihm eröffneten Verfahrensweg ausnutzt, dabei allerdings die ihm durch diesen Verfahrensweg vorgegebenen prozessualen Pflichten beiseite schiebt. Der Antragsteller begibt sich hierdurch des - anerkennenswerten und von der Rechtsordnung geschützten - rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung im Wege des einstweiligen Rechtschutzes. Der Staat stellt - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - den Rechtsuchenden unter anderem die Möglichkeit zur Verfügung, einen vorläufigen Titel im Eilverfahren zu erlangen. Ein anerkennenswertes und von der Rechtsordnung geschütztes Interesse an der Erlangung eines derartigen Titels besteht aber nur dann, wenn der betreffende Antragsteller seinen mit dieser Möglichkeit korrespondierenden Pflichten ordnungsgemäß nachkommt. Kommt er dem nicht nach, kann er für das von ihm eingeleitete Eilverfahren nicht staatlichen Rechtsschutz beanspruchen.

Eine Reduzierung des Anwendungsbereichs des Erfordernisses eines Rechtsschutzbedürfnisses auf (allein) diejenigen Fälle, in welchen dem um Rechtsschutz Nachsuchenden ein einfacherer und schnellerer Weg zur Verfügung steht oder er bereits einen ausreichenden Titel hat oder er ein objektiv sinnloses Verfahren einleitet (vgl. zu diesen Konstellationen Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 253 Rn. 18ff) erscheint dem Senat weder dogmatisch geboten noch sinnvoll.

1.4.2

Die Versagung des Rechtschutzbedürfnisses erscheint auch deshalb sachgerecht, weil sie lediglich dazu führt, dass die Antragstellerin ihren Unterlassungsanspruch nur im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht mehr geltend machen kann. Auf die Anspruchsdurchsetzung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren hat dies keine Auswirkungen. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs im Sinne von § 8c UWG kann hingegen dazu führen, dass der Anspruchssteller mit der Geltendmachung des Anspruchs dauerhaft ausgeschlossen ist (vgl. dazu näher: Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c Rn. 7; Hess in: jurisPR-WettbR 12/2017 Anm. 3). Unabhängig davon, dass Letzteres nicht - gar stets - angemessen erscheint, ist es grundsätzlich nicht unbedenklich, im über nur eingeschränkte Erkenntnismöglichkeiten verfügenden Eilverfahren eine vorweggenommene Entscheidung über die Zulässigkeit einer Klage in der Hauptsache zu treffen.

Umgekehrt trifft der Senat im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung darüber, ob nicht zusätzlich zu dem hier angenommenen Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses auch Rechtsmissbräuchlichkeit - und zwar nicht nur in der vom Senat in der Entscheidung zum Forum-Shopping (vgl. Senat, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 5 U 139/15 -, Rn. 3, juris) angenommenen, allein zum Entfall des rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes führenden Form, sondern - im Sinne von § 8c UWG anzunehmen wäre.

1. 4. 3

Da stets die Gesamtumstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen sind, kann im Falle des objektiv unredlichen Vortrags ausnahmsweise dann das Rechtschutzbedürfnis als weiterhin bestehend angenommen werden, wenn der in Rede stehende Vortrag zur vorprozessualen Korrespondenz nicht in vorwerfbarer Weise erfolgt, wobei im Hinblick auf Verfahrensbevollmächtigte zu beachten ist, dass gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verhalten der Verfahrensbevollmächtigten der Partei zurechenbar ist. Dabei setzt der Vorwurf der Unredlichkeit und des Erschleichens eines Titels mehr voraus als bloße (einfache) Fahrlässigkeit. Liegen allerdings die objektiven Voraussetzungen eines unvollständigen, falschen oder missverständlichen Vortrags zur vorprozessualen Korrespondenz auf Seiten des Antragstellers vor, muss der Antragsteller diejenigen konkreten Umstände substantiiert darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass der objektiv unredliche Vortrag lediglich (einfach) fahrlässig, etwa versehentlich, erfolgt ist. Dies ergibt sich auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner über die internen Vorgänge beim Antragsteller regelmäßig keine Kenntnis hat und den Antragsteller damit jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast trifft. An den Vortrag des Antragstellers sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Denn wenn die Hürden zur Entkräftung des Unredlichkeitsvorwurfs insoweit zu niedrig wären, bliebe unvollständiger, falscher oder missverständlicher Vortrag im Ergebnis doch häufig für den so Vortragenden folgenlos und könnte dieser mit derartigem Vortrag letztlich doch gefahrlos seine prozessuale Wahrheitspflicht verletzen.

Soweit die Antragstellerin sich vorliegend darauf beruft, Grund des unterlassenen Vortrags sei eine Arbeitsüberlastung aufgrund der Ferienzeit und der bereits fortgeschrittenen Zeit kurz vor Ablauf der dringlichkeitsschädlichen Frist, weshalb die Aufnahme der beiden Schreiben - womit die Antragstellerin die Bitte des Antragsgegners um Fristverlängerung und ihre Ablehnung derselben meint - "schlicht versehentlich vergessen" worden sei, ist dies ungenügend. Der Vortrag der Antragstellerin bleibt zu pauschal und vage. Es fehlt an konkretem und substantiiertem Sachvortrag, der geeignet wäre, das Verschweigen des Fristverlängerungsgesuchs der Antragsgegner und das Verschweigen der inhaltlichen Stellungnahme der Antragsgegner - gerade vor dem Hintergrund der irreführenden Erklärung in der Antragsschrift unter IV. - dahingehend plausibel zu machen, dass es sich nicht als unredlich darstellt. Ein bloßes Vergessen des Fristverlängerungsgesuchs und der inhaltlichen Einwendungen ist gerade angesichts des engen zeitlichen Zusammenhanges zwischen dem Eingang dieser Erklärungen und der Übersendung der Antragsschrift vom 30.07.2021 derart fernliegend, dass es überdies auch nicht glaubhaft ist.

Der Einwand der Antragstellerin, sie sei davon ausgegangen, der am 04.08.2021 versandte Hinweis des Landgerichts habe sich darauf bezogen, dass die Verweigerung der Fristverlängerung der Hauptanknüpfungspunkt eines möglichen Missbrauchs sei, verhilft ihr nicht zum Erfolg. Zum einen ist der - oben unter 1. 2 wiedergegebene - Hinweis des Landgerichts eindeutig dahingehend zu verstehen, dass es dem Landgericht auf die Nichtmitteilung der Bitte um Fristverlängerung ankam, sodass die vorstehende Einlassung nicht überzeugend ist. Zum anderen würde selbst ein - nicht nachvollziehbares - anderweitiges Verständnis der Antragstellerin nichts daran ändern, dass sie bereits in der Antragsschrift dem Landgericht die Reaktion der Antragsgegner vorenthalten und dies nicht nachfolgend ausreichend erklärt hat.

Der weitere Einwand der Antragstellerin, die Fristverlängerung sei nicht erforderlich gewesen, greift ebenfalls nicht durch. Die Antragstellerin musste es, wie bereits ausgeführt, dem Landgericht überlassen, zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wie es die Antragsgegnerseite am Verfahren beteiligen wollte.

Dass die E-Mails des Antragsgegners zu 3. vom 24. und 28.07.2021 nicht persönlich an die den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unterzeichnende Rechtsanwältin ... sondern ihren Kollegen Dr. ... gegangen sind, entlastet die Antragstellerin nicht. Konkreter und substantiierten Vortrag dazu, weshalb einerseits eine Kenntnisnahme durch Rechtsanwältin ... nicht habe erfolgen können und andererseits es allein auf die Kenntnis dieser Rechtsanwältin ankommen sollte, fehlt. Die im Schriftsatz vom 08.10.2021 erfolgte Erklärung der Antragstellerin, die E-Mails vom 24. und 28.07.2021 an Herrn Dr. ... seien der Rechtsanwältin ... "bis jetzt" nicht bekannt gewesen und Rechtsanwalt Dr. ... betreue innerhalb der Sozietät ein anderes Dezernat und sei in diesem Verfahren "ursprünglich nicht beteiligt" gewesen, enthält insoweit keinen ausreichenden konkreten und substantiierten Vortrag.

1. 5

Der Antrag der Antragstellerin bleibt noch aus einem weiteren Grund erfolglos. Es fehlt an der für den Verfügungsgrund erforderlichen Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG.

Die Vermutung der Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG ist widerleglich. Die Widerlegung kann insbesondere dadurch geschehen, dass ein Verletzter durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass die Verfolgung des beanstandeten Verstoßes für ihn selbst nicht eilig ist (Senat, Urteil vom 02. Juni 2017 - 5 U 196/16 -, Rn. 4, juris). Dies ist hier der Fall.

1. 5. 1

Aus der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und § 138 Abs. 1 ZPO folgt, dass ein den Erlass einer einstweiligen Verfügung Beantragender - unaufgefordert und unverzüglich - wahrheitsgemäß, vollständig und eindeutig zur Reaktion des Antragsgegners auf die Abmahnung des Antragstellers vortragen muss.

Muss der Antragsteller infolge eines dem nicht entsprechenden Verhaltens damit rechnen, dass das angegangene Gericht Anlass sieht, bei ihm und gegebenenfalls auch beim Antragsgegner insoweit nachzufragen, und dass sich der Abschluss des Verfahrens deshalb verzögert, gibt er damit zu erkennen, dass es ihm nicht eilig ist. Zusätzlich zum Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses widerlegt er dadurch eine etwaige Dringlichkeitsvermutung. Ob sich das Verfahren in der Folge tatsächlich verzögert, ist unerheblich.

1. 5. 2

Ein solches Verhalten der Antragstellerin liegt hier darin, dass sie zum vorprozessualen Geschehen nicht nur unvollständig, sondern auch mehrdeutig vorträgt. Anstatt in der Antragschrift unter dem von ihr für "Vorprozessuales" vorgesehenen Gliederungspunkt IV. zu schildern, dass die Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27.07.2021 die Verlängerung der Stellungnahmefrist beantragt haben und dass sie mit E-Mail vom 24.07.2021 auch inhaltlich Stellung bezogen haben, erklärt sie, eine Unterlassungserklärung sei nicht abgegeben worden und die Antragsgegner hätten sich zur Richtigkeit der beanstandeten Aussagen nicht geäußert. Hierbei erklärt die Antragstellerin nicht, dass und welche Reaktion es auf die versandte Abmahnung gegeben hat. Sie teilt nur mit, welche Reaktionen es unter anderem nicht gegeben hat. Dies muss aber naheliegenderweise - und damit auch für die Antragstellerin erkennbar - Nachfragen des Gerichts provozieren.

1. 5. 3

Ob darüber hinaus - was der Senat regelmäßig als dringlichkeitsschädlich ansieht (vgl. Senat, Beschluss vom 01. August 2014 - 5 W 240/14 -, Rn. 9, juris zum Markenrecht; Senat, Urteil vom 07. Januar 2011 - 5 U 103/09 -, Rn. 21, juris zum Wettbewerbsrecht) - die Antragstellerin länger als zwei Monate mit der Einleitung des Eilverfahrens zugewartet hat, kann vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen offen bleiben. Ob die Antragstellerin tatsächlich glaubhaft gemacht hat, dass ihr Geschäftsführer den Inhalt der am 28.05.2021 empfangenen E-Mail erst am 31.05.2021 zu Kenntnis genommen haben will, kann daher unentschieden bleiben.

2. Ob der hiesige Sachverhalt mit den Sachverhalten, über welche andere Gerichte zu entscheiden hatten, hinreichend vergleichbar ist, kann dahinstehen. Der Senat hat sich für den hiesigen Fall auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt und aus dieser und aus anderen vorstehend wiedergegebenen, für richtig erachteten Auffassungen die für diesen Fall für maßgeblich erachteten Grundsätze entwickelt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 40, 51 Abs. 2, Abs. 4 GKG, § 3 ZPO.

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