LG Dortmund, Urteil vom 11.05.2022 - 12 O 185/21
Fundstelle
openJur 2022, 13243
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 73.830,00 € nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 15.05.2021 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 6 % dem Kläger und zu 94 % der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist - für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages - vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Einzahlungen, die er im Rahmen von Glücksspielen auf der Internetseite der Beklagten getätigt hat, in Anspruch.

Die Beklagte, ein in U1 ansässiges Unternehmen, betreibt eine Internetseite unter der Domain (E-Mail-Adresse ...) Auf dieser Seite veranstaltet sie öffentliche Glücksspiele im Internet, dabei sind auch die klassischen Casinospiele sowie Slots (Spielautomaten) im Angebot enthalten.

Die Beklagte verfügt über eine Lizenz der Glücksspielaufsichtsbehörde von U1, indes nicht für das Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die Internetseite ist auf Deutsch verfügbar. Auf die in der Klageschrift, Bl. 5 f. der Akte, enthaltenen Screenshots der Internetseite der Beklagten wird verwiesen.

Der Kläger, der seinen Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen hat, spielte nach der Arbeit und in seinen Pausen von zu Hause auf der Internetseite der Beklagten im Casino Roulette.

Im Zeitraum vom 00.00.2018 bis 00.00.2019 verspielte er unter dem Benutzernamen "(...)" auf der Internetseite der Beklagten einen Betrag in Höhe von 73.830,00 €, den er mit der vorliegenden Klage geltend gemacht.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 26.04.2021 (Anlage K 5) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 14.05.2021 auf, die ohne Rechtsgrund erlangten Zahlungen i.H.v. 84.591,51 € zu erstatten.

Eine Reaktion oder Zahlung blieb aus.

Der Kläger ist der Auffassung, die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund ergebe sich aus Art. 17 Abs. 1 c) sowie Art. 7 Nr. 1 a) und b), Nr. 2 EuGVVO.

Er behauptet, er sei davon ausgegangen, dass es sich um legale Online-Glücksspiele handele. Die Beklagte gebe an, über eine Lizenz zu verfügen und habe ihren Geschäftsbetrieb gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet, wie sich aus der Verfügbarkeit der Internetseite auf Deutsch, der Verwendung der für Deutschland typischen Endung ".de" in der Domain-Adresse sowie die auf den deutschen Markt ausgerichteten Werbetexte ergebe.

Angesichts der undurchsichtigen Gesetzeslage zu Online-Glücksspielangeboten könne nicht unterstellt werden, dass er als juristischer Laie durch eigene Recherche hätte herausfinden können, dass das Angebot nicht erlaubt sei. Er habe sich ohne weiteres unter Angabe seines Wohnortes zum Glücksspiel anmelden können. Die Beklagte gebe ferner an, eine Konzession für U1 zu besitzen.

Der Kläger ist der Ansicht, er könne die Beträge aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangen, da der mit der Beklagten geschlossene Vertrag nichtig gewesen sei.

Gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV sei das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen im Internet verboten.

Das deutsche Online-Glücksspielverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV sei auch mit Verfassungs- und EU-Recht vereinbar. Insoweit beruft sich der Kläger auf einen Beschluss des BGH vom 22.07.2021, Az. I ZR 199/20, sowie ein Urteil des BVerwG, Az. 8 C 18.16.

In diesem Zusammenhang sei auch unbeachtlich, dass die Beklagte behauptete, über eine EU-Lizenz zu verfügen, da nach der Rechtsprechung des EuGH keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse bestehe.

Zudem habe die Beklagte mit ihrem Glücksspielangebot gegen § 284 StGB verstoßen, da sie über keinerlei behördliche Erlaubnis für das von ihr angebotene Glücksspiel verfüge.

Mithin liege ein Verstoß gemäß § 134 BGB vor, sodass er die streitgegenständlichen Beträge zurückfordern könne.

Dem Rückforderungsanspruch stehe auch nicht der Rechtsgedanke des § 817 S. 2 BGB entgegen.

Die Kondiktion dürfe nicht gemäß § 817 S. 2 BGB deswegen ausgeschlossen sein, soweit der Verbleib der Leistung beim Empfänger weiteren gesetzes- oder sittenwidrigen Handlungen Vorschub leisten bzw. diese legalisieren würde. Die Kondiktionssperre wurde ansonsten den Anreiz zu sittenwidrigem Handeln bilden. Dies habe der BGH beispielsweise im Falle von sogenannten Schenkkreisen angenommen. Insbesondere die Präventionswirkung des § 4 Abs. 4 GlüStV mache die Einschränkung erforderlich. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für ein absolutes Verbot von Casinospielen im Internet entschieden. Angesichts der hohen Manipulationsanfälligkeit solcher Spiele und ihrem herausragenden Suchtpotenzial sowie ihrer Anfälligkeit für eine Nutzung zu Zwecken der Geldwäsche erscheine es nicht vertretbar, auch hier das Internet als Vertriebsweg zu eröffnen. Die Intention des Schutzes der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels würde unterlaufen, wenn die Spieleinsätze, die ein Spieler tätige, in zivilrechtlicher Hinsicht kondiktionsfest wären.

Auch der Umstand, dass das absolute Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV durch den Glücksspielstaatsvertrag 2021 beseitigt worden sei, stehe dem nicht entgegen. Dadurch sei lediglich die Möglichkeit des Erlaubnisvorbehaltes bezüglich des Online-Glücksspiels eingeführt worden.

Der Kläger meint weiter, selbst wenn § 817 S. 2 BGB nicht teleologisch reduziert würde, bleibe die Beklagte für das Vorliegen der Voraussetzungen darlegungs- und beweisbelastet. Insoweit habe die Beklagte jedenfalls nicht dargelegt und keine Belege dafür vorgelegt, dass er sich leichtfertig dem Gesetzesverstoß verschlossen habe.

Daneben stehe ihm auch ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV sowie § 284 StGB zu. Bei § 4 Abs. 4 GlüStV sowie § 284 StGB handele sich jeweils um ein Schutzgesetz.

Vorsorglich erklärt der Kläger die Aufrechnung mit den Erstattungsansprüchen gegenüber den Ansprüchen auf Rückzahlung der ausgeschütteten Beträge durch die Beklagte.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 84.531,51 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 15.05.2021 zu zahlen.

Mit am 10.05.2022 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz hat er die Klage i.H.v. 10.701,51 € zurückgenommen. Er beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 73.830,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 15.05.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt zunächst die fehlende internationale Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund und meint, sie sei an ihrem allgemeinen Gerichtsstand gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGVVO auf U1 zu verklagen.

Der Gerichtsstand der Art. 17 Abs. 1,18 Abs. 1 EuGVVO greife nicht ein.

Der Kläger habe das Vorliegen eines Verbrauchervertrags nicht substantiiert dargelegt. Sie meint ferner, eine Zuständigkeit sei auch nicht durch Art. 7 Nr. 1 EuGVVO begründet, da als Erfüllungsort bei dem hier geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Regressanspruch der Sitz der Rückgewährschuldnerin, hier also der Beklagten auf U1, anzusehen sei. Zudem liege auch der Ort, an dem das behauptete schädigende Ereignis im Sinne des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eingetreten sei, am Sitz der Beklagten auf U1, von wo aus die streitgegenständliche Internetseite betrieben werde.

Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass dem Kläger weder ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung noch gemäß § 823 Abs. 2 BGB zustehe.

Der Kläger habe ein völlig legales Angebot in Anspruch genommen.

Die Beklagte meint, ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV habe nicht vorgelegen. Dieses Verbot habe nicht im Einklang mit höherrangigem Unionsrecht gestanden, da es die Dienstleistungsfreiheit der Beklagten gemäß Art. 56 AEUV, die in ihrem Sitzland U1 über eine Erlaubnis verfüge und durch den GlüStV a. F. an einem Angebot in Deutschland gehindert würde, beeinträchtige. Dies hätten die Bundesländer selbst nunmehr anerkannt und sich auf einen Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland verständigt, der zum 01.07.2021 Online-Casinoangebote im Internet ausdrücklich erlaube.

Das vom Kläger angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2017 sei inzwischen offensichtlich überholt. Insoweit sei die Wertung des neugefassten GlüStV 2021, der darauf abstelle, durch ein begrenztes und reguliertes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubtem Glücksspiel in Schwarzmärkten entgegenzuwirken, zu berücksichtigen.

Im Übrigen stelle das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis keine Konstellation dar, die nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages führe.

Zudem beruft sich die Beklagte auf § 762 Abs. 1 BGB. Danach könne das aufgrund eines verbotenen Spiels Geleistete nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden habe.

Jedenfalls jedoch sei ein Rückforderungsanspruch gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Diese Norm sei anwendbar, weil der Kläger bei der Wahrnehmung ihres Glücksspielangebotes gewusst habe, dass die Teilnahme am Online-Glücksspiel aus der Perspektive deutschen Rechts illegal gewesen sei. So habe der Kläger selbst gegen ein gesetzliches Verbot - nämlich § 285 StGB - verstoßen. Dabei habe er auch den subjektiven Tatbestand erfüllt, da der Kläger sich der Gesetzeswidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschlossen habe.

Über den gesamten klagegegenständlichen Zeitraum habe es zahlreiche Medienberichte zur Frage der Legalität dieser Angebote, die auch der Kläger zur Kenntnis genommen haben werde, gegeben. Daher könne der Kläger sich nicht auf eine Unkenntnis berufen. Aus Funk und Fernsehen sei allgemein bekannt, dass Online-Glücksspiel in Deutschland mit Ausnahme von Schleswig-Holstein verboten sei. Vor diesem Hintergrund sei es lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger dies nicht gewusst haben wolle.

Die Beklagte meint ferner, ein Rückzahlungsanspruch des Klägers sei auch nach Treu und Glauben ausgeschlossen, da dieser aus eigenem Antrieb sehenden Auges an illegalen Glücksspielen teilgenommen habe und sich anschließend nur im Falle von Verlusten auf die Illegalität berufe.

§ 817 S. 2 BGB sei entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht teleologisch zu reduzieren. Durch diese Norm habe der Gesetzgeber davor abschrecken wollen, sich an gesetzeswidrigen Transaktionen zu beteiligen, indem er die erbrachte Leistung als unwiederbringlich und ersatzlos verloren bewerte. Eine Ausnahme könne nur dann gemacht werden, wenn begründet werden könne, dass in Einzelfällen die teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB aus Perspektive der Generalprävention bessere Steuerungsergebnisse als eine Anwendung bringe. Gegen eine teleologische Reduktion spreche ferner, dass derjenige, der an einem illegalen Glücksspiel teilnehme, bessergestellt werde als derjenige, der an einem legalen Glücksspiel teilnehme. Wäre indes § 817 S. 2 BGB nicht anzuwenden, würde der Teilnehmer an einem illegalen Glücksspiel seine Einsätze immer zurückfordern können, was einen Anreiz zur Glücksspielteilnahme auf dem illegalen Markt schaffen würde und dem Schutzzweck des GlüStV 2012 massiv entgegenstehen würde und aus Spielerschutzgründen höchst problematisch sei. Vorliegend sei daher eher eine Parallele mit den "Schwarzarbeiterfällen" zu ziehen.

Die Beklagte meint weiter, auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB sei ausgeschlossen, da weder § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. noch § 284 StGB ein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschrift darstelle. Diese Regelungen dienten nicht dem Individualschutz, sondern vielmehr dem Schutz der Allgemeinheit.

Im Übrigen habe der Kläger keinen Schaden im Sinne der Differenzhypothese erlitten, weil er die von ihm gewollte Gegenleistung erhalten habe. Der Kläger habe die Möglichkeit der Teilnahme am Glücksspiel und die damit einhergehende Unterhaltung und die Gewinnmöglichkeit erhalten. Sofern er dabei einen Verlust in Höhe der Klageforderung erlitten habe, habe sich darin nur das typische und bei der Teilnahme am Glücksspiel gewollte zufallsabhängige Risiko verwirklicht. Zudem bestehe keine haftungsausfüllende Kausalität zwischen der Verletzung eines etwaigen Schutzgesetzes und der erlittenen Vermögenseinbuße. Auch wenn sie, die Beklagte, über eine deutsche Lizenz verfügen würde, hätte der Kläger seinen Einsatz verlieren können.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem noch aufrecht erhaltenen Umfang begründet.

I.

1.

Die Teilklagerückname ist gem. § 269 Abs. 1 ZPO ohne Zustimmung der Beklagten zulässig, da sie vor der mündlichen Verhandlung erklärt wurde.

2.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund folgt aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Der Kläger ist im Hinblick auf den hier gegenständlichen Sachverhalt Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Vorliegend ist keiner dieser Zwecke einschlägig, so dass der Kläger als Verbraucher zu behandeln ist.

Soweit die Beklagte die Verbrauchereigenschaft des Klägers bestreitet, ist sie seinem Vortrag, er habe nur in seiner Freizeit gespielt und gehe einer geregelten Arbeit nach, nicht substantiiert entgegen getreten.

II.

1.

Der Kläger kann die Rückzahlung des Betrags in tenorierter Höhe gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB verlangen.

a)

Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO, wonach bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorliegend Deutschland.

b)

Auch die Voraussetzungen der Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sind zu bejahen (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021, 12 W 13/21 - juris).

Die Beklagte hat die Spieleinsätze des Klägers in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 00.00.2018 bis 00.00.2019 durch dessen Leistung ohne rechtlichen Grund erlangt.

Denn der Vertrag über die Teilnahme an dem von ihr betriebenen Online-Glücksspiel war gem. § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Beklagte hat gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen, vorliegend dem Antragsteller, zugänglich gemacht hat.

Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. steht in Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil vom 28.09.2011, MDR 2012, 350; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, BVerwGE 160, 193).

Der EuGH hat entschieden, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010, C-46/08, NVwZ 2010, 1422 ). Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet, § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021. Dass der Beklagten eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden ist, trägt sie jedoch nicht vor. Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Im Übrigen ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gem. § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 2018 - 2019 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (BGH GRUR 2012, 1050 Rn. 21; BGH WM 2003, 1131; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 249, 250). Im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642). Etwas anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben werden wird (BGH WuM 2007, 440). Diese Voraussetzungen liegen indes ersichtlich nicht vor.

c)

Auch steht § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB dem nicht entgegen. Dieser setzt einen grundsätzlich wirksamen Vertrag voraus, der nur gem. § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Verbindlichkeit begründet. Bei anderweitig begründeter Unwirksamkeit des Spiel- oder Wettvertrags, insbesondere bei Nichtigkeit gemäß § 134 BGB, bestimmt sich die Rückerstattung geleisteter Einsätze nach den allgemeinen Regeln des Bereicherungs- und Deliktsrechts (MüKo-Habersack, BGB, 8. Aufl. 2020, § 762 Rn. 24).

d)

Der Bereicherungsanspruch scheitert auch nicht an § 817 Satz 2 BGB.

Danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt, wobei die Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit gerade im Zeitpunkt der Leistung gegeben sein muss.

aa)

Neben den objektiven müssen die subjektiven Voraussetzungen erfüllt sein. Der Leistende muss sich zumindest leichtfertig dem Gesetzes- oder Sittenverstoß verschlossen haben (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.1997, XI ZR 191/96 - juris). Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Beklagte (Palandt-Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 817 Rn. 24).

Dieser ist sie bereits nicht nachgekommen.

Der Kläger hat schriftsätzlich vorgetragen, er sei davon ausgegangen, dass es sich um ein legales Online-Glücksspiel handele.

Demgegenüber hat die Beklagte schon keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, anhand derer der Kläger auf eine Illegalität des angebotenen Glücksspiels im Internet schließen musste. So hat sie schon nicht dargelegt, in welcher Weise sie auf ihrer Internetseite auf das gesetzliche Verbot des Online-Glücksspiels in Nordrhein-Westfalen hingewiesen hat. Im Übrigen genügt ihr lediglich allgemeiner Hinweis auf die Fernseh- und Medienberichterstattung nicht, da nicht feststellbar ist, inwieweit der Kläger diese tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit sich diese konkret auf das Angebot der Beklagten bezogen hat.

Für einen juristischen Laien ist es nach Ansicht des Gerichts mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden, verlässlich zu erkennen, dass es sich bei dem Angebot der Beklagten um ein illegales Glücksspiel handelte, insbesondere da sie auf der Website angegeben hat, eine U1-Lizenz zu besitzen (vgl. dazu auch LG Paderborn, Urteil vom 24.09.2021, 4 O 424/20 - juris; LG Aachen, Urteil vom 28.10.2021, 12 O 510/20 - juris). Da die Beklagte selbst sich auf eine Unionsrechtswidrigkeit des Verbots des § 4 Abs. 4 GlüStV a. F. beruft, kann bei einem Verbraucher nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ihm die rechtlichen Voraussetzungen einer Unzulässigkeit des Online-Glücksspiels bekannt waren. Zudem hat die Beklagte sich durch die Gestaltung der Website auf Deutsch mit einem deutschen Domain-Namen (.de) gezielt an deutsche Kunden gewandt, ohne deutlich - wie dies z. B. in den von der Beklagten angeführten Fernsehspots getan wird - darauf hinzuwiesen, dass das Online-Glücksspiel nur für Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Schleswig-Holstein erlaubt war.

bb)

Im Übrigen kann dahin stehen, ob der Kläger sich der Erkenntnis, dass er an einem illegalen Glücksspiel teilnimmt, leichtfertig verschlossen hat.

Denn eine Anwendbarkeit des § 817 Abs. 2 BGB ist - selbst das Vorliegen seiner Voraussetzungen unterstellt - aufgrund einer gebotenen teleologischen Reduktion ausgeschlossen (so auch LG Paderborn, Urteil vom 08.07.2021, 4 O 323/20 - juris; LG Gießen, Urteil vom 25.02.2021, 4 O 84/20 - juris; LG Meiningen, Urteil vom 26.01.2021, 2 O 616/20 - juris; LG Aachen, Urteil vom 28.10.2021, 12 O 510/20 - juris).

Sinn und Zweck des § 817 S. 2 BGB ist es, dass derjenige, der sich selbst außerhalb der Rechtsordnung bewegt, hierfür keinen Schutz erhalten soll (BGH NZG 2017, 576). Dieser Schutzzweck kann im Einzelfall mit den Steuerungszielen kollidieren, die das gesetzliche Verbot verfolgt (MüKO-Schwab, a.aO., § 817 Rn. 22). Ziel des Glücksspielstaatsvertrages und konkret des § 4 Abs. 4 GlüStV ist der Schutz des Spielers vor suchtfördernden, ruinösen oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels (vgl. LG Aachen, a.a.O.). Die Gefährdung des Spielers besteht fort, solange diese Angebote für ihn verfügbar sind. Ein Ausschluss der Rückforderung, wie ihn § 817 S.2 BGB eigentlich vorschreibt, würde die Anbieter von Online-Glücksspielen zum Weitermachen geradezu ermutigen, denn sie könnten die erlangten Gelder - ungeachtet der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt herrschenden Illegalität ihres Geschäftsmodells und somit der Nichtigkeit des Vertrages - behalten (vgl. zum Schneeballsystemen BGH NJW 2009, 984; BGH NJW-RR 2009, 345; BGH JuS 2006, 265; LG Coburg, Urteil vom 01.06.2021, 23 O 416/20 - juris; LG Meinigen, a.a.O.; LG Gießen, a.a.O.).

Aus diesem Gesichtspunkt ist auch eine Rückforderung nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen.

2.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Durch das Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 26.04.2021 (Anlage K 5) ist die Beklagte gemahnt und dadurch in Verzug gesetzt worden.

III.

Der Beklagten war keine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Schriftsatz des Klägers vom 03.05.2022 zu gewähren, da dieser keinen neuen entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag, sondern im Wesentlichen Rechtsausführungen enthält.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

Bis zum 10.05.2022: 84.531,51 €

Danach: 73.830,00 €