BPatG, Urteil vom 01.08.2001 - 4 Ni 60/00
Fundstelle
openJur 2011, 111525
  • Rkr:
Tenor

1. Das europäische Patent 0 572 991 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 3 sowie 5 und 6 für nichtig erklärt.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 11.000 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 572 991 (Streitpatent), das am 02. Juni 1993 unter Inanspruchnahme der Priorität der israelischen Patentanmeldung IL 102077 vom 02. Juni 1992 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patentamt unter der Nummer 693 05 690 geführt wird, betrifft ein "Verfahren zum Verarbeiten von im voraus bezahlten Telefonanrufen". Es umfasst 6 Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut hat:

"1. Verfahren zum Verarbeiten von im voraus bezahlten Telefonanrufen, insbesondere zur Verwendung im Zusammenhang mit öffentlichen Telefonen, welches die folgenden Schritte umfaßt:

a) Programmieren eines jeweiligen öffentlichen automatischen Zweigamts (PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind;

b) einem Anrufer ermöglichen, eine Verbindung mit einem Angerufenen herzustellen;

c) Unterbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit / Zählimpulszeitraum;

d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank;

e) Markieren der Serien von Nummern, jede auf einem verkäuflichen Trägerelement in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise; und f) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das öffentliche Publikum, so daß Käufer der Trägerelemente nach Freilegen der jeweiligen Nummer die Möglichkeit haben, einen Anruf für die Dauer des genannten Zeitraums zu tätigen.

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit den Behauptungen, die Lehre des Streitpatents betreffe geschäftliche Tätigkeiten, sie sei zudem nicht neu und beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

(D1) EP 0 378 727 A1

(D2) US 4 706 275 (Anlagen K3 / K3a)

(D3) CH-PS 460 417

(D4) Patent Abstracts of Japan zur JP 02-044850 A,

(D5) JP 02-044 850 A die bereits Gegenstand des europäischen Prüfungsverfahrens waren. Als für die Nichtigkeitsklage relevanten Stand der Technik nennt die Klägerin weiter

(D6) US 4 726 608 (Anlage K4)

(D7) JP 56 125 181 (Anlagen K5 / K5a / K5b)

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 572 991 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent für bestandsfähig.

Gründe

1. Die Klage, mit der der in Art II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Abs 1, 2 und Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist teilweise begründet.

2. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Verarbeiten von im voraus bezahlten Telefonanrufen. Nach der Patentbeschreibung seien im Bereich des Telefonzellen-Fernmeldeservice magnetische Karten eingeführt worden, um die münzbetriebenen öffentlichen Telefonapparate zu ersetzen. Diese seien mit Nachteilen insofern verbunden, als der Benutzer im Besitz einer passenden Anzahl von Münzen sein müsse; auch erforderten die Apparate regelmäßige Wartung und seien zudem Vandalismus und Diebstahl ausgesetzt. Bei den bekannten mit Magnetkarten bzw. Kreditkarten betriebenen Apparaten könne man eine Karte für eine größere Anzahl von Anrufen verwenden. Dieses Verfahren erfordere jedoch beträchtliche Anfangsinvestitionen für Ausstattung, Einrichtung und Instandhaltung der Apparate. Darüber hinaus habe sich die große Anzahl weggeworfener Magnetkarten zu einem ökologischen Problem entwickelt.

Nach dem Stand der Technik sei ein Verfahren und System zur Verarbeitung von im voraus bezahlten Telefonanrufen bekannt, das sich auf spezielle, zertifizierbare Codezahlen stütze, die den anrufenden Parteien gegen Erwerb eines Kredits zugeteilt würden. Die Kreditbeträge würden im Computer spezieller zentraler Stationen gespeichert, so dass von jedem beliebigen privaten Telefon angerufen werden könne. Nachteilig an diesem Verfahren sei, dass der Benutzer - meist über Kreditkartenunternehmen - eine Reihe von vorbereitenden Schritten tun müsse, um das System überhaupt nutzen zu können.

3. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, bei der Verarbeitung von im voraus bezahlten Telefonanrufen sicherzustellen, daß eine Verbindung des Benutzers zu Organisationen wie Telefonkarten- und/oder Kreditkartenunternehmen überflüssig wird.

4. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß

ein Verfahren zum Verarbeiten von im voraus bezahlten Telefonanrufen, insbesondere zur Verwendung im Zusammenhang mit öffentlichen Telefonen, welches die folgenden Schritte umfaßt:

a) Programmieren eines jeweiligen öffentlichen automatischen Zweigamts (PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind;

b) Einem Anrufer ermöglichen, eine Verbindung mit einem Angerufenen herzustellen;

c) Unterbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit/Zählimpulszeitraum;

d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank;

e) Markieren der Serien von Nummern, jede auf einem verkäuflichen Trägerelement in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise; undf) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das öffentliche Publikum, so daß

g) Käufer der Trägerelemente nach Freilegen der jeweiligen Nummer die Möglichkeit haben, einen Anruf für die Dauer des genannten Zeitraums zu tätigen.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber dem aus der Druckschrift (D2) bekannten Verfahren nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Aus der Druckschrift (D2), vgl. die Figuren 1 und 2 und die Beschreibung Spalte 3 Zeile 3 bis Spalte 5 Zeile 28 und Spalte 6 Zeile 45 bis Spalte 7 Zeile 25, ist ein Verfahren zum Verarbeiten von im voraus bezahlten Telefonanrufen, insbesondere zur Verwendung im Zusammenhang mit öffentlichen Telefonen als bekannt entnehmbar. Nach dem bekannten Verfahren wird ein automatisches Zweigamt programmiert zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des Zweigamts gespeichert sind (Schritt a; vgl (D2), Wortlaut des Anspruchs 1 Sp 6 Z 45-55 iVm Sp 3 Z 14-16, Sp 5 Z 34-36 und Z 53-61, Sp 6 Z 28-34). Zwar ist in (D2) das Zweigamt als ein "spezielles" bezeichnet (vgl zB Sp 6 Z 51), der Fachmann bezieht diese Bezeichnung jedoch auf die spezielle (hard- und softwaremäßige) Einrichtung, insbesondere Programmierung des Zweigamts und subsumiert unter das in (D2) beschriebene Zweigamt ohne weiteres das jeweilige öffentliche automatische Zweigamt (PABX), das die von den - öffentlichen oder privaten - Telefonen ausgehenden Anrufe entgegennimmt und an die gerufenen Telefone weitervermittelt (vgl Sp 3 Z 20 iVm Sp 6 Z 45-46, 56, 61-62 und 65, Fig 4 "To public exch."). Das bekannte Verfahren ermöglicht es einem Anrufer somit auch, eine Verbindung mit einem Angerufenen herzustellen (Schritt b); Sp 6 Z 56 und 61-62), weiter wird die Verbindung nach einer festgesetzten Zeit /Zählimpulszeitraum unterbrochen (Schritt c); Sp 6 Z 63-66, Fig 1 PEG counter 28).

Die Nummern, die nach dem aus (D2) bekannten Verfahren das Verarbeiten der im voraus bezahlten Telefonanrufe ermöglichen, werden als Ticket-Nummern eines "Prepaid ticket" 51 (vgl (D2) Fig 2 iVm Sp 4 Z 45-52) zum Verkauf an das öffentliche Publikum angeboten (Schritt f); Sp 3 Z 3-12) und die Käufer dieser Prepaid Tickets haben durch die jeweilige Nummer die Möglichkeit, einen Anruf für die Dauer des genannten Zeitraums zu tätigen (Teil des Schrittes g); Sp 5 Z 6-17).

Da die Nummern als geheime Code-Nummern allein dem berechtigten Inhaber das Verarbeiten der im voraus bezahlten Telefonanrufe ermöglichen, mithin vor nichtberechtigtem Zugriff bspw beim Verkauf geheim gehalten werden müssen ((D2) Sp 4 Z 45-52), wird der Fachmann diese Nummern in unsichtbarer Weise auf dem verkäuflichen Trägerelement (dem prepaid ticket) aufbringen (markieren, nach Sp 2 Z 52-54 der Patentschrift EP 0 572 991 B1 ist darunter aufbringen oder aufdrucken zu verstehen). Dem Inhaber des Trägerelements ist als Berechtigtem jedoch das Benutzen der Nummern zum bestimmungsgemäßen Zweck zu ermöglichen. Das Mittel der Wahl dazu ist für den Fachmann, daß er die Nummern zwar in unsichtbarer, jedoch - für den Berechtigten - auch in leicht freilegbarer Weise auf dem Trägerelement anbringt (Schritt e)), so daß der Käufer der Trägerelemente als Berechtigter nach Freilegen der jeweiligen Nummer die Möglichkeit hat, einen Anruf zu tätigen (Teil Schritt g); (D2) Sp 4 Z 44-55).

Die vorstehend geschilderten Vorkehrungen, einem Berechtigten den Zugriff auf eine geheime Nummer zu ermöglichen, letztere aber vor Nichtberechtigten zu verbergen, entsprechen dem üblichen Sicherheitsbestreben des Fachmanns und ergeben sich aus der Lebenserfahrung, weil zum Zeitpunkt des Anmeldetags der vorliegenden Patentanmeldung Trägerelemente mit (vor Nichtberechtigten geheimzuhaltenden und deshalb) unsichtbaren Nummern, die (vom dazu Berechtigten) leicht freilegbar waren, dem Fachmann allgemein bekannt waren (vgl (D6) Sp 1 Z 8-27 und Z 46-49).

Das Bestreben, das bekannte Verfahren noch weiter gegen Mißbrauch abzusichern, veranlaßt den Fachmann schließlich dazu, jede Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank zu löschen (Schritt d)). Dadurch werden weitere -fallweise mißbräuchliche, zB durch Verlust des Trägerelements - Nutzungen der Nummer mit Sicherheit verhindert, auch wenn damit auf einen Rest des vorausbezahlten Betrags verzichtet wird. Diesen Nachteil nimmt der Fachmann aber für das Mehr an Sicherheit in Kauf, indem er aus den ihm geläufigen Alternativen einer Einmal-Benutzung und einer Dauer-Benutzung der (Code-) Nummer die mehr Sicherheit bietende Einmal-Benutzung wählt, die überdies auch noch die Gelegenheit eröffnet, Speicherplatz für die abzuspeichernden Nummern einzusparen.

Der Beklagte hat argumentiert, die Vorteile des patentierten Verfahrens seien, daß

- der Käufer des Trägerelements sofort nach dessen Kauf telefonieren könnte,

- das Trägerelement wie Bargeld jederzeit zum Nennwert weiterverkaufbar wäre (solange die Nummern verdeckt sind),

- das Trägerelement "an jeder Ecke" erwerbbar sei, ohne Mitwirkung von Telefon- oder sonstigen Gesellschaften.

Vor allem aber würde die Serie von vorbestimmten Nummern vor dem Verkauf der Trägerelemente durch die Telefongesellschaft ohne weitere Mitwirkung der Verkaufsstellen in einer Datenbank des Zweigamts abgespeichert. Dagegen würde bei dem aus (D2) bekannten Verfahren zunächst ein Kreditbetrag bezahlt und dieser dann anschließend in einem Speicher des Zweigamts mit der geheimen Nummer abgespeichert ((D2) Sp 3 Z 3-17). Das Verfahren nach dem Streitpatent unterschiede sich somit nach seinem Ablauf grundsätzlich und wesentlich von dem bekannten Verfahren nach der Druckschrift (D2). Auch sei aus dem druckschriftlich belegten Stand der Technik keine Veranlassung zu erkennen, die dem Fachmann ein Abgehen von dem bekannten Verfahrensablauf nahelegen könnte.

Es mag dahinstehen, ob die vorgetragenen Argumente einen Rückhalt finden in der geltenden Formulierung des Anspruchs 1, oder ob eine von der ursprünglichen Offenbarung gedeckte und zulässige Formulierung eines Anspruchs möglich gewesen wäre, die die vorgenannte Argumentation stützen könnte. Auch wenn das aus der Druckschrift (D2) bekannte Verfahren gemäß der Auffassung des Beklagten auszulegen wäre, wäre es jedoch, nach der Überzeugung des Senats für den Fachmann naheliegend gewesen, die Serie von vorbestimmten Nummern (irgendwann) vor dem Verkauf der Trägerelemente in einer Datenbank des Zweigamts abzuspeichern. In der Druckschrift (D2), vgl. Spalte 3, Zeilen 9 - 12, sind alternativ Verkaufsstellen, wie zB Flughäfen, Hotels, Autovermiet-Stationen, aufgeführt, bei denen nicht damit zu rechnen ist, daß sie besondere Kompetenz aufwiesen für eine nach dem Verkauf eines Kreditbetrags durchzuführende Vergabe und Abspeicherung von (geheimen Code-) Nummern. Ein Verkaufsverfahren mit einem Ablauf gemäß der Interpretation der (D2) durch den Beklagten wäre mit den vorgenannten Verkaufsstellen nur schlecht praktikabel gewesen, so daß sich der Fachmann veranlaßt sah, eine Abspeicherung der vorbestimmten Nummern ohne Einbindung der Verkaufsstellen, d. h. vor dem Verkauf der Trägerelemente an die Benutzer, zu organisieren. Auch die weiteren, von dem Beklagten genannten und oben aufgeführten Vorteile bzgl. des patentgemäßen Verfahrens, insbesondere der Trägerelemente, ergeben sich mit einem dergestalt organisierten Verfahrensablauf, oder sind ohnehin bereits dem ohne weiteres aus (D2) entnehmbaren Verfahren zu eigen (vgl (D2) zB Sp 1 Z 54-60 und Sp 3 Z 18-20).

6. Die auf ein Verfahren nach Anspruch 1 unmittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2, 3, 5 und 6 sind ebensowenig bestandsfähig.

Das Merkmal gemäß Anspruch 2, daß das Verfahren den weiteren Schritt umfaßt, zuerst eine gebührenfreie Zugangsnummer des PABX zu wählen, ist dem Fachmann ebenfalls aus dem in (D2) nach Figur 1, Schritt 14 iVm Spalte 3, Zeilen 18 - 22 und Spalte 6, Zeilen 53 - 54, beschriebenen Verfahren bekannt geworden.

Das nach Anspruch 3 geforderte Merkmal, daß dem Anrufer verbleibende Mengen des Zeitraums ständig angezeigt werden, ist dem Fachmann ebenfalls durch das aus der (D2) als bekannt entnehmbare Verfahren nahegelegt. Bei dem bekannten Verfahren werden dem Anrufer die für einen Anruf verbleibende Zeit angesagt und der verbleibende Zeitraum ständig berechnet (vgl (D2) Sp 5 Z 10-15). Anstelle der Ansage kann auch eine visuelle Anzeige vorgesehen werden (Sp 5 Z 41-43). Diese Anzeige nutzt der Fachmann, um die ohnehin ständig berechnete Menge des verbleibenden Zeitraums dem Anrufer auch ständig anzuzeigen und damit dem letzteren die Möglichkeit zu geben, den Verlauf des Telefongesprächs und insbesondere dessen Ende zu steuern.

Für die nach Patentanspruch 5 vorgesehene Ausbildung der verkäuflichen Trägerelemente in Form von Karten, wobei die Nummer aufgedruckt und durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigen Belag bedeckt ist, gelten analog die bereits oben unter Punkt 5. zu den Schritten e) und Teilen des Schrittes g) des Anspruchs 1 gemachten Ausführungen bzgl. der Anbringung der Nummern in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise auf dem Trägerelement. Das Aufdrucken der Nummern auf Trägerelemente in Form von Karten und das Bedecken der Nummern durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigen Belag sind die Mittel der Wahl für den Fachmann und ergeben sich aus der Lebenserfahrung, weil zum Zeitpunkt des Anmeldetags der vorliegenden Patentanmeldung kartenförmige Trägerelemente mit aufgedruckten Nummern, die durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigen Belag bedeckt sind, dem Fachmann allgemein bekannt waren (vgl (D6) Fig 1 und Sp 1 Z 8-27 und Z 42-57).

Für das Merkmal nach Anspruch 6, nach dem die verkäuflichen Trägerelemente in Form von Karten erhältlich sind, die in einem versiegelten Umschlag stecken, gelten in analoger Weise die vorstehend zu Anspruch 5 gemachten Ausführungen. Trägerelemente für (geheime Code-) Nummern, die in einem versiegelten Umschlag stecken, waren dem Fachmann ebenfalls aufgrund seiner Lebenserfahrung bekannt, z. B. in Form von PIN-Briefen der Geldinstitute, ohne daß es dazu eines druckschriftlichen Nachweises bedürfte.

7. Der unmittelbar auf Anspruch 3 und mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogene Patentanspruch 4 hat Bestand.

Die Klägerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, daß der Gegenstand des Anspruchs 4 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik herleitbar war, oder daß er eine geschäftliche Tätigkeit als solche beträfe, die gemäß Artikel 52 (2) c) EPÜ iVm Art 138 (1) a) EPÜ keine patentfähigen Erfindungen iSd Artikels 52 (1) EPÜ wären.

Zwar mögen die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und auch nach Anspruch 3 sich, wie vorstehend abgehandelt, für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben haben. Für den nach Anspruch 4 geforderten zusätzlichen Verfahrensschritt, daß eine verbleibende Menge eines Zeitraums am Ende eines ausgehenden Anrufs einem ausgewählten Teilnehmerkonto durch weiteres Wählen seiner Telefonnummer gutgeschrieben werden kann, ist dem druckschriftlich belegten Stand der Technik jedoch kein Hinweis zu entnehmen.

Bei dem aus der dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten kommenden Druckschrift (D2) bekannten Verfahren ist es vorgesehen, den bzgl. einer Codenummer im voraus bezahlten Betrag mit einem oder auch mehreren Telefonanrufen aufzubrauchen oder durch Wahl einer speziellen Rufnummer den einer Codenummer zugeordneten Kredit-Betrag zu erhöhen (vgl (D2) Fig 1 und 2 und Sp 6 Z 22-27, Z 65-66 und Sp 7 Z 14-21), auch kann während einer Verbindung mit dem Zweigamt zwischen verschiedenen (prepaid-) Codenummern gewechselt werden (Sp 6 Z 9-14). Das Erhöhen des Kreditbetrags mag noch einem Gutschreiben einer Menge eines Zeitraums nahekommen, weil vorausbezahlte Geldbeträge dem für Telefonanrufe verfügbaren Zeiträumen entsprechen. Jedoch werden dabei nicht verbleibende Mengen eines Geldbetrages auf ein anderes Teilnehmerkonto übertragen, sondern der einer Codenummer zugeordnete Kreditbetrag wird erhöht. Das Wählen weiterer Telefonnummern oder der Wechsel zwischen verschiedenen prepaid-Codenummern während einer Verbindung führt dagegen einzig und allein zu einem weiteren Aufbrauchen der vorausbezahlten Beträge. Ein Gutschreiben verbleibender Zeitraum-Mengen auf ein anderes - durch weiteres Wählen seiner Telefonnummer ausgewähltes - Teilnehmerkonto ist der (D2) nicht entnehmbar. Auch ist aus den in der (D2) beschriebenen Möglichkeiten zur Behandlung von Kredit-Beträgen - wie vorstehend abgehandelt - kein Hinweis ersichtlich, der den Fachmann hätte veranlassen können, ein Vorgehen gemäß Anspruch 4 ins Auge zu fassen.

Die weiteren Druckschriften reichen im Hinblick auf den Patentgegenstand inhaltlich nicht an die vorstehend abgehandelten Entgegenhaltungen heran und haben in der mündlichen Verhandlung bzgl. der den Patentanspruch 4 betreffenden Sachverhalte keine Rolle gespielt. Sie bringen auch hinsichtlich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

Nach Überzeugung des Senats erschöpft sich das Verfahren gemäß dem bestandsfähigen Patentanspruch 4 auch nicht in geschäftlichen Tätigkeiten als solche, die nach Art 52 (2) c) EPÜ iVm Art 138 (1) a) EPÜ ausdrücklich als nicht patentfähig bezeichnet werden. Vielmehr stehen die - durchaus gegebenen - geschäftlichen Tätigkeiten in so enger Beziehung zu technischen Vorgängen, wie der Programmierung der Vermittlungsstelle, der Speicherung der (Code-) Nummern, dem Aufbau und Abbau von Telefonverbindungen, dem Löschen von Nummern aus dem Speicher der Vermittlungsstelle, daß das beanspruchte Verfahren - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin zitierten Entscheidungen "Computerprogrammprodukt/IBM" des EPA (T 1173/97 - ABlEPA 1999/609) und der BGH-Entscheidung "Logikverifikation" (BGH GRUR 2000, 498) - als technisch zu werten, mithin dem Patentschutz zugänglich ist (vgl BPatG GRUR 1999, 1078-1080 - Automatische Absatzsteuerung - mwN).

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 2 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Müllner Obermayer Kalkoff Schuster Dr. Hartung Na