BPatG, Beschluss vom 17.11.2009 - 24 W (pat) 95/07
Fundstelle
openJur 2011, 111139
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 1. Februar 2006 und vom 14. September 2007 aufgehoben.

Gründe

I.

Für die international registrierte Wortmarke Nummer 665 322 HELIOCARE war eine nachträgliche Schutzerstreckung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ursprünglich für die Waren

"03 Produits de parfumerie et cosmetique, huiles d'essences, savons, lotions pour les cheveux et dentifrices"

beansprucht worden. Nachdem die Markenstelle mit "Avis de refus de protection" vom 14. Juni 2005 eine Schutzerstreckung im Umfang der Waren "produits de cosmetique" und "huiles d'essences" vorläufig verweigert hatte, hat die Markeninhaberin mit Eingabe vom 5. August 2005 das Warenverzeichnis der Schutz suchenden Marke mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland auf die Waren

"03 Produits de parfumerie; crèmes pour le visage et le corps; poudres de maquillage; lotions pour le corps; savons, lotions pour les cheveux et dentifrices"

beschränkt. Mit Beanstandungsbescheid vom 10. Oktober 2005 hat die Markenstelle für Klasse 3 IR aus dem neuen Warenverzeichnis die Waren "crèmes pour le visage et le corps; poudres de maquillage; lotions pour le corps" wegen mangelnder Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses beanstandet und schließlich mit Beschlüssen vom 1. Februar 2006 und vom 14. September 2007, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, der international registrierten Marke im Umfang der genannten Waren gemäß §§ 107, 113, 37 Abs. 1 und 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art. 6quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ die nachträgliche Schutzerstreckung verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der international registrierten Marke "HELIOCARE" fehle im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG jegliche Unterscheidungskraft, da sie im Umfang der Schutzverweigerung ausschließlich eine sachbezogene Angabe enthalte. Die Marke werde von den Verkehrskreisen im Sinne von "Sonnenschutzmittel" verstanden. Zwar entstamme die Wortkombination "HELIOCARE" nicht der deutschen Sprache, jedoch sei "HELIO" ein Wortbildungselement für "Sonne" und "CARE" als englisches Wort für "Pflege" auch im Inland verbreitet. Gerade auf dem Kosmetikund Körperpflegesektor seien englischsprachige Begriffe in der Werbung gebräuchlich. Die Waren, für die ein Schutz vorliegend versagt worden sei, wie z. B. für Gesichtsund Körpercremes oder Bodylotions, könnten dem Schutz vor schädlicher Sonneneinwirkung dienen, weshalb der Begriff "HELIOCARE" unmittelbar auf den Verwendungszweck der entsprechenden Waren hinweise. Der Begriff unterliege insoweit auch einem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Auffassung, dass die Schutz suchende Marke "HELIOCARE" von der Markenstelle zu Unrecht als eine beschreibende Angabe beurteilt worden sei. Diese Fehleinschätzung beruhe insbesondere auf der Annahme, die deutschen Verkehrskreise würden den Begriff "Helio" ohne weiteres als beschreibende Angabe verstehen und auch die zweisprachige Kombination "HELIOCARE" in einer konkreten, beschreibenden Bedeutung aufnehmen. Zutreffend sei vielmehr, dass die Marke "HELIOCARE" hinreichend unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei. Die angesprochenen Verkehrskreise könnten der Marke -mangels analysierender Betrachtungsweise -keinerlei konkrete Bedeutung entnehmen. Im Gegensatz zu den griechischen Vorsilben "Geo-" oder "Thermo-" habe sich die Vorsilbe "Helio-" (= Sonne, Sonnengott) bisher nicht als allgemein verbreitete Bezeichnung durchgesetzt. In deutschen Nachschlagewerken seien sehr wenige mit "Helio" beginnende Worte nachweisbar, wobei es sich bei diesen ausnahmslos um sehr spezielle wissenschaftliche Fachbegriffe handele. Als gebräuchliche Vorsilbe für "Sonne" habe sich stattdessen der Begriff "Solar" durchgesetzt. Die deutschen Verkehrskreise würden zudem -sofern sie doch wider Erwarten eine analysierende Betrachtungsweise anstellen sollten -erkennen, dass das Zeichen "HELIOCARE" aus Worten zweier verschiedener Fremdsprachen zusammengesetzt sei. Bereits wegen dieser Zweisprachigkeit könne eine hinreichende Unterscheidungskraft der Marke nicht verneint werden. Darüber hinaus unterliege die Marke "HELIOCARE" auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Die Markeninhaberin beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 1. Februar 2006 und vom 14. September 2007 aufzuheben.

Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat auch in der Sache Erfolg. Der nachträglichen Schutzerstreckung der international registrierten Wortmarke "HELIOCARE" auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG oder ein bestehendes Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2006, 233, 235 (Nr. 45) "Standbeutel"; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) "EUROHYPO"; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"; GRUR 2005, 417, 418 "BerlinCard"; GRUR 2008, 710 (Nr. 12) "VISAGE"). Die Unterscheidungskraft ist hierbei zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 (Nr. 50) "Henkel"; BGH a. a. O. (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"; a. a. O. (Nr. 13) "VISAGE"). Zu berücksichtigen ist ferner -wie die Markeninhaberin zu Recht herausgestellt hat -, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl.

u.

a. EuGH a. a. O. (Nr. 53) "Henkel"; BGH MarkenR 2000, 420, 421 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"; GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor"; BGH a.

a. O. "marktfrisch"; GRUR 2001, 1153 "anti KALK"; GRUR 2005, 417, 418 "BerlinCard") oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die -etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien -stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 "Gute Zeiten -Schlechte Zeiten"; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 "Cityservice"; a. a. O. (Nr. 19) "FUSSBALL WM 2006").

Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Hintergrunds kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass die Wortmarke "HELIOCARE" dem Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.

Die Markenstelle ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die angemeldete Marke aus den Elementen "HELIO" und "CARE" zusammengesetzt ist. Das Wort "helio" entstammt der altgriechischen Sprache und bedeutet "Sonne" (vgl. die "Liste griechischer Wortstämme in deutschen Fremdwörtern" im Internet-Lexikon "Wikipedia" unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_griechischer_W...); das Wort "care" ist dagegen dem englischamerikanischen Sprachkreis entnommen und kann für die Bedeutungen "Pflege" oder "Sorge" stehen. Bei dem Wort "care" wird man allerdings nicht davon ausgehen dürfen, dass es in den deutschen Sprachschatz Eingang gefunden hat. In Wörterbüchern der deutschen Sprach findet sich unter dem genannten Stichwort regelmäßig nur ein Hinweis auf die 1946 in den USA entstandene Hilfsorganisation "CARE", deren Name in erster Linie als Akronym aus der Bezeichnung "Cooperative for American Remittances to Europe" anzusehen ist (vgl. Duden -Das Fremdwörterbuch, CD-ROM, 9. Aufl., Mannheim 2007). Allerdings wird das Wort "care" auf dem vorliegenden Warengebiet überaus häufig als beschreibende Angabe im Sinne von "Pflege" eingesetzt. Hiervon ausgehend ist die Annahme gerechtfertigt, dass jedenfalls die mit Fremdsprachen befassten oder an diesen interessierten Durchschnittsverbraucher den jeweiligen Sinngehalt der beiden Wortbestandteile verstehen und insoweit einen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren herstellen. Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Marke die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich nämlich nicht nur danach an, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 99) "Postkantoor"; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 40) "BIOMILD"; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 120). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung so weit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. zur Kombination zweier Abkürzungen: BGH GRUR 1995, 408, 409 "PROTECH"; zur Zusammensetzung einer lateinischstämmigen Wirkstoffangabe mit einer dem Deutschen entnommenen Bezeichnung der Darreichungsform: BPatG GRUR 1997, 639, 640 "FERROBRAUSE"; s. ferner BPatG, Beschl. v. 27. September 2006, 32 W (pat) 50/05 "linguadict" und Senatsbeschl. v. 7. April 2009, 24 W (pat) 124/06 "derma fit"). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

Durch die ungewöhnliche Aggregation des altgriechischen Wortes "helio" mit dem englischsprachigen Wort "care" entsteht eine neuartige Wortkombination, die aus sich heraus originell und insoweit ohne Weiteres individualisierend wirkt. Zu berücksichtigen ist zwar, dass zu den angesprochenen Verkehrskreisen, auf deren Wahrnehmung abzustellen ist, auch die Fachkreise zählen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) "Matratzen Concord/Hukla") und daher im vorliegenden Fall auch solche Personen einzubeziehen sind, die beruflich mit Produktion und/oder Handel von Mitteln zur Körperund Schönheitspflege o. ä. Waren befasst sind. Vor allem diesen fachkundigen Kreisen wird der beschreibende Aussagegehalt von "HELIOCARE" nicht verborgen bleiben; auch insoweit ist aber davon auszugehen, dass der ungewöhnliche sprachliche Gesamteindruck der Schutz suchenden Marke noch hinreichende Unterscheidungskraft im Sinne eines sprechenden Zeichens verleiht.

Im Hinblick auf ihre fantasievolle Wortbildung unterliegt die Schutz suchende Marke ungeachtet etwaiger beschreibender Anklänge auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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