AG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.01.2022 - 30 C 4113/20 (47)
Fundstelle
openJur 2022, 12121
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch auf Lizenzkostenersatz in Höhe von 620,00 EUR gegen die Klägerin zusteht, wie er mit Schreiben der Rechtsanwältin ... aus ... vom 21.11.2019 unter deren Aktenzeichen 270/19 geltend gemacht wurde.

Es wird ferner festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 347,00 EUR gegen die Klägerin zusteht, wie er mit Schreiben der Rechtsanwältin ... aus ... vom 21.11.2019 unter deren Aktenzeichen 270/19 geltend gemacht wurde.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 413,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.11.2020 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche des Beklagten aus Urheberrechtsverletzung, die er außergerichtlich gegen die Klägerin geltend machte.

Der Beklagte ist Fotograf. Er stellte auf der Internetseite Wikimedia zwei Fotos aus der Stadt Gelnhausen ein. Eines zeigt eine Stadtansicht, das andere das Gelnhausener Rathaus. In den Angaben zu den Bilddateien ist zum einen ausgeführt, dass es erlaubt sei, das Bild unter der Bedingung der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder später, zu nutzen. Zum anderen ist angegeben, dass die Dateien unter der Creative-Commons-Lizenz "Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert" genutzt werden dürfen.

Die Bilddateien wurden unter folgenden Internetadressen eingestellt:

Stadtansicht:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gelnhausen_Stadtansicht.jpgRathaus:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rathaus_Gelnhausen.jpg

Die Klägerin ist selbstständige Gewerbetreibende. Sie nutzte beide Bilder auf ihrer eigenen Internetseite, ohne den Namen des Beklagten zu nennen. Mit Schreiben unter dem Aktenzeichen 270/19 vom 27.11.2019 der Rechtsanwältin ... aus ... mahnte der Beklagte die Klägerin ab und forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung bezüglich der Bildnutzung. Außerdem machte er eine Zahlung von 620,00 EUR wegen Verletzung seiner Namensrechte geltend. Ferner verlangte er die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 347,60 EUR, errechnet aus einem Gegenstandswert von 4.000 EUR. Auf Seite 2 des genannten Schreibens heißt es: "Er hat diese Lichtbilder unter den Bedingungen der Lizenz für freie Dokumentation beim zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons namentlich veröffentlicht:" Mit Schreiben vom 10.01.2020 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in deren Namen, dass diese künftig unter Androhung einer Vertragsstrafe die Verbreitung der beiden Bilddateien unterlassen werde.

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte sei allenfalls Hobbyfotograf. Zudem ist sie der Ansicht, dass sie weder eine Schadensersatzzahlung schulde, noch wirksam abgemahnt worden sei. Daher sei sie auch nicht verpflichtet, dem Beklagten seine außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten.

Die Klägerin beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Lizenzkostenersatz in Höhe von 620,00 EUR zusteht, wie geltend gemacht mit Anwaltsschreiben vom 21.11.2019, Anlage K1,

2. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 347,00 EUR, wie geltend gemacht mit Anwaltsschreiben vom 21.11.2019, Anlage K1,

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Kosten für die vorgerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 4.967,80 EUR zuzüglich Kostenpauschale in Höhe von 20,00 EUR, mithin 413,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, Berufsfotograf zu sein. Dies sei zwar nicht sein Hauptberuf, aber ein ständiger Nebenerwerb. Mehrere namhafte Unternehmen hätten beispielsweise Bilder von ihm lizenziert. Daher sei nicht nur die Abmahnung zu Recht erfolgt, er habe auch einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Die Klageschrift ist dem Beklagten am 27.11.2020 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Frankfurt am Main örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 32 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 105 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) und § 35 Nr. 1 lit. a) der hessischen Justizzuständigkeitsverordnung (JuZuVO). Die streitgegenständlichen Ansprüche beruhen auf einer unerlaubten Handlung der Klägerin in Form der Verletzung der höchstpersönlichen Rechte des Beklagten aus seinem Urheberpersönlichkeits- bzw. Namensrechts. Diese beging sie an ihrem Wohnsitz in Gelnhausen. Die unerlaubte Handlung ist im Sinne des § 32 ZPO sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort begangen.1BGH NJW 2011, 2059.BGH NJW 2011, 2059. Zwar ist der Erfolgsort zumindest auch in L., dem Wohnsitz des Beklagten. Allerdings darf die Klägerin nach § 35 ZPO unter mehreren möglichen Gerichtsständen wählen, sodass hier das für ihren Wohnsitz in Gelnhausen örtlich zuständige Gericht zulässigerweise angerufen werden konnte. Grundsätzlich ist dies das Amtsgericht Gelnhausen, welches dem Landgericht Hanau untergeordnet ist. Nach § 105 UrhG in Verbindung mit § 35 Nr. 1 lit. a) JuZuVO sind alle Urheberrechtsstreitigkeiten, für die die Amtsgerichte im Landgerichtsbezirk Hanau zuständig sind, dem Amtsgericht Frankfurt am Main zugewiesen.

Zudem weist die Klägerin dass für die Klageanträge zu 1) und zu 2) gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse auf. Sie begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zum Beklagten. Das Feststellungsinteresse besteht in solchen Fällen unter anderem dann, wenn sich der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt.2ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH NJW 1986, 129, 130.ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH NJW 1986, 129, 130. Ein solches Berühmen liegt unter anderem in einer Abmahnung.3 Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO - Zivilprozessordnung, 18. Aufl. München 2021, § 256 ZPO Rn. 10.Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO - Zivilprozessordnung, 18. Aufl. München 2021, § 256 ZPO Rn. 10. So liegen die Dinge hier. Der Beklagte mahnte die Klägerin ab und berühmte sich dabei eines Schadensersatzanspruches.

II.

Die Klage ist auch begründet.

1. Dem Beklagten steht wegen der Verwendung seiner Bilder auf der Homepage der Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der haftungsbegründende Tatbestand einer Urheberrechtsverletzung erfüllt ist. Jedenfalls ist dem Beklagten kein Schaden entstanden.

Hierbei ist zwar zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit seiner fotografischen Tätigkeit einen ständigen Nebenerwerb erzielt, wie er durch die Vorlage zahlreicher Rechnungen belegen konnte. Auch wenn die Fotografie nicht seinen Hauptberuf darstellt, ist sein nicht nur immaterielles Interesse an einer Namensnennung entsprechend der von ihm verwendeten Lizenzen grundsätzlich anzuerkennen. Allerdings ist auch in Rechnung zu stellen, das die verwendeten Lizenzen die entgeltlose Verwendung seiner Werke vorsehen. Dabei kann es dahinstehen, ob auf das Bild der Stadtansicht die GNU-Lizenz für freie Dokumentation oder die Creative-Commons-Lizenz anwendbar ist. Schließlich sehen beide Lizenzen vor, dass die Werke ohne Entgelt verwendet dürfen, jedoch der Name des Beklagten zu nennen ist.

Dennoch ist kein in Geld bezifferbarer Schaden entstanden. Zwar würden in Fällen wie dem vorliegenden die Lizenzpartner grundsätzlich eine Lizenzgebühr vereinbaren, da die Verwendung ohne Namensnennung einen Vorteil des Verwenders darstellt.4OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.10.2019, Az.: 11 U 95/18, Rn. 41 (juris).OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.10.2019, Az.: 11 U 95/18, Rn. 41 (juris). Grundlage für die Schadensermittlung ist jedoch der Verlust, den der Urheber durch den entgangenen Werbeeffekt erleidet.5OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.10.2019, Az.: 11 U 95/18, Rn. 41 (juris).OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.10.2019, Az.: 11 U 95/18, Rn. 41 (juris). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass dem Beklagten Aufträge dadurch entgangen sind, dass die Klägerin seine Bilder verwendete. Es handelt sich nicht um Bilder, die sich von zahlreichen anderen Stadtansichten abheben würden oder sonst einen besonderen Werbewert hätten. Gerade bei derlei Fotografien ist nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon auszugehen, dass Dritte bei Betrachtung der Fotos unter Nennung des Namens des Urhebers nach diesem gesucht und ihm Aufträge erteilt hätten.

Ebenso ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch die Verwendung der Bilder einen Gewinn erzielte, der unter dem Gesichtspunkt des Verletzergewinns herauszugeben wäre.

2. Dem Beklagten steht auch kein Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Anspruchsgrundlage hierfür wäre allenfalls § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG. Dies setzt jedoch voraus, dass die Abmahnung den Anforderungen gemäß § 97a Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 UrhG entspricht, was vorliegend nicht der Fall ist. Es wurde nicht, wie in § 97a Abs. 2 Nr. 2 UrhG gefordert, die Rechtsverletzung genau bezeichnet. Eine genaue Bezeichnung erfordert so konkrete Angabe der Verletzungshandlung, dass der Schuldner erkennen kann, was ihm in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorgeworfen wird.6BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az.: I ZR 19/14, Rn. 70.BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az.: I ZR 19/14, Rn. 70. Auf Seite 2 der Abmahnung wurde dagegen nur auf die GNU-Lizenz für freie Dokumentation verwiesen. Dabei sind die Dateien immer auch unter der Creative-Commons-Lizenz eingestellt worden. Der Verstoß gegen die Creative-Commons-Lizenz hätte damit auch genannt werden müssen. Ein Verweis auf die Lizenzbestimmungen auf der Internetseite reichte demgegenüber jedenfalls deswegen nicht aus, weil auf die GNU-Lizenz ausdrücklich verwiesen und damit der Eindruck erweckt wurde, diese sei die einzige verwendete Lizenz. Dementsprechend wurde auch der Eindruck erweckt, die Rechtsverletzung bestehe allein in dem Verstoß gegen die GNU-Lizenz. Ein Ausmaß des Vorwurfes in rechtlicher Hinsicht ist der Abmahnung damit nicht zu entnehmen.

3. Der Klägerin steht dagegen ein Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 413,90 EUR aus § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG zu gegen den Beklagten zu. Die Abmahnung war, wie oben unter II. 2. ausgeführt, unwirksam. Auf die Frage der Erkennbarkeit für den Beklagten kommt es nicht an, da die in § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG a. E. vorgesehene Exkulpationsmöglichkeit nur auf die Unberechtigung einer Abmahnung, nicht aber auf die Unwirksamkeit abstellt. Die Errechnung aus einem Gegenstandswert, wie sie in der Klageschrift dargelegt wurde, stößt auf keine Bedenken. Es war der Beklagte, der für den Rechtsstreit um die Urheberrechtsverletzung einen Gegenstandswert von 4.000,00 EUR aufrief. Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erstreckte sich damit zum einen auf die Urheberrechtsverletzung, zum anderen auf die darauf erwachsenden materiellen Ansprüche. Die Gegenstandswerte sind damit zu addieren.

Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Dabei ist als Zinsbeginn entsprechend § 187 Abs. 1 BGB der Tag nach Zustellung der Klage, die am 27.11.2020 erfolgte, anzusetzen.7BGH, Urteil vom 04.07.2017, Aktenzeichen: XI ZR 562/15.BGH, Urteil vom 04.07.2017, Aktenzeichen: XI ZR 562/15.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Beklagten aufzuerlegen, da er antragsgemäß verurteilt wurde. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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