BPatG, Beschluss vom 18.02.2009 - 26 W (pat) 16/08
Fundstelle
openJur 2011, 109850
  • Rkr:
Tenor

BPatG 152 Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung der für die Ware "Möbel" bestimmten dreidimensionalen Markezurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handele es sich um die naturgetreue fotografische Abbildung eines Bürodrehstuhls, also einer Ware, die von dem Warenoberbegriff "Möbel" umfasst sei. Wenngleich an dreidimensionale Warenformen keine strengeren Anforderungen als an andere Markenformen zu stellen seien, sei bei der Prüfung ihrer Unterscheidungskraft doch zu berücksichtigen, dass der Verkehr eine Marke, die mit dem äußeren Erscheinungsbild der beanspruchten Ware übereinstimme, nicht in gleicher Weise als betrieblichen Herkunftshinweis ansehe wie die üblicherweise verwendeten Wortmarken; denn die Form der Ware werde zunächst nur als funktionale oder ästhetische Gestaltung aufgefasst, sodass regelmäßig nur eine erheblich von der Branchenüblichkeit abweichende Gestaltung die betriebliche Herkunftsfunktion erfüllen könne. Eine solche erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweichende Gestaltung weise die angemeldete Marke nicht auf. Der als Marke beanspruchte Bürodrehstuhl weise vielmehr typische Elemente dieser Ware auf. Ein Untergestell mit fünf Füßen sei bei Bürostühlen Standard. Bei der Ausgestaltung der Rahmen-, Sitzund Lehnenformen gebe es im Handel eine große Formenvielfalt. Insoweit hat der Erstprüfer auf eine Anzahl von seinem Beschluss beigefügten Ablichtungen aus Prospekten von Möbelfirmen Bezug genommen. Von dieser Formenvielfalt hebe sich die angemeldete Bürostuhlform nicht so deutlich ab, dass der Verkehr darin mehr als den Versuch einer ansprechenden ästhetischen Gestaltung sehen werde. Deshalb fehle der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft.

Die dagegen gerichtete Erinnerung hat der Erinnerungsprüfer mit Beschluss vom 22. Oktober 2007 unter Bezugnahme auf die Gründe des Erstprüferbeschlusses zurückgewiesen.

Gegen die Zurückweisung der Anmeldung wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie macht in ihrer vor dem Zugang des Berichtigungsbeschlusses verfassten Beschwerdebegründung geltend, für den vom Erinnerungsprüfer angenommenen Zurückweisungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fehle es in den angegriffenen Beschlüssen an jeglicher Begründung. Der Zurückweisungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei offenbar fallengelassen worden. Ergänzend verweist sie auf ihre Ausführungen gegenüber der Markenstelle, in denen sie im Einzelnen dargelegt hat, weshalb die Form des als Marke beanspruchten Bürostuhls ihrer Ansicht nach erheblich von der Norm und der Branchenüblichkeit abweiche. Insoweit verweist sie insbesondere auf die besondere Formgebung des Stuhlrahmens und der Stuhlbespannung sowie die ihrer Ansicht nach außergewöhnliche und nicht naheliegende farbliche Gestaltung des Bürostuhls. Die Anmelderin beruft sich ferner darauf, dass der ebenfalls aus der Form eines Bürostuhl bestehenden dreidimensionalen IR-Marke 763 550 in Deutschland für "Möbel" Schutz bewilligt worden sei.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin erweist sich als unbegründet.

1. Für die von der Anmelderin geltend gemachte mangelnde Begründung des Erinnerungsprüferbeschlusses fehlt es im vorliegenden Fall schon deshalb an tatsächlichen Anhaltspunkten, weil die Zurückweisung der Anmeldung in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 22. Oktober 2007 gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, und nicht -wie von der Anmelderin in der Beschwerdebegründung angeführt -gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfolgt ist.

Für die auf § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützte Zurückweisung der Anmeldung fehlt es auch nicht an der notwendigen Begründung. Der angegriffene Beschluss lässt erkennen, dass eine erneute Überprüfung der Sachund Rechtslage durch den Erinnerungsprüfer stattgefunden hat und dass diese zu dem gleichen, für die Anmelderin negativen Ergebnis geführt hat. Er lässt ferner erkennen, dass der Erinnerungsprüfer die zur Begründung der Zurückweisung vom Erstprüfer im Beschluss vom 28. August 2007 dargelegten, der Anmelderin bekannten Gründe für zutreffend erachtet und sich vollumfänglich zu eigen macht. Ein Begründungsmangel, der nur gegeben ist, wenn nicht erkennbar ist, welche Überlegungen die Entscheidung tragen, ist angesichts der vorgenannten Feststellungen des Erinnerungsprüfers nicht gegeben. Auch die kurze und summarische Angabe der Entscheidungsgründe unter weitgehender Bezugnahme auf die Gründe des Erstprüferbeschlusses stellt keinen Begründungsmangel dar, weil die Entscheidungsgründe nach § 313 Abs. 3 ZPO, der sinngemäß auch im Verfahren vor der Markenstelle des DPMA gilt, nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten müssen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

2. Der angemeldeten Marke fehlt auch die erforderliche Unterscheidungskrafti. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft i. S. d. vorgenannten Bestimmung besitzt eine Marke nur dann, wenn sie geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die Schutz begehrt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Produkte somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2002, 804 ff. -Philips). Zwar darf, wie die Anmelderin im Ausgangspunkt zu Recht betont, die Prüfung bei dreidimensionalen Marken nicht strenger als bei anderen Markenformen ausfallen (EuGH GRUR Int. 2004, 631 -TABS). Da aber davon auszugehen ist, dass der Verkehr die Form einer Ware nicht in gleicher Weise auffasst wie eine Wortoder Bildmarke und aus der Form der Ware gewöhnlich nicht auf deren betriebliche Herkunft schließt, besitzt eine Formmarke nach der ständigen, wegen der Harmonisierung des europäischen Markenrechts auch für die Anmeldung nationaler Marken bedeutsamen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dann Unterscheidungskraft, wenn sie erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht (EuGH GRUR 2004, 428 -Henkel; GRUR 2006, 235 -Standbeutel). Die Warenform muss es dem durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher auch ohne analysierende und vergleichende Betrachtungsweise ermöglichen, die betreffenden Waren von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH a. a. O. -Henkel; GRUR Int. 2005, 135 -Maglite). Weist das Warenumfeld bereits eine große Vielfalt von Formen auf, in die sich die angemeldete Marke ohne Weiteres einfügt, so wird der Verkehr in einer bestimmten, ggf. auch neuen Formgestaltung nur dann einen Herkunftshinweis sehen, wenn er diese Form nicht einer konkreten Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGH GRUR 2004, 329 -Käse in Blütenform; GRUR 2006, 679 -Porsche Boxster).

Hiervon ausgehend ist im vorliegenden Fall die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke für "Möbel" zu verneinen. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um einen Bürostuhl (gelegentlich auch als "Bürosessel" bezeichnet), der eine Sitzfläche, eine Rückenlehne, zwei Armlehnen, einen Hebel zur Einstellung der Sitzhöhe sowie ein fünfstrahliges Untergestell aufweist, auf dem das Stuhloberteil drehbar gelagert ist. Sämtliche vorgenannten Merkmale weisen auch andere Bürostühle bzw. Bürosessel auf. Auch in der konkreten Ausgestaltung der vorgenannten Elemente hebt sich der vorliegend als Marke beanspruchte Bürostuhl, wie bereits die Markenstelle mit zutreffender Begründung festgestellt hat, nicht so erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit ab, dass der durchschnittlich informierte und angemessen aufmerksame und verständige Möbelkäufer in seiner Formgebung einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen könnte. Ein fünfstrahliges Drehgestell auf Rollen gehört bei Bürostühlen zur Standardausstattung. Die weitgehend ergonomischen Anforderungen Rechnung tragende Ausformung der Sitzfläche und des Stuhlrückens bewegt sich im Rahmen des branchenüblichen Formenschatzes. Geradlinige Armlehnen sind ebenfalls branchenüblich. Gleiches gilt für die Verbindung der Materialien Metall und (Kunst-)Leder. Eine Strukturierung der Sitzfläche und des Stuhlrückens durch senkrechte bzw. waagerechte Linien, die zum einen der Verbesserung des Sitzkomforts und zum anderen der ästhetischen Gestaltung dient, findet sich ebenfalls bei vielen Bürostühlen bzw. Bürosesseln verschiedener Anbieter wieder. Letztlich finden sich im aktuellen Angebot der Anbieter von Bürostühlen und Bürosesseln auch sowohl solche, die einen einteiligen Sitzund Rückenbezug aufweisen, als auch solche, deren Rückenlehne und Sitzfläche zweiteilig ausgebildet sind. Der hinter der Rückenlehne angebrachte Metallbügel ist nicht nur ein gängiges Gestaltungsmittel, sondern hat zudem eine funktionelle Qualität, weil er es dem hinter dem Stuhl stehenden Benutzer ermöglicht, den Bürostuhl dort anfassen und schieben bzw. ziehen zu können.

Zum Nachweis dafür, dass sich sämtliche Gestaltungsmittel der angemeldeten Marken einzeln bzw. miteinander kombiniert in gleicher oder ähnlicher Form auch im Angebot anderer Hersteller finden, wird allgemein auf die bereits von der Markenstelle mit dem Beschluss vom 28. August 2007 sowie auf die vom Senat mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Abbildungen von Bürostühlen und im besonderen auf die unter der Internetadresse www.topdeq.de unter den Bezeichnungen "Alice", "Hera" und "Elliot" angebotenen Bürodrehstühle verwiesen, die im Wesentlichen die gleichen Gestaltungselemente aufweisen wie die angemeldete Marke und von denen diese sich jedenfalls nicht -wie dies für eine Eintragung erforderlich wäre -erheblich abhebt.

Soweit sich die Anmelderin demgegenüber auf Voreintragungen anderer, ihrer Ansicht nach ähnlich gestalteter dreidimensionaler Marken beruft, vermag dies die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marke nicht zu begründen. Dass das Deutsche Patentund Markenamt oder eine andere internationale oder ausländische Behörde eine identische oder vergleichbare Marke eingetragen hat, vermag nach ständiger Rechtsprechung weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung zu führen oder sonst ein Recht auf Eintragung einer Marke zu begründen; denn die Eintragung einer Marke hängt in jedem Einzelfall von besonderen rechtlichen Voraussetzungen ab, anhand derer ermittelt werden muss, ob die Marke unter eines der in § 8 MarkenG aufgeführten Schutzhindernisse fällt (EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1015, Nr. 47 -BioID; Beschluss vom 12.02.2009 -C 39/08 und C 43/08, Nr. 13-19 -Schwabenpost; BGH GRUR 1989, 420, 421 -KSÜD; BlPMZ 1998, 248, 249 -Today). Außerdem muss der von der Anmelderin angeführte Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang gebracht werden mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns. Daraus folgt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu Gunsten eines Anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH Rechtssache C 43/08. Nr. 18 -Schwabenpost).

Der Beschwerde muss der Erfolg daher versagt bleiben.

Dr. Fuchs-Wissemann Kopacek Reker Me