BPatG, Beschluss vom 08.10.2001 - 30 W (pat) 236/00
Fundstelle
openJur 2011, 109424
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 vom 4. Januar 1999 und vom 26. September 2000 teilweise aufgehoben.

Wegen Gefahr von Verwechslungen mit der Marke 2 083 907 wird die Löschung der angegriffenen Marke bezüglich der Waren "Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie, vitaminhaltige und isotonische Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken" angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 396 55 194 die Marke ELCH ART als Kennzeichnung für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen darunter

(Klasse 32) Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie, vitaminhaltige und isotonische Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;

(Klasse 33) alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);

(Klasse 29) nicht alkoholische Milch-Mix-Getränke;

(Klasse 42) Beherbergung, Verpflegung und Bewirtung von Gästen.

Gegen diese Waren und Dienstleistungen hat die Inhaberin der rangälteren farbigen Wort-/Bildmarke 2 083 907 siehe Abb. 1 am Ende

(nach einer entsprechenden Beschränkung im Beschwerdeverfahren) Widerspruch erhoben. Die rangältere Marke ist für die Waren Biere, nämlich Pilseingetragen.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen eine Verwechslungsgefahr verneint. Zur Begründung ist ausgeführt, auch bei identischen Waren scheitere eine Gefahr von Verwechslungen daran, daß die jüngere Marke nicht von dem übereinstimmenden Bestandteil ELCH geprägt werde. Der weitere Markenbestandteil ART nämlich, der im Deutschen im Sinne von "Sorte, Gattung" verwendet werde, heiße im Englischen und Französischen "Kunst". In eben dieser Bedeutung aber sei er für die maßgeblichen alkoholischen und nicht alkoholischen Getränke ohne einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt und werde vom Verkehr deshalb nicht vernachlässigt. Bei einem Vergleich der Zeichen in ihrer Gesamtheit seien Verwechslungen nicht möglich.

Die Widersprechende hat hiergegen Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, in beiden Marken komme dem Bestandteil ELCH eine selbständig kollisionsbegründende Wirkung zu. In der älteren Marke ergebe sich dies schon aus der graphischen und farblichen Herausstellung dieses Wortes und in der jüngeren Marke werde das Wort ELCH durch den Zusatz ART als Hinweis auf artgleiche Individuen begrifflich gestützt. Außer der Widersprechenden gebe es keinen Hersteller von Bieren, der in seiner Marke den Bestandteil Elch führe, so daß von einer Kennzeichnungsschwäche der Marke nicht ausgegangen werden könne.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke für die nunmehr noch angegriffenen Waren anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bekräftigt die Ausführungen der Markenstelle zur Mehrdeutigkeit des Bestandteils ART und weist darauf hin, daß in Verbindung mit ELCH ein Phantasiewort ohne bestimmten Bedeutungsinhalt entstehe. Der Verkehr werde deshalb keinen der beiden Bestandteile außer Betracht lassen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und Abs 2 Markengesetz) und hat im Umfang der im Beschlußtenor genannten Waren Erfolg.

Soweit sich identische und erheblich ähnliche Waren gegenüberstehen (Klasse 32), besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz, so daß insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war.

Soweit die Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit entfernter ist (Klassen 33, 29, 42), war eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.

Die Rechtsfrage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz vorliegt, ist unter Berücksichtigung des Einzelfalls durch die Abwägung insbesondere der Faktoren Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Ähnlichkeit der Marken zu entscheiden (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN). Im Bereich von identischen und stark ähnlichen Waren (hier Biere) kann der Rechtsinhaber eines älteren Markenrechts einen besonders deutlichen Abstand jüngerer Marken verlangen, vorausgesetzt, es liegen keine die Verwechslungsgefahr mindernder Umstände vor, wie zB ein eingeschränkter Schutzumfang seiner Marke oder ein besonders aufmerksamer (Fach-)Verkehr. Derartiges ist hier nicht gegeben.

Die Widerspruchsmarke ist eine farbige Wort-/Bildmarke, bestehend aus zwei Etiketten, wie sie typischerweise auf Bierflaschen zu finden sind. Sie ist nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch in dem durch Schriftgröße und -farbe hervorgehobenen Wortbestandteil ELCH PILS aussagekräftig. Ein beschreibender Bedeutungsanklang des Namens der größten Hirschart auf ein Pils ist nicht erkennbar. Diese ursprünglich gegebene durchschnittliche Kennzeichnungskraft ist auch nicht reduziert. Hinweise darauf, daß die Marke wegen benutzter Drittzeichen in der gleichen oder in eng benachbarten Branchen eine Schwächung erfahren hat, weil sich der Verkehr an die Existenz einer derartigen Kennzeichnung gewöhnt haben sollte (vgl BGH MarkenR 2001, 307 CompuNet/ComNet) haben sich nicht ergeben; die Behauptung der Widersprechenden, es geben keinen weiteren Hersteller von Bieren, der das Wort ELCH in seiner Marke benutze, blieb unwidersprochen.

Dieser durchschnittliche Schutzumfang wird von der jüngeren Marke im Bereich der Waren der Klasse 32 zumindest beim klanglichen Vergleich der beiden Marken berührt, denn der Gesamteindruck beider Marken wird dort durch den Bestandteil ELCH geprägt. Daß der Gesamteindruck einer Wort-/Bildmarke, wie es die ältere Marke ist, in aller Regel durch den Wortbestandteil geprägt wird - denn dieser bildet die einfachste Möglichkeit, die Marke zu benennen - entspricht ständiger Rechtsprechung (zuletzt BGH MarkenR 2001, 311 - Münsterland; BGH vom 26. November 2001, I ZR 212/98, Bit/Bud, veröffentlicht in JURIS). Insbesondere bei Bieren wird ein bedeutender Umsatz durch die mündliche Bestellung zB in Gastwirtschaften erzielt (vgl BGH - Bit/Bud aaO). Bei der Benennung der älteren Marke werden die sich auf dem unteren Etikett befindlichen zT beschreibenden Hinweise auf den Alkoholgehalt, die Füllmenge, den (kaum lesbaren) Hersteller, das Haltbarkeitsdatum usw außer Betracht bleiben. Die verbleibende Kennzeichnung ELCH PILS wird allein durch den Bestandteil ELCH bestimmt, denn dieser ist durch die Schriftfarbe (rot) und den abgebildeten Elch deutlich hervorgehoben und neben dem unzweideutig die Waren selbst beschreibenden Wort PILS einzig zur Identifikation des Produkts geeignet (vgl MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Nimmt man die Neigung des Verkehrs zur Verkürzung von Warenkennzeichnungen hinzu, so wird ein maßgeblicher Teil der Verbraucher die eigentliche Kennzeichnung der Marke in dem Bestandteil ELCH sehen und bei der Bestellung das Pils auch allein mit diesem Wort benennen.

Der Aussagegehalt der jüngeren Marke ELCH ART und insbesondere die Frage, ob der Gesamteindruck durch einen Markenteil bestimmt wird, ist anhand der jeweiligen Waren zu überprüfen. Ein Begriff, der in Verbindung mit bestimmten Waren mehrdeutig ist, kann bei anderen Waren einen eindeutigen Aussagegehalt besitzen. So ist es hier mit dem Bestandteil ART. Der Markenstelle ist Recht zu geben, daß man in diesem Wort wegen der bekannten Begriffe Pop Art, Art deco und Art director durchaus das englisch/französische Wort für "Kunst" sehen kann. Dies kann aber nur für Waren gelten, bei denen der Gedanke an eine fremdsprachige Kennzeichnung aufkommt, weil sie dort üblich ist. Das mag zB bei Waren, wie Schmuck, Kleidung, Kunstgegenstände und auch Software udgl der Fall sein, bei Bieren und den weiteren angegriffenen Waren der Klasse 32 trifft dies aber nicht zu. Diese Getränke werden regelmäßig mit deutschen Worten (zB des Herstellers, des Ursprungs oder der Zusammensetzung) gekennzeichnet. Auch handelt sich um häufig gekaufte Waren des täglichen Lebens, bei denen der Verbraucher zwar auf die Zusammensetzung und Herkunft achtet, Überlegungen in Richtung mehrdeutiger und gedanklich weiterführender Kennzeichnungen aber nicht anstellt. Er wird vielmehr das Wort ART in seiner deutschen und naheliegendsten Bedeutung im Sinne von "Gattung" und "Sorte" verstehen und an Wortverbindungen wie "nach Art des ..." oder "nach .. Art" denken. Die eigentliche Produktkennzeichnung wird er sodann dem Bestandteil ELCH beimessen, womit zumindest bei identischen Waren eine Verwechslungsgefahr vorliegt.

Angesichts dieser bedeutenden Übereinstimmung der beiden Marken ist eine Verwechslungsgefahr auch bei den weiteren Waren der Klasse 32 nicht auszuschließen. Diese Getränke begegnen dem Verbraucher ständig unmittelbar nebeneinander und werden auch regelmäßig von ein und derselben Brauerei hergestellt und angeboten, so daß der Verbraucher bei einer identischen Kennzeichnung der Waren diese ohne weiteres demselben Hersteller zuordnen wird (vgl hierzu Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen 11. Aufl, S 88).

Anders ist es bei den alkoholischen Getränken (ausgenommen Biere) der Klasse 33, denn diese können zwar im Vertrieb und im Verbrauch auf die Ware Pils treffen, werden vom Verbraucher und Endabnehmern aber nicht, was ihre Ursprungsidentität betrifft, ohne weiteres der Kontrolle ein und desselben Unternehmers zugeordnet. Ihre Warenähnlichkeit, so sie vorliegt, liegt damit in einem entfernteren Bereich. Nichts anderes gilt für die nicht alkoholischen Mixgetränke der Warenklasse 29 und die Beherbergung, Verpflegung und Bewirtung von Gästen (Klasse 42). Selbst wenn man hier zugunsten der Widersprechenden eine entfernte Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bejaht, so ist die Ähnlichkeit der Marken nicht derart stark, daß sie eine Verwechslungsgefahr begründen könnte.

Insoweit war die Beschwerde deshalb ohne Erfolg.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt , § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Dr. Buchetmann Voit Schwarz-Angele Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/30W(pat)236-00.2.3.gif