LG Hamburg, Beschluss vom 10.12.2021 - 308 O 193/21
Fundstelle
openJur 2022, 9928
  • Rkr:
Tenor

Der Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 11.11.2021 (Bl. 35 d. A.) wird nicht abgeholfen.

Gründe

Der Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin ist nicht abzuhelfen, weil die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 11.11.2021 nicht fehlerhaft war. Der Streitwert ist mit 125.000,- € richtig bemessen. Die hiergegen gerichteten Einwände der Antragsgegnerin greifen nicht durch.

1. Für die einzelnen Fotos ist ein Streitwert von jeweils 8.000,- € anzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist schon bei einem Verbot der gewerblichen Nutzung eines einzelnen bloßen "Schnappschusses" die Bemessung des Gegenstandswerts mit 6.000,- € nicht als rechtsfehlerhaft anzusehen (BGH GRUR 2019, 292 Rn. 29 - Foto eines Sportwagens). Von einem bloßen Schnappschuss heben sich die streitgegenständlichen Produktfotografien erkennbar ab. Es handelt sich um klare, spiegelfreie Aufnahmen der Produkte; zum Teil wurden die Produkte und ihr Zubehör für die Fotoaufnahme speziell positioniert. Außerdem beinhalten die Bilder den weiteren Produktionsschritt, dass die Produktabbildungen vom Hintergrund gelöst und isoliert dargestellt wurden.

2. Bei der Gesamtbewertung ist vorliegend keine Reduzierung mit Blick darauf vorzunehmen, dass die rechtswidrige Nutzung von 14 Fotografien angegriffen worden ist. Zwar ist in Fällen der Rechtsverletzung in Bezug auf eine Vielzahl von urheberrechtlich geschützten Werken in der Regel von einem abgestuften Streitwertsystem auszugehen, bei dem insbesondere bei Rechtsverletzungen in großem Umfang nicht mehr eine reine Addition der Einzelstreitwerte erfolgt, sondern entweder eine Reduzierung der Einzelwerte oder eine Pauschalbewertung vorgenommen wird. Dies beruht auf der Überlegung, dass ein Rechtsverletzer, der erstmalig wegen einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen wird, nicht deshalb übermäßig mit Kosten belastet werden soll, weil er - vor einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage - nicht nur einzelne, sondern Verstöße in größerem Umfang (im Regelfall fahrlässig) begangen hat, die er bei Kenntnis der zutreffenden rechtlichen Beurteilung unterlassen hätte. Deshalb ist der für die Streitwertbemessung maßgebliche Angriffsfaktor der weiteren rechtsverletzenden Handlungen nicht stets gleich hoch zu bemessen (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 11.2.2009, Az. 5 U 154/07, BeckRS 2009, 17540; OLG Hamburg, Beschl. v. 01.12.2016, Az. 5 W 52/16; vgl. auch OLG Köln BeckRS 2019, 305 Rn. 68).

Allerdings hat eine "Vergünstigung" im Wege einer Reduzierung des Gesamtstreitwerts zu unterbleiben, wenn der Angriffsfaktor des Verhaltens des Verletzers im Einzelfall besonders hoch ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sich ein Verletzer willentlich einer ihm bekannten und für ihn maßgeblichen rechtlichen Beurteilung verschlossen hat oder planmäßig Rechtsverletzungen begeht (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 11.2.2009, Az. 5 U 154/07, BeckRS 2009, 17540).

Vorliegend war es für die Antragsgegnerin ersichtlich, dass sie keine Rechte an den Bildern hat. Sie hat nach eigenem Bekunden die Bilder von Amazon übernommen. Für die Streitwertfestsetzung ist es nicht erheblich, ob die Antragsgegnerin wusste, wem die Rechte zustehen, solange ihr unstreitig und für sie offensichtlich keine Nutzungsrechte eingeräumt worden waren. Zudem hat die Antragsgegnerin ihr eigenes Angebot erkennbar systematisch mit Fotos ausgestattet, an denen sie keine Rechte erworben hat.

3. Schließlich folgt auch aus dem Umstand, dass es sich vorliegend um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, keine Reduzierung des Streitwerts. Zwar sind einstweilige Verfügungen grundsätzlich nur vorläufige Regelungen, die den im Hauptsacheverfahren durchzusetzenden Anspruch lediglich sichern bzw. weitere Rechtsverletzungen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verhindern sollen (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 12 Rn. 4.12; Nordemann-Schiffel in Mayer/Kroiß, RVG, V. Streitwerte im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Presse- und Persönlichkeitsrecht Rn. 14). Allerdings sind bei Unterlassungsverfügungen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes die Anträge im Allgemeinen darauf gerichtet, eine endgültige Regelung herbeizuführen (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 25.3.2004, Az. 3 U 184/03, BeckRS 2004, 7309; OLG München Beschl. v. 26.5.2009, Az. 29 W 1498/09, BeckRS 2009, 27637; OLG Köln NJWE-WettbR 2000, 247; a.A. KG GRUR-RR 2007, 63; zwischen Zuständigkeitswert und Gebührenstreitwert differenzierend: OLG Schleswig ZUM-RD 2015, 473). § 51 Abs. 4 GKG steht dem nicht entgegen. Die Norm bezieht sich nur auf Verfahren über Ansprüche nach dem UWG und dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. In Wettbewerbssachen nimmt das Hanseatische Oberlandesgericht für das einstweilige Verfügungsverfahren gegenüber dem Wert des Hauptsacheverfahrens regelmäßig einen Abschlag von 1/5 vor, wenn nicht erkennbar ist, dass insoweit wegen besonderer Umstände eine andere Bewertung erforderlich ist (vgl. OLG Hamburg Beschl. v. 15.11.2017, Az. 3 W 92/17, BeckRS 2017, 138659 Rn. 3). Auch wenn im Urheberrecht bei der Streitwertfestsetzung ebenfalls zu berücksichtigen sein kann, dass es um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und nicht um ein Hauptsacheverfahren geht (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2019, Az. 5 W 81/19), ist jedenfalls vorliegend nicht von einem reduzierten Streitwert für das Verfügungsverfahren auszugehen. Die Antragsgegnerin hat sich nach Übersendung des Verfügungsantrags sofort unterworfen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Dies tat sie unter Hinweis auf die nunmehr erfolgte Glaubhaftmachung der Aktivlegitimation, die sie vorgerichtlich bestritten hatte. Dies macht deutlich, dass der Antrag mit den beigefügten Glaubhaftmachungsmitteln bereits im Zeitpunkt der Antragstellung dazu geeignet war, eine endgültige Regelung herbeizuführen.

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