LG Köln, Urteil vom 17.09.2021 - 84 O 118/21
Fundstelle
openJur 2022, 9864
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,

wie nachstehend wiedergegeben mit dem Hinweis auf eine Herkunft des Salzes aus dem Himalaya zu werben:

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II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 231,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.05.2021 zu zahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Diese beträgt hinsichtlich der Unterlassung 3.000,00 € und im Übrigen 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und unstreitig auch in diesem Rechtsstreit aktivlegitimiert im Sinne der §§ 128 Abs. 1 MarkenG, 8 Abs. 3 Ziffer 2 UWG.

Die Beklagte betreibt den Handel mit Lebensmitteln, hierunter insbesondere Salzprodukte, die sie u.a. über ihren Onlineshop unter www.L.de anbietet.

Am 09.03.2021 bot sie dort das Steinspeisesalz "I gemahlen im GlasStreuer 80g" an. Auf dem bildlich wiedergegebenen Salzstreuer heißt es:

"I

aus Pakistan/

Punjab"

Wegen der Einzelheiten nimmt die Kammer auf die im Tenor zu I. als konkrete Verletzungsform eingeblendete Werbung Bezug.

Der Kläger hält diese Werbeaussage für irreführend. Die Angabe "I" sei ein Hinweis auf eine geografische Herkunft des Salzes aus dem Himalayamassiv, einer Region, die der Verbraucher mit unwegsamen und abgelegenen Höhenregionen, Unberührtheit und teils mystischen Vorstellungen und daher einer besonderen Exklusivität des Produktes verbinde. Das Salz stamme aber - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - aus der Salt Range in Zentral-Pakistan. Die Irreführung werde durch den Zusatz "aus Pakistan/Punjab" nicht ausgeräumt.

Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.03.2021 erfolglos abgemahnt.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, es liege keine falsche Herkunftsangabe vor. Insbesondere: Bei der Bezeichnung "Himalayasalz" handele es sich bereits um eine Gattungsbezeichnung im Sinne des § 126 Abs. 2 MarkenG für rosagetöntes Steinsalz. Darüber hinaus werde eine Irreführung der Verbraucher über die Herkunft des Salzes durch die Zusätze "aus Pakistan/Punjab" ausgeräumt. Hierzu führt sie im Einzelnen aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.

Im Einzelnen:

I. Der Unterlassungsanspruch folgt aus § 128 Abs. 1, 127 Abs. 1, 126 Abs. 1 MarkenG.

1) Die Kammer verweist zunächst auf das Urteil des BGH vom 31.03.2016 - I ZR 86/13 - Himalaya Salz.

2) Entgegen der Behauptung der Beklagten handelt es sich bei der Bezeichnung "Himalayasalz" nicht (inzwischen) um eine Gattungsbezeichnung im Sinne des § 126 Abs. 2 MarkenG für rosagetöntes Steinsalz.

Insoweit hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nichts Substantiiertes vorgetragen. Darüber hinaus wird rosagetöntes Steinsalz - wie gerichtsbekannt ist - auch mannigfach unter anderen Bezeichnungen angeboten, zumal aufgrund zahlreicher Verfahren bei den für Wettbewerbssachen zuständigen Kammern für Handelssachen des Landgerichts Köln davon auszugehen ist, dass der Kläger bundesweit (mit Erfolg) gegen die Bezeichnung "Himalayasalz" vorgeht.

Auch wenn dies nicht entscheidungserheblich ist: Wenn die Beklagte durch das vorliegende Verfahren und das gerichtliche Unterlassungsgebot einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Mitbewerbern befürchtet, die (bislang noch) unbeanstandet Steinsalz als "Himalayasalz" vertreiben, so ist es der Beklagten unbenommen, diese ihrerseits auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen oder diese Wettbewerber dem Kläger oder einem anderen Wettbewerbsverband mitzuteilen.

3) Bei der Angabe "I" handelt es sich um eine geografische Herkunftsangabe im Sinne des § 126 Abs. 1 MarkenG hinsichtlich des angebotenen Steinsalzes, welche die Beklagte entgegen § 127 Abs. 1 MarkenG verwendet, da das Salz - unstreitig - nicht aus dem Himalayamassiv stammt.

Im Rahmen des § 127 Abs. 1 MarkenG ist auf die Grundsätze der wettbewerbsrechtlichen Irreführung zurückzugreifen.

Die Frage, ob eine Angabe irreführend ist, richtet sich nach dem Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Mitglieds des angesprochenen Verkehrskreises (BGH, Urteil vom 02.10.2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250 - Marktführerschaft; Urteil vom 07.07.2005 - I ZR 253/02, GRUR 2005, 877 - Werbung mit Testergebnis). Dabei muss sich die Irreführungsgefahr nicht bei der Gesamtheit des Verkehrs realisieren. Ausreichende, aber zugleich notwendige Voraussetzung ist vielmehr der Eintritt der Gefahr der Irreführung bei einem erheblichen Teil des von der Werbeaussage angesprochenen Verkehrskreises. Das ist im Wege einer Prognoseentscheidung anhand der normativ zu bewertenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport, mwN).

Adressaten der streitgegenständlichen Werbung sind (potentielle) Kunden von Steinsalzen und somit die Verbraucher im Allgemeinen. Zu diesen Verkehrskreisen gehört auch der zur Entscheidung berufene Kammervorsitzende, so dass die Kammer die Verkehrsauffassung selbst beurteilen kann (vgl. BGH, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport), zumal diese/r über die durch die ständige Befassung mit Wettbewerbssachen gewonnenen Sachkunde verfügt.

Die Kammer teilt die Auffassung des Klägers, dass jedenfalls wesentliche Teile des Verkehrs die Angabe "I" dahingehend verstehen, dass das Salz aus dem Himalayamassiv, einer Region, die der Verbraucher mit unwegsamen und abgelegenen Höhenregionen, Unberührtheit und teils mystischen Vorstellungen verbindet, stammt. Dass das von der Beklagten angebotene Steinsalz nicht aus dem Himalyamassiv stammt, sondern aus dem Salzgebirge (Salt Range), ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Irreführung der Verbraucher über die Herkunft des Steinsalzes der Beklagten wird durch die Zusätze "aus Pakistan/Punjab" nicht ausgeräumt.

Wesentlichen Teilen des Verkehrs wird es bereits an den entsprechenden geografischen Kenntnissen fehlen, über welche einzelne Länder sich das Himalayamassiv erstreckt. Die Angabe "aus Pakistan/Punjab" dient daher nicht der Aufklärung/Klarstellung, dass das "I" der Beklagten nicht im Himalayamassiv gewonnen wird.

Aber selbst Teile des Verkehrs, die über die entsprechenden geografischen Kenntnisse verfügen, können über die Herkunft des Salzes in die Irre geführt werden. Unstreitig reicht die Provinz Punjab bis in das Himalayamassiv hinein. So liegt die Stadt Murree bereits auf einer Höhe von 2.000 Metern. Die Annahme, dass das Salz (zumindest) aus dieser Gegend stammen könnte, liegt daher nicht fern.

Unstreitig stammt das Salz aber aus dem Salzgebirge (Salt Range), das in Punjab ca. 200 km entfernt vom eigentlichen Himalayamassiv liegt. Nach den eigenen Ausführungen der Beklagten ist das Salzgebirge (Anm. des Verf.: lediglich) ein Himalaya-Mittelgebirgszug mit einer Länge von 200 km und einer Breite von 30 km. Der höchste Berg hat eine Höhe von (Anm. des Verf.: nur) 1522 Metern.

Eine Herkunft aus diesem Gebiet verbindet der Verbraucher nicht mit dem Begriff "Himalaya KönigsSalz", zumal die Beklagte bildlich (Seite 6 der Klageschrift) unzweifelhaft eine Hochgebirgslandschaft abbildet.

II. Abmahnkostenpauschale

Der Anspruch ist dem Grunde nach aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG begründet, da die Abmahnung des Klägers berechtigt war. Die Höhe der Abmahnkostenpauschale hat die Beklagte nicht in Zweifel gezogen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 21.000,00 € (wegen der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Vertrieb des Produktes für die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag hat)