OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.04.2022 - 19 B 2003/21
Fundstelle
openJur 2022, 9352
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung für beide Instanzen auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch den Senat, obwohl sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO). Die Einverständniserklärung der Schulleiterin der U. -I. -Gesamtschule in deren Schreiben vom 17. Januar 2022 ist nach § 55a Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO formunwirksam.

Das Einverständnis eines Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats nach § 87a Abs. 2 und 3 VwGO ist eine Prozesserklärung, die entsprechend § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich der Schriftform bedarf. Ob und inwieweit hiervon im Einzelfall Ausnahmen möglich sind, wenn die erklärende Person bei Abgabe der Erklärung unmittelbar mit dem Gericht persönlich oder telefonisch im Kontakt war und dem Gericht auf diesem Weg die Überzeugung von der Authentizität der Erklärung vermittelt hat, kann der Senat offen lassen, weil es hier zu keinem solchen Kontakt zwischen der Schulleiterin und dem Senat gekommen ist.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1984 - 3 C 49.82 -, NVwZ 1984, 645, juris, Rn. 13; Jacob/Wegner, in: Brandt/Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 4. Aufl. 2018, Kap. O Rn. 44 m. w. N.; Jacob, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 87a Rn. 34; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 87a Rn. 15.

1. Nach dem am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen § 55d Satz 1 VwGO sind schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch eine Behörde eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Das elektronische Dokument muss nach § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (Art. 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (elDAS-VO)) der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) elektronisch signiert (Art. 3 Nr. 10 elDAS-VO) und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Sicherer Übermittlungsweg ist unter anderem der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde und der elektronischen Poststelle des Gerichts (§ 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Die Behörden können zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg ein besonderes elektronisches Behördenpostfach verwenden, bei dem feststellbar ist, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt wurde (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803)). Der Postfachinhaber bestimmt die natürlichen Personen, die Zugang zum besonderen elektronischen Behördenpostfach erhalten sollen, und stellt ihnen das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung (§ 8 Abs. 1 ERVV). Er hat zu dokumentieren, wer zugangsberechtigt ist, wann das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung gestellt wurden und wann die Zugangsberechtigung aufgehoben wurde (§ 8 Abs. 4 Satz 1 ERVV). Er stellt zugleich sicher, dass der Zugang zu seinem besonderen elektronischen Behördenpostfach nur den von ihm bestimmten Zugangsberechtigten möglich ist (Satz 2). Die Zugangsberechtigten dürfen das Zertifikat nicht an Unbefugte weitergeben und haben das Zertifikats-Passwort geheim zu halten (§ 8 Abs. 2 Satz 2 ERVV).

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 55a Abs. 3 VwGO handelt es sich bei der Einreichung eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 12 elDAS-VO versehenen elektronischen Dokuments einerseits und der Einreichung eines mit einer (einfachen) elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 10 elDAS-VO versehenen elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg andererseits um zwei eigenständige Möglichkeiten der elektronischen Dokumentübermittlung, die gleichrangig nebeneinander stehen. Es genügt, wenn die verantwortende Person eine dieser beiden gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten schriftformersetzender elektronischer Übersendung wahrt.

BVerwG, Beschlüsse vom 12. Oktober 2021 - 8 C 4.21 -, DVBl. 2022, 51, juris, Rn. 10, und vom 4. Mai 2020 - 1 B 16.20, 1 PKH 7.20 -, Buchholz 310 § 55a VwGO Nr. 4, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022 - B 5 R 198/21 B -, juris, Rn. 5 (zu § 65a Abs. 3 SGG); vgl. auch BAG, Beschluss vom 14. September 2020 - 5 AZB 23/20 -, BAGE 172, 186, juris, Rn. 9 (zu § 130a Abs. 3 ZPO).

Hier hat die Schulleiterin keine dieser beiden gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten schriftformersetzender elektronischer Dokumentübermittlung gewahrt. Sie ist die verantwortende Person im Sinn des § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO; ihre Schule vertritt das Land Nordrhein-Westfalen als Antragsgegner im vorliegenden Rechtsstreit, der eine innere Schulangelegenheit zum Gegenstand hat (Nr. 7.1 des Vertretungserlasses NRW (VertrErl NRW) vom 28. Februar 2018 (MBl. NRW. S. 128)).

Weder hat die Schulleiterin im Sinn des § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 VwGO ihr Schreiben vom 17. Januar 2022 mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 12 elDAS-VO versehen (Prüfvermerk vom 20. Januar 2022) noch erfüllt die hier vorgenommene Fremdversendung durch eine andere Behörde, hier aus einem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) der Bezirksregierung, die gesetz- und verordnungsrechtlichen Voraussetzungen einer Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Vielmehr hat die Schulleiterin das genannte Schreiben als Papierdokument handschriftlich unterzeichnet und auf einem nicht näher mitgeteilten Weg an die Bezirksregierung übermittelt, die es sodann, ohne zugleich nach Nr. 7.2 Satz 3 VertrErl NRW die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen im vorliegenden Rechtsstreit übernommen zu haben, als eingescanntes elektronisches Dokument aus ihrem beBPo mit der Absenderbezeichnung "Bezirksregierung Köln - Dezernat 48 (Schulrecht, -bau, Kirchensachen, Ersatzschulen, Sport, Weiterbildung, Kunst und Kultur)" am 20. Januar 2022 um 8.18 Uhr an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des OVG NRW übermittelt hat.

§ 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 VwGO setzt voraus, dass das elektronische Dokument von der verantwortenden Person selbst, hier also von der Schulleiterin, "signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht" wird. Ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes elektronisches Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinn des § 55a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 VwGO eingereicht, wenn die den Erklärungsinhalt verantwortende Person das Dokument eigenhändig versendet. Diese eigenhändige Versendung wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) dokumentiert. Er wird bei der Versendung eines elektronischen Dokuments aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) und aus einem beBPo angebracht, wenn entweder (beim beA) der Postfachinhaber selbst oder (beim beBPo) der Postfachinhaber oder ein nach § 8 Abs. 1 bis 4 ERVV mit Zertifikat und Passwort ausgestatteter zugangsberechtigter Behördenangehöriger zur Übermittlung des Dokuments mit seiner persönlichen Kennung (beA) oder den vom Postfachinhaber zur Verfügung gestellten Zugangsdaten (beBPo) bei dem Verzeichnisdienst angemeldet war.

BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021, a. a. O., Rn. 4 ff. m. w. N. (beA); H. Müller, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 130a ZPO 1. Überarbeitung (Stand: 28. März 2022), Rn. 139 ff.

Nach diesen Maßstäben ist die Übermittlung vom 20. Januar 2022 aus dem beBPo der Bezirksregierung formunwirksam, obwohl der ihr beigefügte vHN dokumentiert, dass ein nach § 8 Abs. 1 bis 4 ERVV mit Zertifikat und Passwort ausgestatteter zugangsberechtigter Bediensteter der Bezirksregierung zur Übermittlung des Dokuments mit seiner persönlichen Kennung bei dem Verzeichnisdienst angemeldet war. Denn weder dieser nicht mit Namen bezeichnete Bedienstete noch die Bezirksregierung als Behörde gehen aus dem übermittelten elektronischen Dokument als diejenige Person oder Behörde hervor, welche die übermittelte Prozesserklärung durch Anbringung einer (einfachen) elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 10 elDAS-VO auch inhaltlich verantwortet.

Zur (einfachen) elektronischen Signatur als Kennzeichen der Übernahme der inhaltlichen Verantwortung BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022, a. a. O., Rn. 9; BAG, Beschluss vom 14. September 2020, a. a. O., Rn. 15 f.; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Februar 2022 - 2 UF 8/22 -, NJW 2022, 1260, juris, Rn. 12 f.

Diese inhaltliche Verantwortung hat vielmehr dem äußeren Anschein nach die Schulleiterin übernehmen wollen, indem sie das später gescannte Papierdokument handschriftlich unterzeichnet hat. Die Schulleiterin ist demgegenüber schon deshalb keine zugangsberechtigte Person nach § 8 Abs. 1 bis 4 ERVV, weil sie keine Behördenangehörige der Bezirksregierung ist. Einer Übergabe von Zertifikat und Passwort an behördenfremde Personen dürften das Weitergabeverbot und das Geheimhaltungsgebot aus § 8 Abs. 2 Satz 2 ERVV entgegenstehen.

Fehlt es danach hier an der Identität der das elektronische Dokument inhaltlich verantwortenden Person mit derjenigen Person, die es eigenhändig aus einem sicheren Übermittlungsweg versandt hat, sind die Anforderungen an eine sichere elektronische Übermittlung verfehlt, weil in diesen Fällen kein zuverlässiger Schutz vor einer unautorisierten Versendung und vor spurenlosen elektronischen Textmanipulationen am Dokument gewährleistet ist.

BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021, a. a. O., Rn. 5; BAG, Beschluss vom 14. September 2020, a. a. O., Rn. 16 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 15. März 2022 - 14 MN 176/22 -, juris, Rn. 11; zur Fremdversendung einer behördlichen Beschwerdeschrift aus dem beA eines nicht bevollmächtigten Rechtsanwalts vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2022 - 10 B 23/22 -, S. 5 f. des Beschlusses.

2. Die Einverständniserklärung der Schulleiterin in ihrem Schreiben vom 17. Januar 2022 ist auch nicht nach § 55a Abs. 3 Satz 2 VwGO wirksam. Nach dieser Bestimmung gilt Satz 1 nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Das Schreiben vom 17. Januar 2022 ist hingegen selbst vorbereitender Schriftsatz im Sinn des § 55a Abs. 3 Satz 2 VwGO, nicht lediglich Anlage zu einem nach Satz 1 formwirksam eingereichten Hauptdokument.

3. Schließlich ist auch die Übermittlung der Einverständniserklärung der Schulleiterin im Schreiben vom 17. Januar 2022 am selben Tag per Telefax an das Oberverwaltungsgericht unwirksam. Dieser Übermittlungsweg verstößt gegen die am 1. Januar 2022 in Kraft getretene Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Behörden aus § 55d Satz 1 VwGO. Insbesondere liegt in der Faxübermittlung keine Ersatzeinreichung nach § 55d Satz 3 VwGO. Nach dieser Bestimmung bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Hier liegt kein vorübergehender technischer Fehler in einem eingerichteten sicheren Übermittlungsweg nach § 55a Abs. 4 VwGO vor, den die Schulleiterin im Übrigen nach § 55d Satz 4 Halbsatz 1 VwGO unverzüglich hätte glaubhaft machen müssen. Denn § 55d Satz 3 VwGO entbindet professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit, die erforderlichen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen.

OVG NRW, Beschlüsse vom 31. März 2022 - 19 A 448/22.A -, juris, Rn. 4, und vom 10. März 2022 - 19 E 147/22 -, juris, Rn. 4.

Weder haben die Bezirksregierung oder die Schulleiterin für die genannte Übermittlung per Telefax eine Ersatzeinreichung nach § 55d Satz 3 VwGO geltend gemacht noch behaupten sie für die U. -I. -Gesamtschule, dass diese überhaupt über die technischen Vorrichtungen verfüge, welche die Nutzung des seit dem 1. Januar 2022 durch § 55d Satz 1 VwGO für professionelle Rechtsanwender vorgeschriebenen elektronischen Rechtsverkehrs erst ermöglichen (obwohl dieser Stichtag seit 2013 gesetzlich normiert, also seitdem allgemein bekannt ist).

II. Die Beschwerde der Antragsteller ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Senat prüft nach § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO nur die fristgerecht dargelegten Gründe. Diese Gründe rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgelehnt hat, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, dass die Klassenkonferenz der U. -I. -Gesamtschule die Antragstellerinnen zu 3. und 4. in der Klasse 10 in den Fächern Deutsch und Englisch jeweils zum Unterricht auf Erweiterungsebene zulässt.

Mit ihrer Beschwerdebegründung machen die Antragsteller gegen diese Entscheidung ohne Erfolg im Kern sinngemäß geltend, die Widerspruchsfrist sei entgegen der Auffassung der Schulleiterin nicht abgelaufen, weil die "Aufstufung" keine Berechtigung im Sinn der Rechtsmittelbelehrungen zu den Versetzungszeugnissen sei und diese Zeugnisse auch keine Aussagen darüber enthielten, die Antragstellerinnen zu 3. und 4. hätten zudem den geltend gemachten "Rechtsanspruch auf Aufstufung, weil" sie mangels Archivierung der Klassenarbeiten in den Akten der Schule die den Entscheidungen der Klassenkonferenz zugrunde liegenden Leistungsbewertungen nicht nachvollziehen und daher "ihren Darlegungsobliegenheiten nicht nachkommen" könnten, zumindest hätten sie einen Neubescheidungsanspruch, weil die Klassenkonferenz fehlerhaft besetzt gewesen sei. Der Senat kann offenlassen, ob dem geltend gemachten Anordnungsanspruch eine Bestandskraft etwaiger Nichtzulassungsentscheidungen entgegensteht. Denn jedenfalls greift weder die Beschwerderüge betreffend die Archivierung der Klassenarbeiten durch (1.) noch diejenige, mit welcher sie einen Neubescheidungsanspruch aus einem Besetzungsfehler ableiten (2.).

1. Unzutreffend ist zunächst die Rechtsauffassung der Antragsteller, sie hätten den geltend gemachten "Rechtsanspruch auf Aufstufung, weil" sie mangels Archivierung der Klassenarbeiten in den Akten der Schule die der Entscheidung der Klassenkonferenz zugrunde liegenden Leistungsbewertungen nicht nachvollziehen und daher "ihren Darlegungsobliegenheiten nicht nachkommen" könnten. Die Klassenarbeiten unterfielen dem Aktenbegriff des nach ihrer Auffassung einschlägigen Runderlasses "Richtlinien für die Aufbewahrung, Aussonderung und Vernichtung von Akten bei Behörden und Einrichtungen im Geschäftsbereich des Ministeriums für Schule und Bildung" des früheren Kultusministers vom 6. März 1981 (GABl. NW. S. 72) in der Fassung des Runderlasses vom 26. Mai 1995 (GABl. NW. I S. 106, BASS 10-48 Nr. 4), wonach neben den Akten für Lehramtsprüfungen für alle übrigen Akten eine fünfjährige Aufbewahrungsfrist bestehe, soweit im Einzelfall keine längere Frist geboten sei.

Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. Einschlägige Rechtsgrundlagen für die Frage, ob und wenn ja, wie lange eine Schule Klassenarbeiten aufbewahren muss, sind vielmehr § 120 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW, § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten von Schülerinnen, Schülern und Eltern (VO-DV I) vom 14. Juni 2007, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 13. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1428). Insbesondere die Aufbewahrungsfristen nach § 9 Abs. 1 VO-DV I gehen der fünfjährigen Aufbewahrungsfrist nach Nr. 2 des von den Antragstellern für einschlägig gehaltenen Runderlasses ausdrücklich vor (Nr. 1.3 dieses Erlasses: "soweit nicht in anderweitigen Vorschriften bereits besondere Aufbewahrungsfristen vorgesehen sind (z.B. ... § 9 Abs. 1 ... VO-DV I)").

Schulen sind gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i. V. m. § 3 SchulG NRW, im Übrigen nach den allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften, berechtigt und verpflichtet, personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler in Dateien und/oder Akten zu verarbeiten, soweit diese Verordnung oder andere Rechtsvorschriften dies zulassen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VO-DV I). Die zur Verarbeitung zugelassenen Daten sind in den Anlagen genannt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 VO-DV I). Neben dem Schülerstammblatt führt die Schule in Papierausfertigung die in der Anlage 2 aufgeführten Dateien und Akten (sonstiger Datenbestand, § 4 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VO-DV I). Zu den obligatorischen Dokumentationen gehört die Liste der schriftlichen Arbeiten und deren Ergebnisse (Nr. I.2 der Anlage 2 zu § 4 Abs. 5 VO-DV I), nicht aber gehören auch die schriftlichen Arbeiten selbst zu diesen obligatorischen Dokumentationen. Ganz ähnlich gehören auch zu den weiteren Informationssammlungen nur die Notenliste (Notenbuch der Lehrkraft) mit Einzelnoten oder ggf. Teilleistungsnoten je Fach/Kurs aus Klassenarbeiten, Kursarbeiten, Klausuren und aus den Ergebnissen der sonstigen Mitarbeit mit Noten bzw. Punktbewertung sowie Aufzeichnungen zum Arbeits- und Sozialverhalten (Nr. II.4 der Anlage 2 zu § 4 Abs. 5 VO-DV I), nicht aber gehören auch die Klassenarbeiten, Kursarbeiten oder Klausuren selbst zu diesen weiteren Informationssammlungen.

Einer Aufbewahrungspflicht der Schule für Klassenarbeiten steht zudem häufig entgegen, dass diese, wenn die Schülerin sie in eigenen Heften oder auf eigenem Papier angefertigt hat, in ihrem Eigentum oder demjenigen der Eltern verbleiben und die Lehrkräfte sie deshalb nach der Korrektur zurückzugeben haben. Für eine Verpflichtung der Schule, von korrigierten Klassenarbeiten schriftliche oder elektronische Kopien anzufertigen, besteht, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Rechtsgrundlage. Die Lehrkräfte haben insoweit vielmehr Verfahrensermessen (§ 10 Abs. 1 VwVfG NRW) und können die Anfertigung von Kopien korrigierter Klassenarbeiten auf dieser Grundlage etwa auf Fälle beschränken, in denen dies zur Beweissicherung aus der Sicht der Schule erforderlich ist, etwa zur Dokumentation einer Täuschung.

Bülter, in: Schulgesetz NRW, Gesamtkommentar, Essen, Stand: April 2021, § 48 Anm. 2.7.

Bleibt infolge der Rückgabe korrigierter Klassenarbeiten und - wie hier - Vernichtung durch die Schülerin oder ihre Eltern die konkret erbrachte Leistung unaufklärbar, geht dies grundsätzlich zu deren Lasten.

Bülter, a. a. O., § 48 Anm. 2.6; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 8. November 2005 - 6 B 45.05 -, NVwZ 2006, 478, juris, Rn. 12 m. w. N. (Pharmazieprüfung).

Daran ändert auch nichts die von den Antragstellern in der Beschwerdebegründung angeführte Beweisregel in § 444 ZPO für den Fall vorsätzlicher Beweisvereitelung durch Beseitigung von Urkunden. Nach dieser Vorschrift können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angesehen werden, wenn eine Urkunde von einer Partei in der Absicht, ihre Benutzung dem Gegner zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht ist. Bei ihren Ausführungen zu dieser Vorschrift vernachlässigen die Antragsteller, dass sie selbst die korrigierten Klassenarbeiten vernichtet haben, nicht die Schule. In diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von denjenigen Sachverhalten, welche der auf Seite 10 der Beschwerdebegründung zitierten Rechtsprechung zugrunde gelegen haben. Diese Vernichtung der korrigierten Klassenarbeiten haben sie unabhängig davon selbst zu verantworten, ob sie jemand darüber informiert hat, "dass in der Schule keine Kopien vorgehalten werden." Sie mussten jedenfalls damit rechnen, dass sie sich mit deren Vernichtung auch die Möglichkeit nehmen, etwaige Bewertungsfehler nachzuweisen.

Besteht hiernach entgegen der Auffassung der Antragsteller schon keine Aufbewahrungspflicht der Schule für korrigierte Klassenarbeiten, so ergibt sich unabhängig davon selbst dann, wenn ein Mangel ordnungsgemäßer Dokumentation gleichwohl vorläge, daraus kein Bewertungsfehler, der einen Anspruch auf Teilnahme am Unterricht auf Erweiterungsebene begründen kann.

BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 2016 - 6 B 17.16 -, juris, Rn. 35 m. w. N. (Realschulabschluss); OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 19 B 13/12 -, juris, Rn. 4 m. w. N.; Bülter, a. a. O., § 48 Anm. 2.6.

2. Erfolglos bleiben schließlich auch die Beschwerdeeinwände der Antragsteller gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die geltend gemachten Besetzungsfehler der Versetzungskonferenz bei ihrer Entscheidung über die Nichtzulassung der Antragstellerinnen zu 3. und 4. zur Teilnahme am Unterricht auf Erweiterungsebene lägen nicht vor (S. 4 f. des Beschlusses).

Sie behaupten zunächst, "dass erkennbar die Konferenz keine Sachentscheidung getroffen" habe, und stützen diese Behauptung lediglich darauf, dass sich dies dem vorgelegten Protokoll nicht entnehmen lasse. Mit der ergänzenden Erläuterung des Entscheidungsablaufs, welche die Schulleiterin im erstinstanzlichen Verfahren gegeben und auf die das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss Bezug genommen hat, setzen sie sich hingegen nur unsubstantiiert auseinander (z. B.: "Das ist doch enttäuschend wenig.", "Wir leben doch nicht in einer Hinterzimmer-Republik.").

Nur im Ansatz zutreffend rügen die Antragsteller weiter, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht aus § 50 Abs. 2 SchulG NRW abgeleitet, dass die Versetzungskonferenz für die Entscheidung über die Zulassung von Schülerinnen zur Teilnahme am Unterricht auf Erweiterungsebene zuständig sei. Richtig an diesem Einwand ist nur, dass - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - diese Zuständigkeit weder gesetzlich noch verordnungsrechtlich geregelt ist, vielmehr nur Nr. 19.4.1 Satz 1 VVAPO-S I verwaltungsintern bestimmt, dass über die "Aufnahme" in einen Grundkurs oder einen Erweiterungskurs oder die "Zuweisung" zu einer Anspruchsebene die Klassenkonferenz entscheidet. Fehlt danach eine rechtssatzmäßige Zuständigkeitsbestimmung, bleibt auch in den Ausführungen der Antragsteller auf den Seiten 16 bis 22 ihrer Beschwerdebegründung offen, gegen welche zwingende gesetz- oder verordnungsrechtliche Verfahrensvorschrift die in der Antragserwiderung vom 20. Dezember 2021 mitgeteilte "Zusammensetzung der Zeugniskonferenz" in Bezug auf die beiden hier maßgeblichen Fächer Deutsch und Englisch verstoßen haben soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Die Bedeutung der Zulassung zum Unterricht auf Erweiterungsebene in der Gesamtschule für einen Kläger, auf die es nach diesen Vorschriften für die Streitwertfestsetzung ankommt, bemisst der Senat in ständiger Praxis in Anlehnung an Nr. 38.5 des Streitwertkatalogs 2013 (NWVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage, S. 11) mit dem Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG, im Eilverfahren mit der Hälfte dieses Betrags.

OVG NRW, Beschlüsse vom 30. September 2021 - 19 B 1508/21 -, juris, Rn. 9, und vom 29. Mai 2013 - 19 B 431/13 -, juris, Rn. 8; ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. August 2021 - 18 L 1683/21 -, juris, Rn. 22; VG Köln, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - 10 L 2242/16 -, juris, Rn. 15.

Dieser Wert ist im vorliegenden Eilrechtsstreit für jede der beiden betroffenen Antragstellerinnen zu 3. und 4. in Ansatz zu bringen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).