OLG Köln, Beschluss vom 08.06.2021 - 10 UF 24/21
Fundstelle
openJur 2022, 8679
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 13 F 131/19
Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 23.12.2020 - 13 F 131/19 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.935,00 € festgesetzt:

Gründe

I.

Der Antragsgegner ist Vater des am xx.xx.2018 geborenen und bei seiner Mutter lebenden A B, der von dem Antragsteller seit dem 01.10.2018 Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe des Mindestunterhaltes nach der Düsseldorfer Tabelle abzüglich vollen Kindergeldes erhält. Der Antragsgegner war bis November 2018 mit einem Verdienst von 1.280,40 € netto monatlich berufstätig und zahlte bis März 2019 einen Betrag von 634,00 €; von März bis Juli 2019 bezog er Arbeitslosengeld II. Im August 2019 begann er eine Erstausbildung, die zum 30.11.2019 vom ausbildenden Unternehmen gekündigt wurde. Der Antragsteller hat den Antragsgegner für - jedenfalls unter Ansatz fiktiver Einkünfte -leistungsfähig gehalten, den Mindestkindesunterhalt zu zahlen. Der Antragsgegner hat hierzu behauptet, nach Auflösung des Ausbildungsverhältnisses keine Stelle mehr bekommen zu haben.

Das Amtsgericht hat - nachdem der Antragsgegner im Termin säumig war - am 05.02.2020 einen Versäumnisbeschluss erlassen und den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung des Mindestunterhalts ab 01.11.2018 abzüglich bereits gezahlter 634,00 € verpflichtet. Nach Einspruch des Antragsgegners hat es mit dem angefochtenen Beschluss am 23.12.2020 unter Aufhebung des Versäumnisbeschlusses im Übrigen diesen insoweit aufrecht erhalten, wie der Antragsgegner in den Zeiträumen 01.12.2018 bis 01.07.2019 und laufend ab Dezember 2019 zur Zahlung des Mindestunterhalts verpflichtet worden ist.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit welcher er insbesondere vorbringt, er befinde sich seit dem 01.01.2021 in einer Umschulung zur Fachkraft für Lagerlogistik, die - in zwei Blöcken - das Jahr 2021 andauere und während derer er lediglich Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 911,00 € erhalte. Er ist der Ansicht, jedenfalls ab Januar 2021 müsse die zu billigende Möglichkeit einer Berufsausbildung zum Entfallen einer Unterhaltspflicht führen.

Der Antragsgegner, der zunächst beantragt hat, den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 23.12.2020 - 13 F 131/19 - abzuändern und die Anträge zurückzuweisen, beantragt nunmehr sinngemäß noch,

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 23.12.2020 - 13 F 131/19 - abzuändern, soweit Unterhalt ab Januar 2021 tituliert ist, und ab Januar 2021 den Antrag abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuzuweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg. Die Gründe hierfür ergeben sich im Einzelnen aus dem Beschluss des Senats vom 26.04.2021 (Bl. 111 ff. d.A.), auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird und in welchem der Senat ausgeführt hatte wie folgt:

"Der Antragsgegner ist seinem minderjährigen Kind, für welches der Antragsteller Ansprüche verfolgt, gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltsverpflichtet, muss also in jeder ihm möglichen und zumutbaren Art und Weise zu dessen (Mindest-) Unterhalt beitragen. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei für seine Leistungsfähigkeit nicht allein auf die tatsächlichen, sondern vielmehr auch auf erzielbare Einkünfte abzustellen, soweit seine Erwerbsbemühungen nicht ausreichend sind und für ihn eine hinreichend reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 22.01.2014 - XII ZB 185/12, FamRZ 2014, 637). Insoweit besteht auch eine Verpflichtung, (selbst neben einer Vollzeittätigkeit) Nebentätigkeiten aufzunehmen (OLG Köln, Beschl. v. 12.06.2007 - 25 WF 144/07, ZFE 2008, 195). Wird - wie vorliegend - vom Kind der Mindestunterhalt geltend gemacht, hat zudem der Verpflichtete eine behauptete Leistungsunfähigkeit darzutun und nachzuweisen (BVerfG, Beschl. v. 14.11.1984 - 1 BvR 14/82, BVerfGE 68, 256 (270); BGH, Urt. v. 06.02.2002 - XII ZR 20/00, FamRZ 2002, 536 (538); BVerfG, Beschl. v. 05.03.2003 - 1 BvR 752/02, FamRZ 2003, 661 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 22.10.1997 - XII ZR 278/95, FamRZ 1998, 357).

Dies ist, wie bereits das Amtsgericht festgehalten hat, dem Antragsgegner nicht gelungen. Für den Zeitraum bis Dezember 2020 fehlt weiterer Vortrag. Soweit er für die Zeit ab Januar 2021 auf die Umschulung verweist, belegen die eingereichten Unterlagen schon nicht seine tatsächliche Teilnahme; vielmehr ist lediglich die Kostenübernahme nachgewiesen (Bl. 130 d.A.), der - vom 11.11.2020 datierte - Teilnehmervertrag (Bl. 103 d.A.) sieht eine freie Kündigungsmöglichkeit auch für denAntragsgegner vor (Ziff. 4, (1) und (2)), und ob und mit welchem zwischenzeitlichen Erfolg die Maßnahme angetreten worden sei, ist ebenfalls nicht vorgetragen. Bei dieser Sachlage ist nicht ausreichend dargetan, dass der Antragsgegner (der zudem zu der Möglichkeit ausbildungsbegleitender Nebenerwerbe gänzlich schweigt, obwohl diese gerade neben einer vollschichtigen Umschulung zumutbar wären, vgl. KG,Beschl. v. 20.11.2000 - 18 U 1982/00, NJWE-FER 2001, 119) ab Januar 2021 tatsächlich leistungsunfähig ist.

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, inwieweit die begonnene Ausbildung überhaupt unterhaltsrechtlich billigenswert wäre. Zwar gehört die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig bedienen darf (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1993 - XII ZR 172/92, FamRZ 1994, 372). Indes kann dies anders sein, wenn der Unterhaltspflichtige sich in der Vergangenheit stets auf die Ausübung von ungelernten Tätigkeiten beschränkt hat und sich erst später zur Aufnahme einer Berufsausbildung entschließt, obwohl sich der Anlass, seine Arbeits- und Verdienstchancen durch eine Ausbildung zu verbessern, für ihn nicht verändert hat. In derartigen Fällen ist zu prüfen, ob es dem Unterhaltspflichtigen nicht zuzumuten ist, die nunmehr angestrebte Ausbildung zu verschieben und ihre Aufnahme solange zurückzustellen, bis die Kinder nicht mehr unterhaltsbedürftig sind oder mit einem etwaigen reduzierten Unterhalt, den der Unterhaltspflichtige auch während der Ausbildung zu leisten vermag, ihr Auskommen finden (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 15.12.1993 - XII ZR 172/92, FamRZ 1994, 372, folgend etwa KG, Urt. v. 23.01.2004 - 25 U 54/03, KGR 2004, 408: Vorrang einer Erstausbildung verneint bei 5 Jahre Verzögerung ohne Darlegung zwischenzeitlicher ausreichender Erwerbsversuche). Hier wäre vorliegend zu berücksichtigen, dass der schon 26 Jahre alte Antragsgegner bereits in der Vergangenheit (wenn auch nach seinem Vortrag unverschuldet) Ausbildungsversuche nicht beendet hat und mit Blick auf den seit dem Ende seiner Schulzeit verstrichenen Zeitraum durchaus in der Abwägung zu gewichten wäre, dass er sich - bevor er auf Unterhalt in Anspruch genommen worden ist - über längere Zeiträume nicht ansatzweise ausreichend um eine Berufsausbildung gekümmert zu haben scheint.".

Soweit der Antragsgegner hierzu mit Schriftsatz vom 25.05.2021 (Bl. 122 d.A.) Stellung genommen und mit Schriftsatz vom 26.05.2021 (Bl. 125 d.A.) weitere Unterlagen eingereicht hat, mag er zwar nun seine Beschwerde hinreichend präzisiert und auch die Teilnahme an der Ausbildungsmaßnahme belegt haben. Es verbleibt aber dabei, dass das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalts zurücktritt, wenn bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen wurden und der Unterhaltsschuldner in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann (OLG Hamm, Beschl. v. 24.04.2015 - 12 UF 225/14, FamRZ 2015, 1972).

So liegt der Fall auch hier. In seinem letzten Beschäftigungsverhältnis (Fa. C, 2018) war der Antragsgegner mit einem Stundenlohn von 10,39 € beschäftigt (Bl. 18 ff. d.A.), welcher schon bei geringfügiger Ausweitung seiner 40-h-Tätigkeit dieLeistung des Mindestunterhalts unter Wahrung des notwendigen Selbstbehaltes ermöglicht hätte. Demgegenüber hat, wie er selbst vorträgt, der im März 1995 geborene, also aktuell 26-jährige Antragsgegner nach Beendigung der Schulausbildung (2012) eine Ausbildung zum Tierwirt (2012/2013), eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme im Berufsfeld Bau (2013/2014), eine Ausbildung zum Fachlageristen (2014-2016) und eine neuerliche Ausbildung mit gleichem Abschlussziel 2019 begonnen, ohne eine von diesen beendet zu haben. Weitere Jahre sind - soweit nicht ganz lückenhaft - allenfalls mit Praktika über wenige Monate (März-Juni 2014) oder sporadischer Berufstätigkeit (C) gefüllt (Bl. 126, 127 d.A.). Der Senat anerkennt den Willen des Antragsgegners, mittels einer abgeschlossenen Berufsausbildung langfristig besser zum Unterhalt seines Kindes beitragen zu können. Er sieht auch, dass der Antragsgegner hierdurch seine eigenen Zukunftsschancen wird verbessern können. Mit Blick allerdings darauf, dass er vier abgebrochene Erstausbildungen hinter sich hat, die überwiegend in die kinderlose Zeit fallen, hat das derzeitige Interesse seines Sohnes an einer Unterhaltsleistung Vorrang, so dass es bei der Zurechnung fiktiver Einkünfte zu verbleiben hat. Der Antragsgegner - der sich vorhalten lassen muss, bislang die Erstausbildung nicht beendet zu haben - muss sich daher bei unterhaltsrechtlicher Abwägung darauf verweisen lassen, seinen fünften Versuch später oder zu einem Zeitpunkt zu absolvieren, wenn er in der Lage ist, den Mindestunterhalt auch parallel zu leisten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 97 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung aus §§ 40 Abs. 1 S. 1, 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 FamGKG.

Einer (neuerlichen) Entscheidung über den im vorbezeichneten Schriftsatz wiederholten Verfahrenskostenhilfeantrag bedurfte es nicht, nachdem diese bereits mit Beschluss vom 26.04.2021 zurückgewiesen worden ist.

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