ArbG Herne, Urteil vom 10.12.2021 - 5 Ca 1495/21
Fundstelle
openJur 2022, 825
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 10.08.2021 mit deren Zugang beim Kläger zu 11.08.2021 beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Vertragsbedingungen als Arbeiter weiter zu beschäftigen.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Der Streitwert wird auf 27.519,68 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und die Erstattung von Detektivkosten.

Der 58-jährige Kläger ist verheiratet und noch einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.04.1992 war er als Arbeiter ursprünglich bei der Stadt A beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging zum 01.01.2003 auf die Beklagte über. Sein Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt rund 3.000,00 €. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes im Bereich der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (TVöD-VKA) Anwendung. Nach den tarifvertraglichen Vorschriften ist das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich unkündbar.

Seit 2006 wird der Kläger im Bereich Straßenreinigung eingesetzt. In diesem Bereich hält die Beklagte Fahrzeuge vor, die mit mehreren Mitarbeitern besetzt sind. Für jedes Fahrzeug gibt es wöchentliche Einsatzpläne, die die Reinigungstätigkeiten und die Orte, an denen zu reinigen ist, genau vorgeben. Die Arbeitsleistungen der Besatzung eines Fahrzeuges sind im vorgegebenen Reinigungsmittelrevier zu erbringen und mit Standortwechsel im Stadtgebiet verbunden. Der Reinigungsbedarf liegen im öffentlichen Verkehrsraum außerhalb des Betriebsgeländes der Beklagten. Der Kläger war keinem festen Fahrzeug zugeordnet, sondern wechselte regelmäßig die Reinigungsteams.

Am 14.06.2021 meldete sich die Abteilungsleiterin der kommunalen Servicebetriebe B telefonisch beim Betriebsleiter der Beklagten und teilte mit, dass einer ihrer Disponenten am frühen Morgen einem Fahrzeug der Beklagten mit dem Kennzeichen C E 0000 im Stadtgebiet B gefolgt sei; der Disponent habe das Fahrzeug zum zweiten Mal in diesem Bereich gesehen. Nach Einsicht in den Einsatzplan ergab sich für die Beklagte der Verdacht, dass sich das Fahrzeug samt Besatzung unberechtigt während der Arbeitszeit im Reinigungsrevier einer anderen Stadt ohne dienstliche Veranlassung aufgehalten habe. Aus Anlass dieses Hinweises wurde am 18.06.2021 die Firma D Detektive GmbH Privat- und Wirtschaftsdetektei aus E von der Beklagten mit der Beobachtung des Fahrzeuges und der Fahrzeugbesatzung beauftragt, die am 25.06.2021 begann.

Bis zum 05.07.2021 befand sich der Kläger im Urlaub. Anschließend wurde er auf dem Fahrzeug C E 0000 eingesetzt, auf dem er zuletzt im Februar 2021 gearbeitet hatte.

Durch die beauftragten Detektive wurde unter anderem beobachtet, dass das Fahrzeug mit der Fahrzeugbesatzung am 07.07.2021 von 11:13 bis 11:28 Uhr die Arbeit unterbrochen hatte, um auf einem Parkplatz Pause zu machen. Anschließend wurde der Parkplatz eines Lebensmittelmarktes aufgesucht, von wo aus der Kläger bis 12:05 Uhr privaten Erledigungen in einem Imbiss/Kiosk nachging. Keiner dieser Orte war im Reinigungsplan des Fahrzeugs enthalten

Am 09.07.2021 hielt sich das Fahrzeug mit vier Insassen, einschließlich des Klägers von 7:54 bis 8:25 Uhr auf einem Parkplatz auf, ohne dass Arbeitstätigkeit durchgeführt worden sind. Von 8:53 bis 9:42 Uhr hielt sich das Fahrzeug am Bahnhof A-Mitte auf, ohne Arbeitstätigkeit auszuführen. Von 9:54 bis 10:06 Uhr suchte die Besatzung einen Getränkemarkt auf. Anschließend begab sich das Fahrzeug zur Privatadresse eines Besatzungsmitglieds und fuhr anschließend zu einem weiteren Getränkemarkt. Um 10:32 Uhr fuhr das Fahrzeug zum Gelände des SV F in B. Die vier Besatzungsmitglieder hielten sich dort bis 12:52 Uhr auf der Terrasse des Vereinsheims am Tisch sitzend auf, wobei von diesen geknobelt wurde. Anschließend fuhr das Fahrzeug zum Betriebsgelände der Beklagten zurück.

Am 14.07.2021 befand sich das Fahrzeug von 7:06 bis 7:27 Uhr auf dem Parkplatz eines Supermarktes, während der Kläger private Einkäufe erledigte. Von 10:10 bis 12:29 Uhr befand sich das Fahrzeug am Vereinsgelände des SV F in B, wo sich die Besatzung auf der Terrasse aufhielt. Anschließend fuhr das Fahrzeug zum Gewerbepark A-G, wo es bis 13:20 Uhr in einer Querstraße parkte, ohne dass die Besatzungsmitglieder Arbeitsleistung erbracht haben.

Am 16.07.2021 hielt sich das Fahrzeug von 7:55 bis 9:34 Uhr in A-H auf, ohne dass die Besatzung Arbeitsleistung verrichtet hat. Von 12:35 bis 13:18 Uhr wurde das Fahrzeug auf einem Parkplatz gesichtet, wo die Besatzungsmitglieder mit einem Knobelbecher gewürfelt haben.

Am 22.07.2021 wurde das Fahrzeug in der Zeit von 11:05 bis 12:24 Uhr am Gelände des SV F in B gesichtet, während sich die Besatzungsmitglieder, einschließlich des Klägers, auf der Terrasse des Vereinsheims aufhielten. Um 12:35 Uhr traf das Fahrzeug an der Privatanschrift eines Besatzungsmitgliedes ein, wo Gegenstände abgeliefert wurden. Anschließend begab sich das Fahrzeug auf einem Parkplatz, auf dem die Mitarbeiter von 12:44 bis 13:20 Uhr Pause machten.

Nachdem die Besatzungsmitglieder des Fahrzeuges, einschließlich des Klägers, am Vormittag des 23.07.2021 zunächst diverse private Angelegenheiten erledigten, hielten sie sich von 9:45 bis 12:16 Uhr auf dem Vereinsgelände des SV F in B auf. Anschließend begaben sie sich auf einem Parkplatz in einem Gewerbegebiet in A, wo sie sich bis 13:24 Uhr aufhielten, ohne Arbeitsleistung zu erbringen.

Am 26.07.2021 wurden die Besatzungsmitglieder des Fahrzeugs in der Zeit von 7:57 bis 13:27 Uhr wiederholt dabei beobachtet, wie sie privaten Angelegenheiten nachgingen.

Am Vormittag des 29.07.2021 informierte der beauftragte Detektiv die Personalsachbearbeitung der Beklagten über das Ergebnis der Ermittlungen und übergab seinen Ermittlungsbericht. Der Vorstand der Beklagten wurde gegen Mittag über den Sachverhalt unterrichtet.

Am 30.07.2021 wurde der Kläger von zwei Vertretern der Personalabteilung sowie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu den Vorgängen angehört. Ein Vertreter des Personalrats war am Gespräch nicht beteiligt. Im Rahmen des Gespräches räumt der Kläger ein, nach B gefahren zu sein. Ferner gab er an, dass er gewusst habe, dass die Fahrten nach B nicht in Ordnung seien.

Unter dem 31.07.2021 stellte die D Direktive GmbH der Beklagten für ihre Tätigkeiten einen Betrag i.H.v. 15.519,68 € brutto in Rechnung (Bl. 198 der Akte).

Mit Schreiben vom 02.08.2021 (Bl. 135 der Akte) widerrief der Kläger seine Aussagen während der Anhörung. Neben der Unterschrift des Klägers trägt das Schreiben die Unterschrift des Personalratsvorsitzenden als "Zeuge der Abgabe des Schriftstückes".

Mit Schreiben vom 03.08.2021 (Bl. 136 ff. der Akte) wurde der Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers angehört. Mit Schreiben vom 09.08.2021 (Bl. 64 ff. der Akte) teilte der Personalrat mit, dass er die Kündigung für ungerechtfertigt halte.

Mit Schreiben vom 10.08.2021 (Bl. 12 ff. der Akte), welches dem Kläger am 11.08.2021 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.

Mit seiner am 18.08.2021 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Klägern gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und begehrt seine tatsächliche Weiterbeschäftigung. Im Wege der Widerklage macht die Beklagte gegenüber dem Kläger die Erstattung der Detektivkosten geltend.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte stützte die Kündigung auf den Einsatzbericht der Detektei. Die Überwachung sei jedoch rechtlich unzulässig gewesen. Ferner behauptet er, zu keinem Zeitpunkt für die Planung und Durchführung der Fahrtrouten verantwortlich gewesen zu sein. Bei der Fahrzeugbesatzung sei auch keine Hierarchie vorhanden gewesen. Er habe also nicht die Möglichkeit gehabt, auf seine Arbeitskollegen einzuwirken. Er sei nur als Mitläufer zu bewerten, also eine Person, die bei etwas mitmache, ohne sich dabei besonders zu engagieren und die dabei nur eine passive bzw. untergeordnete Rolle spiele.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 10.08.2021 nicht zum 11.08.2021 aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen weiterhin zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt die Beklagte,

den Kläger zu verurteilen, an sie 15.519,68 € nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.10.2021 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Kontrolle der Mitarbeiter durch eine Detektei sei zulässig gewesen. Aufgrund des Hinweises der Abteilungsleiterin der kommunalen Servicebetriebe B habe der Verdacht einer missbräuchlichen Fahrzeugbenutzung und eines Arbeitszeitbetrugs der Fahrzeugbesatzung bestanden. Die Auswertung des Fahrtenschreibers des Fahrzeuges allein habe die Fragestellung nicht klären können, da sich der konkrete Standort des Fahrzeugs aus dieser Aufzeichnung nicht ergebe. Des Weiteren handele es sich bei der Tätigkeit der Fahrzeugbesatzung um eine solche außerhalb ihres Betriebsgeländes, sodass eine anderweitige Überwachungsmöglichkeit schon tatsächlich nicht eröffnet gewesen sei. Die Ermittlungen seien auch datenschutzkonform gewesen. Die Kündigung sei auch durch das Fehlverhalten des Klägers gerechtfertigt. Durch sein Verhalten habe der Kläger das in ihn gesetzte Vertrauen nachhaltig und nicht wieder herstellbar beschädigt. Er verrichtet seine Tätigkeit notwendigerweise außerhalb der Dienststelle des Betriebsgeländes. Sie müsse ihm demzufolge eine Vertrauensvorschuss dahingehend leisten, dass die Arbeitsleistung - wie im Reinigungsplan konkretisiert - ordnungsgemäß erbracht werde. Eine Kontrollmöglichkeit bestehe allenfalls stichprobenartig. Selbst wenn der Kläger für sich eine gewisse Schlichtheit reklamiere, so war ihm doch klar, dass er sein Entgelt nicht für das ableisten von Arbeitspausen erhalte, sondern das von ihm die Erbringung einer Arbeitsleistung verlangt werde. Ihm sei aufgrund der bekannten Umstände klar gewesen, dass sein Verhalten falsch sei. Er habe nicht in einem Einzelfall einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine arbeitsrechtlichen Pflichten begangen, sondern eine Vielzahl von Verstößen, was eine Systematik belege, die als erschwerender Umstand zu betrachten sei.

Wegen des weiteren Vortrags wird auf die wechselseitigen, schriftsätzlichen ausführen der Parteien einschließlich der Anlagen Bezug genommen

Gründe

Die Klage ist begründet. Die Widerklage demgegenüber unbegründet.

A.

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

I.

Die zulässige und rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.08.2021 mit deren Zugang beim Kläger am 11.08.2021 beendet worden. Die Kündigung ist unwirksam da sie nicht durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist. Die Kündigung erweist sich als unverhältnismäßig, da der Beklagten aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers zumutbar ist.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund deren dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisse selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", das heißt typischer Weise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (z.B. BAG, Urteil v. 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 67).

2. Das vom Kläger gezeigte Verhalten ist "an sich" als außerordentlicher Kündigungsgrund geeignet.

a) Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass der Arbeitszeitbetrug eines Arbeitnehmers an sich - unabhängig von seinem Umfang - einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Der Arbeitnehmer, der über den Umfang der von ihm geleisteten Arbeitszeit täuscht, verletzt die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in schwerwiegender Weise. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Arbeitnehmer mit der Täuschung den Zweck verfolgt, in den Genuss einer ihm nicht zustehenden Vergütung zu gelangen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an (z.B. BAG, Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 - EzA § 626 BGB 2002 Nr.67; Urteil vom 26.09.2013 - 2 AZR 682/12 - EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 93; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.12.2010 - 8 Sa 710/09 - juris).

Der Kläger hat - gemeinsame seinen Arbeitskollegen - die Beklagte bewusst über die Erbringung von Arbeitsleistungen getäuscht, indem er vorgab, sich mit dem zugewiesenen Fahrzeug ins Reinigungsrevier zu begeben und Arbeitsleistungen zu erbringen, tatsächlich aber das Stadtgebiet verlassen hat, um privaten Verrichtungen nachzugehen. Dass es auch dem Kläger dabei darum ging, gegenüber der Beklagten den Eindruck zu erwecken, tatsächliche Arbeitsleistung zu erbringen, ergibt sich daraus, dass das Dienstfahrzeug nicht über den ganzen Tag hinweg an einer Stelle belassen wurde, sondern immer mal wieder bewegt wurde, sodass auf den Aufzeichnung des Fahrtenschreibers nicht ohne weiteres zu erkennen war, ob die Fahrten dienstlich veranlasst waren oder nicht. Dabei war sich der Kläger auch bewusst, eine Täuschungshandlung gegenüber der Beklagten zu begehen. Spätestens beim Überschreiten der Stadtgrenze drängte es sich auch dem Kläger auf, das seine Handlung nicht mehr der vertraglich geschuldeten Tätigkeiten entspricht. Dieses räumte er unstreitig im Rahmen seiner Anhörung am 30.07.2021 ein.

Der Pflichtwidrigkeit des Handelns des Klägers steht nicht entgegen, dass er gemeinsam mit Arbeitskollegen gehandelt hat. Insoweit wird auch vom Kläger nicht behauptet, von den Arbeitskollegen zu diesem Handlungen genötigt oder gar von diesen nach B entführt worden zu sein.

b) Zudem ist die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist "an sich" geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm zugewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will (BAG, Urteil vom 28.06.2018 - 2 AZR 436/17 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 65; .Urteil vom 14.12.2017 - 2 AZR 86/17 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 64).

Der Kläger hat bewusst - trotz ansprechender Arbeitsanweisungen und vorhandene Arbeitsbedarf - seine Arbeitsleistung nicht erbracht. Die insoweit erforderliche Nachhaltigkeit im Willen des Klägers ergibt sich daraus, dass er sich durch das Verlassen des Stadtgebietes eines (zufälligen) Zugriffs der Beklagten entzogen hat.

3. Der Beklagten ist es auch nicht verwehrt, zur Begründung der Vorwürfe sich auf die Erkenntnisse des beauftragten Detektives zu berufen.

a) Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa der § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG gegebenen Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BAG, Urteil vom 29.06.2017 - 2 AZR 597/16 - EzA § 32 BDSG Nr. 5; Urteil vom 20.10.2016 - 2 AZR 395/15 - EzA § 32 BDSG Nr. 4). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BAG, Urteil vom 20.10.2016 - 2 AZR 395/15 - a.a.O.).

Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) bzw. innerhalb ihres Anwendungsbereichs die entsprechenden Regelungen der Bundesländer (z.B. DSG NRW) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich der Gesetze Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen i.S.d. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG, Urteil vom 20.10.2016 - 2 AZR 395/15 - a.a.O.; Urteil vom 22.09.2016 - 2 AZR 848/15 - EzA § 32 BDSG Nr. 3). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften der Datenschutzgesetze zulässig, liegt insoweit keine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor (BAG, Urteil vom 29.06.2017 - 2 AZR 597/16 - a.a.O.).

b) Bei der Observation des Klägers und seiner Kollegen durch einen Detektiv im Auftrag der Beklagten handelt es sich um Datenerhebung i.S.v. §§ 3, 18 DSG NRW, die nach § 5 DSG NRW die Beklagte unmittelbar binden.

Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u.a. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, zur Beendigung im Sinne der Kündigungsvorbereitung die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (vgl. BAG, Urteil vom 29.06.2017 - 2 AZR 597/16 - a.a.O.). Sofern nach § 18 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW auch verarbeitet und genutzt werden (vgl. BAG a.a.O.). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess benötigt (BAG, a.a.O.).

In der Datenerhebung durch die Observation lag zugleich jedoch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Betroffen ist sein von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes informationelles Selbstbestimmungsrecht. Deshalb müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist (BAG, Urteil vom 27.03.2003 - 2 AZR 51/02 - EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 1). Der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers muss einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten (BAG, Urteil vom 17.11.2016 - 2 AZR 730/15 - a.a.O.). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht (BAG, Urteil vom 29.07.2019 - 2 AZR 597/16 - a.a.O.). Eine verdeckte Ermittlung "ins Blaue hinein", ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist unzulässig (BAG a.a.O).

c) Gemessen an diesen Grundsätzen war die verdeckte Überwachung des Klägers und seiner Kollegen durch einen Detektiv im Auftrag der Beklagten zulässig.

Aufgrund des Hinweises der Abteilungsleiterin der kommunalen Servicebetriebe B vom 14.06.2021 bestanden konkrete Verdachtsmomente, Beschäftigte der Beklagten könnten eine schwerwiegende Pflichtverletzung in Form eines Arbeitszeitbetruges bzw. einer beharrlichen Arbeitsverweigerung begehen. Eine dienstliche Veranlassung für eine Fahrt das Stadtgebiet B ist nicht erkennbar.

Unerheblich ist, dass sich die Verdachtsmomente nicht gegen den Kläger persönlich richteten, der sich zu dem Zeitpunkt, als das Fahrzeug in B gesehen wurde, noch im Urlaub befand. Ausreichend ist, dass sich die Verdachtsmomente gegen eine abgrenzbare Personengruppe richtet (vgl. BAG, Urteil vom 29.07.2019 - 2 AZR 597/16 - a.a.O.), vorliegend die Besatzung des Fahrzeuges.

Zur Klärung der Verdachtsmomente standen der Beklagten auch keine anderen Mittel zur Verfügung, als die verdeckte Überwachung des Fahrzeuges. Eine Auswertung des Fahrtenschreibers war insoweit nicht zielführend, als dass durch diesen der Aufenthaltsort des Fahrzeuges nicht aufgezeichnet wird. Wie oben dargelegt, haben es die Mitarbeiter zudem darauf angelegt, durch eine wiederholte Bewegung des Fahrzeuges den Eindruck zu erwecken, sie seien dienstlichen Tätigkeiten nachgegangen.

Demgegenüber erfolgte der Eingriff in das informelle Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten nicht in deren besonders geschützten Privatsphäre. Das Fahrzeug wurde nicht außerhalb der Dienstzeiten, sondern während der Arbeitszeit im öffentlichen Raum beobachtet. Insofern musste der Kläger und seine Kollegen stets mit einer Beobachtung durch Dritte rechnen.

Unter umfassender Abwägung all dieser Umstände steht der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers durch die Überwachung nicht außer Verhältnis zum Zweck der Beweissicherung.

4. Trotz der schwerwiegenden Pflichtverletzung seitens des Klägers erweist sich die Kündigung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles jedoch als unverhältnismäßig.

a) Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisse - zu erreichen (z. B. BAG, Urteil v. 13.12.2008 - 2 AZR 370/18 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 67; Urteil v. 23.08.2018 - 2 AZR 235/18 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 66; Urteil v. 29.06.2007 - 2 AZR 303/16 - EzA § 626 2002 Nr. 60).

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteil v. 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 - a. a. O.; Urteil v. 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 - a. a. O.; Urteil v. 20.11.2014 - 2 AZR 615/13 - EzA § 26 BGB 2002 Nr. 47).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Kündigung ausnahmsweise als unverhältnismäßig.

aa) Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des 58-jährigen Klägers ist nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren nach § 34 Abs. 2 TVöD-E ausgeschlossen. Die insoweit fiktive Kündigungsfrist beträgt nach § 34 Abs. 1 S. 2 TVöD-E sechs Monate zum Quartalsende und würde zum 31.03.2022 auslaufen.

bb) Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten des Klägers eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung darstellt. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass sie sich bei Mitarbeitern, die außerhalb des Betriebsgeländes tätig werden, darauf verlassen muss, dass sie die ihnen zugewiesene Tätigkeiten auch tatsächlich ausführen. Wie oben dargelegt, ist eine Kontrolle der Tätigkeiten nur eingeschränkt möglich und stets auch mit einem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten verbunden. Umso wichtiger ist das Vertrauen in die Beschäftigten, dass sie außerhalb des Betriebsgeländes ihren Tätigkeiten auch tatsächlich nachgehen. Dieses Vertrauen hat der Kläger vorsätzlich missbraucht.

Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass durch die Pflichtverletzung des Klägers der Beklagten ein erheblicher Schaden entstanden ist. Unabhängig von den Ausgaben durch die Beauftragung der Detektei, die - wie noch auszuführen sein wird - dem Kläger wohl nicht angelastet werden können, ist der Beklagten allein dadurch ein Schaden entstanden, dass sie dem Beklagten Arbeitszeit vergütet hat, ohne die entsprechende Gegenleistung zu erhalten.

Nicht unberücksichtigt bleiben kann ferner, wie sich die Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten des Klägers auf die übrigen Beschäftigten im Betrieb auswirken wird. Auch insoweit handelt es sich um eine unmittelbare Folge des Fehlverhaltens.

cc) Zugunsten des Klägers war neben dessen Alter und Unterhaltspflichten insbesondere dessen mehr als 28-jährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, die auch nach dem Vortrag der Beklagten bislang keinen Anlass zur Beanstandung bot. Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ist es von erheblicher Bedeutung, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit beschäftigt wurde, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben (BAG, Urteil v. 13.12.1984 - 2 AZR 454/13 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose gerechtfertigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er dieses aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen und moralische Qualitäten der jeweils anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt zu beantwortende Frage, ob mit einer konkreten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist (BAG, Urteil v. 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die Kammer verkennt nicht, dass die Pflichtverletzungen des Klägers kein einmaliges isoliertes Ereignis waren, sondern sich über Wochen hin fortsetzten. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger, als er am 06.07.2021 auf dem Fahrzeug C E 0000 von der Beklagten eingesetzt wurde, in ein - im wahrsten Sinne des Wortes - bereits festgefahrenes System des Arbeitszeitbetrugs durch die Kollegen geraten ist. Auch nach dem Vortrag der Beklagten war der Kläger weder am Entwurf noch an der Etablierung dieses Systems beteiligt. Zwar ist dieser Umstand in keiner Weise geeignet, das Verhalten des Klägers zu entschuldigen, da dieser sich jederzeit der Situation hätte entziehen können. Es relativiert jedoch den in der Person des Klägers eingetretenen Vertrauensverlust, da nicht seine eigene kriminelle Energie seine Handlung bestimmte, sondern die unter den Arbeitskollegen eingetretene Gruppendynamik.

In diesem Zusammenhang kann die durch den gesamten Prozessvortrag zutage getretene Persönlichkeitsstruktur des Klägers, von der sich die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst ein Bild machen konnte, nicht unberücksichtigt bleiben. Nicht zu Unrecht bezeichnet der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesen als schlichtes Gemüt. Die letztlich unstreitigen Einlassung des Klägers im Rahmen der Anhörung am 30.07.2021 zeigen deutlich, dass dieser durchaus in der Lage ist, richtiges und falsches Verhalten im Arbeitsverhältnis zu unterscheiden. Es wird jedoch auch deutlich, dass diese Fähigkeit nicht die alleinige Leitschnur seines Verhaltens darstellt, sondern dieses wesentlich durch den Einfluss seiner Arbeitskollegen bestimmt wird. In der mündlichen Verhandlung räumte der Kläger auf Nachfragen des Gerichtes ein, dass das Schreiben vom 02.08.2021, mit dem er seine Äußerung in der Anhörung widerrufen hat, nicht auf seinem Wunsch verfasst, sondern vom Personalratsvorsitzenden initiiert wurde. Dieses Ereignis zeigt typischerweise die Beeinflussbarkeit des Klägers. Dass diese Beeinflussbarkeit nicht notwendigerweise weitere Pflichtverletzung in Zukunft erwarten lässt, zeigt die 28-jähriger beanstandungsfreie Zusammenarbeit der Parteien. Die Beeinflussbarkeit des Klägers spricht eher dafür, dass wenn ihm die Konsequenzen seiner Pflichtverletzung für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses deutlich vor Augen geführt werden - was faktisch bereits durch dieses Kündigungsschutzverfahren geschehen sein dürfte - zukünftige Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis vermieden werden können.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände geht die Kammer davon aus, dass der Kläger seinen über Jahrzehnte aufgebauten Vertrauensvorrat im Arbeitsverhältnis durch seine Pflichtverletzung zwar fast vollständig verspielt hat. Dennoch ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht notwendig, um zukünftige Pflichtverletzung des Klägers auszuschließen, da sein zukünftiges Verhalten auch durch eine Abmahnung positiv beeinflusst werden kann.

5. Die fristlose Kündigung kann auch nicht in eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist umgedeutet werden (§ 140 BGB). Unabhängig von der Beteiligungsrechten des Personalrats muss auch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sein. Durch die Gewährung einer sozialen Auslauffrist werden die Anforderungen an den Kündigungsgrund nicht herabgesetzt. Bei Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers kommt eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nur in hier nicht gegebenen Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BAG, Urteil v. 13.05.2015 - 2 AZR 531/14 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 50).

II.

Steht mithin fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 10.08.2021 beendet worden ist, so hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus § 611 BGB.

Nach der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts hat ein Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Weiterbeschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen (grundlegend: BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Wird im Kündigungsschutzprozess erster Instanz die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt und solange das Urteil von der Rechtsmittelinstanz nicht aufgehoben wurde, kann allein die Ungewissheit über den Ausgang des weiteren Rechtsstreits ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers nicht begründen (BAG, Urteil vom 02.04.1987 - 2 AZR 418/86 - EzA § 611 BGB n.F. Nr. 108).

B.

Die Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten i.H.v. 15.519,68 € aus §§ 280 Abs. 1, 619a BGB, der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrunglage.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 26.09.2013 - 8 AZR 1026/12 - EzA § 280 BGB 2002 Nr. 6; Urteil vom 28.10.2010 - 8 AZR 547/09 - EzA § 280 BGB 2002 Nr. 5; Urteil vom 28.05.2009 - 8 AZR 226/08 - EzA § 91 ZPO 2002 Nr. 4) hat der Arbeitnehmer wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (§ 280 Abs. 1 BGB) dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Insofern handelt es sich um keine Vorsorgekosten, die unabhängig von konkreten schadensstiftenden Ereignissen als ständige Betriebsausgabe vom Arbeitgeber zu tragen sind. Nach § 249 BGB erstreckt sich die Schadensersatzpflicht auf alle Aufwendungen des Geschädigten, soweit diese nach den Umständen des Falles als notwendig anzusehen sind. Dazu gehört auch die Abwehr drohender Nachteile, wenn sich insofern konkrete Verdachtsmomente ergeben. § 254 BGB verlangt von einem Geschädigten allerdings die Rücksichtnahme auf das Interesse des Schädigers an der Geringhaltung des Schadens. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber nur für die Maßnahmen Erstattungsansprüche hat, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalles zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ergriffen haben würde (BAG, Urteil vom 26.09.2013 - 8 AZR 1026/12 - a.a.O.; Urteil vom 17.09.1998 - 8 AZR 5/97 - EzA § 249 BGB Nr.23).

Wie oben dargelegt, bestand aufgrund der Mitteilung der kommunalen Servicebetriebe B vom 14.06.2021 ein konkreter Tatverdacht, der einen vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Arbeitgeber zur Beauftragung eines Detektiven veranlasst hätte. Zwischen den Parteien steht jedoch außer Streit, dass der Kläger in dem Zeitraum von Februar bis Anfang Juli 2021 nicht auf dem Fahrzeug eingesetzt war, dass in B gesehen wurde. Vor diesem Hintergrund ist auch nach dem Vortrag der Beklagten ausgeschlossen, dass ein Fehlverhalten des Klägers zu den Hinweisen aus B geführt hat. Infolgedessen waren die durch den Detektiv festgestellten Pflichtverletzungen des Klägers nicht kausal für dessen Beauftragung. Die ersten Pflichtverletzung wurden durch den Kläger auch nach dem Vortrag der Beklagten erst begangen, als der Detektiv bereits beauftragt war. Mangels haftungsbegründender Kausalität hat sich der Kläger deshalb gegenüber der Beklagten in Bezug auf die Detektivkosten nicht schadensersatzpflichtig gemacht.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 42 GKG, 3 ff. ZPO.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Hamm

Marker Allee 94

59071 Hamm

Fax: 02381 891-283

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1. Rechtsanwälte,

2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

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