LG Bonn, Urteil vom 20.05.2021 - 15 O 372/20
Fundstelle
openJur 2022, 345
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine vollständige Datenauskunft im Sinne des Art. 15 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 1 und 6 DS-GVO zu den bei ihm über die Klägerin vorhandenen personenbezogenen Daten zu erteilen.

2. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten über einen Betrag in Höhe von 956,64 EUR hinaus keine Ansprüche aus der Rechnung vom 03.10.2020 zustehen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägervertreters in Höhe von 41,77 EUR freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 40 Prozent und der Beklagte zu 60 Prozent.

6. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu 1., 3. und der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar; bezüglich des Tenors zu 1. jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 EUR. Die Parteien dürfen mit Ausnahme der Vollstreckung des Tenors zu 1. die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Auskunft, negative Feststellung und Schmerzensgeld nach Beendigung eines Anwaltsvertrages.

Die Klägerin erlitt im August 2016 einen schweren Verkehrsunfall. Zur Regulierung der Unfallschäden mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, der D Versicherung, die ihre Haftung dem Grunde nach anerkannte, beauftragte sie am 08.09.2016 den Beklagten. Die Schwester und die Mutter der Klägerin, die mit der Klägerin in dem Unfallwagen gesessen hatten, beauftragten ebenfalls den Beklagten. Dieser übernahm das Mandat und auch führte es auch, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der Beklagte das Mandat in der Folge hat einschlafen lassen.

In den zu den drei Mandaten geführten Handakten heftete der Beklagte zum Teil jeweils Informationen auch betreffend die anderen Mandate ab. Für die Akteneinsichtnahme stellte der Beklagte der D unmittelbar einen Betrag in Höhe von 157,08 EUR in Rechnung, der in der Schlussrechnung vom 03.10.2020 nicht aufgeführt war. Außerdem kommunizierte der Beklagte mit der Klägerin unter anderem per E-Mail und Whatsapp, diesbezüglich und auch bezogen auf das Mandatskonto der Klägerin erteilte er jedoch keine Auskunft. Außerdem erteilte er keine Auskunft zu der Frage, inwieweit Informationen der Klägerin an den mit dem Beklagten in Bürogemeinschaft tätigen Rechtsanwalt gelangt sind.

Der Beklagte wurde für die Klägerin zudem in einer Schadenssache aus 2017 gegen den Haftpflichtversicherer des Kosmetikstudios E tätig. Dabei erhob der Beklagte die Klage nicht im Namen der Klägerin, sondern im Namen ihrer Schwester. Unterlagen betreffend dieses Mandat legte der Beklagte nicht vor.

Unter dem 07.01.2020 kündigte die Klägerin das Mandat und forderte den Beklagten auf, ihr eine vollständige Datenauskunft einschließlich einer Kopie der Handakte zu erteilen. Außerdem beauftragte die Klägerin ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung der Datenauskunft und Herausgabe einer Kopie der Handakte, wobei streitig ist, wann dieser Auftrag erteilt worden ist.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung untätig geblieben sei und sie auch nicht über den Fortgang des Mandats unterrichtet habe. Ihr stehe ein Schadensersatzanspruch aufgrund der Kosten der Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts zu. Ihren Prozessbevollmächtigten habe sie erst am 25.03.2020 damit beauftragt, die Rechte aus dem gekündigten Mandatsverhältnis gegenüber dem Beklagten wahrzunehmen. Die Höhe des Schmerzensgeldes sollte einen Betrag von 1.000,00 EUR nicht unterschreiten, weil der Beklagte sich seit neun Monaten mit Erteilung der Auskunft in Verzug befinde und sein Verhalten als mutwillig zu bewerten sei. Der Anspruch auf Datenauskunft sei weiterhin nicht vollständig erfüllt, weil Angaben zum "Mandatskonto" und der Kommunikation per E-Mail und WhatsApp fehlten. Zudem fehlten Angaben zum Bürorechner und ob Daten an den Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft weitergegeben worden seien, weil dieser die gleiche Telefaxnummer nutze. Außerdem fehlten Auskünfte zur Mandatsführung in der Sache gegen das Kosmetikstudio E. Die Klageerhebung sei mit der Klägerin nicht abgesprochen gewesen. Durch die verspätete Datenauskunft sei die Klägerin gehindert worden, ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung weiter geltend zu machen. Sie könne ohne die Handakte nicht den Stand der Regulierung überblicken, weil eine Rechnungslegung fehle. Der von dem Beklagten vorgelegte Formulardruck lasse keinen Bezug zur Person der Klägerin erkennen.

Den Gebührenhinweis nach § 49b Absatz 5 BRAO habe der Beklagte nicht erteilt. Eine 2,3-Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG könne der Beklagten ohne Begründung nicht verlangen. Weder der angesetzte Gegenstandswert noch die Entstehung einer 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG seien nachvollziehbar. Der Betrag in Höhe von 4.671,11 EUR sei nicht nachvollziehbar.

Mit dem Schadensersatzanspruch wegen der weiteren vorgerichtlichen Kosten erklärt die Klägerin hilfsweise die Aufrechnung. Die Datenauskunftsklage macht die Klägerin als Stufenklage geltend. Sie behält sich Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten vor.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.10.2020 hat der Beklagte dem Klägervertreter die Handakte übergeben. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Außerdem hat der Beklagte seine Rechnung Nr. 20-1001 in Höhe von 4.778,62 EUR übergeben. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage zum Protokoll vom 06.10.2020, Bl. 225, verwiesen. Unter dem 13.10.2020 übersandte der Beklagte eine Datenauskunft betreffend die Klägerin. Mit Schriftsatz vom 14.10.2020 hat die Klägerin den Rechtsstreit im Umfang der Datenauskunft gemäß Schreiben des Beklagten vom 13.10.2020 erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin eine vollständige Datenauskunft im Sinne des Art. 15 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 1 und 6 DS-GVO zu den bei ihm über die Klägerin vorhandenen personenbezogenen Daten zu erteilen, einschließlich einer Kopie der Handakte und der Abrechnungsdokumentation zu dem Mandatsverhältnis der Klägerin gegen die D Versicherung im Nachgang zu dem Verkehrsunfall vom ..., unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärung vom 06.10.2020 und vom 14.10.2020, mit der Maßgabe, dass es sich um eine Stufenklage handelt;

3. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägervertreters in Höhe von 258,17 EUR freizustellen, zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung;

4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die verzögerliche Erteilung der Datenauskunft ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, zzgl. 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

6. festzustellen, dass dem Beklagten keine Ansprüche in Höhe von 4.778,62 EUR aus seiner Rechnung vom 03.10.2020 zustehen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass im September und Oktober 2019 Termine zur Vorbereitung und Besprechung der Klage stattgefunden hätten. Gründe seien die Entwicklung der Reha und Operationen der Klägerin und deren Folgen gewesen. Der Bevollmächtigte der Klägerin sei bereits beauftragt worden, als der Beklagte noch nicht in Verzug gewesen sei.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

I.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Klägerin bei verständiger Würdigung den Antrag zu 1. auf Erteilung der Datenauskunft ohne Beschränkung durch eine teilweise Erledigung gestellt hat. Nur der in diesem Antrag enthaltene Anspruch auf Herausgabe der Handakte ist aufgrund der übereinstimmenden teilweisen Erledigungserklärung erledigt.

1. Der Antrag in der von der Klägerin formulierten Form wäre nicht mit § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO in Einklang zu bringen, weil der Streitgegenstand nicht hinreichend klar abgrenzbar wäre. Die Klägerin hat wörtlich den Antrag zu 1. nach Maßgabe der Teilerledigungserklärungen vom 02.09.2020 und 14.10.2020 gestellt. Die Erklärung vom 02.09.2020 ist auf eine teilweise Erledigung des Rechtsstreits gerichtet, soweit der Klageantrag zu 1. darauf lautete, eine Kopie der Handakte und der Abrechnungsdokumentation zum Mandatsverhältnis der Klägerin gegen die D Versicherung im Nachgang zum Verkehrsunfall vom ... an die Klägerin zu übergeben. Die teilweise Erledigungserklärung vom 14.10.2020 bezog sich auf eine Erledigung "im Umfang dieser weiteren Datenauskunft". Bezüglich des Antrags zur Erteilung der Datenauskunft wäre es aufgrund dieser zuletzt genannten Erledigungserklärung prozessual nicht möglich, festzustellen, welcher Teil des Anspruchs nun konkret erledigt sein sollte.

2. Jedenfalls aber können die Parteien diesen - nicht näher konkretisierten - Streitstoff nicht mit Erfolg der gerichtlichen Entscheidung entziehen. Die übereinstimmend erklärte teilweise Erledigung bezogen auf den Antrag zur Erteilung der Datenauskunft gemäß Art. 15 Absatz 1 und 3 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ist unzulässig und daher unwirksam.

Die Voraussetzungen für eine zulässige teilweise Erledigungserklärung liegen nicht vor, weil der dahinter stehende Streitgegenstand nicht teilbar ist. Dies ist jedoch Voraussetzung für eine zulässige teilweise Erledigung (Musielak/Voit/Flockenhaus, 17. Aufl. 2020 Rn. 50, ZPO § 91a Rn. 50). Teilbarkeit ist nur anzunehmen, wenn der Rechtsstreit sich in abgrenzbare Teile zerlegen lässt, die jeweils zum Gegenstand eines selbstständigen Urteils gemacht werden können und der Ausspruch über diesen Teil unabhängig vom restlichen Verfahrensgegenstand getroffen werden könnte (Musielak/Voit/Musielak, 17. Aufl. 2020, ZPO § 301 Rn. 3). Die Datenauskunft hingegen kann nur einheitlich Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sein, weil die Vollständigkeit der Auskunft nicht eine Frage der Anspruchsentstehung und -erfüllung, sondern der Durchsetzung im Vollstreckungsverfahren ist. Erfüllt kann der Anspruch erst dann sein, wenn der Verpflichtete erklärt, dass das Gelieferte die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen soll (vgl. BGH, NJW 2021, 765 Rn. 43, beckonline). Diese Erklärung kann sich bei einer abstrakten Auskunftsverpflichtung nur auf die gesamte Leistungspflicht beziehen, nicht auf abtrennbare Teile hiervon (vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2014 - XII ZB 385/13).

3. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag der Klägerin so zu verstehen, dass sie bei verständiger Würdigung an der uneingeschränkten Verurteilung zur Erteilung der Datenauskunft festhalten möchte. Der Kammer ist es verwehrt, den Antrag der Klägerin als vollständig erledigt zu betrachten, weil der Streitstoff nicht zur Disposition des Gerichtes steht. Dem Vorbringen der Klägerin lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Klägerin den Antrag auch in vollem Umfang für erledigt erklärt hätte. Hinreichend abgrenzbar ist allein der Anspruch auf Herausgabe der Handakte und der Abrechnungsdokumentation, weil dieser Anspruch nicht nur als Teil der Datenauskunft begehrt werden kann, sondern aufgrund des Anwaltsvertrags auch nach § 667 BGB iVm § 50 BRAO. Nur im Hinblick auf diesen im Antrag der Klägerin zu 1. enthaltenen Anspruch ist der Rechtsstreit übereinstimmend erledigt.

II.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Datenauskunft gemäß Art. 15 DS-GVO gegen den Beklagten zu (1.). Zu Gunsten der Klägerin ist festzustellen, dass dem Beklagten aus der Rechnung Nr. 20-1001 nur ein Anspruch in Höhe von 956,64 EUR zusteht (2.). Für die verspätete Erteilung der Datenauskunft steht der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld zu (3.). Außerdem hat die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 41,77 EUR gemäß §§ 280 Absatz 1, 2, 286 BGB (4.). Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen zu.

1. Anspruch auf Datenauskunft

a) Die Klägerin hat gemäß Art. 15 Absatz 1, 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 12 DS-GVO gegen den Beklagten einen Anspruch auf Datenauskunft nebst Zurverfügungstellung einer Datenkopie.

Nach Art. 15 DS-GVO hat jede betroffene Person, nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO also jede durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte Person, das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie u.a. ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten. Der Begriff der "personenbezogenen Daten" nach Art. 4 DS-GVO ist weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen (vgl. OLG Köln, ZD 2019, 462 Rn. 60, 61, beckonline).

Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des OLG Köln, die den Umfang der Datenauskunft grundsätzlich weit fast. Hierunter fallen demnach unter anderem auch die Angaben aus dem Mandatskonto der Klägerin bei dem Beklagten und die betreffend die Klägerin gespeicherte elektronische Kommunikation. Insbesondere die mit der Klägerin über Whatsapp geführte Kommunikation hat der Beklagte nicht vorgelegt, sodass der Auskunftsanspruch noch nicht nach § 362 Absatz 1 BGB erfüllt ist. Denn trotz erteilter Auskünfte scheidet Erfüllung aus, soweit die Auskünfte erkennbare Lücken aufweisen (vgl. nur Musielak/Voit/Lackmann, 18. Aufl. 2021 Rn. 8, ZPO § 888 Rn. 8, m.w.N.). Darüber hinaus ist die Auskunft des Beklagten offensichtlich unvollständig, weil keine Auskunft über das Mandat betreffend die Klage gegen das Kosmetikstudio E erteilt worden ist.

b) Über den Antrag zu 1. ist durch Endurteil zu entscheiden. Für die Entscheidung ist es ohne Bedeutung, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Antrag zu 1. als Stufenklage gestellt hat. Die Voraussetzungen einer Stufenklage liegen nicht vor. Dies folgt - unabhängig von der Frage, ob das Begehren auf Datenauskunft im Wege der Stufenklage geltend gemacht werden kann (vgl. OLG Köln Urt. v. 26.7.2019 - 20 U 75/18, BeckRS 2019, 16261, Rn. 10, beckonline, die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BAG vom 27.04.2021 war zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht veröffentlicht) - schon aus dem Umstand, dass die Klägerin bezogen auf die Datenauskunft nur diesen einen Antrag gestellt hat. Für eine Stufenklage ist jedoch mindestens die Stellung von zwei Anträgen erforderlich, die im Verhältnis zueinander stehen (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 254 Rn. 17). Nicht ausreichend ist, dass die Klägerin sich im Schriftsatz vom 19.05.2021 Schadensersatzansprüche nur vorbehalten hat (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 254 Rn. 12 m.w.N.).

2. Feststellung bzgl. der Honorarforderung des Beklagten

Der mit der Rechnung Nr. 20-1001 vom 03.10.2020 geltend gemachte Betrag in Höhe von 4.778,62 EUR steht dem Beklagten nicht in voller Höhe zu. Aus seiner vorgerichtlichen Tätigkeit steht dem Beklagten nach der Kündigung des Mandats noch ein Anspruch auf Honorar gemäß § 628 Absatz 1 Satz 1 BGB in Höhe von 956,64 EUR zu.

a) Aufgrund der Tätigkeit des Beklagten ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1,3 aus einem Streitwert von 104.683,00 EUR entstanden. Der Beklagte hat entsprechend den Vorbemerkungen 2.3 Absatz 3 der Anlage 1 RVG das Geschäft betrieben. Hierunter fällt der Auftrag zu einer nach außen gerichteten Tätigkeit (Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019 Rn. 17a, RVG VV 2300 Rn. 17a), der in Form der Beauftragung mit der Regulierung der Schadensfolgen des Verkehrsunfalls gegenüber der D zu sehen ist. Die Klägerin zweifelt selbst nicht daran, dass der Beklagte insoweit Tätigkeiten entfaltet hat. Nicht dargelegt ist, weshalb eine höhere Gebühr als 1,3 verdient sein sollte. Der Beklagte hat zu den Voraussetzungen, dass es sich nämlich um eine umfangreiche oder schwierige Tätigkeit gehandelt habe, nichts vorgetragen. Gleichfalls ist nicht dargelegt, wofür der Beklagte eine Verfahrens- oder Terminsgebühr hätte verdienen können.

Demnach stehen dem Beklagten eine Gebühr Nr. 2300 VV RVG von 1,3 = 1.953,90 EUR und Auslagen in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer in Höhe von 375,04 EUR zu, d.h. insgesamt 2.348,94 EUR. Hiervon ist die erhaltene Vorschusszahlung in Höhe von 1.392,30 EUR abzuziehen, sodass 956,64 EUR verbleiben.

Die von der Klägerin erhobenen formalen Einwände ändern nichts daran, dass die vom Beklagten vorgelegte Rechnung den Anforderungen des § 10 RVG genügt und die Rechnungsforderung auf dieser Grundlage auch einforderbar ist.

b) Der Honoraranspruch ist nicht aufgrund der Regelung des § 628 Absatz 1 Satz 2 BGB untergegangen. Hiernach steht dem Dienstverpflichteten ein Anspruch auf Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben und er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teils veranlasst hat. Da es sich um eine Ausnahmevorschrift von der Regel handelt, trägt der Mandant die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die zum Wegfall des Honoraranspruchs führen sollen (BGH, NJW 1982, 437, 438).

Im vorliegenden Fall ist ein solches vertragswidriges Verhalten nicht hinreichend dargelegt. Einen wichtigen Grund für die Mandatskündigung gemäß § 626, der für ein Auflösungsverschulden nach § 628 Absatz 1 Satz 2 BGB erforderlich ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 79. Auflage, § 628 Rn. 6) trägt die Klägerin nicht mit Erfolg vor. Grundsätzlich kann zwar die Unzuverlässigkeit des Vertragspartners eine weitere Bindung unzumutbar machen. Jedoch genügt nicht jede geringste Unzuverlässigkeit oder Säumnis. Zur Kündigung berechtigt die Unzuverlässigkeit nur, wenn sie nachhaltig und deswegen schwerwiegend ist (vlg. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.10.2011 - 24 U 87/11; Palandt/Weidenkaff, a.a.O, § 626 Rn. 44). Außerdem verlangt die auch insoweit anwendbare Regelung des § 314 Absatz 2 BGB eine vor der Kündigung ausgesprochene Fristsetzung (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.).

Ein derart schwerwiegendes Fehlverhalten des Beklagten lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte das Mandat habe einschlafen lassen und dass die Klägerin mehrfach im Laufe des Jahres 2019 versucht habe, einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Dem ist der Beklagte mit dem Vorbringen entgegengetreten, dass noch im September und Oktober 2019 Termine zur Besprechung und Vorbereitung der Klage stattgefunden hätten. Der Zeitablauf ergebe sich auch aus der Entwicklung der Reha und Operationen der Klägerin und deren Folgen. Dem ist die Klägerin nicht näher entgegengetreten, sodass sie insbesondere nicht bestritten hat, dass es noch die zwei Besprechungstermine gegeben habe. Überhaupt folgt aus ihrem Vorbringen nicht, inwieweit das Mandat nicht weiter betrieben worden sein soll und auf welche Anfragen der Beklagte in welcher Häufung vorwerfbar nicht reagiert haben soll. Daher ist das Vorbringen des Beklagten gemäß § 138 Absatz 2, 3 ZPO zugrunde zu legen und ein Kündigungsgrund fernliegend. Schließlich hat die Klägerin auch keine Frist gesetzt oder gemahnt, sondern unmittelbar die Kündigung erklärt.

c) Auch die von der Klägerin erklärte Hilfsaufrechnung bringt den Honoraranspruch nicht zu Fall. Der Klägerin ist jedenfalls kein kausaler und zurechenbarer Schaden entstanden, weil die Kündigung des Mandatsverhältnisses mangels eines berechtigten Grundes allein durch die Klägerin veranlasst worden ist. Etwaige Mehrkosten eines weiteren Rechtsanwalts nach der Kündigung können dem Beklagten daher nicht angelastet werden.

3. Entschädigung für verspätete Datenauskunft

Der Klägerin steht aufgrund der erst nach acht Monaten erteilen Datenauskunft kein Anspruch auf Schadensersatz in Form eines Schmerzensgeldes aus Art. 82 DSGVO zu.

Es kann dahinstehen, ob in der deutlich verzögerten Erteilung der Datenauskunft ein Verstoß im Sinne des Art. 82 Absatz 1 DSGVO zu sehen ist. Schließlich spricht die Norm nur demjenigen einen Schadensersatzanspruch zu, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung einen Schaden erlitten hat. Gemäß Art. 82 Absatz 2 DSGVO haften die Verantwortlichen - insoweit konkretisierend - für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung entstanden ist. Daher kommt nur ein Verstoß durch die Verarbeitung selbst in Betracht, die verordnungswidrig sein muss, um einen Schadensersatzanspruch auszulösen. Aufgrund von anderen Verstößen, die nicht durch eine der DSGVO zuwiderlaufende Verarbeitung verursacht worden sind, kommt eine Haftung nach Art. 82 Absatz 1 DSGVO nicht in Betracht (vgl. Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, DSGVO Art. 82 Rn. 7 Rn. 7, beckonline; Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82 Rn. 23; Gola DS-GVO/Gola/Piltz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 14; Ehmann/Selmayr/Nemitz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 8; vgl. Erwägungsgrund 146 S. 1 zur DSGVO). Eine bloße Verletzung der Informationsrechte der betroffenen Person aus Art. 12-15 führt daher nicht dazu, dass eine Datenverarbeitung, infolge derer das Informationsrecht entstanden ist, selbst verordnungswidrig ist (Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, DSGVO Art. 79 Rn. 18, beckonline). Dementsprechend löst die nach Art. 12 Absatz 3 Satz 1 DSGVO verspätete Erfüllung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO aus.

Unabhängig davon scheitert der Anspruch auch daran, dass ein Schaden nicht dargelegt ist. Allein dass die Klägerin auf die Datenauskunft "warten" musste, kann auch nach dem Schadensmaßstab der DSGVO keinen ersatzfähigen Schaden begründen. Es muss auch bei einem immateriellen Schaden eine Beeinträchtigung eingetreten sein, die unabhängig von einer Erheblichkeitsschwelle wenigstens spürbar sein muss. Andernfalls scheidet ein "Schaden" begrifflich schon aus. Eine solche Spürbarkeit kann dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden.

4. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

a) Der Klägerin steht nur ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 41,77 EUR zu. Der Beklagte befand sich nach der Aufforderung zur Erteilung der Datenauskunft in der Kündigung vom 07.01.2020 nach Ablauf der Monatsfrist des Art. 12 Absatz 3 Satz 1 DSGVO in Verzug. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten mit der Durchsetzung dieses Anspruchs gegenüber dem Beklagten erfolgte erst nach Eintritt des Verzugs, nämlich am 25.03.2020. Dies hat die Klägerin substantiiert unter anderem durch Vorlage der auf den 25.03.2020 datierenden Vollmacht für den Klägervertreter dargelegt, ohne dass der Beklagte dem hinreichend entgegengetreten wäre.

Die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG von 0,65 ist allerdings nur aus einem Streitwert von 500,00 EUR entstanden. Hinsichtlich der Wertfestsetzung wird auf die untenstehenden Ausführungen verwiesen.

Ein Anspruch auf Zinsen steht der Klägerin nicht zu, weil sie noch keine Vermögenseinbuße erlitten hat. Der Anspruch ist schließlich auf Freistellung gerichtet.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92 Absatz 1 ZPO.

Im Hinblick auf den im Antrag zu 1. enthaltenen Anspruch auf Herausgabe der Handakte ist der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden, sodass über die Kosten gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden ist. Hiernach sind die Kosten bezogen auf den abgrenzbaren Streitgegenstand der Herausgabe der Handakte dem Beklagten aufzuerlegen. Der Klägerin stand unzweifelhaft ein Anspruch auf Herausgabe gemäß § 667 BGB iVm § 50 BRAO zu. Auf das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten kommt es nicht an, weil er sich durch die anschließende Herausgabe der Handakte selbst in die Rolle des Unterlegenen begeben und damit den Anspruch anerkannt hat.

2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO.

IV. Streitwert

Der Streitwert für den Antrag zu 1. wird auf 500,00 EUR festgesetzt, wobei dieser Wert gleichermaßen für den Anspruch auf Erteilung der Datenauskunft sowie Herausgabe der Handakte gilt.

Inwiefern regelmäßig ein pauschaler Streitwert von 5.000,00 EUR das Angreiferinteresse bei einer Datenauskunft abbilden sollte, erschließt sich der Kammer nicht. Der Anspruch auf Datenauskunft kann nicht verallgemeinerungsfähig mit einem pauschalen Streitwert bemessen werden, weil der Inhalt des Anspruchs sehr vom jeweiligen Einzelfall geprägt ist. Hinzu kommt, dass auch die Interessenlagen der Anspruchssteller nicht verallgemeinerungsfähig sind. Die Gründe für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Datenauskunft können erheblich variieren. Dem Grunde nach sollen die Transparenzvorschriften der betroffenen Person zunächst dazu dienen, Kenntnis über eine etwaige Datenverarbeitung zu erhalten. In der Folge bildet die Kenntnis der Verarbeitung die Basis dafür, dass die betroffene Person die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung überprüfen kann (vgl. Ehmann/Selmayr/Ehmann, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn. 1). Es erscheint daher fernliegend, für diesen nicht von weiteren Voraussetzungen abhängigen Anspruch auf Datenauskunft bereits ein regelmäßiges Wertinteresse von 5.000,00 EUR anzuerkennen. In aller Regel ist vielmehr ein Wertinteresse von nur 500,00 EUR anzunehmen, weil die Auskunft nach dem gesetzlichen Regelfall nicht zwangsläufig mit der Geltendmachung weiterer Rechte einhergehen muss. Für diesen Regelfall ein höher zu bemessendes Wertinteresse anzuerkennen, erscheint nicht angezeigt. Etwas anderes gilt nur, wenn die mit der Datenauskunft verfolgten Ziele im Einzelfall ein konkret gesteigertes Wertinteresse erkennen lassen.

Ein solches gemäß § 3 ZPO höher zu bemessendes wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der begehrten Datenauskunft ist im vorliegenden Fall jedoch nicht hinreichend erkennbar. Die Höhe des ihr infolge des Verkehrsunfalls entstandenen Schadens kann für den Streitwert auf Datenauskunft gegenüber dem Beklagten nicht maßgeblich sein, weil nicht ersichtlich ist, dass die weitere Durchsetzung ihres Anspruchs gegenüber der D von der Datenauskunft abhängig wäre. Zwar mag die von dem Beklagten geführte Handakte, deren Herausgabe von dem Datenauskunftsanspruch der Klägerin mit umfasst ist, für die weitere Regulierung nützlich sein. Zwingende Voraussetzung oder auch nur erleichternd für die Durchsetzung ihres verbliebenen Anspruchs ist die Handakte aber kaum. Zudem ist unklar geblieben, welchen weitergehenden Schaden die Klägerin nach der bislang erfolgten Teilregulierung der D noch würde geltend machen wollen.

Ein etwaiges Interesse, den Beklagten in Regress zu nehmen, ist wertmäßig ebenfalls nicht darlegt. Das Interesse an der Herausgabe der Handakte ist jedoch regelmäßig nach einem Bruchteil des zu erwartenden Regresses zu bestimmen (vgl. LG Frankfurt, Beschluss vom 27. März 2017 - 2-01 T 14/17 -, juris). Soweit die Herausgabe auch allein der weiteren Regulierung des Unfallschadens dienen soll, erschöpft sich dieses Interesse in dem Wert der Datenauskunft. Aus diesem Grund kommt auch dem Anspruch auf Herausgabe nur der Handakte kein abweichender oder weiterer Wert zu, weil die Handakte bei verständiger Würdigung für die Klägerin der allein maßgebliche Gegenstand von Interesse ist.

Der Streitwert für die Anträge zu 4. und 5. wird auf 1.000,00 EUR bzw. 5.735,26EUR (§ 45 Absatz 3 GKG) festgesetzt.