OLG Köln, Beschluss vom 12.05.1997 - 16 Wx 67/97
Fundstelle
openJur 2012, 76485
  • Rkr:

Küchengerüche, die durch das geöffnete Fenster ins Freie dringen und die übrigen Miteigentümer nicht unerheblich in der Nutzung ihres Wohnungseigentums beeinträchtigen, mögen ,ortsüblich" sein. Dies hindert nicht die Verpflichtung aus § 14 Nr. 1 WEG, diese Störung im Rahmen des Zumutbaren, etwa durch Einbau einer Dunstabzugshaube, zu reduzieren. Im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander gelten insoweit andere Regeln als im allgemeinen Nachbarrecht.

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers vom 5. 3. 1997 wird der Beschluß des Landgerichts Köln vom 4. 2. 1997 - 29 T 270/96 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung -auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde - an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer einer Penthousewohnung im

zweiten und dritten Obergeschoß des Hauses M.er Straße in K.. Unter

den im zweiten Obergeschoß gelegenen Räumen des Antragstellers

liegt die Wohnung der Antragsgegnerin, die sie an ihre Tochter

vermietet hat. Der Antragsteller benutzt die im zweiten Obergeschoß

gelegenen Räume als Schlafzimmer. Das Küchenfenster der Wohnung der

Antragsgegnerin befindet sich unmittelbar unter einem

Schlafzimmerfenster der Wohnung des Antragstellers. Die Küche der

Antragsgegnerin verfügt über eine Abluftöffnung zum Anschluß einer

Dunstabzugshaube. Im Gegensatz zu allen anderen Wohnungen der

hochwertig ausgestatteten Wohnungseigentumsanlage ist die Küche der

Antragsgegnerin nicht mit einer Abzugshaube eingerichtet.

Der Antragsteller hat behauptet, durch unangenehme Küchengerüche

aus der Wohnung der Antragsgegnerin komme es insbesondere dann,

wenn das Küchenfenster zum Lüften geöffnet ist, zu erheblichen

Belästigungen in seinen Schlafräumen. Der unangenehme Küchengeruch

setze sich sogar in der Bettwäsche und in den Gardinen fest. Die

Geruchsbelästigungen könnten durch den Einsatz einer

Dunstabzugshaube vermieden werden. Hierfür hat er

Sachverständigenbeweis angetreten.

Der Antragsteller hat beantragt,

1.

die Antragsgegnerin zu verpflichten, in

der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung, M.er Straße , K. 1,

Obergeschoß links, in dem Küchenraum eine geeignete, der Größe der

Küche entsprechende Dunstabzugshaube einzubauen, die so

leistungsstark ist, üb er 6OO m³ zu arbeiten,

hilfsweise,

2.

die Antragsgegnerin zu verpflichten,

unter Anordnung eines angemessenen Ordnungsgeldes für den Fall der

Zuwiderhandlung geeignete Maßnahmen zu treffen, durch die

übermäßige Geruchsbelästigungen des Antragstellers - vornehmlich

durch Küchengerüche - vermieden werden.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Durch Beschluß vom 17. 9. 1996 hat das Amtsgericht Köln die

Anträge des Antragstellers zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß hat der Antragstellers beim Landgericht

Köln Beschwerde eingelegt und beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten,

unter Androhung eines angemessenen

Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung geeignete Maßnahmen

zu treffen, durch die übermäßige Geruchsbelästigungen des

Antragstellers - vornehmlich durch Küchengerüche - vermieden

werden, die von der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung, M.er

Straße , K., 1 OG links, ausgehen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Landgericht hat die Antragsgegnerin nicht als verpflichtet

angesehen, in ihrer Eigentumswohnung Maßnahmen zu treffen, um eine

Geruchsbelästigung des Antragstellers durch Küchengerüche zu

vermeiden. Es hat dazu ausgeführt, daß die Benutzung einer Küche

zur Zubereitung von Speisen keinen unzulässigen Gebrauch des

Sondereigentums darstelle und die Beeinträchtigung des

Antragstellers durch solche Gerüche nicht über das bei einem

Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft unvermeidliche Maß

hinausgeht.

Gegen diesen ihm am 25. 2. 1997 zugestellten Beschluß hat der

Antragsteller mit Schriftsatz vom 5. 3. 1997, der am 7. 3. 1997

beim Oberlandesgericht einging, sofortige weitere Beschwerde

eingelegt.

II.

Die gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG zulässige

Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses

und Zurückverweisung an das Landgericht.

Der angegriffene landgerichtliche Beschluß ist nicht frei von

Rechtsfehlern. Das Landgericht hat die wechselseitigen

Schonungspflichten der Wohnungseigentümer im vorliegenden Fall

nicht zutreffend gewichtet und die nötige Sachaufklärung

unterlassen. Gemäß § 14 Nr. 1 WEG sind die Wohnungseigentümer

verpflichtet, von ihrem Sondereigentum nur in solcher Weise

Gebrauch zu machen, daß keinem der anderen Wohnungseigentümer über

das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus

Nachteile erwachsen.

Die vom Antragsteller geltend gemachten Geruchsbelästigungen

sind Nachteile im Sinne dieser Bestimmung. Hierfür genügt jede

nicht unerhebliche Beeinträchtigung (Pick in Bärmann/ Pick/Merle,

WEG, 7. Auflage, § 14 Rnr. 32 m. w. N.). Nur soweit die Ausübung

des Gebrauchsrechts ganz geringfügige Einwirkungen auf die Belange

der anderen Wohnungseigentümer hat, scheidet von vornherein ein

Schonungsanspruch aus. Auch unwägbare Emissionen -wie Gerüche-

genügen grundsätzlich für die Annahme eines Nachteils im Sinne § 14

Nr. 1 WEG (LG Düsseldorf WUM 1991, 52). Geruchsbelästigungen sind

dabei erst dann als unwesentlich anzusehen, wenn ein

durchschnittlicher Mensch sie kaum noch empfindet (BGH NJW 1982,

44O (441)). Es kommt für die Annahme einer erheblichen

Beeinträchtigung auch nicht darauf an, daß die Störungen nicht

dauernd, sondern nur gelegentlich erfolgen (BGH a.a.O., mwNw). Der

Antragsteller hat hier unter Vorlage von Aufstellungen über

einzelne Vorfälle und unter Beweisantritt Geruchsbeeinträchtigungen

behauptet. Nach den örtlichen Gegebenheiten, die dadurch

gekennzeichnet sind, daß das Küchenfenster der Wohnung der

Antragsgegnerin unmittelbar unter dem Schlafzimmerfenster der

Wohnung der Antragstellerin liegt, sind derartige Störungen baulich

angelegt. Dies wirkt sich offenkundig insbesondere dann aus, wenn

die Fenster in beiden Wohnungen zur Lüftung geöffnet werden.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts, kommt es für die Frage,

ob ein wesentlicher Nachteil vorliegt, nicht auf die

"Ortsüblichkeit" an. Dies zeigt schon ein Blick auf § 906 Abs. 2

Satz 1 BGB, der erhebliche Beeinträchtigungen durch nicht wägbare

Emissionen -wie Gerüche- und die Ortsüblichkeit als

unterschiedliche Tatbestandsmerkmale für den Unterlassungsanspruch

unter Nachbarn ausgestaltet hat.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts trägt der bisherige

Akteninhalt auch nicht die Feststellung, daß die

Geruchsbeeinträchtigung unvermeidlich ist. Der Antragsteller hat

unter Beweisantritt vorgetragen, daß etwa durch den Einbau einer

leistungsfähigen Dunstabzugshaube mit Kohlefilter weitgehend

verhindert werden kann, das Küchengerüche aus der Wohnung der

Antragsgegnerin in seine Wohnung gelangen. Dem ist das Landgericht

nicht nachgegangen. Der Senat ist insofern an der erforderlichen

Aufklärung gehindert (§ 561 ZPO). Die fehlenden Feststellungen sind

vom Landgericht nachzuholen.

Sollten die vom Antragsteller geforderten Maßnahmen zur

Verhinderung der Verbreitung von Küchengerüchen in seine Wohnung

möglich sein, wird das Landgericht zu prüfen haben, ob sie der

Antragsgegnerin zuzumuten sind (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG in Verbindung

mit § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hierbei ist maßgeblich, ob unter

Berücksichtigung des besonders intensiven nachbarlichen

Verhältnisses der Wohnungseigentümer sowie der Besonderheiten der

konkreten Wohnungseigentumsanlage einerseits und dem Gewicht der

Störung sowie den Beseitigungskosten andererseits eine

emissionsverhindernde Einrichtung bei der Benutzung des

Sondereigentums nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Es kann

im vorliegenden Fall letztlich dahinstehen, ob der Einsatz von

Dunstabzugshauben und ähnlichen Einrichtungen zur Minderung von

Küchengerüchen im Verhältnis zum gestörten Nachbarn regelmäßig als

wirtschaftlich zumutbar angesehen werden muß. Dies geht nach

Auffassung des Senats zu weit. Im vorliegenden Fall sind jedoch

eine Vielzahl von Besonderheiten gegeben, die den Einsatz

geruchsmindernder Einrichtungen in der Küche der Wohnung der

Antragsgegnerin angezeigt erscheinen lassen. Die Eigentumswohnungen

der Antragsgegnerin und des Antragstellers befinden sich in einem

hochwertig ausgestatteten Komplex. Alle Miteigentümer - mit

Ausnahme der Antragsgegnerin - setzen dem übrigen

Ausstattungsstandard der Wohnungseigentumsanlage entsprechend in

der Küche Dunstabzugshauben ein. Auch die Küche der Antragsgegnerin

ist bauseits mit einer für den Betrieb einer Dunstabzugshaube

bestimmten Abluftöffnung versehen. Aufgrund der besonderen Nähe der

Schlafräume des Antragstellers zu der Küche der Antragstellerin ist

eine beide Wohnungseigentümer zu besonderer Rücksicht veranlassende

nicht unproblematische bauliche Situation gegeben. Ob unter diesen

Gesichtspunkten von der Antragsgegnerin der Einsatz technischer

Einrichtung zur Geruchsminderung erwartet werden kann, hängt von

der Art und den Kosten der möglichen Maßnahmen ab. Sollte die

Behauptung des Antragstellers zutreffen, wonach der Einsatz einer

handelsüblichen Dunstabzugshaube mit Kohlefilter für eine

erhebliche Geruchsminderung genügt - was das Landgericht zu klären

haben wird -, dürfte angesichts der insofern anfallenden

gerichtsbekannten Kosten an der Zumutbarkeit kein Zweifel bestehen.

Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Antragsteller -wie

mehrfach angekündigt- an den Kosten der Maßnahme beteiligt. Für die

Beurteilung der Zumutbarkeit geruchsmindernder Maßnahmen ist der im

Verfahren der weiteren Beschwerde aufgekommene Streit unerheblich,

auf wessen Veranlassung hin in der Bauphase der ursprüngliche

Architektenentwurf für beide Wohnungen mit der Folge geändert

wurde, daß es zu der beschriebenen baulichen Situation kam. Die

schon beim Bezug der Wohnungen gegebene Lage der Räume zueinander

und ihre jeweilige Nutzung sind wechselseitig jedenfalls deshalb

hinzunehmen, da nichts dafür ersichtlich ist, daß die Planäderungen

über die sich aus § 13 WEG ergebenden Befugnisse hinausgingen.

Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Einsatz einer

Dunstabzugshaube wird nicht dadurch berührt, daß die Wohnung

vermietet ist. Die Mieterin ist gemäß § 541 b BGB zur Duldung

dieser baulichen Verbesserung verpflichtet, die ihr die im

Verhältnis zu den Nachbarn gemäß § 906 BGB gebotene Schonung

ermöglicht.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt. Das Landgericht

wird über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde

entsprechend § 47 WEG zu entscheiden haben.