BPatG, Beschluss vom 16.07.2002 - 33 W (pat) 278/01
Fundstelle
openJur 2011, 106997
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 36 des Patentamts vom 20. August 2001 aufgehoben, soweit die Anmeldung hinsichtlich der Dienstleistungen

"betriebswirtschaftliche Beratung, Organisationsberatung, Personalmanagementberatung, Beratung in Fragen der Geschäftsführung; Erstellen von Geschäftsgutachten; Marketing, Marktforschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit; Herausgabe von Statistiken; Personal-/Stellenvermittlung, Personalanwerbung; Vermarktung und Vermietung von Werbezeiten und Werbeflächen im Internet"

zurückgewiesen worden ist.

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 30. Juni 2000 die Wortmarke

"portfoliopilot"

für folgende Dienstleistungen zur Eintragung in das Register angemeldet worden:

Klasse 35:

betriebswirtschaftliche Beratung, Organisationsberatung, Personalmanagementberatung, Beratung in Fragen der Geschäftsführung; Erstellen von Geschäftsgutachten; Marketing, Marktforschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit; Herausgabe von Statistiken; Personal-/Stellenvermittlung, Personalanwerbung; Vermarktung und Vermietung von Werbezeiten und Werbeflächen im Internet.

Klasse 36:

Versicherungswesen, Versicherungsberatung, Vermittlung von Versicherungen, voranstehende Dienstleistungen insbesondere in Bezug auf Krankenversicherungen; Finanzdienstleistungen, finanzielle Beratung, Beratung in Sachen Sparen und Geldanlagen, Investitionsberatung; Finanzanalysen, Vermittlung von Vermögensanlagen, insbesondere in Fonds; Investmentgeschäfte; Vermögensmanagement für Dritte; Beratung beim Immobilienerwerb, Immobilienvermögenskonzepte für Dritte.

Klasse 42:

Verarbeitung von Daten für Dritte; Entwicklung, Erstellung, Verbesserung und Aktualisierung von Programmen für die Text- und Datenverarbeitung und zur Prozeßsteuerung; technische und Anwendungsberatung in Bezug auf Computer und Datenverarbeitungsprogramme; Internet-Dienste, nämlich Bereitstellen, Aufbereiten und Anbieten von Informationen über das Medium Internet, Betreiben und Anbieten von Interaktivitätsmodulen im Internet; Dienstleistungen eines Internet-Service-Providers, nämlich Erstellen von Programmen zur Lösung branchenspezifischer Probleme im Internet, Gestaltung und Design von Web-Sites.

Die Markenstelle für Klasse 36 hat die Anmeldung mit Beschluß vom 20. August 2001 gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, daß die angemeldete Wortkombination in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen besage, daß diese unter Zuhilfenahme einer Person oder eines Gerätes durchgeführt würden, die/das auf besonders zielgerichtete Weise in einem Portfolio nach den von Kunden ausgewählten, vorher bestimmten Kriterien unter einer Vielzahl angebotener in einer Zusammenstellung befindlichen Produkte, Werte oder Personen ein(-e, -en) bestimmte(-s, -n) auswählt, der/die/das diese Kriterien erfüllt.

Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben und regt andernfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Sie räumt zwar ein, daß der Begriff "Portfolio" im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen beschreibend sei, dies gelte aber nicht in der Zusammensetzung mit dem Wort "Pilot". Sie, die Anmelderin, verfüge im übrigen über zahlreiche deutsche und europäische Markeneintragungen mit dem Bestandteil "pilot". Das Harmonisierungsamt in Alicante habe die Eintragung der streitgegenständlichen Marke zugelassen. Falls der Senat die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke verneine, müsse im Hinblick darauf die Rechtsbeschwerde zugelassen werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der Senat hält die angemeldete Marke "portfoliopilot" entgegen der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts hinsichtlich der im Tenor zu Ziff. 1 genannten Dienstleistungen für unterscheidungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig, so daß der Anmeldung insoweit keine Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG entgegenstehen. Hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen hat die Markenstelle des Patentamts die Anmeldung dagegen im Ergebnis zu Recht gemäß § 37 Abs 1 MarkenG zurückgewiesen, da insoweit jedenfalls die Unterscheidungskraft verneint werden muß.

1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl BGH MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; MarkenR 2000, 50 - Partner with the Best). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann demnach einer Wortmarke kein für die beanspruchten Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um einen gebräuchlichen Ausdruck der deutschen Sprache, der vom Verkehr stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH aaO - Partner with the Best; BGH GRUR 1999, 1089 - YES, BGH GRUR 1999, 1093 - FOR YOU m.w.N.).

Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den Begriffen "portfolio" und "pilot" zusammen. Unter dem mittlerweile eingedeutschten, aus dem Englischen stammenden Begriff "portfolio" versteht man den Bestand von Wertpapieren eines Anlegers, eines Unternehmens oder einer Bank (vgl z.B. Hamblock, Großwörterbuch Wirtschafts-Englisch, 1995, Seite 1046; Schäfer Wirtschaftswörterbuch, 1992, S 568).

Als "Pilot" wurde nach der ursprünglichen Wortbedeutung jemand bezeichnet, der aufgrund einer bestimmten Ausbildung ein Flugzeug oder ein Auto (im Rahmen des Motorradsportes) steuert (DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 1999, S 2930). In der technischen Fachliteratur wird der Begriff "Pilot" (auch) mit einem "Steuergerät" gleichgesetzt (s. auch 24 W (pat) 48/95 - CNC-Pilot; 24 W (pat) 73/96 - MULTI-PILOT), im übrigen wird der Ausdruck begriffserweiternd für einen "Führer" oder auch "Wegweiser" verwendet (s. auch 30 W (pat) 225/95 - GRAPHIC-PILOT). Das sprachüblich gebildete Gesamtzeichen (vgl z.B. "Autopilot", "Bruchpilot" oder "Testpilot" - Muthmann, Rückläufiges deutsches Wörterbuch, 1988) bringt damit, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, zum Ausdruck, daß es sich um einen Wegweiser im Zusammenhang mit einem Wertpapierbestand handelt.

Dies führt zu einem beschreibenden Begriffsinhalt des Zeichens für einen Teil der angemeldeten Dienstleistungen. Hinsichtlich der beanspruchten Finanzdienstleistungen der Klasse 36 werden die angesprochenen Verkehrskreise, hier auch das allgemeine Publikum, das angemeldete Gesamtzeichen dahingehend verstehen, daß die Anbieterin bei der Auswahl entsprechender Vermögensanlagen oder auch Versicherungen behilflich ist, insbesondere mittels speziell programmierter elektronischer Aktien- und Fondssuchmaschinen (vgl. FAZ v. 30.11.2001 S. 32). Im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 42 bringt die angemeldete Marke zum Ausdruck, daß es sich um einen Wegweiser, eine Suchmaschine zur Auswahl von Wertpapieren und zur Zusammenstellung eines Portofolios handelt.

Die Anmelderin kann sich zur Frage der Schutzfähigkeit hinsichtlich dieser Dienstleistungen auch nicht auf eingetragene Drittzeichen berufen. Selbst eine Reihe von Eintragungen gleicher oder ähnlicher Marken kann nicht zu einer Selbstbindung des Patentamts führen und ist erst Recht für das Bundespatentgericht unverbindlich (BGH GRUR 1989, 420 - K-SÜD). Diese Grundsätze gelten auch für entsprechende Entscheidungen ausländischer Behörden. Ausländische Voreintragungen haben allenfalls eine Indizwirkung (BGH GRUR 1999, 988, 989 f. - HOUSE OF BLUES). Diese kann sich jedoch schon begrifflich nur auf die Eintragung fremdsprachiger Wortmarken in einem Land des entsprechenden Sprachraums beziehen, ist jedoch um so geringer, je gebräuchlicher - wie hier die Wörter "Portofolio" und "Pilot" - der entsprechende fremdsprachige Ausdruck im Inland ist.

Hinsichtlich der Dienstleistungen im Umfang der Stattgabe läßt sich eine sachliche Aussage nicht oder nicht ausreichend erkennen. Der Begriff "portfoliopilot" bleibt diesbezüglich noch weitgehend mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Es bedarf mehrerer analysierender Zwischenschritte, um die angemeldete Marke dahingehend zu interpretieren, daß auch die Dienstleistungen der Klasse 35, betriebswirtschaftliche Beratungsdienstleitungen sowie Dienstleistungen im Bereich der Werbung und der Personalberatung, mit einem Wegweiser bezüglich der Zusammensetzung eines Portfolios in Zusammenhang stehen.

2. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Dienstleistungen dienen können. Dabei ist davon auszugehen, daß ein Eintragungshindernis auch dann besteht, wenn eine solche Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH).

Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die angemeldete Wortmarke "portfoliopilot" im Umfang der Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle nicht. Eine Verwendung dieser Bezeichnung als beschreibende Angabe im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen ist derzeit nicht nachweisbar. Von einem auf gegenwärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltungsbedürfnis kann deshalb nicht ausgegangen werden. Ebensowenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe in Zukunft erfolgen wird.

Hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen neigt der Senat zur Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses, was hier jedoch keiner abschließenden Beurteilung mehr bedarf.

3. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht zugelassen, weil insbesondere nicht die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert. Die Frage, inwieweit von Voreintragungen gleicher oder ähnlicher Marken eine Indizwirkung ausgeht, ist bereits höchstrichterlich entschieden.

Winklerv. Zglinitzki Dr. Hock Ko