OLG Hamburg, Beschluss vom 19.07.2021 - 5 U 56/20
Fundstelle
openJur 2021, 33222
  • Rkr:
Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Grund- und Teilurteil des Landgerichts Hamburg vom 21.02.2020, Aktenzeichen 315 O 439/18, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Beklagte kann hierzu binnen 3 Wochen Stellung nehmen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um einen Unterlassungsanspruch der Klägerin wegen des Versands einer Werbe-E-Mail sowie über die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten einer vorgerichtlichen Abmahnung dem Grunde nach.

Die Klägerin ist die Z. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das u.a. auf den Betrieb von Internetseiten und die Leistungen eines Immobilienmaklers nach § 34c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GewO gerichtet ist.

Die Klägerin hat sich dagegen gewandt, dass die am Rechtsstreit nicht beteiligte M. GmbH (Schweiz) am 10.07.2018 eine Werbe-E-Mail von der Mail-Adresse mail@m....com über Leistungen der Beklagten für das von ihr betriebene Portal "H." an Herrn P. W. versandte. Die Werbe-E-Mail war an die E-Mail-Adresse "w.@....de" versandt worden, führte als Betreff "Top Makler" auf und betraf die Unterstützung beim Verkauf von Immobilien (vgl. Ausdruck in Anlage K 3). In dieser E-Mail war am Ende die Beklagte genannt sowie die M. GmbH. Herr W. ist Geschäftsführer der R. & W. GmbH & Co. KG; diese Gesellschaft hat selbst kein Immobilieneigentum. Eine Einwilligung des Herrn W. in den Empfang von E-Mails dieser Art ist nicht erteilt worden.

Die Klägerin hat beanstandet, dass die E-Mail an den Empfänger ohne dessen vorherige Einwilligung gesendet worden sei. Mit Schreiben vom 25.07.2018 hat die Klägerin die Beklagte ohne Erfolg wegen dieses Vorgangs abgemahnt und aufgefordert, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben (vgl. Anlage K 4).

Mit ihrer am 07.01.2019 zugestellten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, im geschäftlichen Verkehr ohne vorherige Einwilligung des Adressaten E-Mail-Werbung zu betreiben, wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 wiedergegeben, sowie auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von € 299,60. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 26.04.2019 der A. GmbH, mit der sie bzgl. Werbung per E-Mail in Vertragsbeziehungen gestanden hat, den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne vorherige Einwilligung des Adressaten E-Mail-Werbung zu betreiben, wenn dies geschieht wie in Anlage K 3 wiedergegeben;

II. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 21.02.2020 hat das Landgericht die Beklagte im Wege des Grund- und Teilurteils antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten der Abmahnung vom 25.07.2018 in Form einer anteiligen Pauschale zu erstatten. Es hat angenommen, der Versand der streitgegenständlichen E-Mail sei unlauter gewesen. Das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung habe weder die Beklagte noch die Nebenintervenientin behauptet. Herr W. sei (auch) "Verbraucher" gewesen, denn als Geschäftsführer der Fa. W. & R. handele er nicht mit Immobilien; insofern liege eine doppelte Unzulässigkeit vor: an das Unternehmen, weil deren Einwilligung nicht zu vermuten gewesen sei, und an seinen Geschäftsführer als Verbraucher, der nicht in die "Belästigung" eingewilligt habe. Die Beklagte habe gezielt die adäquat-kausale Ursache dafür gesetzt, dass der Empfänger eine ihr schon aufgrund der äußeren Gestaltung der Mitteilung zurechenbare unerwünschte Werbung erhalte. Die Beklagte habe die E-Mail-Werbung unabhängig von der konkreten Vertragsgestaltung und -staffelung initiiert; sie entspreche inhaltlich ihren Vorgaben. Dass sich ihr Vertragspartner für den E-Mail-Versand eines Dritten bedient habe, ändere an der Adäquanz und Zurechenbarkeit nichts. Sie müsse dafür Sorge tragen, dass bei ihrer Werbung mithilfe Dritter die gesetzlichen Beschränkungen eingehalten werden.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, und verfolgt ihren Antrag auf Klagabweisung in der Berufungsinstanz weiter.Zur Begründung der Berufung bezieht sie sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht geltend, sie sei nicht Versenderin der E-Mail gewesen. Das Handeln der M. GmbH sei ihr nicht zuzurechnen, da lediglich mit der Nebenintervenientin eine Vertragsbeziehung bestanden habe, deren Gegenstand auch E-Mail-Werbung gewesen sei, nicht aber mit der M. GmbH. Bei der M. GmbH handele es sich daher nicht um einen Beauftragten im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG. Eine Rechtsgrundlage für die Verantwortlichkeit der Beklagten habe das Landgericht nicht aufgezeigt. Zudem hält die Beklagte den ausgeurteilten Unterlassungsanspruch für zu weitgehend, da eine Wiederholungsgefahr allenfalls gegenüber Unternehmern bestehe. Es fehle im Urteilsausspruch auch eine Berücksichtigung des § 7 Abs. 3 UWG. Der Anspruch auf Abmahnkosten bestehe daher nicht.

Über die Höhe der streitigen Abmahnkosten hat das Landgericht anschließend aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten in der Sache durch Anerkenntnisteil- und Schlussurteil vom 28.04.2020 entschieden. Dies ist nicht Gegenstand der Berufung der Beklagten.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber zur Überzeugung des Senates offensichtlich unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Unterlassung und zur Erstattung der Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung dem Grunde nach verurteilt. Hinsichtlich der Begründung wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Die Berufungsbegründung bietet im Ergebnis keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Sie gibt nur zu folgenden ergänzenden Anmerkungen Anlass:

1.

Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass das Landgericht zwischenzeitlich bereits über die Höhe der streitigen Abmahnkosten aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten in der Sache entschieden hat und dieses Urteil von der Beklagten nicht angegriffen wird. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt die Aufrechterhaltung des Grundurteils eine auflösende Bedingung für das Endurteil dar. Wird das Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs nach Erlass des Endurteils über den Betrag aufgehoben, so verliert das Endurteil selbst dann, wenn es rechtskräftig geworden ist, seine Wirkung, ohne dass es eines gesonderten Ausspruchs bedürfte (BGH, Urteil vom 18. 7. 2007 - VIII ZR 236/05, DS 2007, 377 Rn. 16). Der Berufung der Beklagten fehlt daher auch nicht insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, als sie sich gegen die Feststellung der Verpflichtung zur Tragung der Abmahnkosten dem Grunde nach (Ziffer II. des angefochtenen Urteils) wendet.

2.

Zu Recht hat das Landgericht den Unterlassungsanspruch der Klägerin nach Ziffer I. gestützt auf § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG als begründet angesehen.

a)

Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte dagegen, dass der Verbotsantrag zu weit gehe. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Geschäftsbetrieb des Unternehmens, deren Geschäftsführer der Adressat der Werbe-E-Mail ist, nicht auf den Erwerb von Immobilienbesitz gerichtet, so dass die Annahme des Landgerichts, Herr W. sei als auch Privatperson angesprochen gewesen, nicht zu beanstanden ist. Für eine Berücksichtigung des gesetzlich vorgesehenen Ausnahmetatbestands nach § 7 Abs. 3 UWG im Urteilsausspruch bestand im Streitfall kein Anlass, da auch die Beklagte nichts zur Erhebung der streitgegenständlichen E-Mail-Adresse vorgetragen hat.

b)

Auch in der Sache vermag das Berufungsvorbringen die Annahme des Landgerichts, die Beklagte sei für die streitgegenständliche Werbe-E-Mail verantwortlich, nicht in Frage zu stellen. An die tatrichterliche Feststellung des Landgerichts, dass die streitgegenständliche Werbe-E-Mail von der Beklagten unabhängig von der konkreten Vertragsgestaltung und -staffelung initiiert worden sei und inhaltlich ihren Vorgaben entspreche, ist das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Die Berufung zeigt keine Umstände auf, die die Richtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung in Zweifel zu ziehen vermögen. Die Beklagte hatte zudem selbst die Streitverkündung gegenüber der Nebenintervenientin damit begründet, dass diese die beanstandete E-Mail-Werbung erbracht habe (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 26.04.2019 = Bl. 33 d.A.). Die Beklagte muss sich den Versand der streitgegenständlichen E-Mail daher nach § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen.

Durch § 8 Abs. 2 UWG soll verhindert werden, dass sich der Inhaber eines Unternehmens, dem Wettbewerbsverstöße zugutekommen, hinter einem von ihm abhängigen Dritten versteckt. Der Unternehmensinhaber soll sich nicht der Haftung entziehen und einseitig die Vorteile einer arbeitsteiligen Organisation nutzen können, ohne zugleich die Verantwortung für das wettbewerbliche Verhalten des für ihn Tätigen zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2007 - I ZR 92/04, GRUR 2007, 994 Rn. 19 - Gefälligkeit, mwN). Es ist anerkannt, dass die Mehrstufigkeit eines Beauftragungsverhältnisses der Anwendung des § 8 Abs. 2 UWG nicht entgegensteht (BGH, Beschluss vom 04.04.2012 - I ZR 103/11, NJOZ 2013, 863 Rn. 7). Der Unternehmensinhaber wird nicht dadurch entlastet, dass er den Beauftragten im Hinblick auf den Einsatz eines Unterbeauftragten vertraglich gebunden und sich der Beauftragte über diese vertraglichen Einschränkungen seiner Befugnisse hinweggesetzt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmensinhaber mit einer solchen Verletzung vertraglicher Pflichten konkret rechnen musste (BGH, NJOZ 2013, 863 Rn. 8).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze vermag die Berufungsbegründung die Beurteilung des Landgerichts nicht in Zweifel zu ziehen, die Beklagte sei für die streitgegenständliche E-Mail-Werbung verantwortlich. Dies gilt insbesondere für den Vortrag der Beklagten, nur zwischen ihr und der von ihr beauftragten Nebenintervenientin habe ein Vertragsverhältnis bestanden, nicht aber auch zu der M. GmbH, die die Werbe-E-Mail tatsächlich versandt habe. Denn sowohl das Hinwegsetzen des Beauftragten, Unterbeauftragte einzusetzen oder nicht, als auch das Hinwegsetzen des Unterbeauftragten über vertragliche Weisungen oder gesetzliche Vorgaben selbst vermag den Unternehmensinhaber nicht zu entlasten.

3.

Zu Recht hat das Landgericht auch den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten dem Grunde nach zugesprochen.

4.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die vorliegende Sache erschöpft sich in einer Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall.

Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Beklagte sollte erwägen, ihre Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten innerhalb der gesetzten Frist zur Stellungnahme zurückzunehmen.

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