1. Ob eine natürliche oder juristische Person als pünktlicher oder nicht pünktlicher Steuerzahler zu betrachten ist, beurteilt sich nicht anhand einer einzelnen Steuerart, sondern ist in einer Gesamtschau zu prüfen, bei der alle für das Verhältnis zwischen dem Steuerzahler und der Finanz- bzw. Zollverwaltung relevanten Umstände heranzuziehen sind.
2. Säumniszuschläge, die gegenüber einem an sich pünktlichen Steuerzahler erhoben werden, verlieren ihren Zweck als Druckmittel, den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung seiner steuerrechtlichen Verbindlichkeiten anzuhalten, was bereits für sich genommen einen hälftigen Erlass der verwirkten Säumniszuschläge rechtfertigt.
3. Hat die Säumnis des Steuerzahlers keinen oder nur einen geringfügigen Verwaltungsaufwand verursacht, ist auch der weitere, mit der Erhebung von Säumniszuschlägen verfolgte Zweck entfallen mit der Folge, dass als ermessensfehlerfreie Entscheidung allein ein vollständiger Erlass der Säumniszuschläge in Betracht kommt.
Die Klägerin begehrt den Erlass von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen.
Die Klägerin meldete beim beklagten Hauptzollamt für den Monat April 2017 mit ihren Steueranmeldungen zu den Registrierzeichen XXX-1, XXX-2 und XXX-3 Energiesteuer an, die am 12.06.2017 - ein Montag - fällig war. Die Klägerin entrichtete die fälligen Energiesteuerbeträge erst am 29.06.2017; die bis zu diesem Zeitpunkt verwirkten Säumniszuschläge über ... Euro zahlte sie am 14.08.2017.
Mit Schreiben vom 14.08.2017 beantragte die Klägerin beim beklagten Hauptzollamt den Erlass der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen. Sie führte insoweit aus, dass versehentlich eine fristgerechte Überweisung unterblieben sei. Die Gründe hierfür basierten auf erheblichen Umstrukturierungsmaßnahmen im Mai und Juni 2017 für ihren Gesellschaftsbereich und auf kurzfristigen Personalausfällen im Geschäftsbereich Energie. Als sie - die Klägerin - die Säumnis bemerkt habe, sei die Überweisung sofort nachgeholt worden. Da es sich bei der verspäteten Zahlung um ein erstmaliges Versäumnis handele, seien die Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen zu erlassen.
Mit Bescheid vom ... 2017 lehnte das beklagte Hauptzollamt den begehrten Billigkeitserlass unter Hinweis darauf ab, dass in der Vergangenheit weitere Steuerentrichtungen nach Fälligkeit festgestellt worden seien. Zwar sei in diesen insgesamt 19 Fällen die Zahlung jeweils innerhalb der Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO erfolgt. Steuerschuldner, die die Steuer wiederholt unter Ausnutzung der Schonfrist zahlten, stellten indes keine pünktlichen Steuerzahler dar mit der Folge, dass die Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme ausscheide.
In ihrem gegen den Bescheid vom ... 2017 gerichteten Einspruch wandte die Klägerin u.a. ein, dass eine Ausnutzung von Zahlungsfristen und Zahlungsschonfristen gesetzlich normiert sei und keine Säumnis zur Folge habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom ... 2020 wies das beklagte Hauptzollamt den Einspruch der Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO die Fälligkeit nicht hinausschiebe; vielmehr trete die Säumnis bereits mit Ablauf des Fälligkeitstages ein mit der Folge, dass Säumniszuschläge verwirkt würden. Die Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO stelle eine vom Gesetz vorweggenommene Billigkeitsmaßnahme dar, um in Fällen geringfügiger Zahlungsüberschreitungen auf eine Erhebung von Säumniszuschlägen verzichten zu können. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Mit ihrer am ... 2020 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie betont erneut, dass durch ein entschuldbares Versehen eine fristgerechte Überweisung der Steuerbeträge nicht veranlasst worden sei. Die Gründe hierfür seien erhebliche konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen in den Zeiträumen ab 2017 in fast allen Geschäftsbereichen. Zudem verließen im Fälligkeitszeitpunkt mehrere Mitarbeiter aus dem Geschäftsbereich Energie kurzfristig den Konzern. Zum Aufgabenbereich dieser Kollegen habe auch die Überwachung und Veranlassung fristgerechter Zahlungen gegenüber den Hauptzollämtern gehört. Sie - die Klägerin - sei in der Vergangenheit stets ihren Zahlungsverpflichtungen vollumfänglich nachgekommen. Eine Ausnutzung von Zahlungsfristen und Zahlungsschonfristen sei gesetzlich normiert und habe bei entsprechender Zahlung keine Festsetzung von Säumniszuschlägen zur Folge. Das Hauptzollamt A habe sich bei gleichem Sachstand ihrer Rechtsauffassung angeschlossen und ihr die gegenüber dem Hauptzollamt A entstandenen Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen erlassen. Die Abgabe der Energiesteueranmeldungen für April 2017 sei im Besteuerungszeitraum durch einen einzelnen Mitarbeiter erfolgt. Auch die Zahlung der in Rede stehenden Energiesteuerbeträge für diesen Zeitraum sei durch diesen Mitarbeiter veranlasst worden. Das im Konzernbereich geltende 4-Augen-Prinzip sei in diesem Fall nicht eingehalten worden. Das fehlerhafte Handeln des Mitarbeiters sei entgegen bestehender Organisationsanweisungen und Prozessbeschreibungen eigenmächtig erfolgt. Dieses nur einmalige Verschulden eines einzelnen Mitarbeiters sei ihr - der Klägerin - nicht zuzurechnen und daher als unverschuldete Handlung zu bewerten. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 30.04.2020 verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom ... 2017 und der Einspruchsentscheidung vom ... 2020 zu verpflichten, ihr die Säumniszuschläge gemäß ihrem Antrag vom 14.08.2017 zu erlassen.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,die Klage abzuweisen.
Es verteidigt die angegriffenen Bescheide.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.
...
Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden (§§ 90 Abs. 2, 79a Abs. 3 FGO).
Die zulässige Verpflichtungsklage führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg. Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf die begehrte Billigkeitsmaßnahme, da das Ermessen des beklagten Hauptzollamtes im Rahmen der zu treffenden Erlassentscheidung nach § 227 AO nicht dahin reduziert ist, dass die Säumniszuschläge in voller Höhe zu erlassen sind; die Sache ist insoweit nicht spruchreif (§ 101 Satz 1 FGO). Das beklagte Hauptzollamt hat indes seine Ermessensentscheidung nicht anhand eines einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts getroffen und alle zu berücksichtigenden Aspekte in seine Ermessensentscheidung einbezogen. Das beklagte Hauptzollamt ist daher zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Erlass der Säumniszuschläge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt das erkennende Gericht im Einzelnen lediglich Folgendes an:
Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles - aus persönlichen oder sachlichen Gründen - unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Zu diesen Ansprüchen gehören auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen einschließlich der nach § 240 Abs. 1 AO entstehenden Säumniszuschläge.
Bei der gerichtlichen Überprüfung eines Ablehnungsbescheides ist zu berücksichtigen, dass der Erlass von Steuern bzw. steuerlichen Nebenleistungen gemäß § 227 AO im Ermessen der Finanzbehörde bzw. des Hauptzollamtes liegt. Das Gericht darf deshalb nur überprüfen, ob die Ablehnung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 Satz 1 FGO). Selbst bei einem Ermessensfehlgebrauch der Finanzbehörde darf das Gericht in der Regel nur die Verpflichtung aussprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Nur dann, wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeschränkt ist, dass lediglich eine Entscheidung ganz bestimmten Inhalts als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null), kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO). Abzustellen ist für die gerichtliche Prüfung der Ermessensentscheidung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung als letzte Verwaltungsentscheidung (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Urteil vom 11. Juni 1997, X R 14/95, juris; Beschluss vom 4. März 1999, VII B 315/98, BFH/NV 1999, 1223; FG Hamburg, Urteil vom 28. Juni 2017, 2 K 154/16, juris).
Unter Berücksichtigung des vorstehend skizzierten Prüfungsmaßstabs erweist sich die streitgegenständliche Ablehnungsentscheidung des beklagten Hauptzollamtes als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig (hierzu unter 1.). Mangels Spruchreife kann das beklagte Hauptzollamt jedoch nur dazu verpflichtet werden, über den Erlassantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (hierzu unter 2.).
1. Die streitgegenständliche Entscheidung des beklagten Hauptzollamtes, der Klägerin die Säumniszuschläge nicht zu erlassen, ist ermessensfehlerhaft.
Ein Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 227 AO ist geboten, wenn ihre Einziehung im Einzelfall, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Säumniszuschläge, nicht zu rechtfertigen ist, obwohl der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Erhebung der Säumniszuschläge aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (sog. Gesetzesüberhang, vgl. etwa BFH, Urteil vom 14.9.1978, V R 35/72, juris).
Nach ständiger Rechtsprechung sind Säumniszuschläge ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Darüber hinaus verfolgt § 240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Durch Säumniszuschläge werden schließlich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden Körperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß zahlen (vgl. BFH, Beschluss vom 21.04.1999, VII B 307/98, BFH/NV 1999, 1440; BFH, Urteil vom 18.06.1998, V R 13/98, BFH/NV 1999, 10 und vom 16.07.1997, IX R 32/96, BStBl. II 1998, 7).
Sachlich unbillig ist die Erhebung von Säumniszuschlägen vor diesem Hintergrund beispielsweise dann, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert (vgl. BFH, Urteil vom 16.07.1997, XI R 32/96, juris). Ein den Erlass rechtfertigender sachlicher Billigkeitsgrund kann ferner gegeben sein, wenn die Säumnis sich letztlich als offenbares Versehen eines bislang pünktlichen Steuerzahlers erweist (vgl. BFH, Urteil vom 15.05.1990, VII R 7/88, juris). Hat dagegen ein Steuerschuldner seine Steuern laufend unter Ausnutzung der Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO gezahlt, so handelt die Behörde nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie einen Antrag eines solchen Schuldners auf Erlass von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen ablehnt, auch wenn dieser erstmals die Schonfrist versäumt und für diese Säumnis Entschuldigungsgründe vorgetragen hat (BFH, Urteil vom 15.05.1990, VII R 7/88, juris; FG Hamburg, Urteile vom 22.10.2003, IV 249/00, und 30.12.1999, II 351/99, juris).
Nach den die Gerichte nicht bindenden Verwaltungsvorschriften der Zollverwaltung (AO-DV Zoll zu § 227 AO) liegen in Bezug auf Säumniszuschläge Umstände vor, die eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen können, bei plötzlicher Erkrankung des Steuerpflichtigen, wenn er selbst dadurch an der pünktlichen Zahlung gehindert war und es dem Steuerpflichtigen seit seiner Erkrankung bis zum Ablauf der Zahlungsfrist nicht möglich war, einen Vertreter mit der Zahlung zu beauftragen (Ziffer 7.3.3 lit. a) bzw. bei einem pünktlichen Steuerzahler, dem ein offenbares Versehen unterlaufen ist (Ziffer 7.3.3 lit. b), wobei unter einem "offenbaren Versehen" ein "allenfalls leichter Verstoß gegen die bei der Steuerzahlung gebotene Sorgfaltspflicht" zu verstehen sein soll.
Unter Berücksichtigung der vorstehend beschriebenen Grundsätze ist die Entscheidung des beklagten Hauptzollamtes, der Klägerin den Erlass der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen zu versagen, ermessensfehlerhaft. Das beklagte Hauptzollamt hat zwar erkannt, dass ihm hinsichtlich der Entscheidung nach § 227 AO Ermessen eingeräumt ist. Von diesem Ermessen hat das beklagte Hauptzollamt auch in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und dabei grundsätzlich auch die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze in nicht zu beanstandender Weise auf den Streitfall angewandt. So hat das beklagte Hauptzollamt in seiner Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt, dass die in § 240 Abs. 3 AO normierte Schonfrist nicht die Zahlungsfrist verlängere, sondern eine vom Gesetz vorweggenommene Billigkeitsmaßnahme darstelle, um in Fällen geringfügiger Zahlungsfristüberschreitung auf eine Erhebung von Säumniszuschlägen verzichten zu können. Es hat ferner in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes bereits im Bescheid vom ... 2017 ausgeführt, dass Steuerschuldner, die die Steuer laufend unter Ausnutzung der Schonfrist zahlten, keine pünktlichen Steuerzahler seien.
Das beklagte Hauptzollamt hat seine Ermessensentscheidung jedoch nicht auch anhand eines einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts getroffen. Zwar hat es zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin in der Vergangenheit in Bezug auf 19 Steueranmeldungen, wobei sich diese auf lediglich 5 Fälligkeitstermine beziehen, die Energiesteuerbeträge verspätet entrichtet hatte; auf die Erhebung von Säumniszuschlägen war jeweils nur aus dem Grunde verzichtet worden, weil die verspäteten - d.h. außerhalb der Zahlungsfrist erfolgten Zahlungen - noch innerhalb der Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO geleistet wurden. Vor diesem Hintergrund hat das beklagte Hauptzollamt zunächst zutreffend gefolgert, dass die Klägerin in Bezug auf die vorliegend in Rede stehenden Energiesteuerbeträge weder erst- noch einmalig Energiesteuern verspätet entrichtet habe. Die weitere Schlussfolgerung des beklagten Hauptzollamtes indes, mit Blick auf diese Zahlungsverstöße sei die Klägerin im zu betrachtenden Zeitraum von 11/2016 bis 11/2017 nicht als eine bisher pünktliche Steuerzahlerin anzusehen, ist indes fehlerhaft.
Ob eine natürliche oder juristische Person als pünktlicher oder nicht pünktlicher Steuerzahler zu betrachten ist, beurteilt sich nicht anhand einer einzelnen Steuerart, sondern ist in einer Gesamtschau zu prüfen, bei der alle für das Verhältnis zwischen dem Steuerzahler und der Finanz- bzw. Zollverwaltung relevanten Umstände heranzuziehen sind. Hinsichtlich des Streitfalles hätte sich das beklagte Hauptzollamt daher nicht darauf beschränken dürfen, das Zahlungsverhalten der Klägerin in Bezug auf die pünktliche Entrichtung der Energiesteuer im Zeitraum 11/2016 bis 11/2017 zu untersuchen. Vielmehr hätte das beklagte Hauptzollamt auch nachprüfen und in seine Ermessensentscheidung als entscheidungserheblichen Gesichtspunkt einbeziehen müssen, ob die Klägerin insgesamt - also auch in Bezug auf die Steuerarten Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Lohnsteuer - als eine pünktliche oder unpünktliche Steuerzahlerin anzusehen ist. Hätte das beklagte Hauptzollamt diese Prüfung vorgenommen, hätte es vor dem Hintergrund der vom Finanzamt B ausgestellten Bescheinigungen feststellen müssen, dass der Klägerin seit 2013 bis 2017 durchgängig bescheinigt worden ist, dass keine fälligen Steuerrückstände bestehen, dass keine Steuerbeträge gestundet wurden und dass das Zahlungsverhalten in den jeweils letzten 12 Monaten immer pünktlich war (...). Vor diesem Gesamthintergrund ist die Schlussfolgerung des beklagten Hauptzollamtes, die Klägerin sei mit Blick auf die vermehrten Zahlungsverstöße im Zeitraum 11/2016 bis 11/2017 nicht als eine bisher pünktliche Steuerzahlerin zu betrachten, rechtlich nicht vertretbar und damit fehlerhaft. Im zu betrachtenden Kontext kommt hinzu, dass das beklagte Hauptzollamt auch nicht berücksichtigt hat, dass die Klägerin in Bezug auf die 19 beanstandeten Energiesteueranmeldungen - die sich, wie bereits oben angemerkt, auf lediglich 5 Fälligkeitstermine beziehen - in 17 Fällen den Fälligkeitstermin lediglich um einen Tag und in 2 Fällen um zwei Tage überschritten hatte. Auch vor diesem Hintergrund kann die Klägerin nicht als eine nicht pünktliche Steuerzahlerin angesehen werden.
Das erkennende Gericht hält schließlich dafür, dass die streitgegenständliche Überschreitung der Schonfrist im Juni 2017 auch als leichter Verstoß einer bisher insgesamt pünktlichen Steuerzahlerin zu werten ist. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Überschreitung der Schonfrist letztlich auf einer Verkettung unglücklicher Umstände beruhte, nämlich auf dem kurzfristigen Personalausfall im Geschäftsbereich Energie und dem hiermit zeitlich zusammenfallenden Umstrukturierungsprozess in der Gesellschaft. Das Zusammentreffen dieser beiden Umstände war für das Entstehen der Säumniszuschläge von entscheidender Bedeutung. Insoweit handelt es sich auch um kein Organisationsverschulden im Betrieb der Klägerin, was bereits dadurch deutlich wird, dass die Klägerin die Säumnis alsbald bemerkt und die Zahlung unverzüglich nach Bemerken der Säumnis - scil. am 28.06.2017 - nachgeholt hatte.
2. Mangels Spruchreife kann das beklagte Hauptzollamt jedoch nur dazu verpflichtet werden, den Erlassantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Wie bereits ausgeführt, haben Säumniszuschläge einen doppelten Zweck. Sie sind zum einen ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Sie verfolgen zum anderen den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuerschulden zu erhalten und Verwaltungsaufwendungen abzugelten, die bei den steuerverwaltenden Körperschaften regelmäßig entstehen, wenn Steuerpflichtige eine fällige Steuer nicht oder nicht fristgemäß entrichten. Säumniszuschläge, die - wie hier - gegenüber einem an sich pünktlichen Steuerzahler erhoben werden, verlieren ihren Zweck als Druckmittel, den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung seiner steuerrechtlichen Verbindlichkeiten anzuhalten, was bereits für sich genommen einen hälftigen Erlass der verwirkten Säumniszuschläge rechtfertigt. Etwas anderes mag ausnahmsweise nur dann gelten können, wenn die Säumniszuschläge auf einem besonders verwerflichen Fehlverhalten des Steuerzahlers oder auf einer Einstellungs- oder Verhaltensweise beruhen, die weitere Verstöße gegen die bei der Steuerzahlung gebotenen Sorgfaltspflichten in absehbarer Zeit besorgen lassen; bei Sachverhalten dieser Art dürfte es freilich bereits an der Erlasswürdigkeit des Steuerzahlers fehlen, so dass das Ermessen der Verwaltung schon nicht eröffnet ist.
In Fallkonstellationen der vorliegenden Art kann die Säumnis des an sich pünktlichen Steuerzahlers allerdings zu Verwaltungsaufwendungen führen, die die Schwelle der Geringfügigkeit - die markiert ist durch die erste Mahnung - überschreiten. Hat die Säumnis des Steuerzahlers einen nicht nur geringfügigen Verwaltungsaufwand ausgelöst, handelt die Verwaltung in der Regel nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie lediglich die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge erlässt und einen vollständigen Erlass der Säumniszuschläge ablehnt. Hat die Säumnis des Steuerzahlers aber keinen oder nur einen geringfügigen Verwaltungsaufwand verursacht, ist auch der weitere, mit der Erhebung von Säumniszuschlägen verfolgte Zweck entfallen mit der Folge, dass als ermessensfehlerfreie Entscheidung allein ein vollständiger Erlass der Säumniszuschläge in Betracht kommt.
Welchen Verwaltungsaufwand die Säumnis der Klägerin freilich ausgelöst hat, vermag das erkennende Gericht anhand der Akten nicht zu beurteilen. Der Antrag der Klägerin auf Erlass der Säumniszuschläge ist daher unter Beachtung der vorstehend dargelegten Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.