OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.09.2021 - 17 U 42/20
Fundstelle
openJur 2021, 32155
  • Rkr:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten Dienstleistungen in dem Bereich "Mietwagen" dar und unterfallen sie deshalb dem Ausnahmetatbestand für ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht gemäß Art. 16 lit. I) RL 2011/83/EU?

Wenn diese Vorlagefrage verneint wird:

Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die von Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU übernommen wurde, dar?

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 Abs. 2 AEUV folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates - ABl. L 304 vom 22. November 2011, S. 64-88 - (RL 2011/83/EU) sowie der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG - ABl. L 271 vom 9. Oktober2002, S. 16-24 - (RL 2002/65/EG) vorgelegt:

a) Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten Dienstleistungen in dem Bereich "Mietwagen" dar und unterfallen sie deshalb dem Ausnahmetatbestand für ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht gemäß Art. 16 lit. l) RL 2011/83/EU?

Wenn die Vorlagefrage 2a) verneint wird:

b) Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne vonArt. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die von Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU übernommen wurde, dar?

Gründe

I.

(1) Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der Vertragserklärung, die der Kläger als Verbraucher gerichtet auf den Abschluss eines Leasingvertrags über ein Kraftfahrzeug mit Kilometerabrechnung abgegeben hat. Die Leasinggeberin ist die Beklagte.

(2) Die Parteien schlossen am 05./22. April 2016 unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln einen schriftlichen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung über einen Neuwagen Modell1. Die Laufzeit betrug 48 Monate, ohne dass ein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen war. Der Kläger sollte ein monatliches Entgelt zahlen. Der Vertrag beinhaltete die Abtretung der aus dem Kaufvertrag abgeleiteten Gewährleistungsrechte der Beklagten gegen den Lieferanten des Fahrzeugs an den Kläger. Gewährleistungsrechte des Klägers aus dem (Leasing-)Vertragsverhältnis mit der Beklagten sind nach der vertraglichen Abrede ausgeschlossen. Der Kläger war zudem nach der vertraglichen Abrede mit der Beklagten verpflichtet, für das Fahrzeug auf seine Rechnung eine Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung (mit Selbstbeteiligung) abzuschließen. Ein Andienungsrecht bei Vertragsende oder eine Abnahmeverpflichtung des Klägers wurden nicht vereinbart. Die Beklagte räumte lediglich eine Kaufoption zum regulären Vertragsende zu einem festgelegten Kaufpreis ein. Der Leasingvertrag enthält eine Regelung über die Laufleistung des Fahrzeugs während der Leasingzeit (15.000 km im Jahr) und die Abrechnung von eventuellen Mehr- und Minderkilometern, wobei hierfür feste Beträge vereinbart wurden. Bei Vertragsende sollte das Fahrzeug einen dem Alter und der vertragsgemäßen Laufleistung entsprechenden Erhaltungszustand aufweisen; andernfalls sollte der Leasingnehmer die übermäßige Abnutzung ausgleichen.

(3) Der Leasingvertrag enthält auf Seite 14 eine Widerrufsinformation, mit der nicht über ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht belehrt wird.

(4) Das Fahrzeug wurde am 16. Juli 2016 ausgeliefert. In der Folge wurden von der Beklagten monatliche Raten von 294,44 € abgebucht.

(5) Mit E-Mail-Schreiben vom 19. Juli 2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf seiner auf Abschluss des Leasingvertrags gerichteten Willenserklärung (Anlage A 2 = Bl. 19 d.A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 09. Juli 2019 wiederholte der Kläger sein Anliegen, jedoch ohne Erfolg.

II.

(6) Der Ausgang des Rechtsstreits hängt von der Auslegung des Art. 16 lit. l) RL 2011/83/EU, der mit § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, sowie des Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU und Art. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, der mit § 312 Abs. 5 BGB in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, ab. Vor einer Entscheidung über die Berufung des Klägers ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1, Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

(7) Die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebenden Bestimmungen lauten:

(8) Vorlagefrage 1)

Art. 16 RL 2011/83/EUin der ab 12. Dezember 2011 bis 06. Januar2020 geltenden FassungDie Mitgliedstaaten sehen bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Artikeln 9 bis 15 vor, wenn [...]l) Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Mietwagen, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht werden und der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht;

§ 312g BGBin der ab 21. März 2016 bis 30. Juni 2018 geltenden Fassung(2) 1Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts Anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen: [...]9. vorbehaltlich des Satzes 2 Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht, [...]

(9) Vorlagefrage 2)

Art. 10 RL 2011/83/EUin der ab 12. Dezember 2011 bis 06. Januar 2020 geltenden Fassung(1) Hat der Unternehmer den Verbraucher nicht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe h über sein Widerrufsrecht belehrt, so läuft die Widerrufsfrist 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist gemäß Artikel 9 Absatz 2 ab.Art. 6 RL 2002/65/EG(Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-RL)in der ab 9. Oktober 2002 geltenden Fassung(1) 1Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Verbraucher innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen den Vertrag widerrufen kann, ohne Gründe nennen oder eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. 2Bei Fernabsatzverträgen über Lebensversicherungen, die unter die Richtlinie 90/619/EWG fallen, und bei Fernabsatzverträgen über die Altersversorgung von Einzelpersonen wird diese Frist jedoch auf 30 Kalendertage verlängert. 3Die Widerrufsfrist beginnt zu laufen:- am Tag des Abschlusses des Fernabsatzvertrags [...]- oder an dem Tag, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und Informationen gemäß Artikel 5 Absatz 1 oder 2 erhält, wenn dieser Zeitpunkt später als der im ersten Gedankenstrich genannte liegt.

§ 356 BGBin der ab 21. März 2016 geltenden Fassung(3) 1Die Widerrufsfrist beginnt nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 oder des Artikels 246b § 2 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. 2Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt. 3Satz 2 ist auf Verträge über Finanzdienstleistungen nicht anwendbar.

Art. 2 RL 2011/83/EUin der ab 12. Dezember 2011 bis 06. Januar 2020 geltenden FassungIm Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke [...]12."Finanzdienstleistung" jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;Art. 2 RL 2002/65/EGin der ab 9. Oktober 2002 geltenden FassungIm Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruckb) Finanzdienstleistung" jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;

§ 312 BGBin der ab 13. Juni 2014 bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung(5) Bei Vertragsverhältnissen über Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung (Finanzdienstleistungen) [...]§ 1 KWGab 1. Januar 2016 bis 29. März 2017 geltenden Fassung(1a) 1Finanzdienstleistungsinstitute sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, und die keine Kreditinstitute sind. 2Finanzdienstleistungen sind [...]10. der Abschluss von Finanzierungsleasingverträgen als Leasinggeber und die Verwaltung von Objektgesellschaften im Sinne des § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 17 außerhalb der Verwaltung eines Investmentvermögens im Sinne des § 1 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs (Finanzierungsleasing),

Art. 2 RL 2008/48/EGin der ab 20. März 2014 geltenden Fassung(1) Diese Richtlinie gilt für Kreditverträge.(2) Diese Richtlinie gilt nicht für: [...]d) Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands vorgesehen ist; von einer solchen Verpflichtung ist auszugehen, wenn der Kreditgeber darüber einseitig entscheidet;

§ 506 BGBin der ab 21. März 2016 geltenden Fassung(1) 1Die für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge geltenden Vorschriften der §§ 358 bis 360 und 491a bis 502 sowie 505a bis 505d sind mit Ausnahme des § 492 Abs. 4 und vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 auf Verträge entsprechend anzuwenden, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt. [...](2) 1Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes gelten als entgeltliche Finanzierungshilfe, wenn vereinbart ist, dass1. der Verbraucher zum Erwerb des Gegenstandes verpflichtet ist,2. der Unternehmer vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstandes verlangen kann oder3. der Verbraucher bei Beendigung des Vertrags für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat.

III.

(10) Der Ausgang des Rechtsstreits hängt davon ab, ob dem Verbraucher nach Abschluss des Kilometerleasingvertrags ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht zustand. Dies wäre nicht der Fall, soweit der Ausschlusstatbestand des Art. 16 lit. l) RL 2011/83/EU, der mit § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, eingreift. Falls das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen wäre, hängt die zu treffende Entscheidung davon ab, ob das Widerrufsrecht spätestens 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist von 14 Tagen erloschen ist. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehene Ausnahme für Finanzdienstleistungen eingreift.

(11) Zur ersten Vorlagefrage:

(12) Bei dem von den Parteien geschlossenen Leasingvertrag handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag. Das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht wäre im vorliegenden Fall ausgeschlossen, wenn der streitgegenständliche Vertrag gemäß Art. 16 lit. l) RL 2011/83/EU bzw. § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB Dienstleistungen im Bereich "Mietwagen" (Kraftfahrzeugvermietung) zu einem spezifischen Termin oder Zeitraum zum Gegenstand hätte.

(13) Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Gemeinschaftsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen. Stehen diese Begriffe in einer Bestimmung, die eine Ausnahme von einem allgemeinen Grundsatz oder, spezifischer, von gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften darstellt, so sind sie außerdem eng auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. März 2005 - C-336/03 -, ECLI:EU:C:2005:150, Rn. 21, juris; Urteil vom 10. Juli 2019 - C-649/17 -, ECLI:EU:C:2019:576, Rn. 37, juris; jew. m.w.N.)

(14) Leasingverträge mit Kilometerabrechnung, wie der vorliegende, zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Leasingnehmer (Verbraucher) weder eine Erwerbspflicht auferlegen, noch die Befugnis der Leasinggeberin vorsehen, vom Leasingnehmer den Erwerb des Fahrzeugs (etwa in Form eines Andienungsrechts) zu verlangen. Der Leasingnehmer hat auch nicht bei Beendigung des Vertrages für einen bestimmten Wert des Gegenstands einzustehen; eine Restwertgarantieverpflichtung besteht nicht. Der Leasingnehmer hat lediglich ein monatlich fälliges Entgelt für die Gebrauchsüberlassung am Fahrzeug zu leisten sowie für den Fall, dass die vertraglich bestimmte Laufleistung überschritten wird, die darüberhinausgehende Kilometerleistung mit einem vertraglich festgelegten Betrag zu vergüten, wobei er bei einer Kilometerleistung unter dem vereinbarten Wert eine kilometerabhängige Erstattung erhält. Das kalkulatorische Risiko für den Wert des Leasinggegenstandes bei Vertragsende trägt der Leasinggeber. Es handelt sich mithin um einen Dienstleistungsvertrag, bei dem der Verbraucher ein Kraftfahrzeug für eine von vornherein festgelegte Dauer in einem festgelegten Umfang gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts nutzen darf, ohne die Amortisation der Aufwendungen des Leasinggebers zu schulden.

(15) Anders als bei "klassischen" Finanzierungsleasing-Gestaltungen steht daher bei einem Kilometerleasingvertrag die Finanzierungsfunktion des Vertrages nicht im Vordergrund, denn bei dieser Konstruktion hat der Leasingnehmer weder für die Vollamortisation der vom Leasinggeber für die Anschaffung des Leasinggegenstands getätigten Aufwendungen (zuzüglich Gewinn) einzustehen noch wird eine Kreditierung des Anschaffungspreises und Abzahlung aus laufenden Einnahmen anstelle eines gewöhnlichen Darlehens bezweckt. Der Vertrag ist gerade nicht auf einen Eigentumserwerb des Leasingnehmers und eine (Vor-) Finanzierung des Anschaffungspreises gerichtet. Die für den Leasingvertrag typische Abtretung der Gewährleistungsansprüche der Beklagten gegen den Lieferanten an den Kläger und der der damit einhergehende Ausschluss von vertraglichen Gewährleistungsansprüchen des Klägers gegen den Beklagten aus dem Leasingvertrag sowie die Verpflichtung des Klägers, für den Versicherungsschutz des Leasinggegenstandes (Fahrzeugs) zu sorgen, ändern daran nichts. Beides sind Umstände, die sich risikospezifisch nur auf den vertraglich ausbedungenen Nutzungszeitraum beziehen.

(16) Aus diesem Grund ordnet der Bundesgerichtshof diese Art von Verträgen nicht als Kreditverträge und namentlich nicht als sonstige entgeltliche Finanzierungshilfen bei Nutzungsverträgen im Sinne von § 506 BGB (in der Fassung vom 20. September 2013), mit der die Vorschriften der RL 2008/48/EG in deutsches Recht umgesetzt worden sind, ein, wobei hier u.a. an Art. 2 Abs. 2 lit. d) RL 2008/48/EG ("Diese Richtlinie gilt nicht für ... Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands vorgesehen ist"), angeknüpft wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, ECLI:DE:BGH:2021:240221UVIIIZR36.20.0, Rn. 22 ff., juris m.w.N.).

(17) Der Schwerpunkt des streitgegenständlichen Vertrages im Bereich der Gebrauchsüberlassung könnte daher, nachdem auch die Leistungszeit konkretisiert und festgelegt ist, dafürsprechen, von der Vermietung eines Kraftfahrzeugs in einem spezifischen Zeitraum auszugehen.

(18) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Jahr 2005 zur Vorgängerregelung in Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatzrichtlinie) entschieden, dass der Begriff "Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen [im Bereich] Beförderung" Automietverträge umfasst (EuGH, Urteil vom 10. März 2005 - C-336/03 -, ECLI:EU:C:2005:150, easyCar UK Ltd/Office of Fair Trading). Er hat dabei betont, dass der Begriff der Richtlinie 97/7/EG "Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen [im Bereich] Beförderung” die Gesamtheit jener Verträge umfasse, die Dienstleistungen im Bereich Beförderung regelten, einschließlich derjenigen Verträge, die eine Tätigkeit beträfen, die als solche nicht in der Beförderung des Kunden oder seiner Waren bestünden, sondern darauf gerichtet seien, dem Kunden die Durchführung dieser Beförderung zu ermöglichen (EuGH, a.a.O., Rn. 23, juris). Der Gesetzgeber habe dabei die Ausnahme, die diese Bestimmung vorsehe, nicht nach Vertragstypen definieren wollen, sondern in der Weise, dass alle Verträge über die Erbringung der genannten Dienstleistungen in den Anwendungsbereich dieser Ausnahme fielen, soweit sie zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu erfüllen seien (EuGH, a.a.O., Rn. 24, juris). Die Ausnahme erfasse Autovermietungsdienstleistungen, die dadurch gekennzeichnet seien, dass dem Verbraucher ein Beförderungsmittel zur Verfügung gestellt werde (EuGH, a.a.O., Rn. 27, juris). Die Richtlinie bezwecke neben dem Schutz der Verbraucher auch den Schutz der Interessen der Anbieter bestimmter Dienstleistungen, damit diesen keine unverhältnismäßigen Nachteile durch die kostenlose und ohne Angabe von Gründen erfolgende Stornierung von Bestellungen von Dienstleistungen entstünden, insbesondere, wenn dies kurz vor dem für die Erbringung der Dienstleistung vorgesehenen Zeitpunkt erfolge (EuGH, a.a.O., Rn. 28, juris). In diesem Sinne hätten Anbieter von Autovermietungsunternehmen die gleichen Nachteile wie diejenigen, die die Beförderung selbst anböten (EuGH, a.a.O., Rn. 29, juris).

(19) Hiermit korrespondierend wurde später der Ausschluss des Widerrufsrechts in Art. 16 lit. l) RL 2011/83/EU in Erwägungsgrund (49) der RL 2011/83/EU, auf den auch der deutsche Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/12637, S. 57) Bezug nimmt, damit gerechtfertigt, dass der Unternehmer bei diesen Dienstleistungsverträgen für einen bestimmten vertraglich vereinbarten Termin Kapazitäten bereithalte, die er im Falle eines Widerrufs durch den Verbraucher möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen könne. Erwägungsgrund (27) der RL 2011/83/EU stellt zudem klar, dass Verbraucher in Bezug auf die Beförderung von Gütern und die Vermietung von Kraftfahrzeugen, sofern diese Dienstleistungen darstellen, mit Ausnahme des Widerrufsrechts durch diese Richtlinie geschützt werden sollen.

(20) Unter dem Gesichtspunkt der termingebundenen Bereitstellung von Kapazitäten wird in der deutschen Literatur und obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten, dass die Ausnahmeregel in Art. 16 lit. l) RL 2011/83/EU nur auf Kurzzeit-Mietverträge Anwendung finden könne (vgl. Wendehorst in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. 2019, BGB, § 312g Rn. 44; OLG München, Urteil vom 18. Juni 2020 - 32 U 7119/19 -, ECLI:DE:OLGMUEN:2020:0618.32U7119.19.0A, Rn. 67, juris; a.A.: Herresthal, ZVertriebsR 2020, 355 (361 f.), beck-online; Thüringer OLG, Beschluss vom 5. Mai 2021 - 5 U 1194/20 (Anlage BB 20 = Bl. 665 ff. der Akte); OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. März 2021 - 6 U 124/20 (Anlage BB 19 = Bl. 632 ff. der Akte)), wobei völlig unklar bleibt, von welcher zeitlichen Grenze in diesem Fall auszugehen wäre. Insoweit wird die Auffassung vertreten, dass der vertraglich vereinbarte Zeitraum, innerhalb dessen die Leistung zu erbringen ist, durchaus auch mehrere Wochen betragen könne (vgl. Martens in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, 59. Ed. 1. August 2021, BGB § 312g Rn. 40).

(21) Eine solche zeitliche Grenze ist weder dem Wortlaut der Richtlinie noch dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu entnehmen. So sind bei den Kraftfahrzeug-Mietverträgen gleichermaßen Kurzzeitmieten (wenige Minuten bis Stunden), die Anmietung eines Kraftfahrzeugs für einen Tag, mehrere Tage oder Wochen (z. B. als Unfallersatz), die monatsweise Anmietung eines Kraftfahrzeugs ("Kraftfahrzeug-Abo"; Kraftfahrzeug-Langzeitmiete) sowie die Kraftfahrzeug-Langzeitmiete für zwei bis vier Jahre üblich. Auch bei der tage-, wochen- oder monatsweisen Kraftfahrzeug-Miete wird das Entgelt wie bei der Langzeitmiete pro rata temporis festgelegt, ein Nutzungsumfang bestimmt und die Pflicht zum ordnungsgemäßen Umgang mit der Mietsache vorgesehen (vgl. Herresthal, ZVertriebsR 2020, 355 (357), beck-online). Ebenso stellt sich die Interessenlage des Unternehmers bei Kurzzeit-Mietverträgen einerseits und Langzeit-Mietverträgen andererseits bezogen auf das Stornierungsrisiko nicht völlig abweichend dar. Auch bei Kilometerleasingverträgen erwirbt der Leasinggeber ein Kraftfahrzeug, das er nach einem Widerruf möglicherweise zeitnah nicht anderweitig nutzen kann, denn eine Anschlussverwendung (erneutes Leasing, Veräußerung des Kraftfahrzeugs) wird regelmäßig erst zum Vertragsende geplant werden. Allerdings kann nicht verkannt werden, dass in vielen Fällen die in der Regelung genannten Dienstleistungen (Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Mietwagen, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen) in kürzeren Zeiträumen, und meist innerhalb der Ausschlussfrist des Art. 10 Abs. 1 RL 2011/83/EU/§ 356 Abs. 3 S. 2 BGB a.F. (zwölf Monate und 14 Tage) abgewickelt sein werden, selbst wenn man einen gewissen zeitlichen Vorlauf für die Bestellung der Dienstleistung mit ansetzt.

(22) Es ist von daher nicht offenkundig, ob der Auslegung des Begriffs "Dienstleistung im Bereich Mietwagen" unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem er verwendet wird, und der mit der Richtlinie und der konkreten Regelung verfolgten Ziele eine zeitliche Beschränkung der Mietdauer immanent ist, die dazu führen würde, dass jedenfalls bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten der Ausnahmetatbestand nicht mehr eingreift. Aus diesen Gründen ist eine Vorlage geboten.

(23) Das Landgericht Ravensburg hat mit ergänzendem Vorlagebeschluss vom 24. August 2021 - 2 O 238/20, ECLI:DE:LGRAVEN:2021:0824.2O238.20.00, Rn. 53, 75 ff., juris) die hier aufgeworfene Frage bereits dem Gerichtshof vorgelegt. Dies hindert nach Auffassung des erkennenden Senats eine erneute Vorlage nicht. Ansonsten würden die Parteien im streitgegenständlichen Rechtsstreit um ihre Beteiligungsrechte im Vorabentscheidungsverfahren gebracht. Zudem kann die Unterbreitung verschiedener Sachverhalte zu einer Rechtsfrage weitere Überlegungen anstoßen (vgl. Latzel/Streinz, NJOZ 2013, 97 (98 f.), beck-online). Zudem steht nicht fest, dass das bereits erfolgte Ersuchen zu einer Entscheidung führen wird und dort keine vorzeitigen verfahrensbeendenden Maßnahmen erfolgen werden (s. auch Ziffer 26, 27 der Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen - ABl. C 380/1 vom 8. November 2019), zumal das Verfahrensrecht Möglichkeiten des Umgangs mit gleichartigen Rechtssachen vorsieht (vgl. Art. 54, 100 EuGHVerfO).

(24) Zur zweiten Vorlagefrage:

(25) Sollte die erste Vorlagefrage verneint werden, hängen das Bestehen des Widerrufsrechts und damit der Erfolg der Klage und der Berufung des Klägers davon ab, ob die Ausschlussfrist für die Ausübung des Widerrufsrechts gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB in der ab 21. März 2016 geltenden Fassung, der Art. 10 RL 2011/83/EU in der ab 12. Dezember 2011 bis 6. Januar 2020 geltenden Fassung umsetzt, bei Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung eingreift.

(26) Die Vorschrift normiert ein endgültiges Erlöschen des Widerrufsrechts auch bei unterbliebener oder fehlerhafter Belehrung nach zwölf Monaten nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist von 14 Tagen. Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings gemäß § 356 Abs. 3 S. 3 BGB in der seit dem 21. März 2016 geltenden Fassung ausdrücklich Verträge über Finanzdienstleistungen von dem Ausschlusstatbestand ausgenommen, weil nach Art. 6 RL 2002/65/EG der Beginn der Widerrufsfrist davon abhängt, dass der Unternehmer sämtliche erforderlichen Informationen formgerecht erteilt hat und eine zeitliche Beschränkung des Widerrufsrechts in Art. 6 RL 2002/65/EG nicht vorgesehen ist (vgl. Fritsche in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 356 Rn. 25; Herresthal, ZVertriebsR 2020, 355 (364), beck-online). Gemäß Art. 3 Abs. 2, Abs. 3, Buchstabe d) RL 2011/83/EU in der ab 31. Dezember 2015 bis 6. Januar 2020 und im Übrigen auch nach der ab dem 7. Januar 2020 geltenden Fassung gelangt die speziellere Regelung in Art. 6 RL 2002/65/EG, wonach eine Ausschlussfrist für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht vorgesehen ist, zur Anwendung. So sind Finanzdienstleistungen konsequenterweise auch von der Anwendung der RL 2011/83/EU ausgenommen.

(27) Es kommt daher darauf an, ob der streitgegenständliche Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung Finanzdienstleistungen, also Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, zum Gegenstand hat.

(28) Der vorlegende Senat knüpft dabei an die Definition von Art. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die in § 312 Abs. 5 BGB übernommen wurde und die mit der Definition von Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU übereinstimmt, an.

(29) Soweit das deutsche Kreditwesengesetz (KWG) für den Bereich der Bankenaufsicht und damit mit anderer Zielrichtung in § 1 Abs. 1a Nr. 10 KWG das "Finanzierungsleasing" ausdrücklich als Finanzdienstleistung benennt, kann dies für die hier maßgebliche richtlinienkonforme Auslegung der Finanzdienstleistung nicht maßgeblich sein. Einerseits hat nämlich der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 "als nationale Eigenheit" (vgl. Schäfer: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2016, Rn. 133, § 1 KWG) das Finanzierungsleasing und im Übrigen auch das Factoring (§ 1 Abs. 1a Nr. 9 KWG) in das KWG bereits mit der Zielsetzung der Abgrenzung des Finanzierungsleasingvertrags "von solchen Verträgen ..., bei denen schwerpunktmäßig, wenngleich nicht ausschließlich, die entgeltliche befristete Gebrauchsüberlassung charakteristisch ist..." (BT-Drs. 16/11108, S. 54 f.) eingefügt, so dass gerade offenbleibt, ob der vorliegende Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung hierunter zu subsumieren wäre. Andererseits hat der deutsche Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 312 Abs. 5 BGB ausdrücklich klargestellt, dass die Regelung in Umsetzung der RL 2002/65/EG erfolgt und insoweit nicht deckungsgleich mit derjenigen in der öffentlich-rechtlichen Regelung des § 1 Abs. 1a KWG ist (vgl. BT-Drs. 15/2946 S. 15).

(30) Es kommt daher allein auf die Auslegung von Art. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU entspricht, an (vgl. zutr. Wendehorst in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., 2019, § 312, Rn. 96 m.w.N.).

(31) Wie bereits im Zusammenhang mit der ersten Vorlagefrage dargestellt, steht bei Kilometerleasingverträgen wie dem vorliegenden die Gebrauchsüberlassung im Vordergrund, so dass der vorlegende Senat erwägt, nicht von einer Finanzdienstleistung auszugehen, was auch in Übereinstimmung stünde mit dem Wortlaut der Richtlinie, der den Finanzierungscharakter der Leistung in den Vordergrund stellt (ebenso Herresthal, ZVertriebsR 2020, 355 ff, 365 f; a.A. i.E. OLG München, Urteil vom 18. Juni 2020 - 32 U 7119/19 -, ECLI:DE:OLGMUEN:2020:0618.32U7119.19.0A, Rn. 63 ff., juris).

(32) Freilich gilt es bei der Auslegung des Begriffs der Finanzdienstleistung zu berücksichtigen, dass gemäß Erwägungsgrund (9) der RL 2002/65/EG ein "noch höheres Verbraucherschutzniveau" erreicht werden und die Richtlinie die bis zum 13. Juni 2014 geltende Fernabsatz-Richtlinie (RL 97/7/EG), nach der gemäß Art. 3 Abs. 1, 1. Spiegelstrich Finanzdienstleistungen nicht erfasst waren, ergänzen sollte (Erwägungsgrund (10) der RL 2002/65/EG). So findet sich in dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG vom 14. Oktober 1998 (ABl. EG 1998 C 385) bei der Begriffsbestimmung der Finanzdienstleistung (Ziffer 10) und Art. 2 b) der Verweis auf "eine nicht erschöpfende Liste...im Anhang zu dieser Richtlinie", in dem neben dem Finanzierungsleasing in Ziffer 3. in Ziffer. 5. undifferenziert grundsätzlich (alle) "Leasinggeschäfte" erfasst sind. Dass der Anhang des Vorschlags der Kommission keinen Eingang in die Wortfassung der Richtlinie gefunden hat, ist gemäß der Intention der Kommission in "Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. EG C 177 E/21, (10)) der für erforderlich gehaltenen Abstrahierung der Begriffsbestimmung geschuldet und bedeutet damit nicht etwa zwingend den Verzicht auf die Einbeziehung von Leasingverträgen in den Geltungsbereich der Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Wendehorst in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., 2019, § 312, Rn. 97 u. Fn. 99; ferner Herresthal, ZVertriebsR 2020, 355 (365), beck-online).

(33) Wie bereits im Zusammenhang mit der Begründung zur ersten Vorlagefrage aufgezeigt, ist bei der Auslegung des Begriffs der Finanzdienstleistung die konkret sachbezogene Regelungsdichte des Unionsrecht zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2021 - C-65/20 -, VI/Krone - Verlag GmbH & Co. KG, ECLI:EU:C:2021:471, Rn. 25, juris m.w.N.).

(34) Deshalb ist, wie oben dargestellt, der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass Kilometerleasingverträge keine (sonstigen ähnlichen) entgeltlichen Finanzierungshilfen gemäß § 506 Abs. 2 BGB darstellen, weshalb kein Widerrufsrecht gemäß § 506 Abs. 1 BGB in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20 -, ECLI:DE:BGH:2021:240221UVIIIZR36.20.0, Rn. 20 ff., juris) und daher das Widerrufsrecht gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB bei Verbraucherverträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden sowie bei Fernabsatzverträgen zur Anwendung gelangt.

(35) Während der vorliegend entscheidende in Art. 2 lit. b) der RL 2002/65/EG definierte weitgehende Begriff der Finanzdienstleistung "jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung..." und damit zweifelsohne auch Kreditverträge erfasst, bezieht sich der Regelungs-, Geltungsbereich der RL 2008/48/EG gemäß Art. 3 lit. c) auf einen Kreditvertrag, "bei dem ein Kreditgeber einem Verbraucher in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen Finanzierungshilfe gewährt...; ausgenommen sind Verträge über die wiederkehrende Erbringung von Dienstleistungen oder über die Lieferung von Waren jeglicher Art, bei denen der Verbraucher für die Dauer der Erbringung oder Lieferung Teilzahlungen für die Dienstleistung oder Waren leistet". Gemäß Art. 2 Abs. 1 RL 2008/48/EG soll die Verbraucherkredit-Richtlinie demgegenüber für alle "Kreditverträge" Geltung beanspruchen, währenddessen aber Art. 2 Abs. 2 lit. d) RL 2008/48/EG, der mit § 506 BGB in deutsches Recht umgesetzt worden ist, Miet- und Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstandes vorgesehen ist, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausnimmt. Mit Blick darauf könnte davon ausgegangen werden, dass der Europäische Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgeht, dass die Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG jedenfalls (auch) Miet- und Leasingverträge als Kreditverträge ansieht, die (nur) aus dem Anwendungsbereich der Verbraucherkredit-RL wieder herausgenommen werden sollen. Dies könnte jedenfalls die Auslegung erlauben, dass Kreditverträge als Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung gemäß Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU und Art. 2 lit. b) RL 2002/65/EG anzusehen sind. Ebenso könnte davon ausgegangen werden, dass Miet- und Leasingverträge bereits im Grundsatz begrenzt in dem Geltungsbereich der Verbraucherkredit-Richtlinie erfasst werden sollten, was wiederum aus der Einschränkung in Art. 3 lit. c) der RL 2008/48/EG zu entnehmen wäre, wonach Verträge, die ein Entgelt für die Gebrauchsüberlassung vorsehen, nicht als Kreditvertrag gelten sollten. Wenn dem so wäre, hätte es freilich der ausdrücklichen Einschränkung in Art. 2 Abs. 2 lit. d) RL 2008/48/EG nicht (mehr) bedurft.

(36) Selbst wenn man indessen Miet- und Leasingverträge grundsätzlich als Kreditverträge ansehen wollte, stellt sich wiederum die Frage, ob es allein auf den konkreten Vertragstypus als Miet- und Leasingvertrag als solches oder die konkrete Ausgestaltung der fraglichen Dienstleistung, die aber vorliegend gerade nicht auf einen Eigentumserwerb des Leasingnehmers und eine (Vor-)Finanzierung des Anschaffungspreises gerichtet ist, ankommt.

(37) Auch die Beantwortung dieser zweiten Frage lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Erwägungen zur Richtlinie zwingend entnehmen, sondern kann nur nach dem Sinn und Zweck der Regelungen gefunden werden, die nicht offenkundig ist und daher unter der obigen Prämisse durch eine Vorlage zu klären ist.

(38) Das Landgericht Ravensburg hat auch diese Vorlagefrage bereits mit ergänzendem Vorlagebeschluss vom 24. August 2021 - 2 O 238/20 -, ECLI:DE:LGRAVEN:2021:0824.2O238.20.00, Rn. 51 ff., juris) dem Gerichtshof vorgelegt. Auch insoweit steht dies, wie oben dargestellt, einer Vorlage nicht entgegen.

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