VerfGH für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.09.2021 - VerfGH 92/21.VB-2
Fundstelle
openJur 2021, 31966
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines von der Beschwerdeführerin in mehreren arbeitsgerichtlichen Verfahren gestellten Antrags auf Ablehnung einer Richterin als befangen.

1. Ausgangspunkt ist eine im Dezember 2020 vor dem Arbeitsgericht Hamm erhobene Klage (Az. 4 Ca 1707/20), mit der die bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens als Bereitschaftsärztin angestellte Beschwerdeführerin die Einteilung zu bestimmten Bereitschaftsdiensten begehrt und Gehaltsansprüche geltend macht. Nachdem in diesem Verfahren am 16. März 2021 ein Gütetermin stattgefunden hatte und ab April 2021 ihre Dienste reduziert worden waren, reichte die Beschwerdeführerin Ende April 2021 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein (Az. 4 Ga 6/21), über den am 10. Mai 2021 mündlich verhandelt wurde.

Mit Schreiben vom 20. Mai 2021 und vom 7. Juni 2021 lehnte die Beschwerdeführerin die zuständige Richterin als befangen ab und begründete dies im Wesentlichen mit deren Verhalten in den Gerichtsterminen.

Mit Beschlüssen vom 15. Juni 2021 wies das Arbeitsgericht ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin die Ablehnungsgesuche als unbegründet zurück. Auf eine Eingabe der Beschwerdeführerin vom 30. Juni 2021 teilte die von der Beschwerdeführerin abgelehnte Richterin mit Schreiben vom 2. Juli 2021 mit, dass gegen die Beschlüsse vom 15. Juni 2021 "ein Rechtsmittel nicht gegeben" sei.

2. Gegen die ihr am 17. Juni 2021 zugestellten Beschlüsse des Arbeitsgerichts richtet sich die am 19. Juli 2021 beim Verfassungsgerichtshof eingegangene Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin, die sich durch die "Zurückweisung der Anhörungsrüge" und das Fehlen eines Rechtsmittels in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 4 LV i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG) und in ihrem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 4 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt sieht und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 4 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) rügt.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1, § 59 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG durch die Kammer zurückgewiesen, weil sie unzulässig ist.

1. Die gemäß § 13 Abs. 1 VerfGHG i.V.m. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB fristgerecht erhobene Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht ausreichend begründet ist.

a) Eine Verfassungsbeschwerde bedarf nach § 18 Abs. 1, § 53 Abs. 1 und § 55 Abs. 4 VerfGHG einer substanziierten Begründung, die sich nicht lediglich in der Nennung des verletzten Rechts und in der Bezeichnung der angegriffenen Maßnahme erschöpfen darf. Die Möglichkeit, dass die angefochtene fachgerichtliche Entscheidung auf einer grundsätzlichen Verkennung des Gewährleistungsgehalts des als verletzt gerügten Grundrechts beruht, muss sich vielmehr aufgrund einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde ergeben (VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 - VerfGH 44/19.VB-3, juris, Rn. 4).

b) Daran fehlt es hier.

aa) Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen einen arbeitsgerichtlichen Beschluss zu dem Aktenzeichen 4 Ga 6/21 wendet, zeigt sie schon nicht auf, dass in dem vorgenannten Verfahren überhaupt eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist. Den sich zu diesem Aktenzeichen verhaltenden Ausführungen auf Seite 7 f. der Verfassungsbeschwerdebegründung ("Hätte ich die Antragserwiderung vorher gelesen, hätte ich diese Einstweilige Verfügung nicht zurück gezogen.") ist vielmehr zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin den jenem Verfahren zugrunde liegenden Antrag zurückgenommen hat, so dass es hier an einem Hoheitsakt, der Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein könnte, fehlt. Es fügt sich, dass die Beschwerdeführerin zu diesem Verfahren keine gerichtliche Entscheidung vorgelegt hat.

bb) Auch im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den an eine hinreichend substanziierte Begründung zu stellenden Anforderungen.

Indem sie sich gegen die arbeitsgerichtlichen Beschlüsse vom 15. Juni 2021 mit der Begründung wendet, die Beschwerdeführerin werde durch die "Zurückweisung der Anhörungsrüge" in ihren Grundrechten verletzt, übersieht die Verfassungsbeschwerde, dass die Beschlüsse das am 20. Mai 2021 bzw. am 7. Juni 2021 angebrachte Ablehnungsgesuch zum Gegenstand hatten und nicht die von der Beschwerdeführerin als "Rüge wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs" bezeichnete Eingabe vom 30. Juni 2021.

Soweit die Beschwerdeführerin sich außerdem beiläufig gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs wendet, erschöpft sie sich im Wesentlichen in einer skizzenhaften Darstellung ihres eigenen Rechtsstandpunktes. Mit dieser Begründung zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht ansatzweise die Möglichkeit auf, dass das Arbeitsgericht in den angefochtenen Beschlüssen nicht nur einen anderen Rechtsstandpunkt eingenommen hat oder ihm nicht lediglich eine nach Auffassung der Beschwerdeführerin fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts unterlaufen ist, sondern es den Gewährleistungsgehalt eines Grundrechts verkannt haben könnte.

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen die in den angegriffenen Beschlüssen abschließend unter Hinweis auf § 49 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) erwähnte Unanfechtbarkeit wendet, ist sie unzulässig, weil nicht ersichtlich ist, wie eine Verfassungswidrigkeit der vorgenannten Norm der gegen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhelfen könnte. Diese Beschlüsse haben die Zurückweisung des von der Beschwerdeführerin angebrachten Ablehnungsgesuchs zum Gegenstand und nicht die Verwerfung einer gegen die Zurückweisungsentscheidungen gerichteten Beschwerde als unzulässig. Sie beruhen mithin nicht auf einer Anwendung des in § 49 Abs. 3 ArbGG statuierten Rechtsmittelausschlusses, den das Bundesverfassungsgericht im Übrigen für verfassungsgemäß befunden hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Juli 2008 - 1 BvR 416/08, BVerfGK 14, 122 = juris, Rn. 37 m. w. N.).

3. Schließlich ist der Rechtsweg nicht erschöpft (§ 54 Abs. 1 VerfGHG).

a) Die Beschwerdeführerin trägt zwar vor, sie habe mit ihrem Schreiben vom 30. Juni 2021 gegen die Beschlüsse vom 15. Juni 2021 Anhörungsrüge erhoben. Es kann hier offen bleiben, ob es sich bei dem Schreiben, mit dem die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihre rechtliche Bewertung an die Stelle derjenigen des Arbeitsgerichts stellt, in der Sache tatsächlich um eine Anhörungsrüge handelt. Denn es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass auf dieses Schreiben hin eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist. Erschöpft ist der Rechtsweg jedoch nicht schon mit der Einlegung eines Rechtsbehelfs, sondern erst dann, wenn über ihn entschieden worden ist und weitere Rechtsbehelfe nicht zur Verfügung stehen (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 - VerfGH 54/19.VB-1, juris, Rn. 3; ferner BVerfG, Beschluss vom 23. April 2008 - 2 BvR 1889/07, juris, Rn. 3). Sofern - was das gerichtliche Schreiben vom 2. Juli 2021 nahe legt - eine Entscheidung des Arbeitsgerichts bislang ausgeblieben sein sollte, weil das Gericht das Schreiben der Beschwerdeführerin nicht als Anhörungsrüge verstanden hat, bleibt es der Beschwerdeführerin unbenommen, durch Klarstellung auf eine gerichtliche Entscheidung hinzuwirken.

b) Der Verfassungsgerichtshof muss auch nicht vor Erschöpfung des Rechtswegs über die von der Beschwerdeführerin eingelegte Verfassungsbeschwerde nach § 54 Satz 2 VerfGHG sofort entscheiden, denn sie ist nicht von allgemeiner Bedeutung und die Beschwerdeführerin hat nichts dazu ausgeführt, dass ihr ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entsteht, wenn sie zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird.

c) Die mangelnde Erschöpfung des Rechtswegs hat hier zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern insgesamt unzulässig ist (vgl. VerfGH NRW, Beschluss vom 14. Januar 2020 - VerfGH 54/19.VB-1, juris, Rn. 3; BVerfG, Beschluss vom 23. April 2008 - 2 BvR 1889/07, juris, Rn. 5 m. w. N.).

4. Von einer weiteren Begründung des Beschlusses wird gemäß § 58 Abs. 2 Satz 4 VerfGHG abgesehen.

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