LG Münster, Urteil vom 09.03.2021 - 121 KLs-540 Js 1619/20-1/20
Fundstelle
openJur 2021, 31227
  • Rkr:
Tenor

Der Angeklagte ist des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen, davon

in einem Fall tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung,

in 5 weiteren Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung,

von diesen 5 Fällen wiederum in 2 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung,

des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 8 Fällen, davon

in 6 Fällen in Tateinheit mit der Herstellung kinderpornographischer Schriften, davon wiederum

in 2 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Übergriff,

und der Herstellung kinderpornographischer Schriften in 7 Fällen

schuldig.

Er wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Nebenklägers.

Angewendete Vorschriften: §§ 176 Abs. 1, 176a Abs. 2 Nr. 1, 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 S. 1 Nr. 1, 184b Abs. 1 Nr. 3, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1, 46b, 49, 52, 53 StGB.

Gründe

I.

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 27-jährige Angeklagte ist ledig und kinderlos. Seine Mutter - die Zeugin P1- stammt aus einer Bergmannsfamilie aus dem Ruhrgebiet. Sie studierte bis zur Geburt ihres ersten Kindes Pädagogik, hat eine aufgeschlossene und liberale Einstellung, engagiert sich politisch und ist ehrenamtlich als Schöffin tätig. Sein Vater kam im Alter von 13 Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Nach Schulabschluss, Ausbildung, Meisterprüfung und Angestelltenverhältnis arbeitete dieser selbstständig als Elektriker. Der Vater ist traditionell, konservativ und religiös.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Der Angeklagte ist ausweislich des verlesenen Bundeszentralregisterauszuges vom 08.12.2020 bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.

In hiesiger Sache ist der Angeklagte am 30.06.2020 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seither aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 29.06.2020 und seit 25.08.2020 in Verbindung mit dem erweiternden Haftbefehl des Amtsgerichts Münster von diesem Tage in Untersuchungshaft.

II.

1.

a.

Ursprung des Verfahrens sind gegen den gesondert Verfolgten L1 gerichtete Ermittlungen. Nach einer Rückverfolgung der IP-Adresse aufgrund von Hinweisen auf kinderpornographischen Datenverkehr fand 2019 eine Durchsuchung bei dem gesondert Verfolgten L1 statt. Nachdem eine dort sichergestellte Festplatte nach erheblichem Aufwand im Mai 2020 entschlüsselt werden konnte, fanden die Ermittler den Nebenkläger betreffendes kinderpornografisches Material wie auch einen Videomitschnitt aus einer in [...] befindlichen Gartenlaube. Gegenstand des Mitschnitts war u.a. eine Unterhaltung zwischen weiteren gesondert verfolgten Personen in Zusammenhang mit Kindesmissbrauch. Diese unterhielten sich darüber, dass sie sich über den Angeklagten, der selbst nicht anwesend war, kennengelernt hätten. Außerdem fanden die Ermittler im Keller der Mutter des Nebenklägers, H1, eine SD-Karte, die von dem Angeklagten gefertigte Bilder vom Missbrauch an seinem Halbbruder und Neffen zeigten. Der Angeklagte hatte selbst keine Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen, sondern dem gesondert Verfolgten L1 seine Datenträger übergeben. L1 hatte sich angeboten, die Datenträger auf eine gesicherte Festplatte zu überspielen. Die gespeicherten Medien auf der SD-Karte konnten u.a. aufgrund eines Videotagebuchs zweifelsfrei dem Angeklagten zugeordnet werden. Es folgten Durchsuchungen bei dem Angeklagten und dessen Familie sowie u.a. den Angeklagten belastende Aussagen des Nebenklägers. Ferner stellten die Ermittler ein dem gesondert Verfolgten L1 gehörendes Mobiltelefon "OnePlus" sicher und werteten zahlreiche Chatverläufe aus - auch solche des gesicherten Messenger-Dienstes "Conversations". Dort verwendete "Nicknames" u.a. des Angeklagten (... nickname entfernt), des L1 (... nickname entfernt) sowie der für den Nebenkläger verwendete Name (... nickname entfernt) konnten im Zuge der Ermittlungen zweifelsfrei zugeordnet werden.

b.

Der Angeklagte nahm sexuelle Handlungen zum Nachteil von und an insgesamt sechs Kindern vor, wobei Gegenstand der Verurteilung Handlungen zum Nachteil von vier Kindern sind. Dabei handelt es sich um den am 00.00.2015 geborenen K2 - Sohn des gesondert Verfolgten K1- den am 00.00.2010 geborenen P4 - seinen Halbbruder väterlicherseits - den am 00.00.2010 geborenen V1 - Sohn seiner Schwester P3 - sowie um den Nebenkläger - den am 00.00.2009 geborenen H2-, Ziehsohn des gesondert Verfolgten L1. Der Angeklagte kannte das jeweilige Alter der Geschädigten. Er nahm unterschiedliche Handlungen an den Kindern vor, um sich sexuell zu erregen. Dem Angeklagten war wichtig, dass seine Handlungen nicht gegen den geäußerten Willen der Kinder verstießen bzw. diese die Handlungen nicht mitbekamen. Er achtete zudem auf die Vermeidung physischer Schmerzen. Ein Kondom benutzte der Angeklagte nie. Die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit war bei allen Taten weder aufgehoben noch erheblich eingeschränkt. Soweit die Durchführung von Oralverkehr bezeichnet ist, bedeutet dies, dass der Penis des Kindes in den Mund genommen und dort mit Zunge und Lippen manipuliert wird. Bei durchgeführtem Analverkehr wird der Penis in den Anus desjenigen eingeführt, an dem der Analverkehr ausgeübt wird. Durch Rein-Raus-Bewegungen wird dabei der Penis stimuliert.

2.

Der Angeklagte lernte 2016 den gesondert Verfolgten K1 über den Messenger-Dienst "..." kennen. Er tauschte sich mit ihm über die pädophilen Neigungen, die beide verspürten, aus. Der Angeklagte empfand es als Erleichterung nunmehr offen über seine Pädophilie zu sprechen. Es fanden auch sexuelle Handlungen zwischen dem Angeklagten und K1 statt. K1 erzählte dem Angeklagten von durch ihn an seinem Sohn K2 durchgeführten sexuellen Handlungen. Während dreier Campingurlaube in der Zeit von Sommer 2017 bis zum 16.06.2019 nahm auch der Angeklagte sexuelle Handlungen an dem Kind K2 vor.

Im Einzelnen beging der Angeklagte an K2 folgende Taten:

a. (Ziff. 1 der Nachtragsanklage)

An einem Wochenende des Sommers 2017 fand ein Treffen zwischen dem Angeklagten und K1 auf dem Campingplatz "T1See" an der Anschrift ...(Adresse entfernt) in Hessen statt, zu dem K1 verabredungsgemäß seinen Sohn K2 mitbrachte. K1 hatte dem Angeklagten zuvor mitgeteilt, dass er an seinem Sohn auch den Analverkehr durchführe. Der Angeklagte und K1 reisten jeweils mit einem Zelt an. An einem Abend des Wochenendes teilte K1 dem Angeklagten mit, dass er mit K2 "alles machen" könne. Er solle den Analverkehr an dem Kind durchführen.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

b.(Ziff. 6 der Nachtragsanklage)

Im Sommer/Herbst des Jahres 2018, mutmaßlich vom 21.09.2018 bis zum 23.09.2018, kam es zu einem erneuten Treffen des Angeklagten und K1 auf dem Campingplatz "T1See". K1 brachte wieder vereinbarungsgemäß K2 mit. Sie verbrachten ein Wochenende auf dem Campingplatz und schliefen diesmal zusammen in einem Zelt. Auf Nachfrage des Angeklagten teilte K1 mit, dass der Angeklagte sexuelle Handlungen an dem K2 vornehmen dürfe. An einem Abend des Wochenendes legte sich der Angeklagte in das Zelt zu K2.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

c. (Ziff. 7 der Nachtragsanklage)

Im Sommer des Jahres 2019, mutmaßlich vom 14.06.2019 bis zum 16.06.2019, trafen sich der Angeklagte, K1und K2 wieder auf dem Campingplatz "T1See", um dort ein gemeinsames Wochenende zu verbringen. Erneut schliefen sie zusammen in einem Zelt. An einem Abend des Wochenendes fragte der Angeklagte den gesondert Verfolgten K1, ob er an dem Geschädigten sexuelle Handlungen vornehmen dürfe. Dies bejahte K1.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

3.

Der Angeklagte hielt sich anlässlich seiner Familienbesuche an Wochenenden in J1 auf und übernachtete in der Wohnung seiner Mutter oder seines Vaters bzw. in einem Fall in der Wohnung seiner Schwester. Er war häufig mit seinem Halbbruder P4 und seinem Neffen V1 alleine. Diese Situationen nutzte er - bzgl. seines Neffen auch einmal in seiner Wohngemeinschaft in U1 - ab Mitte/Ende 2018 teilweise aus und führte bis mindestens etwa Ende 2019 sexuelle Handlungen an den Kindern aus. Er achtete dabei zu Anfang bei P4 darauf, dass dieser fest schlief. Zu dem genauen Vorgehen ließ er sich teilweise durch gleichgesinnte Chatpartner anleiten. Im weiteren Verlauf achtete er bei P4 nicht mehr darauf, ob dieser schlief.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Er fertigte in vielen Fällen auch Fotos von seinen Handlungen, wobei er diese für sich, aber auch zum etwaigen Versenden an ihm bekannte einzelne Chatpartner erstellte.

Im Einzelnen beging er folgende Taten:

a. (Ziff. 2 der Nachtragsanklage)

An einem nicht näher bestimmbaren Tag Mitte/Ende 2018 schlief der Geschädigte P4 in einem Zimmer der Wohnung seiner Eltern an der Anschrift ...(Adresse entfernt).

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

b. (Ziff. 3 der Nachtragsanklage)

An einem anderen nicht näher bestimmbaren Tag Mitte/Ende 2018 schlief der Geschädigte P4 erneut in einem Zimmer der Wohnung seiner Eltern an der Anschrift...(Adresse entfernt).

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

c. (Ziff. 5 der Nachtragsanklage)

An einem anderen nicht näher bestimmbaren Tag Mitte/Ende 2018 schlief der Geschädigte P4 wiederum in einem Zimmer der Wohnung seiner Eltern an der Anschrift ...(Adresse entfernt).

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d. (Ziff. 1 der Anklage)

Am 13.04.2019 um 02:00 Uhr lag der Geschädigte P4 auf der rechten Körperseite mit angewinkelten Beinen in seinem Bett im Kinderzimmer seiner elterlichen Wohnung an der Anschrift...(Adresse entfernt) und schlief. Der Angeklagte zog dem Geschädigten seine schwarze Jogginghose herunter und legte auf den Geschädigten oberhalb des Gesäßes im Bereich des unteren Rückens und unter seinem Gesäß jeweils ein Papiertaschentuch.

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e. (Ziff. 2 der Anklage)

Am 27.04.2019 um 00:58 Uhr lag der Geschädigte P4 bäuchlings in seinem Bett in seiner elterlichen Wohnung an der Anschrift...(Adresse entfernt). Der Geschädigte war mit einer weißen Schlafanzughose und einem grünschwarzgestreiften Oberteil bekleidet. Der Angeklagte zog dem Geschädigten die Hose herunter und fertigte anschließend mit seinem Mobiltelefon eine auf das entblößte Gesäß des Kindes fokussierte Aufnahme.

f. (Ziff. 3 der Anklage)

In den frühen Morgenstunden des 04.05.2019 gegen 01:15 Uhr lag der Geschädigte P4 auf einem Bett in seiner elterlichen Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt) und schlief. Der Geschädigte war mit einem weißen Schlafanzug bekleidet. Der Angeklagte zog dem Geschädigten die Schlafanzughose herunter,

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

g. (Ziff. 4 der Anklage)

Am 19.05.2019 gegen 16:53 Uhr lag der Geschädigte V1 bäuchlings auf dem Bett in seinem Kinderzimmer in seiner elterlichen Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt). Der Geschädigte war mit einem weißen T-Shirt und einer schwarzen Hose bekleidet.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

h. (Ziff. 5 der Anklage)

Am 31.05.2019 um 02:20 Uhr fertigte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon Fotos des Geschädigten P4 in dessen elterlichen Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt), nachdem er das Gesäß des Geschädigten entkleidet hatte und der Bildausschnitt auf den Anus fokussiert war.

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i. (Ziff. 7 der Anklage)

Am 29.06.2019 um 00:20 Uhr lag der Geschädigte P4 bäuchlings auf seinem Bett in seinem Kinderzimmer der elterlichen Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt). Er war bekleidet mit einer Unterhose, einer schwarzen Jogginghose und einem rötlichorangenen T-Shirt. Der Angeklagte zog dem Geschädigten Unterhose und Jogginghose herunter, sodass das Gesäß sichtbar war.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

j. (Ziff. 8 der Anklage)

Am 29.06.2019 gegen 02:22 Uhr lag der Geschädigte P4 in Seitenlage in seinem Bett im Kinderzimmer seiner elterlichen Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt) und schlief. Er war nach wie vor bekleidet mit einer Unterhose, einer schwarzen Jogginghose und einem rötlichorangenen T-Shirt. Der Angeklagte zog dem Geschädigten die Hose herunter, sodass das Gesäß sichtbar war.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

k. (Ziff. 6 der Anklage)

Am 29.06.2019 um 08:30 Uhr lag der Geschädigte P4 in Bauchlage auf seinem Bett in dem Kinderzimmer der elterlichen Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt) Der Geschädigte war bekleidet mit einer Unterhose, einer schwarzen Jogginghose und einem rötlichorangenen T-Shirt und hielt ein Mobiltelefon in den Händen. Der Angeklagte zog dem Geschädigten die Hose herunter. Anschließend fertigte er eine auf das entblößte Gesäß fokussierte Bildaufnahme mit seinem Mobiltelefon.

l. (Ziff. 9 der Anklage)

Am 06.07.2019 um 07:29 Uhr manipulierte der Angeklagte in der Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt) mit Daumen und Zeigefinger an dem durch ihn entblößten Glied des Geschädigten P4. Anschließend fotografierte der Angeklagte das erigierte Glied des Geschädigten mit seinem Mobiltelefon.

m. (Ziff. 10 der Anklage)

Am 13.07.2019 um 11:11 Uhr lag der Angeklagte auf einem Sessel im Wohnzimmer der Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt). Auf seinem Bauch lag rücklings der Geschädigte P4. Der Geschädigte war bekleidet mit einer dunkelgrauen Jogginghose und einem grün gestreiften Langarmshirt.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

n. (Ziff. 11 der Anklage)

Am 21.09.2019 um 00:04 Uhr lag der Geschädigte P4 auf dem Bett im

Kinderzimmer seiner elterlichen Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt). Der Geschädigte trug eine dunkle Jogginghose. Der Angeklagte zog dem Geschädigten die Jogginghose herunter.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

o. (Ziff. 12 der Anklage)

Am 21.09.2019 um 16:26 Uhr lag der Angeklagte auf einem Sessel in dem Wohnzimmer der Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt). Auf seinem Bauch lag rücklings der Geschädigte P4. Der Geschädigte trug eine weiße kurze Jogginghose mit weißen Kordeln, ein schwarzes Oberteil und dicke roten Socken.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

p. (Ziff. 8 der Nachtragsanklage)

Der Angeklagte konsumierte ab Sommer 2019 auch GBL. Dieses hatte er von dem gesondert Verfolgten D1 und einem K3 - einem Bekannten des D1 - erhalten. D1 und der Angeklagte hatten sich im Internet in einem Pädophilen-Forum kennengelernt und persönlich getroffen. D1 verabreichte nach seinen Angaben gegenüber dem Angeklagten zu dieser Zeit zur Durchführung sexueller Handlungen einem Kind einer Schulfreundin GBL. Nachdem der Angeklagte durch D1 K3 kennengelernt hatte, erwarb er 300 - 400 ml GBL von K3 sowie in der Folge auch Speed. D1 leitete den Angeklagten hinsichtlich der heimlichen Verabreichung von GBL sowie dessen Dosierung an.

Im Herbst 2019 besuchte der Geschädigte V1 den Angeklagten in dessen Wohngemeinschaft in der Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt) und übernachtete im Zimmer des Angeklagten. Der Angeklagte mischte ein Fruchtsaftgetränk an, in dem sich mindestens 1,5 ml GBL befanden, um den Geschädigten V1 zu betäuben und dann sexuelle Handlungen an ihm auszuüben.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

q. (Ziff. 9 der Nachtragsanklage)

In der zweiten Hälfte des Jahres 2019 übernachtete der Geschädigte V1 in dem Zimmer des Angeklagten in der Wohnung seiner Mutter an der Anschrift ...(Adresse entfernt). Der Angeklagte mischte wieder ein Fruchtsaftgetränk an, in dem sich mindestens 1,5 ml GBL befanden, um den Geschädigten V1 zu betäuben und dann sexuelle Handlungen an ihm auszuüben. Der Geschädigte trank den Saft, ohne dessen betäubende Wirkung zu kennen. Nachdem der Geschädigte betäubt war und fest schlief,

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r. (Ziff. 14 der Anklage)

Am 30.11.2019 um 22:32 Uhr lag der Geschädigte P4 auf seinem Bett

im Kinderzimmer seiner elterlichen Wohnung an der Anschrift ...(Adresse entfernt). Der Geschädigte trug eine schwarze Hose, eine hellblaue Sweatshirt-Jacke und ein weißes T-Shirt. Der Angeklagte zog dem Geschädigten die Hose herunter und legte seine linke Hand auf die linke Gesäßbacke des Geschädigten. Anschließend fertigte er mit seinem Mobiltelefon eine auf das entblößte Gesäß fokussierte Fotoaufnahme.

4.

Der Angeklagte gehörte zu dem engeren Bekanntenkreis des gesondert Verfolgten L1, den er im Oktober 2019 über ein Pädophilen-Forum kennengelernt hatte. Der Nebenkläger ist der leibliche Sohn der gesondert Verfolgten H1, mit der L1 eine längere Beziehung führte. L1 übernahm mit Einverständnis der gesondert Verfolgten H1 faktisch die Vaterrolle für den Nebenkläger und kümmerte sich ganz überwiegend um ihn. Die Mutter vertraute ihr Kind dem Lebensgefährten an. Der sexuelle Missbrauch des Nebenklägers durch L1 erfolgte bereits seitdem der Nebenkläger fünf Jahre alt war. Nachdem L1 den Missbrauch des Nebenklägers zunächst nur selbst vorgenommen hatte, ging er in der Folgezeit, spätestens im Laufe des Jahres 2019, immer mehr dazu über, auch anderen Männern mit pädophilen Neigungen den Missbrauch des Nebenklägers zu gestatten und hierbei zuzusehen oder zeitgleich Handlungen am Nebenkläger vorzunehmen, da ihn dieses sexuell erregte. Über das Internet lernte L1 immer mehr neue Männer kennen, mit denen er in der Folgezeit teilweise Freundschaften pflegte und sich oft auch wiederholt gemeinsam mit dem Nebenkläger mit diesen Männern traf, um sexuelle Handlungen durchzuführen.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

In der Gruppe um den gesondert Verfolgten L1 befand sich neben K1 und weiteren gesondert Verfolgten auch der gesonderte Verfolgte S1, den der Angeklagte spätestens seit Sommer 2019 kannte. Der Angeklagte und L1 waren zudem u.a. Teilnehmer der über den Messenger-Dienst "..."(Name des Dienstes entfernt) betriebenen Chatgruppe "..." (Name entfernt). Dort tauschten sie sich mit weiteren Gleichgesinnten über ihre pädophilen Neigungen, Vorlieben und über IT-Sicherheit aus. Der Angeklagte wurde Teil des von den Beteiligten sogenannten "Safeclubs". Die Gruppe legte viel Wert auf Datensicherheit und nutzte Decknamen und speziell sicherheitstechnisch eingerichtete Mobiltelefone. An gemeinsamer Verbalerotik hinsichtlich harter Sexpraktiken - "Dirty Talk" - beteiligte der Angeklagte sich nicht. Die Durchführung von mit anderen Beteiligten gleichzeitig vorgenommenen sexuellen Handlungen an dem Nebenkläger lehnte der Angeklagte aufgrund von Schamgefühlen ab. Es bestand außerdem zwischen dem Angeklagten und L1 ein intimes Verhältnis. Es kam zu sexuellen Handlungen zwischen ihnen und sie führten mitunter emotionale und persönliche Gespräche - teilweise per Chat, teilweise bei häufigen Besuchen in B1 in der Wohnung des gesondert Verfolgten oder während gemeinsamer Ausflüge. Der Angeklagte bewunderte L1 für sein Selbstbewusstsein und den offenen Umgang mit seiner Pädophilie und als Wortführer der Gruppe, der sich sehr gut mit Technik und Sicherheit im Internet auskannte. L1 animierte den Angeklagten außerdem dazu, selbst GBL zu nehmen, damit dieser lockerer würde, wenn sich sexuelle Handlungen zwischen L1 und dem Angeklagten anbahnten. Durch L1 selbst kam es zu Missbrauchshandlungen an dem Nebenkläger von denen er oftmals Fotos fertigte und diese auch mit den übrigen Beteiligten über den Messenger teilte. Die Bilder zeigten hierbei u.a.

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Nachdem der Angeklagte den Nebenkläger im November 2019 kennenlernte, war er, so der Angeklagte, "ein Stück weit verliebt" in ihn.

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Um nicht zu schüchtern zu sein, konsumierte der Angeklagte vor den Treffen mit L1 und weiteren gesondert Verfolgten teilweise Kokain oder Speed. Teilweise nahm er zur eigenen Enthemmung auch GBL zu sich. Unter Drogeneinfluss kam es nicht zu sexuellen Handlungen an dem Nebenkläger oder anderen Kindern. Vielmehr achtete er darauf, dass er in deren Gegenwart nicht alkoholisiert war oder unter Drogeneinfluss stand.

Im Einzelnen beging er folgende Taten zum Nachteil des Nebenklägers:

a. (Ziff. 10 der Nachtragsanklage)

Zwischen dem 22.11.2019 und dem 24.11.2019 hielten sich der Angeklagte, L1, der Nebenkläger sowie D1 in dem Ferienhaus "..."(Name entfernt) an der Anschrift ...(Adresse entfernt) auf. L1 und D1 kannten sich bereits. Der Angeklagte und D1 waren - wie bereits ausgeführt - ebenfalls miteinander bekannt. In der gemieteten Ferienwohnung nächtigten die Beteiligten auf einem Matratzenlager.

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Eine weitere Handlung, die nicht von der angeklagten Tat umfasst ist, fand entweder am Folgetag oder aber zumindest einige Zeit nach diesem ersten Geschehen statt. An dem Samstagnachmittag des Wochenendes war der Angeklagte alleine mit dem Nebenkläger im ersten Obergeschoss des Ferienhauses auf einer gebauten Bettenlandschaft und spielte einige Zeit mit ihm.

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b. (Ziff. 13 der Anklage)

In der Zeit vom 06.12.2019 bis zum 09.12.2019 hielten sich der Angeklagte, L1, K1, dessen Sohn K2 sowie der Nebenkläger in einer Ferienwohnung in B2 auf. L1 hatte K1 einige Tage zuvor nach Bekanntmachung durch den Angeklagten kennengelernt. Die Beteiligen nächtigten auf einem Matratzenlager.

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c. (Ziff. 15 der Anklage)

Am 19.12.2019 suchte der Angeklagte die Wohnanschrift des gesondert Verfolgten L1 im ...(Adresse entfernt) auf, weil dieser dem Angeklagten u.a. Programmierkenntnisse vermitteln wollte.

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Die Mutter des Nebenklägers war nicht zu Hause sondern hielt sich in einem Reitstall bei einem Pferd auf.

d. (Ziff. 11/12 der Nachtragsanklage, Ziff. 16 der Anklage)

Anfang 2020 wurde D1 festgenommen, woraufhin der Angeklagte seine Mobiltelefone und weitere Datenträger an L1 übergab, weil dieser daran technische Sicherheitsvorkehrungen vornehmen wollte, um dem Angeklagten zu helfen. D1 hatte - wie bereits ausgeführt - bereits Erfahrung mit dem Betäubungsmittel GBL und das Betäubungsmittel auch an L1 weitergegeben. L1 teilte dem Angeklagten im Januar mit, dass er dem Nebenkläger bereits GBL verabreicht habe. Zunächst habe es keine Wirkung gezeigt. Erst beim zweiten Versuch sei dies der Fall gewesen.

Im Januar 2020 erfragte der Angeklagte über Chatnachrichten, ob sich der Nebenkläger anlässlich einer geplanten Reise Ende Januar/Anfang Februar nach G1 bei Dresden mit GBL "ausknocken" lassen würde,

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Das Betäubungsmittel wurde dem Nebenkläger mit Wissen und Wollen des Angeklagten von L1 verabreicht.

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e. (Ziff. 11/12 der Nachtragsanklage, 16 der Anklage)

Am folgenden Abend des 02.02.2020 hielten sich der Angeklagte, L1 und der Nebenkläger noch immer in dem Ferienhaus "..." (Name entfernt) in G1 auf. An diesem Abend mischte der Angeklagte mit Zustimmung des gesondert Verfolgten L1 etwa 1,3 ml Betäubungsmittel GBL in einen Fruchtsaft und gab ihn dem Nebenkläger. Woher das GBL stammte, konnte die Kammer nicht sicher feststellen.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

f. (Ziff. 11/12 der Nachtragsanklage, 16 der Anklage)

Am Morgen des Abreisetages aus G1, Dienstag dem 04.02.2020, führte der Angeklagte

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g. (Ziff. 13 der Nachtragsanklage)

Am 17.03.2020 hielt sich L1 zusammen mit dem Nebenkläger in einem Ferienhaus an der Anschrift ...(Adresse entfernt) auf. Der Angeklagte besuchte die beiden, um dort zu übernachten. L1 ging es gesundheitlich schlecht und er verbrachte die überwiegende Zeit im Bett. Der Angeklagte half dem Nebenkläger bei den Schulaufgaben und spielte mit ihm.

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5.

Betreffend die Geschädigten K2, P4 und V1 konnte die Kammer keine konkreten Feststellungen zu Tatfolgen treffen. Der Nebenkläger

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Die Folgen beruhen im Wesentlichen auf dem Verhalten des gesondert Verfolgten L1, soweit der Angeklagte sich allerdings beteiligte, besteht auch eine Mitverursachung durch ihn.

6.

Die Taten zu Ziff. 17 (ein weiterer sexueller Missbrauch zum Nachteil des Nebenklägers) und 18 (Besitz einer geringen Menge Marihuana) der Anklageschrift vom 07.10.2020 und die Tat zu Ziff. 4 der Nachtragsanklageschrift vom 17.02.2021 hat die Kammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Soweit in Bezug auf die Tat zu Ziff. II. 4d eine Verurteilung wegen Begehung einer bzw. Beteiligung an einer gefährlichen Körperverletzung in Betracht kam, hat die Kammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach § 154a Abs. 2 StPO von der weiteren Verfolgung abgesehen.

7.

Neben den hier zur Verurteilung gelangten Taten kam es außerdem hinsichtlich zwei weiterer Kindern zu folgenden Handlungen:

Von etwa 2018 bis 2020 erteilte der Angeklagte schulische Nachhilfe. Sein Nachhilfeschüler war der in schwierigen sozialen Verhältnissen aufwachsende und unter ADHS leidende 12- bis 14-jährige F1. Dieser hatte den Kontakt zum Angeklagten gesucht, nachdem er ihn mit seinen jüngeren Familienmitgliedern beim Fußballspielen beobachtet hatte. In der Folgezeit schrieb der F1 dem Angeklagten sehr häufig Nachrichten und rief ihn an, was Freunden und der Familie des Angeklagten auffiel. Das Kind suchte während der Nachhilfe sexuellen Kontakt zu dem Angeklagten, indem er seinen Fuß, später seine Hand in den bekleideten Schritt des Angeklagten legte. Der Angeklagte ließ dieses zu und fasste im Rahmen mehrerer - nicht jeder - Nachhilfestunden auch unterhalb der Kleidung den Intimbereich des Kindes an. In einer der letzten Nachhilfestunden kurz vor Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 küsste F1 den Angeklagten und fragte ihn, ob er homosexuell sei, woraufhin der Angeklagte antwortete, dass er bisexuell sei und dies dem F1 erklärte.

2019 und 2020 bestanden außerdem Chat-Kontakte zu einem etwa 12- bis 14-jährigen S2 aus K4, der aus sozial schwierigen Verhältnissen stammt. S2 hatte sich selbst als "Nazi" bezeichnet und mit dem Angeklagten über längere Zeit einen Chat-Kontakt geführt, in dem sie unterschiedliche Themen - neben Sexualität auch das Thema Fremdenhass - diskutierten. L1, dem der Angeklagte von S2 erzählt hatte, schlug dem Angeklagten vor, S2 zu treffen. Anlässlich einer Rückgabe eines geliehenen Transporters in C1 nahm L1 den Angeklagten im Frühjahr 2020 mit, sodass sich der Angeklagte kurzzeitig mit S2 und einem weiteren Freund - dem zu dem Zeitpunkt 16-jährigen V2- treffen konnte. Das Treffen war nur von kurzer Dauer, was S2 und V2 enttäuschte und was sie dem Angeklagten auf dem Rückweg über einen Chat mitteilten. Auf Vorschlag des gesondert Verfolgten L1, der den Angeklagten zunächst wieder mit nach [...] genommen hatte, brachte L1 den Angeklagten nachts erneut mit dem Auto nach K4. Entgegen des Wunsches von S2 und V2 konsumierte der Angeklagte aufgrund der Minderjährigkeit der Kinder kein Marihuana mit diesen. Wie zuvor über den Chat mit S2 vereinbart, fasste der Angeklagte allerdings unter der Bettdecke für ein paar Minuten an den Penis des S2, ohne dass V2 dieses bemerkte und ohne dass es zur Ejakulation kam.

Der Angeklagte lud außerdem phasenweise größere Mengen von Kinderpornographie aus dem Internet herunter und unterhielt ferner Chat-Kontakte zu Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Von diesen Kontakten ließ er sich auch pornographische Bilder und Videos zusenden und versendete selber welche an diese. Er führte mit den Chat-Partnern Live-Chats per Videotelefonie durch, wobei er und der Chat-Partner jeweils masturbierten. Diese Live-Videos filmte er teilweise heimlich ab, um sie sich später erneut anzusehen.

8.

Der Angeklagte wurde am 00.06.2020 festgenommen. Am 00.07.2020 kam es in einer Freistunde in der JVA ...(Ortsbezeichnung entfernt) zu einem Übergriff zum Nachteil des Angeklagten.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

9.

Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 07.10.2020 drei Fälle des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs gegenüber dem Nebenkläger und 13 Fälle des Herstellens kinderpornographischer Schriften, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit sexuellem Kindesmissbrauch zum Nachteil seines auf der SD-Karte abgebildeten Halbbruders und Neffen sowie zwei weitere Taten (vgl. Ziff. II. 6 des Urteils) vorgeworfen.

Taten des Angeklagten gegenüber weiteren Kindern waren den Ermittlungsbehörden vor Durchführung der Hauptverhandlung nicht bekannt. Es bestand aufgrund weiter ausgewerteten Chatverkehrs allerdings der Verdacht weiterer Taten gegenüber dem Nebenkläger, die aber nur schwer zu konkretisieren gewesen wären und zu denen andere Beteiligte keine Angaben gemacht haben.

Der Angeklagte schilderte im Rahmen seiner geständigen Einlassung zusätzlich die 13 Taten zu Ziff. II 2; 3 ac, p, q; 4a, dg. Hierzu machte er die jeweils aus den Feststellungen ersichtlichen Angaben zu weiteren beteiligten Mittätern. Seine Taten zum Nachteil des K2 waren einschließlich der Beteiligung des K1 zuvor unbekannt. Es bestand aber der Verdacht, dass es ansonsten zu Taten des K1 an seinem Sohn kam. Die Beteiligung des D1 und auch die konkrete Durchführung und Beteiligung von L1 und K1 an den geschilderten Taten am Wochenende 00. bis 00.12.2019 waren ebenfalls nicht konkret bekannt. Bisherige Verdachtsmomente stützten sich auf Rückschlüsse aus Chatverkehr. Darüber hinaus machte der Angeklagte belastende Angaben zu der Mutter des Nebenklägers und zur Dauer des Missbrauchs durch L1.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Weiter teilte er im Rahmen seiner Einlassung einzelne Chats mit ihm nur mit Vornamen bekannten Personen mit, bei denen diese von eigenen Missbrauchshandlungen an Kindern berichtet hätten. Ob letztere ausreichende Ansätze für Ermittlungserfolge bieten, steht noch nicht fest. Teils hatte die Staatsanwaltschaft diese Personen aber bereits aus anderen Quellen ermittelt und festgenommen, sodass den Angaben des Angeklagten insoweit keine wesentliche Bedeutung mehr zukam.

Nach der Einlassung des Angeklagten erhob die Staatsanwaltschaft Nachtragsanklage, die mit Beschluss vom 18.02.2021 mit Zustimmung des Angeklagten in das Verfahren einbezogen wurde. Darüber hinaus sagte der Angeklagte in dem gegen L1, K1, S1 u.a. gerichteten Verfahren für rund neun Stunden umfassend als Zeuge aus und belastete die ihm bekannten und zum Teil sehr vertrauten gesondert Verfolgten erheblich. Am Ende der Vernehmung richtete er einen emotionalen Appell an die dortigen Angeklagten, selber umfassend Angaben durch von ihnen - damit auch ggfs. zum Nachteil anderer Kinder - begangenen und nicht angeklagten Taten zu machen.

III.

Die Feststellungen zur Person und zur Sache beruhen auf der Gesamtschau des Ergebnisses der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, deren Inhalt und Umfang im Einzelnen sich aus der Sitzungsniederschrift ergeben.

1.

Soweit die Feststellungen Umstände betreffen, die Gegenstand der eigenen Wahrnehmung des Angeklagten waren, beruhen diese auf dem Geständnis des Angeklagten. Dieser hat über mehrere Verhandlungstage ein außergewöhnlich umfassendes und detailliertes Geständnis abgelegt, das weit über den Sachverhalt betreffend die ursprünglich angeklagten Taten hinausging. Diese Einlassung hält die Kammer insgesamt sowohl bei den für den Angeklagten günstigen als auch den ihn belastenden Elementen für glaubhaft.

a.

Im Ermittlungsverfahren hatte sich der Angeklagte noch nicht zur Sache eingelassen, kündigte allerdings bereits kurz nach Erhebung der Anklage eine umfassende geständige Einlassung an, wobei er auch Angaben zu nicht angeklagten Taten auch zum Nachteil weiterer Kinder machen wollte. Am Vortag der Einlassung des Angeklagten in dem hiesigen Verfahren kam es noch zu einer Durchsuchung aufgrund von Angaben des Zeugen M1, bei der weitere Festplatten und Mobiltelefone des Angeklagten sichergestellt werden konnten, die jedoch passwortgesichert waren. Der Angeklagte machte sodann umfassende Angaben. Er machte in freier Rede, also ohne dass ihm zunächst Vorhalte aus Ermittlungsergebnissen gemacht wurden, derart ausführliche Angaben zunächst zu seinem Lebenslauf und allen relevanten Ereignissen seiner sexuellen Entwicklung, dass am ersten Tag seiner Einlassung noch nicht einmal alle zur Last gelegten Taten zum Gegenstand seiner Einlassung gemacht werden konnten. Er erläuterte dabei - sichtlich bemüht nichts auszulassen - insbesondere den gesamten Zeitraum seiner ersten Kontakte mit kinderpornographischem Material bis zum Beginn der Taten, die Gegenstand der Anklage waren. Diese Einlassung war zur Überzeugung der Kammer von Reue und auch Scham für das eigene Verhalten geprägt. Den Angeklagten hatte unter dem Eindruck der Haftzeit offensichtlich die Einsicht ereilt, dass er erhebliche Schuld auf sich geladen und Kindern erheblichen Schaden zugefügt hat. Er hatte sich auch bereits in der Haft über mögliche Therapien der von ihm bei sich erkannten Pädophilie erkundigt und zuvor über seinen Verteidiger die Tatbegehungen gegenüber seiner Familie eingestanden. Seine Geschwister und beide Elternteile, die auch von ihm erwarteten, dass er sich komplett offenbart, besuchten ihn in der JVA. Er räumte im Rahmen seiner Einlassung über die ursprüngliche Anklage hinaus auch schwere Straftaten - teils zum Nachteil weiterer Geschädigter - ein, für die es keinerlei Beweise gab und die ohne die Einlassung nie aufgedeckt worden wären. Soweit die Einlassung Taten zum Nachteil der familiären Geschädigten oder Taten zum Nachteil des Nachhilfeschülers F1 betraf, von denen er nach seinen Angaben zum Teil auf den zuletzt beschlagnahmten Datenträgern gespeicherte Fotos gefertigt hatte, bestand aufgrund der aufgefundenen Datenträger jedoch ein gewisser Ermittlungsdruck. Allerdings hat der Angeklagte die erforderlichen Passwörter auch bereitwillig zur Verfügung gestellt. Die Einlassung erfolgte derart umfangreich, dass ein weiterer Sitzungstag bis in den späteren Nachmittag hinein hierfür nahezu gänzlich Anspruch genommen werden musste. Dabei stand der Angeklagte nicht nur zu eigenen Beiträgen, sondern auch zu Tatbeiträgen aller anderen Beteiligten Rede und Antwort und war ersichtlich um Aufklärung bemüht. Soweit der Angeklagte Angaben zu anderen machte, geschah dies allerdings nicht, um diesen die Schuld zuzuweisen oder von eigenen Beiträgen abzulenken. Dies zeigt sich auch darin, dass er sich nicht selbst schonte und die Passwörter zu den bei ihm sichergestellten Datenträgern preisgab und zudem darauf hinwies, was auf welchem Datenträger seiner Erinnerung nach zu entdecken wäre. Soweit die Datenträger daraufhin ausgewertet wurden, bestätigten sich die Angaben des Angeklagten. Auch zwischen den Hauptverhandlungsterminen beschäftigte sich der Angeklagte intensiv mit den Taten und ergänzte oder korrigierte seine Einlassung, wenn ihm noch weitere Details einfielen. So nannte er am ersten Tag seiner Einlassung bereits einen längeren, den Vorwurf der Anklage übersteigenden, Tatzeitraum hinsichtlich der Begehung der Taten zum Nachteil der familiären Opfer, für den es keine Beweismittel gab, und ergänzte diesen Zeitraum am nächsten Hauptverhandlungstag um einige Monate - verbunden mit weiteren Taten. Die Änderung konnte er dabei konkret aufgrund der Erinnerung an ein von ihm benutztes Mobiltelefon - von dem er wusste, in welchem Zeitraum er dieses genutzt hatte - nachvollziehbar erläutern. Er räumte insofern ein, ab etwa Mitte 2018 seinen Halbbruder und seinen Neffen missbraucht zu haben, wobei Gegenstand der Nachtragsanklage nur die Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs geworden sind. Er äußerte zudem von sich aus den Wunsch, dass er für sämtliche Taten bestraft werden möchte. Ihm wurde erläutert, dass dieses nur im Rahmen einer Nachtragsanklage - abhängig von seiner Zustimmung - möglich wäre. Diese Zustimmung kündigte er unmittelbar an, was in der Folge zur Nachtragsanklage führte, deren Taten vom Tatablauf schwerwiegender als die der Ursprungsanklage sind.

b.

Die Angaben des Angeklagten wurden durch die durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt, soweit Beweismittel hierzu zur Verfügung standen. Das Geständnis hinsichtlich der Taten aus der Anklageschrift wird insofern gedeckt von den umfangreichen verlesenen Chatauszügen und zusammenfassenden Auswertungen betreffend die Einzelchats - zwischen L1 jeweils mit dem Angeklagten und den gesondert Verfolgten L1 ... (Chatname entfernt), S1 ...(Chatname entfernt), C1er... (Chatname entfernt), I1... (Chatname entfernt) und C2 ...(Chatname entfernt), - wie auch durch den Gruppenchat "..."(Name entfernt) und der Inaugenscheinnahme der auf eigenen Datenträgern des Angeklagten gespeicherten Lichtbilder wie auch der in den Chats versandten Lichtbilder, jeweils samt Verlesung der Daten der Bilder. Die Angaben des Angeklagten stehen, soweit sie Umstände betrafen, die Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugen bzw. deren Ermittlungen waren, ebenfalls in Einklang mit den Aussagen der Zeugen M1, P2, P1- insoweit alle zur Person des Angeklagten - sowie U2 und H3.

Es ist im Übrigen auch kein Grund ersichtlich, warum der Angeklagte sich - noch über die Ursprungsanklage hinaus - zu Unrecht falsch belastet haben sollte. Zudem wurden die Angaben des Angeklagten hinsichtlich der zeitlichen Einordnung und der geographischen Lage betreffend die Campingurlaube mit dem gesondert Verfolgten K1 durch den auszugsweise verlesenen Vermerk "T1See" von Kriminaloberkommissarin K5 vom 30.01.2021, aus welchem die exakten von der Campingplatzmitarbeiterin mitgeteilten Buchungsdaten des gesondert Verfolgten K1 hervorgehen, bestätigt. Dies zeigt, dass es sich bei der Einlassung und gerade auch den Angaben zu den Taten aus der Nachtragsanklage um zutreffende und zuverlässige Erinnerungen des Angeklagten handelt. Die in den verlesenen Vermerken aufgeführten Erkenntnisse, wann und für wieviel Personen K1 einen Stellplatz anmietete waren nur möglich, weil der Angeklagte, dem der konkrete Name des Ortes und Zeltplatzes nicht einfiel, konkret die Lage des Platzes und die Anfahrt dorthin beschrieben hatte.

Überdies bestehen auch keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit hinsichtlich der Angaben des Angeklagten zu den weiteren geschädigten Kindern. Zweifel bestehen zunächst schon deswegen nicht, weil sich der Angeklagte hiermit ohne Motiv für eine Falschbelastung erheblich selbst belastet. Darüber hinaus hat der Zeuge KHK H3 berichtet, dass das geschädigte Kind F1 selbst im Rahmen seiner Anhörungen zwar keine Taten bzw. gemeinsame Handlungen geschildert habe, allerdings Lichtbilder sexuelle Handlungen zwischen dem Angeklagten und dem Kind belegen würden. Ein penetrantes Kontaktverhalten des Kindes F1 gegenüber dem Angeklagten hat außerdem der Zeuge P2 geschildert. Dieser bekundete, dass er sich gewundert habe, dass der Angeklagte so häufig von seinem Nachhilfeschüler angerufen worden sei, was der Angeklagte dem Zeugen damit erklärt habe, dass der Nachhilfeschüler sehr wenige Freunde gehabt habe. Die Zeugin P1 berichtete ebenfalls von einer häufigen Kontaktaufnahme durch F1.

c.

Auch zu den für ihn günstigen Angaben folgt die Kammer der glaubhaften Einlassung des Angeklagten. Die Angaben haben sich, soweit eine Überprüfung möglich war, als zutreffend bestätigt.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Die von dem Angeklagten angegebenen Konflikte während der Untersuchungshaft hat dieser glaubhaft geschildert. Die Angaben waren detailliert und plausibel und stehen mit dem Umstand in Einklang, dass es tatsächlich zu seiner Verlegung gekommen ist.

Dass der Angeklagte in dem gegen die gesondert Verfolgten L1, K1 u.a. gerichteten Verfahren eine umfassende und für ihn emotionale Zeugenaussage samt anschließenden Appell getätigt hat, ergibt sich ebenfalls aus der glaubhaften Angabe des Angeklagten, der die hierzu durch den Verteidiger und den Vertreter der Staatsanwaltschaft gemachten Angaben als zutreffend bestätigte.

Auch seine ohnehin glaubhafte Schilderung, dass er bereits während der Untersuchungshaft und vor Beginn der Hauptverhandlung den ernsthaften Wunsch hatte, eine Therapie durchführen zu wollen, wurde durch den Inhalt der verlesenen an seine Mutter gerichteten Haftpost bestätigt.

2.

Soweit die Feststellungen Umstände betreffen, die nicht Gegenstand der eigenen Wahrnehmung des Angeklagten waren, beruhen diese im Wesentlichen auf verlesenen Chatauszügen sowie auf den Aussagen der Zeugen H3 und U2.

a.

Dass der Nebenkläger [...] von dem gesondert Verfolgten L1 missbraucht wird, ergibt sich aus dem verlesenen Chat zwischen "(...Chatname entfernt)" - des gesondert Verfolgten C2 - und L1, der dieses auf entsprechende Nachfrage von C2 diesem im Chat mitteilte. Dass der Nebenkläger Opfer vieler verschiedener Täter geworden ist, ergibt sich nicht nur aus den Angaben des Angeklagten, sondern ebenfalls aus den umfangreichen Chats, in denen sämtliche Teilnehmer eigene Handlungen an dem Nebenkläger schilderten.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

b.

Die festgestellten Folgen bei dem Nebenkläger ergeben sich aus den Aussagen der Zeugin U2, die über das Jugendamt B1 die Amtsvormundschaft für den Nebenkläger ausübt und ihre Wahrnehmung zur Person des Nebenklägers den Feststellungen entsprechend geschildert hat. Besondere auf die Taten des Angeklagten zurückgehende Folgen bei den übrigen Geschädigten konnte die Kammer mangels vorhandener Beweismittel nicht feststellen. In Betracht kommende Zeugen haben insofern von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

3.

Die Tat zu Ziff. 4a betreffend konnte die Kammer im Übrigen nicht feststellen, dass der Angeklagte ergänzend zu der festgestellten Handlung - [...] - nachfolgend oder in zeitlichem Zusammenhang mit der angeklagten und festgestellten Handlung den Oralverkehr durchgeführt hat. Denn der Angeklagte hat zunächst bestätigt, dass er das gesamte Wochenende - damit auch den Freitag - in F2 verbracht hat.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

4.

Dass bei dem Angeklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung keine Beeinträchtigung der Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit vorlag, hat die Kammer auf der Grundlage des Gutachtens der Sachverständigen S3 aus B1, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunktsetzung Forensische Psychiatrie, Fachärztin für Allgemeinmedizin u.a. mit Zusatz-Weiterbildung in suchtmedizinischer Grundversorgung, festgestellt. Die Sachverständige hat das Gutachten auf Grundlage der Ermittlungsakte, der Gesundheitsakte der JVA, zweier psychiatrischer Untersuchungen des Angeklagten in der JVA von insgesamt über acht Stunden sowie aufgrund ihrer in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse erstattet. Im Ergebnis hat die Sachverständige ausgeführt, dass keines der Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB gegeben seien.

a.

Eine krankhafte seelische Störung liegt der Sachverständigen zufolge nicht vor. Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung hätten sich nicht ergeben. Es ergäben sich keine Hinweise auf eine schizophrene Psychose, eine affektiv psychotische oder eine hirnorganische Erkrankung. Zwar ergäben sich mitunter Anhaltspunkte für depressive Stimmungsschwankungen des Angeklagten insofern, als dass der Zeuge M1 von einer gewissen "Schwermut" des Angeklagten gesprochen habe. Die Kriterien für eine schwere depressive Erkrankung seien aber nicht erfüllt.

Eine krankhafte seelische Störung ergebe sich auch nicht aus einem etwaigen höhergradigen Rauschzustand. Im Zeitraum zwischen Spätsommer 2019 bis etwa Juni 2020 habe der Angeklagte zwar einen Missbrauch multipler psychotroper Substanzen i.S.d. ICD-10 F19.1 betrieben. Der Angeklagte habe aber selbst angegeben, bei den Tatbegehungen nicht unter Drogeneinfluss gestanden zu haben. Dafür würden, so die Sachverständige, auch keine Hinweise vorliegen. Der Angeklagte habe die Gelegenheiten zur Begehung der Taten jeweils planvoll hergestellt, umsichtig agiert und auf das Einverständnis der Kinder geachtet.

b.

Anhaltspunkte für das Vorliegen des Eingangsmerkmals der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung bestünden, so die Sachverständige, ebenfalls nicht.

c.

Auch das Intelligenzniveau des Angeklagten, liege, so die Sachverständige, nach klinischer Schätzung in der oberen Hälfte des Normalbereichs, weswegen das Merkmal des Schwachsinns ebenfalls nicht erfüllt sei.

d.Auch eine andere schwere seelische Störung liegt der Sachverständigen zufolge nicht vor. Eine Suchterkrankung mit schwerer Deformierung des Persönlichkeitsgefüges sei nicht festzustellen. Abhängigkeitskriterien wie etwa eine verminderte Kontrollfähigkeit oder ein körperliches Entzugssyndrom oder die Vernachlässigung von anderen Interessen hätten nicht bestanden. Im März 2020 - zu einer Zeit des höhergradigen Drogenkonsums - habe der Angeklagte sogar im Studium noch eine Klausur bestanden.

Eine andere schwere seelische Störung ist der Sachverständigen zufolge auch nicht durch eine dependente Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten gegeben. Eine solche liege zwar vor. Der Angeklagte habe Ängste gehabt, verlassen zu werden, Schwierigkeiten gehabt, eigene Entscheidungen zu treffen und sei nachgiebig gegenüber Wünschen anderer. Es sei sein Wunsch gewesen, mit anderen "mithalten" können. Die gesondert Verfolgten K1 und L1 hätten auf aufgrund dessen leicht Einfluss nehmen können. Die dependente Persönlichkeitsstruktur würde, so die Sachverständige, ihrer Schwere nach jedoch keine schwerwiegende Abnormalität im Sinne einer klinisch wie forensisch relevanten Persönlichkeitsstörung darstellen.

Eine andere schwere seelische Störung ergibt sich nach der Sachverständigen auch nicht in Zusammenhang mit einer etwaigen dranghaften Auslebung einer bei dem Angeklagten bestehenden Pädophilie.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

e.

Die Kammer hat sich diesen plausiblen und durchweg nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen zur Frage der etwaigen Beeinträchtigung der Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit nach eigener Prüfung angeschlossen. Die Diagnose einer Pädophilie ist für die Kammer fundiert und nachvollziehbar. Auch für die Kammer erscheint die Durchführung der Taten geplant. Die Taten sind auch nach der Schilderung des Angeklagten nicht Ausdruck eines Kontrollverlustes. Die insoweit der Einschätzung der Sachverständigen zugrunde gelegten Tatsachen wurden insbesondere durch die Einlassung des Angeklagten und die Chatverläufe bestätigt.

5.

Hinsichtlich der Feststellungen zur sexuellen Präferenz des Angeklagten konnte die Kammer entgegen der Einschätzung der Sachverständigen allerdings nicht sicher feststellen, dass die Pädophilie des Angeklagten eine derartige sexuelle Hauptströmung darstellt, dass er andere sexuelle und partnerschaftliche Beziehungen mit Erwachsenen nicht als erfüllend empfinden könnte.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Auch spreche für eine pädophile Hauptströmung mit fehlender Möglichkeit anderer erfüllender sexueller und partnerschaftlicher Beziehungen mit Erwachsenen, dass der Angeklagte als nicht dissoziale Person mit guten Kontaktfähigkeiten in Kenntnis des Verfolgungsrisikos pädosexuelle Straftaten begangen habe, anstatt für ihn vermeintlich gleichwertige Befriedigung durch sexuellen Kontakt mit erwachsenen Männern zu erlangen.

Die Kammer kann nicht ausschließen, dass bei dem Angeklagten die von der Sachverständigen angenommene Hauptströmung vorliegt. Sie kann eine solche allerdings auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Die Kammer konnte nur sicher feststellen, dass die Pädophilie eine erhebliche Strömung darstellt.

Insoweit die Sachverständige die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten hinsichtlich der Einschätzung der eigenen sexuellen Präferenz in Zweifel zieht, indem sie zunächst etwaig divergierende Angaben des Angeklagten moniert, erscheint dieses der Kammer bei einem Unterschied von etwa einem Jahr (pädophile Neigungen ab Anfang 20 oder ab 23/24 Jahren) mit Ungenauigkeiten in der Erinnerung oder aber einem unterschiedlichen Verständnis der Zeitangabe "Anfang 20" zu erklären zu sein. Abweichende Angaben in der Chatgruppe "...(Chatname entfernt)" sind für die Kammer außerdem im Kontext des beabsichtigten Vertrauensaufbaus und einer beabsichtigten Profilierung in der Gruppe von Gleichgesinnten erklärbar. Insoweit ist anzumerken, dass die dortigen Ausführungen teilweise nicht ernst gemeint getätigt wurden, wie etwa die vermeintlich beabsichtigte Gründung einer offiziellen Agentur für "Boylover", worüber sich die Teilnehmer des verlesenen Chats "...(Chatname entfernt)" in diesem austauschten. Soweit die Sachverständige anführt, dass der Angeklagte bei der Frage nach ersten sexuellen Handlungen an einem Kind lange überlegt habe, spricht dies nicht dafür, dass der Angeklagte sich zunächst eine weniger belastende Einlassung überlegen musste. Der Angeklagte war während seiner gesamten Einlassung in der Hauptverhandlung um genaue Angaben bemüht und hat insofern an vielen Stellen Denkpausen eingelegt. Die Kammer hält den Angeklagten überdies ebenso wie die Sachverständige für intelligent, kann in diesem Zusammenhang aber nicht den Schluss ziehen, dass der Angeklagte bezogen auf seine sexuelle Präferenz bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Dies erscheint schon deswegen nicht plausibel, weil der Angeklagte im Übrigen derart weitreichende Angaben zu niemals anderweitig aufzuklärenden Taten gemacht hat. Hätte der Angeklagte eine bestehende ausschließliche Fixierung auf Kinder verbergen wollen, hätte er nicht derart belastende Angaben zu den Taten zum Nachteil von K2, dem Nachhilfeschüler F1 und dem Kind S2 aus K4 gemacht, für die es keinerlei Anhaltspunkte gab und auch erwartbar in Zukunft nicht gegeben hätte. Für die bezüglich der Taten zum Nachteil des Nachhilfeschülers einzigen objektiven Anhaltspunkte - die auf der Festplatte des Angeklagten befindlichen Fotos - hat der Angeklagte zudem noch das erforderliche Passwort mitgeteilt. Im Explorationsgespräch getätigte spärliche Angaben zu seinen sexuellen Fantasien sind für die Kammer nicht ausschließbar erklärbar durch die für den Angeklagten ungewohnte Situation, zum ersten Mal überhaupt offen über seine Sexualität zu reden.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

In einer Gesamtschau dieser Umstände konnte die Kammer die sichere Feststellung einer pädophilen Hauptströmung mit fehlender Möglichkeit anderer erfüllender sexueller und partnerschaftlicher Beziehungen mit Erwachsenen nicht treffen.

IV.

Der Angeklagte hat sich wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 Abs. 1, 176a StGB Abs. 2 Nr. 1 in 13 Fällen (Taten 2 ac; 3ac, p, q; 4cg), davon in einem Fall (Tat 4e) tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB, in 5 weiteren Fällen (Taten 3ac, p, q) in Tateinheit mit Vergewaltigung nach § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 StGB, von diesen 5 Fällen wiederum in 2 Fällen (Taten 3p, q) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB, und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 8 Fällen (Taten 3d, i, j, l, m, o; 4a, b) nach § 176 Abs. 1 StGB, davon in 6 Fällen (Taten 3d, i, j, l, m, o) in Tateinheit mit der Herstellung kinderpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB, davon wiederum in 2 Fällen (Taten 3d, j) in Tateinheit mit sexuellem Übergriff nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB, und der Herstellung kinderpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in 7 Fällen (Taten 3eh, k, n, r) strafbar gemacht. Die einzelnen Fälle stehen zueinander in Tatmehrheit, § 53 StGB.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Hinsichtlich der Tat zu Ziff. 4b handelte es sich - dem erteilten tatsächlichen Hinweis der Kammer entsprechend - um die unter Ziff. 13 der Anklageschrift vom 07.10.2020 konkretisierte Tat. Das Tatbild wird in der Anklageschrift insoweit charakterisiert, als dass die Tat u.a. während eines gleichzeitigen Aufenthaltes des K1 in einem Ferienhaus im Sauerland begangen worden sein soll. Während des in der Anklageschrift als mutmaßlich bezeichneten Zeitraums zwischen dem 22.11.2019 und dem 24.11.2019 hielt sich K1 hingegen nicht mit dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten L1 in einem Ferienhaus [...] auf - der gesondert Verfolgte L1 und der gesondert Verfolgte K1 waren sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich miteinander bekannt. In dem in der Anklageschrift vom 07.10.2020 als mutmaßlich benannten Zeitraum 22.11.2019 bis zum 24.11.2019 beging der Angeklagte die nach seiner Einlassung entsprechend Ziff. 10 der Nachtragsanklageschrift vom 17.02.2021 konkretisierte Tat - Ziff. 4a der Feststellungen.

Bei den Taten 4d, e liegt keine Vergewaltigung gem. § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 StGB vor,

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

V.

1.

Im Rahmen der vorzunehmenden Strafzumessung hatte die Kammer für den Angeklagten anhand des jeweils zugrunde zu legenden Strafrahmens unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 46 StGB die konkrete Strafe zu bestimmen.

a.

Hierbei hat die Kammer zunächst bezogen auf die Fälle des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs geprüft, ob ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4 StGB vorliegt und bezogen auf die Fälle der Vergewaltigung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB entfällt und bezogen auf die Fälle des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB ein minder schwerer Fall nach § 177 Abs. 9 StGB vorliegt.

Dies hat die Kammer nach Würdigung aller Umstände der Taten und der Täterpersönlichkeit, einschließlich der den Taten vor- bzw. nachgelagerten, und auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des gesetzlichen Milderungsgrundes gem. § 46b StGB verneint.

aa.

Betreffend die Taten zum Nachteil des Geschädigten K2 und betreffend die Taten zum Nachteil des Nebenklägers, soweit sie Gegenstand der Nachtragsanklage waren - die festgestellten Taten zu Ziff. 2ac; 4a, dg - liegen die Voraussetzungen des im Ermessen des Gerichts liegenden Milderungsgrundes des § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB vor. Der Angeklagte hat durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen, dass andere Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und/oder die Beteiligung an solchen Taten aufgedeckt werden konnten. Der Angeklagte hat andere Täter entsprechend der jeweiligen Feststellungen zu den Taten zu Ziff. 2ac; 4a, dg - und damit in der Weise belastet, dass seine Angaben potentiell für die richterliche Überzeugungsbildung in einem/dem gegen die gesondert Verfolgten gerichteten Verfahren von Relevanz - teilweise erheblicher Relevanz - sind. Eine Aufklärung fand hinsichtlich der Taten zum Nachteil des Nebenklägers insofern statt, als dass der Angeklagte nicht nur in konkreterer Art und Weise als bisher bekannt den gesondert Verfolgten L1 belastet hat, sondern auch die gesondert Verfolgte H1, die demnach insgesamt von Taten L1s zum Nachteil ihres Sohnes gewusst haben soll. U.a. aufgrund seiner Angaben erfolgte, nach seiner Einlassung hierzu im hiesigen Verfahren, an dem Tag nach seiner Aussage in dem Verfahren gegen L1 und andere, der Erlass eines Untersuchungshaftbefehls gegen die gesondert Verfolgte H1 und deren Festnahme, was der Zeuge H3 bestätigt hat. Der Zeuge hat auch bestätigt, dass die Anwesenheit D1s an dem Wochenende der Tat zu Ziff. 4a und auch konkrete Handlungen K1s an dem Wochenende der Tat zu Ziff. 4b nicht bekannt waren. Die Aufklärungshilfe war auch für alle Taten zu Ziff. 4df - Tatbegehung in G1 - anzunehmen, weil nicht festzustellen war, welche der Tathandlungen bereits Gegenstand der Anklage war und welche erst durch die Nachtragsanklage erfasst worden sind. Vor Einbeziehung der Nachtragsanklage war nur eine dieser Taten - Ziff. 16 der Anklage vom 07.10.2020 - angeklagt. Erst durch die Einlassung des Angeklagten konnte im Rahmen der Nachtragsanklage eine weitere Konkretisierung der Taten erfolgen. Im Zusammenhang mit den Taten zum Nachteil des Geschädigten K2 belastete der Angeklagte konkret dessen Vater, den gesondert verfolgten K1. Sämtliche genannte Taten stehen auch in Zusammenhang mit den Taten des Angeklagten zum Nachteil des Geschädigten K1 bzw. zum Nachteil des Nebenklägers. Der Beitrag des Angeklagten zur Aufklärung erstreckte sich auch über den eigenen Beitrag hinaus. Zudem war die Anwendung des fakultativen Milderungsgrundes insoweit nicht nach § 46b Abs. 3 StGB ausgeschlossen, weil sich die Aufklärungshilfe nur auf solche Taten bezieht, die Gegenstand der Nachtragsanklage waren. Diese beruhte erst auf der umfassenden Einlassung des Angeklagten. Den die Nachtragsanklage betreffenden Einbeziehungsbeschluss, der dem Eröffnungsbeschluss entspricht, erließ die Kammer erst nach der umfassenden Offenbarung durch den Angeklagten. Nach einer Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten - wie nachfolgend erläutert - sprechenden Gesichtspunkte, hat die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie den Milderungsgrund der Aufklärungshilfe angewandt hat.

bb.

Hinsichtlich aller Taten hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten folgende Umstände berücksichtigt:

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und hat bisher ein geregeltes Leben in gesicherten Verhältnissen geführt. Er hat ein außerordentlich umfassendes und aufrichtiges Geständnis abgelegt, wenn auch in Bezug auf die Taten aus der Ursprungsanklage eine erheblich belastende Beweislage bestand. Dennoch erkennt die Kammer in dem Geständnis eine umfassende Auseinandersetzung mit seiner bisherigen delinquenten Vergangenheit mit erheblichen Belastungen seiner selbst und weiterer Beteiligter, bei der er eine Vielzahl schwerer Taten offenbart hat, die voraussichtlich niemals hätten ermittelt werden können. Er hat notwendige Passwörter für eigene Datenträger herausgegeben. Insoweit hat die Kammer die Aufklärungshilfe des Angeklagten auch bei den Taten, bei denen die Voraussetzungen des vertypten Milderungsgrundes nicht vorlagen mildernd, berücksichtigt. Das Geständnis des Angeklagten war von Reue getragen, was sich auch durch die umfassende belastende Zeugenaussage im Verfahren gegen die gesondert verfolgten L1, K1, S1 u.a. sowie den anschließenden emotionalen Appell zum Geständnis bestätigte. Die Reue wird auch dadurch belegt, dass er erklärte, sich auch zukünftig verantwortlich zu fühlen und Hilfe anzubieten, wenn Probleme bei den Kindern bestehen, wenngleich die Kammer dies zumindest in Bezug auf die nicht familiären Opfern als unrealistisch bewertet, da wohl kein Kontakt möglich sein wird. Er ist zudem zur Durchführung einer Therapie bereit. Die Kammer wertete weiter zugunsten des Angeklagten, dass mit zunehmender Zeitdauer der Tatbegehungen die Hemmschwelle weiter herabgesetzt war, wobei dies nicht bei der ersten Tat und nur reduziert der Fall war, wenn er jeweils erstmals zum Nachteil eines neuen Opfers handelte.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Außerdem sprach zu seinen Gunsten, dass die erlittene Untersuchungshaft ihn außergewöhnlich belastet hat. Dies ist einerseits auf die pandemiebedingten Einschränkungen wie verringerte Besuchsmöglichkeiten zurückzuführen. Andererseits war er als pädophiler Sexualstraftäter Übergriffen von Mithäftlingen ausgesetzt, konnte nicht an Freizeitaktivitäten teilnehmen und bekam teilweise weniger Essen. Auch nach Verlegung in die JVA ...konnte dort kein ausreichender Schutz gewährleistet werden - vielmehr wurden auch dort unmittelbar nach seiner Verlegung die Strafvorwürfe bekannt. Dies stellt einen unhaltbaren Zustand dar, da jeder Mensch, der in der - gerade zwangsweisen - Obhut des Staates ist, geschützt werden muss. Für den Angeklagten sprach ferner, dass er den Geschädigten aufgrund seines Geständnisses eine Aussage und damit eine erneute Konfrontation mit den Taten erspart hat. Außerdem sorgte der Angeklagte durch die Zustimmung zur Einbeziehung der Nachtragsanklage für ein prozessökonomisches Verfahren. Letztlich wertet die Kammer die zumindest zum Ende der Tatzeit zunehmend bestehende schwierige persönliche Situation des Angeklagten zu seinen Gunsten.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Bei den Taten zum Nachteil des Nebenklägers und hinsichtlich der Taten zum Nachteil des Geschädigten K2 war zudem mildernd zu berücksichtigen,

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Die Taten zum Nachteil des Geschädigten K2 betreffend war außerdem zugunsten des Angeklagten zu werten, dass die Taten ohne dessen Einlassung voraussichtlich nie bekannt geworden wären.

Bei den Taten zum Nachteil der familiären Geschädigten sprach für den Angeklagten, dass die aus der Nachtragsanklage stammenden Taten - teilweise schwerste Taten unter Gabe von GBL - vor seiner Einlassung völlig unbekannt waren.

cc.

Generell gegen den Angeklagten sprach allerdings, dass er die Taten zulasten mehrerer Kinder und über einen längeren Tatzeitraum begangen hat. Der Angeklagte hat einen Teil der Tatfolgen für den Nebenkläger und den Geschädigten K2 mitverursacht. Die Kammer konnte allerdings keine Feststellungen dahingehend treffen, dass auf den Angeklagten zurückzuführende Tatfolgen über das hinausgehen, was aufgrund des jeweiligen Strafrahmens an Gefährdungen der Entwicklung zu erwarten ist.

Die Taten zum Nachteil des Geschädigten K2 betreffend sprach das sehr junge Alter des Geschädigten gegen den Angeklagten.

Bei den Taten zum Nachteil des V1 sprach die - aus der heimlichen Gabe von GBL resultierende - kriminelle Energie gegen den Angeklagten. Außerdem war bei den Taten hinsichtlich der familiären Geschädigten zulasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er seine in der Familie bestehende Vertrauensstellung missbraucht hat.

Jeweils tatbezogen hat die Kammer es zudem erschwerend berücksichtigt, wenn der Angeklagte tateinheitlich mehrere Tatbestände verwirklicht hat.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

dd.

Trotz der erheblichen für den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer nach einer Gesamtschau aller für und gegen ihn sprechenden Umstände bei keiner der Taten einen minder schweren Fall bzw. das Entfallen der Indizwirkung des Regelbeispiels angenommen. Dies gilt weder ohne noch unter zusätzlicher Berücksichtigung des Vorliegens des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB. Alle Taten erscheinen bei einer Gesamtbetrachtung als typische - von der Vorstellung des Gesetzgebers umfasste - Fälle. Auch durch das umfassende Geständnis und die Aufklärung von vielen ansonsten mutmaßlich niemals zu entdeckenden Taten erfahren sämtliche Fälle kein derart anderes Gepräge, dass dieses jeweils die Anwendung des jeweils milderen Strafrahmens rechtfertigen würde.

b.

Die Kammer hat jedoch den Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB hinsichtlich der festgestellten Taten zu Ziff. 2 bc; 4a, dg bzw. den Rahmen des § 176 Abs. 1 StGB hinsichtlich der Tat zu Ziff. 2a gemäß §§ 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB - unter Annahme des im Ermessen stehenden Milderungsgrundes der Aufklärungshilfe wie erläutert - gemildert. Hinsichtlich der übrigen Taten verblieb es bei dem Regelstrafrahmen.

c.

Die Kammer hat für jeden Fall sodann eine Einzelstrafe gebildet und dabei nochmals für jeden Fall einzeln die oben genannten allgemeinen und sich auf den jeweiligen einzelnen Fall ergebenden Umstände gegeneinander abgewogen. Dabei hat die Kammer die konkrete Handlung dem Schweregrad entsprechend gewichtet. Im Ergebnis dieser Abwägung und unter jeweiliger Berücksichtigung des konkreten Tatgeschehens hat die Kammer auf folgende Einzelstrafen erkannt:

Tat 2a: 3 Jahre und 6 Monate

Tat 2b: 4 Jahre und 9 Monate

Tat 2c: 4 Jahre und 6 Monate

Tat 3a: 3 Jahre

Tat 3b: 3 Jahre

Tat 3c: 3 Jahre

Tat 3d: 2 Jahre

Tat 3e 10 Monate

Tat 3f: 11 Monate

Tat 3g: 10 Monate

Tat 3h: 11 Monate

Tat 3i: 2 Jahre

Tat 3j: 2 Jahre und 2 Monate

Tat 3k: 10 Monate

Tat 3l: 2 Jahre

Tat 3m: 1 Jahr und 6 Monate

Tat 3n: 10 Monate

Tat 3o: 1 Jahr und 6 Monate

Tat 3p: 5 Jahre

Tat 3q: 5 Jahre

Tat 3r: 10 Monate

Tat 4a: 2 Jahre und 3 Monate

Tat 4b: 2 Jahre

Tat 4c: 4 Jahre

Tat 4d: 4 Jahre und 6 Monate

Tat 4e: 5 Jahre

Tat 4f: 4 Jahre

Tat 4g: 4 Jahre

d.

Zur Bildung der Gesamtstrafe hat die Kammer erneut alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gegeneinander abgewogen und hierbei insbesondere die Anzahl der Taten sowie den Zeitraum, den sie umfassten - aber auch nochmals den Umstand, dass die Hemmschwelle zur Tatbegehung bei zunehmender Dauer des Tatzeitraums sinkt - berücksichtigt. Zudem hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten auch bedacht, dass auf den noch recht jungen Angeklagten erstmals durch eine Freiheitsstrafe eingewirkt wird, die in Bezug auf sein Lebensalter erhebliches Gewicht hat. Im Ergebnis dieser Abwägung hat die Kammer unter Erhöhung der sich aus den Taten zu Ziff. 3p, q; 4e ergebenden Einsatzstrafe von 5 Jahren auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von

9 Jahren

als tat- und schuldangemessen erkannt.

2.

Die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB liegen nicht vor. Die Sachverständige S3 hat hierzu ausgeführt, dass sich der Konsum des Angeklagten von Alkohol und Drogen in den Jahren 2019 und 2020 zwar gesteigert habe und dies als Neigung zum Rauschmittelmissbrauch einzuordnen sei. Die verbleibende Fähigkeit des Angeklagten zur Kontrolle des Konsums spreche allerdings gegen das Vorliegen eines Hangs. Gegen einen Hang spreche außerdem die Tatsache, dass der Angeklagte während der regelmäßigen Wochenendbesuche bei seiner Familie den Konsum fast vollständig eingestellt habe und zu diesen Zeitpunkten keine Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten von Familienmitgliedern bemerkt worden seien. Selbst bei Annahme eines Hangs ließe sich, so die Sachverständige, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem solchen und der Begehung der gegenständlichen Straftaten nicht feststellen. Es gebe keine Hinweise dafür, dass der Drogenkonsum vom Angeklagten zur Steigerung der sexuellen Erlebnisfähigkeit eingesetzt worden sei. Anhaltspunkte für die Begehung einer der Taten in einem höhergradigen Berauschungszustand bestünden nicht. Die Kammer schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen, die auch in Übereinstimmung mit den Angaben des Angeklagten stehen, nach eigener Prüfung an.

3.

Eine Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 bzw. § 66 Abs. 3 S. 2 StGB oder deren Vorbehalt nach § 66a Abs. 1, Abs. 2 StGB hat die Kammer nicht angeordnet.

Zwar lagen die formellen Voraussetzungen der nicht gebundenen, sondern im Ermessen des Gerichts liegenden Anordnung vor; nicht hingegen deren materiellen Voraussetzungen.

a.

Die formellen Voraussetzungen der Anordnung bei Erstverurteilung, § 66 Abs. 2 StGB, sind erfüllt, weil der Angeklagte nach den Feststellungen mindestens drei Katalogtaten nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB begangen hat, durch die er jeweils mindestens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verwirkt hat und wegen welcher er - wegen einer oder mehrerer dieser Taten - zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist.

Auch die formellen Voraussetzungen der Anordnung bei Erstverurteilung wegen einer besonderen Anlasstat, § 66 Abs. 3 S. 2 StGB, sind erfüllt, weil der Angeklagte mindestens zwei Katalogtaten nach § 66 Abs. 3 S. 1 begangen hat, durch die er jeweils mindestens eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verwirkt hat und wegen welcher er - wegen einer oder mehrerer dieser Taten - zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist.

Das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Anordnung wegen einer besonderen Anlasstat schließt das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Vorbehaltsanordnung nach § 66a Abs. 1 StGB mit ein. Darüber hinaus sind die formellen Voraussetzungen des § 66a Abs. 2 StGB erfüllt, weil der Angeklagte wegen eines Verbrechens gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt worden ist.

b.

Die materiellen Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung bzw. deren Vorbehalt liegen nicht vor. Dieses wäre nur der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Urteilsfällung hinreichend sicher (§ 66 StGB) bzw. wahrscheinlich (§ 66a StGB) ist, dass der Angeklagte infolge eines Hangs zu erheblichen Straften für die Allgemeinheit gefährlich ist, § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB.

Sowohl der Rechtsbegriff des Hangs als auch das streng von diesem zu trennende Merkmal der Allgemeingefährlichkeit sind im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung restriktiv auszulegen. Die Sicherungsverwahrung stellt die einschneidendste Maßregel des Strafrechts dar. Sie sieht eine unbefristete Freiheitsentziehung für nicht begangene, sondern nur erwartete, Straftaten vor. Ihr Zweck liegt allein in der zukünftigen Sicherung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder vor einzelnen, aufgrund ihres bisherigen Verhaltens als hochgefährlich eingeschätzten Tätern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2012 - 2 BvR 1048/11 - BVerfGE 131, 268 - 316). Die Sicherungsverwahrung darf nur als letztes Mittel angeordnet werden, wenn andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2011 - 2 BvR 2365/09 - BVerfGE 128, 326 - 409).

In Bezug auf die Gesamtbetrachtung zur Bewertung der Persönlichkeit des Angeklagten und die etwaige Gefahr infolge eines Hangs war die Kammer ebenfalls beraten durch die Sachverständige S3, deren Erfahrung sich aus der therapeutischen Arbeit mit pädophilen Menschen stützt und welche in diesem Kontext etwa zehn Prognosegutachten und - in Form des hier gegenständlichen Gutachtens - ein Anlassgutachten erstellt hat.

aa.

Einen Hang konnte die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit (§ 66 StGB) bzw. Wahrscheinlichkeit (§ 66a StGB) feststellen. Ein Hang im Sinne der Bestimmungen ist ein eingeschliffener innerer Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (vgl. nur BGH, Urteil vom 09.05.2019 - 4 StR 578/18 -, juris, m.w.N.). Bei dem allein aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung wertend festzustellenden Zustand des Hangs handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der als solcher dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 25.05.2011 - 4 StR 87/11 -, juris). Zur tragfähigen Feststellung eines Hangs bedarf es einer umfassenden Abwägung aller für und gegen die Annahme eines Hangs sprechenden zur Beurteilung der Persönlichkeit relevanten Umstände. Dabei sind in die Gesamtbetrachtung die etwaig für einen Hang sprechende bisherige kriminelle Karriere, die Symptom- und Anlasstaten heranzuziehen. Indiziell für das Vorliegen eines Hangs sprechen beispielsweise eine hohe Anzahl an Vorstrafen und Vortaten, deren Einschlägigkeit, lange Vorverbüßungszeiten, Bewährungsbrüche, eine geringe Frustrationstoleranz, ein durchgängiges kriminelles Verhaltensmuster, eine hohe Rückfallfrequenz, ein schneller zur Anlasstat führender Rückfall, eine sich steigernde Schwere der Straftaten sowie ein hoher Spezialisierungsgrad (Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl. 2019, StGB § 66 Rn. 30; vgl. BGH, Beschluss vom 19.07.2017 - 4 StR 245/17 -, juris). Stellt man auf die Sozialbiographie des Täters ab, so gelten als relevante Faktoren für das Vorliegen eines Hangs gemeinhin ein problematisches Schul-, Arbeits- oder Sozialverhalten, Frühkriminalität des Täters, ein schlechtes Elternhaus sowie eine defizitäre Erziehung (Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl. 2019 Rn. 29, StGB § 66 Rn. 29). Bei der Gesamtbetrachtung darf berücksichtigt werden, dass der Angeklagte in der Lage war, sich über einen längeren Zeitraum straffrei zu führen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2011 - 1 StR 645/10 -, juris). Hinsichtlich der Vorbehaltsanordnung ist keine hinreichende Sicherheit, sondern ein wahrscheinliches Vorliegen eines Hangs erforderlich (vgl. Fischer, 68. Aufl. 2021, § 66a Rn. 6 m.w.N.)

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe konnte die Kammer nicht hinreichend sicher (§ 66 StGB) bzw. mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit (§ 66a StGB) feststellen, dass bei dem Angeklagten ein Hang besteht. Der Angeklagte hat neben Betäubungsmitteldelikten ausschließlich im pädosexuellen Bereich Straftaten begangen. Nur im letztgenannten Bereich könnte ein Hang i.S.d. Sicherungsverwahrung zu sehen sein, wobei die hier gegenständlichen Taten insoweit zweifelsohne erheblich i.S.d. § 66 StGB sind. Es ergeben sich zwar erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zeitweise zur Begehung von pädosexuellen Straftaten entschlossen war, denn er hat den Feststellungen entsprechend Taten zulasten von sechs Kindern begangen. Dabei liegen gerade in Bezug auf die Taten zum Nachteil der nicht familiären Geschädigten deutliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte die Taten aus innerer Haltlosigkeit und Ausnutzung der Gelegenheiten - nachdem die Kinder angeboten wurden - begangen hat. Dass ein solcher Zustand eingeschliffen im Sinne der Vorschrift - nicht mit milderen Maßnahmen korrigierbar - ist, konnte die Kammer jedoch nicht - auch nicht i.S.e. erforderlichen Wahrscheinlichkeit im Rahmen des Vorbehaltes der Sicherungsverwahrung - feststellen.

Die Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte für eine psychiatrische Störung oder für psychopathische Persönlichkeitszüge des Angeklagten bestünden. Außerdem liege keine dissoziale Entwicklung des Angeklagten vor. Die Sachverständige fasst seine Lebensführung als generell nicht unverbunden oder augenblicksgebunden zusammen. Das Vorliegen der Pädophilie des Angeklagten habe eine zentrale Bedeutung für die im Rahmen der etwaigen Feststellung des Hangs vorzunehmende Gesamtbewertung der Persönlichkeit des Angeklagten. Der Sachverständigen zufolge weisen der Konsum von Kinderpornographie und die Anzahl der Übergriffe auf ein hohes Ausmaß der pädosexuellen Interessen und eine feste Verankerung dieser Interessen in der Persönlichkeit des Angeklagten hin. Dabei sei der Zeitraum der Tatbegehungen von etwa drei Jahren und die Steigerung der Taten - in ihrer Frequenz und durch die Verabreichung von GBL - zu berücksichtigen. Psychosoziale Auslösefaktoren oder begünstigende Konflikte, die zu den Tatbegehungen geführt hätten, seien nicht zu erkennen gewesen. Zwar gebe es Belastungen in der Lebensgeschichte des Angeklagten, diese lägen allerdings lange zurück und gehörten zu den Grundgegebenheiten seines Lebens.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Trotz dieser Umstände sei der Angeklagte sowohl in U1 als auch in J1 in seinem Freundeskreis gut integriert gewesen und habe ein gutes Verhältnis zu seiner Familie gepflegt. Folge der Begehung der Taten sei es allerdings gewesen, dass der Angeklagte unter Verlustängsten und Gewissenskonflikten gelitten habe, er vermehrt Alkohol und Drogen konsumiert habe. Die Delinquenz habe seit 2017 einen großen Raum im Leben des Angeklagten eingenommen. Er habe die Tatumstände aktiv gestaltet und es sei ihm leicht gefallen, die Zuneigung von Kindern zu erlangen. So habe er das Treffen mit dem gesondert Verfolgten in Kenntnis der bereits durch diesen erfolgten Missbräuche vereinbart. Auch die Anfrage, ob sich der Nebenkläger anlässlich der Reise nach G1 mit GBL betäuben ließe, sei von dem Angeklagten ausgegangen. Spätestens ab November 2019 sei der Angeklagte in einer kriminellen Subkultur integriert gewesen. Zudem seien die dependenten Persönlichkeitszüge des Angeklagten - wie unter Ziff. III. 2. erörtert - relevant. Diese hätten schon lange vor den gegenständlichen Taten bestanden und die Begehung einiger Taten begünstigt. Die Inhaftierung D1s Anfang 2020 habe keinen abschreckenden Effekt auf den Angeklagten gehabt, was für eine Verfestigung einer Neigung zur Begehung von Straftaten bei dem Angeklagten spreche.

Den Umstand, dass der Angeklagte von weiteren Taten zum Nachteil seines Halbbruders und seines Neffen ab etwa Ende 2019 Abstand genommen hat, bewertete die Sachverständige weder als positiv noch negativ und erklärte dieses allerdings wiederum mit einer etwaigen Reaktion des Angeklagten auf die Inhaftierung des gesondert Verfolgten D1.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Die Kammer hat sich diesen Ausführungen der Sachverständigen nach kritischer Prüfung nur teilweise angeschlossen.

Die Kammer folgt den Ausführungen der Sachverständigen, soweit sie das Nichtvorliegen einer psychiatrischen Störung, von psychopathischen Persönlichkeitszügen und einer dissozialen Persönlichkeit betreffen. Bis zur Begehung der ersten Taten im Alter von 24 Jahren - bis Mitte 2017 - ergeben sich zunächst überhaupt keine Anhaltspunkte, die für die Annahme eines Hangs des Angeklagten sprechen. Der Angeklagte führte ein straffreies Leben. Sozialbiographisch ist eine durchweg positive Entwicklung des Angeklagten festzustellen. Der Angeklagte war bei Familie und Freunden beliebt und gut integriert. Für eine generell stabile Lebensführung sprechen aus Sicht der Kammer ferner sein erfolgreicher schulischer Werdegang und auch seine Leistungen im Rahmen des Studiums - wobei die Verzögerungen - auch um mehrere Semester - von der Kammer nicht als derart ungewöhnlich eingestuft werden, als dass sie gegen eine stabile Lebensführung sprächen. Außerdem sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die begangenen Taten mit einer fehlenden Frustrationstoleranz des Angeklagten in Zusammenhang stehen.

Den Ausführungen der Sachverständigen zur Pädophilie und deren Manifestation in den Taten folgt die Kammer nur teilweise. Sämtliche Taten sind auf die Pädophilie des Angeklagten zurückzuführen. Eine Steigerung des Unrechtsgehaltes der Taten erkennt die Kammer ebenso wie die Sachverständige, berücksichtigt dabei aber auch den erheblichen Einfluss der gesondert Verfolgten L1 und K1 auf den Angeklagten. Zudem kam es erst ab Mitte 2018 zu einer gesteigerten Anzahl von Straftaten. Die erste und einzige Tat 2017 wurde erheblich durch das Verhalten des K1 begünstigt. Soweit die Sachverständige hinsichtlich der Gesamtbewertung der Persönlichkeit darüber hinaus die Pädophilie als Hauptströmung mit nicht möglichen erfüllenden Beziehungen zu erwachsenen Männern einordnet, kann die Kammer dies - wie unter Ziff. III. 5. erörtert - nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.

Der Einschätzung der Sachverständigen hinsichtlich des Vorliegens von dependenten Persönlichkeitszügen schließt sich die Kammer nach eigener Wertung an. Die Kammer teilt die Annahme, dass diese fördernden Einfluss auf einige der Taten hatte. Die Kammer berücksichtigt dabei allerdings, dass diese Persönlichkeitszüge lange vor den hier gegenständlichen Anlass- und etwaigen Symptomtaten vorlagen, was aber zuvor längere Zeit nicht zur Begehung von Straftaten geführt hat.

Auch den Umstand der weiteren Tatbegehungen nach der Festnahme des gesondert Verfolgten D1 bezieht die Kammer in ihre Gesamtbewertung mit ein. Dabei berücksichtigt die Kammer aber auch, dass zu diesem Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für eine Annahme des Angeklagten bestanden, selbst bereits konkret strafrechtlich verfolgt zu werden. Aus der Fortsetzung seines Verhaltens, das für den Angeklagten weiterhin folgenlos war, schließt die Kammer - auch in der Gesamtschau - nicht auf eine Unfähigkeit zur Verinnerlichung sozialer Normen. Die Konsequenzen eigenen verbotenen Verhaltens, die ihn vor erneuter Straffälligkeit bewahrt hätte, hat er nie gespürt.

In der Gesamtschau aller Umstände kann die Kammer keine ausreichenden Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens eines - auch nicht eines wahrscheinlichen - fest eingeschliffenen Zustandes, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt, treffen. Der Tatzeitraum von Mitte 2017 (mit zunächst nur einer Tat bis Mitte 2018) bis Frühjahr 2020 erscheint angesichts des ansonsten bis zu diesem Zeitpunkt tadellosen Vorlebens des Angeklagten bereits recht kurz, um einen eingeschliffenen - insbesondere nicht durch Haftverbüßung mit oder ohne etwaiger Therapie korrigierbaren - Zustand, der ihn immer wieder Straftaten begehen lässt, zu belegen. Zwar liegt bei dem Angeklagten gesichert eine Pädophilie vor, die auch ursächlich für die Taten ist. Diese bestehende sexuelle Neigung begründet für sich genommen jedoch noch keinen Hang. Die Kammer hat dabei auch berücksichtigt, dass es sich um eine Vielzahl von Taten handelt, die der Angeklagte zulasten mehrerer Kinder - hinsichtlich der angeklagten Taten vier Kinder, im Übrigen zwei weiterer - begangen hat. Zudem führte der Angeklagte eine Vielzahl von Videochats und konsumierte aufgrund seiner Pädophilie Kinderpornographie. Als kritisch bewertet die Kammer - wie auch die Sachverständige - auch das Zusammenspiel der Pädophilie und der dependenten Persönlichkeitszüge des Angeklagten, welches die Begehung einiger Taten gefördert hat.

Als gegen die sichere bzw. wahrscheinliche Annahme der Eingeschliffenheit eines Zustandes, der ihn immer wieder Straftaten begehen lässt sprechend, war aber zu berücksichtigen, dass es sich um ein Tatgeschehen handelt, das motivatorisch zusammenhängt und bei dem bisher nicht von außen korrigierend auf den Angeklagten eingewirkt worden ist. Er hat noch nie die Erfahrung einer Inhaftierung gemacht. Eine Aufarbeitung vergangener Taten hat noch nie zuvor stattgefunden.

Zudem wurde dem Angeklagten die erste Umsetzung seiner pädophilen Interessen leicht gemacht - ihm wurde der Geschädigte K2 von dessen Vater zur Verfügung gestellt. Die einzelnen Tatbegehungen zulasten des Geschädigten K2 liegen zudem zeitlich länger auseinander. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte nach der ersten Tat etwa auf ein weiteres Treffen gedrängt hätte.

Die Taten zulasten der Geschädigten P4 und V1 beging der Angeklagte erst ab frühestens Mitte 2018 und dies zunächst in kürzeren Abständen. Der Gesamtzeitraum beträgt nur etwa 1 1/2 Jahre. Dass der Umstand, dass der Angeklagte von weiteren Taten zum Nachteil seines Halbbruders und seines Neffen ab etwa Ende 2019 Abstand genommen hat, auf die Inhaftierung des gesondert Verfolgten D1 oder aber auf den Kontakt zu dem Nebenkläger zurückzuführen ist, konnte die Kammer nicht feststellen. Konkrete Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Angeklagte von der weiteren Tatbegehung abgelassen hat, obwohl ihm diese - erforderlichenfalls unter Gabe von GBL - möglich gewesen wäre.

Die Erweiterung der Taten auf den Nebenkläger war außerdem erheblich der Sondersituation des Kontaktes zu L1 geschuldet, der auf der Suche nach Sexualpartnern für den Missbrauch seines Sohnes war. L1 hat die Begehung der Taten angeboten und dazu animiert, wenngleich die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte sich - wie auch im Übrigen - interessiert zeigte und das Angebot sofort annahm. Der Angeklagte hat dem Nebenkläger zwar an einem Wochenende GBL aus eigenem Antrieb verabreicht bzw. verabreichen lassen. Dabei hatte L1 den Einsatz von GBL aber ohnehin geplant.

Gegen die Verfestigung eines Zustandes, der ihn immer wieder Straftaten begehen lässt, spricht weiterhin, dass der Angeklagte die Taten nicht "um jeden Preis" begehen wollte,

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Eine Ausnahme hierzu stellte zwar die Gabe von GBL zum Nachteil des V1 dar. Diese hatte der Angeklagte jedoch bereits eingestellt, obwohl ihm eine weitere Begehung möglich gewesen wäre. Der Einsatz des GBL ist dem Angeklagten außerdem von außen - von D1 - erklärt worden.

Dass der innere Zustand - zumindest eine Tendenz zur Begehung pädosexueller Straftaten, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet - des Angeklagten nicht fest eingeschliffen, sondern korrigierbar ist, zeigt sich bereits durch die von ihm im Rahmen der Haft - belegt durch die verlesene beschlagnahmte Haftpost - angekündigte und in der Hauptverhandlung abgelegte umfassende Einlassung zu all seinen Taten. Der Angeklagte hat die Begehung der festgestellten Taten umfassend gestanden, ohne auch nur einzelne Teile zu beschönigen. Er hätte ohne gravierende Nachteile ein tatbestandliches Formalgeständnis ablegen können. Zwar hätte er dann ggfs. mit einer weiteren - im Vergleich zur Nachtragsanklage jedoch weniger umfangreichen - Anklage bzgl. weiterer Taten zum Nachteil des Nebenklägers rechnen müssen, hätte diesbezüglich aber erneut ein Formalgeständnis ablegen können. Die Kammer hat den Eindruck gewonnen, dass der Angeklagte - wie von ihm selbst geäußert - derart umfassende Angaben gemacht hat, um sich, den Opfern und seiner Familie - soweit möglich - gerecht zu werden und die Taten hinter sich zu lassen. Auf diese Weise wollte er die Voraussetzungen für einen Neuanfang schaffen. So hat er auch Taten eingeräumt, die - wie erwähnt - voraussichtlich niemals hätten entdeckt werden können, wie die Taten zum Nachteil des Geschädigten und die Taten unter Verwendung von GBL zum Nachteil des V1. Dass diese Einlassung einherging mit einer inneren Abkehr zu den begangenen Taten und zu der bisherigen Einstellung des Angeklagten, zeigt sich auch in seinem Verhalten außerhalb der gegenständlichen Hauptverhandlung. In der noch laufenden Hauptverhandlung gegen die gesondert Verfolgten L1, K1, S1 u.a. sagte der Angeklagte, der sich ohne Nachteile auf sein Aussageverweigerungsrecht hätte berufen können, über neun Stunden als Zeuge aus. Dabei belastete er die dort Angeklagten wesentlich und richtete am Ende seiner Aussage freie Worte an diese - für ihn ehemalig eng vertraute Bezugspersonen bzw. sogar Liebhaber - und forderte diese sogar zur Ablegung eines umfassenden Geständnisses und Offenbarung sämtlicher Taten auf. Die innere Abkehr von den Taten spiegelt sich ferner durch die Preisgabe sämtlicher ihm noch erinnerlicher Passwörter zur Öffnung seiner Datenträger wieder. Dass bei dem Angeklagten eine Auseinandersetzung mit und eine tatsächliche innere Abkehr von seinem bisherigen Verhalten bereits vorliegt und das Vorhandensein der Motivation, diese Einstellung erfolgreich beizubehalten und die Auseinandersetzung auszubauen, wird auch durch die Aussage des Zeugen M1 und die Reaktion des Angeklagten hierauf gestützt. Der Angeklagte nahm dessen Aussage sichtlich emotional und zeitweise weinend entgegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte bereits mit seiner umfassenden geständigen Einlassung begonnen, die für die Vernehmung des Zeugen unterbrochen wurde. Der Zeuge war der langjährige, enge und beste Freund des Angeklagten und hat mit diesem, wie er in der Vernehmung berichtete während der Freundschaft viele reflektierte Gespräche geführt. Er wusste bis zur Inhaftierung des Angeklagten nichts über dessen homosexuelle und pädophile Neigung und auch nicht, dass der Angeklagte bereits mit der geständigen Einlassung begonnen hatte. Der Zeuge äußerte nach Abschluss der Befragung einen eindringlichen Appell an den Angeklagten, dass die Tatvorwürfe - sollten sie zutreffen - unentschuldbar seien, weshalb zum Schutze der Geschädigten nichts offen bleiben dürfe alles auch zur Aufklärung weiterer Taten unternommen werden müsse. Diesen Weg zu gehen sei die einzige Möglichkeit für den Angeklagten, um überhaupt eine Perspektive zu erhalten. Ob auch bei Erfüllung dieser Bedingung eine Freundschaft fortbestehen könne, wisse er noch nicht. Gleichermaßen ist auch der Fortbestand seiner Beziehung zu seiner Familie - wie die Zeugin P1 mitteilte - von der Offenbarung aller Taten und einer umfassenden therapeutischen Aufarbeitung abhängig.

Die Kammer hat - wie auch die Sachverständige - den Eindruck, dass der Angeklagte intelligent sowie reflektiert ist und in der Lage wäre, das für ihn Günstige durch Vorspiegelung unwahrer Tatsachen zu erreichen. Dem persönlichen Eindruck nach ist die Kammer aber überzeugt, dass der Angeklagte tatsächlich Abstand von seinem bisherigen Verhalten und den bisherigen Einstellungen genommen hat und gewillt ist, dauerhaft keine pädosexuellen Straftaten mehr zu begehen. Dies wird einerseits auch dadurch gestützt, dass der Angeklagte nach seinen glaubhaften Angaben gegen Ende des Tatzeitraums mit L1 über das Projekt "Kein Täter werden" - von dem L1 ihm jedoch abgeraten hatte, da es nur darum gehe Straftäter zu identifizieren - gesprochen hat, da er sich für eine Teilnahme interessierte. Andererseits hat er sich bereits über die Möglichkeiten der Therapie in der Haft informiert und will diese auch sobald wie möglich beginnen.

Nach alledem kommt die Kammer in der Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass ein für einen Hang erforderliches eingeschliffenes Verhaltensmuster nicht ausreichend sicher - auch nicht im Sinne einer erforderlichen Wahrscheinlichkeit - festgestellt werden kann.

bb.

Selbst wenn man entgegen der Kammer die vorgenannten Gesamtumstände für die Annahme eines Hangs bzw. der Annahme der Wahrscheinlichkeit eines solchen ausreichen ließe, käme die Kammer nach umfassender Würdigung zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzung der sich aus dem Hang ergebenden Gefährlichkeit bzw. der naheliegenden wahrscheinlichen Gefährlichkeit nicht erfüllt wäre. Dies gilt insoweit, als dass das Merkmal der Gefährlichkeit überhaupt isoliert geprüft werden kann, weil der Hang bereits ein wesentliches Kriterium und den Ausgangspunkt für die Gefährlichkeitsprognose darstellt und der Grad der Eingeschliffenheit die Beurteilung der Höhe der Wahrscheinlichkeit neuer Taten beeinflusst (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2015 - 1 StR 594/14 -, juris; BGH, Urteil vom 08.07.2005 - 2 StR 120/05 -, juris). Während der Hang nach ständiger Rechtsprechung einen allein aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung wertend festgestellten rechtswidrigen Zustand bezeichnet, schätzt die Gefährlichkeitsprognose die Wahrscheinlichkeit dafür ein, ob sich der Täter in Zukunft trotz des Hangs erheblichen Straftaten enthalten kann oder nicht (vgl. nur BGH, 4. Senat, Urteil vom 09.05.2019, 4 StR 578/18, juris). Für diese bestimmte Wahrscheinlichkeit müssen erhebliche Taten ernsthaft zu besorgen sein (BGH, Urteil vom 08.07.2005 - 2 StR 120/05 -, juris). Maßgebender Zeitpunkt der Gefährlichkeitsprognose ist derjenige der Aburteilung. Maßgebend ist, ob nach dem derzeitigen Persönlichkeitsbild zu erwarten ist, dass der Betroffene nach der Strafverbüßung die Freiheit zu neuen Straftaten missbrauchen wird. Denkbare, aber nur erhoffte positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug bleiben der Überprüfung nach § 67a Abs. 1 StGB vor Ende des Vollzugs der Strafe vorbehalten. Eine Erwartung des Tatrichters, dass der Angeklagte während der Haftzeit eine Therapie erfolgreich durchstehen werde, genügt zwar grundsätzlich nicht, um eine ungünstige Prognose auszuschließen - auch wenn es sich nicht nur um eine theoretische, sondern konkrete Erwartung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 13.03.2007 - 5 StR 499/06 -, juris). Allerdings darf das Gericht bei der Gefahrenprognose bezogen auf Ermessensentscheidungen nach § 66 Abs. 2 und 3 StGB die voraussichtlichen Wirkungen eines bevorstehenden langjährigen Strafvollzugs berücksichtigen, soweit dieser eine Haltungsänderung erwarten lässt (BGH, Urteil vom 04.09.2001 - 1 StR 232/01, juris; Fischer, 68. Aufl. 2021, § 66 Rn. 66). Anhaltspunkte für die Feststellung einer Gefährlichkeit ergeben sich vielfach schon aus den Feststellungen eines etwaigen Hangs, etwas anderes kann aber dann gelten, wenn zwischen der letzten Hangtat und dem Urteil neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.1987 - 1 StR 393/87 -, juris). Es ist zu prüfen, ob ein langjähriger Freiheitsentzug und das Fortschreiten des Lebensalters des Angeklagten bei diesem eine Haltungsänderung bewirken können - wobei konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass eine Haltungsänderung bereits eingetreten ist oder erfahrungsgemäß eintreten wird (BGH, Urteil vom 22.04.2009 - 2 StR 43/09 -, juris). Standardisierte Prognoseinstrumente können bei der Beurteilung niemals für sich allein, sondern immer nur im Zusammenhang mit einer Erforschung und Bewertung der individuellen Täterpersönlichkeit eine Gefährlichkeitsbeurteilung tragfähig begründen. Das empirische Wissen über das generelle Rückfallrisiko führt für sich allein noch nicht zur Entscheidung im Einzelfall, sondern erlaubt nur dessen erste Verortung im kriminologischen Erfahrungsraum (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - 3 StR 350/08 -, juris). Für eine ungünstige Prognose spricht vor allem beispielsweise eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur des Täters, die sich beispielsweise in folgenden Umständen zeigt: geringe Frustrationstoleranz, Unfähigkeit zur Verinnerlichung sozialer Normen, Unfähigkeit des Aufschubs von Bedürfnisbefriedigung sowie die Unfähigkeit zur Übernahme von Verantwortung (BeckOK StGB/Ziegler, 49. Ed. 01.02.2021, StGB § 66 Rn. 18). Auch hinsichtlich der etwaigen Vorbehaltsanordnung bedarf es der Feststellung einer erheblichen, naheliegenden Wahrscheinlichkeit, dass der Täter zum Zeitpunkt der Urteilsfällung und zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung aus dem Strafvollzug gefährlich sein wird, wobei ein enger Maßstab anzuwenden ist (Fischer, 68. Aufl. 2021, § 66a Rn. 8 m.w.N.). Die Gefährlichkeitsprognose erfordert eine Gesamtwürdigung des Persönlichkeitsbildes des Täters und seiner Symptom- und Anlasstaten und eine genaue Verhältnismäßigkeitsprüfung (BGH, Urteil vom 07.01.2015 - 2 StR 292/14 -, juris; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 66 Rn. 59, 66).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe konnte die Kammer auch die erforderliche Gefährlichkeit nicht feststellen.

Dabei gelten zunächst die vorgehenden Ausführungen, die gegen die Annahme eines Hangs (§ 66 StGB) bzw. wahrscheinlichen Hangs (§ 66a StGB) sprechen, insbesondere die unauffällige und geordnete Sozialbiographie und das Fehlen einer dissozialen Persönlichkeit sowie das Fehlen psychiatrischer Erkrankungen.

Die Sachverständige kam hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose zur der Einschätzung, dass aufgrund der persönlichkeitseigenen Tendenz des Angeklagten von einer "überdurchschnittlichen" Gefahr erneuter Sexualdelikte an männlichen Kindern auszugehen sei. Ohne eine Therapie sei die Gefahrenprognose überdurchschnittlich hoch. Dabei legte sie zunächst zugrunde, dass statistisch betrachtet pädosexuelle Täter ein höheres Rückfallrisiko aufwiesen als Sexualstraftäter insgesamt. Innerhalb der Gruppe der pädosexuellen Täter sei der Angeklagte - ausgehend von der erhöhten Grundwahrscheinlichkeit dieser Gruppe - überdurchschnittlich mit Risikofaktoren belastet, wobei sich die Sachverständige auf die Kodierungsrichtlinien des Static-99 - einem Diagnose- und Prognoseverfahren zur Beurteilung von Rückfallrisiken von Sexualstraftätern - beruft. Die Sachverständige berücksichtigte insoweit, dass der Angeklagte nie eine längere partnerschaftliche Beziehung gehabt habe, obwohl die generelle Beziehungsfähigkeit des Angeklagten nicht eingeschränkt sei, was sich u.a. durch die langjährige Verbindung zu den Zeugen M1 und P2 zeige. Neben der Fertigung von kinderpornographischem Material spreche des Weiteren gegen den Angeklagten und damit für eine Gefährlichkeit, dass zu den Geschädigten auch Kinder gehörten, zu denen er in keiner verwandtschaftlichen Beziehung gestanden habe und er durch die Betäubung mit GBL Gewalt eingesetzt habe. Die erste Tat zum Nachteil des Nebenklägers habe der Angeklagte außerdem unmittelbar nach dem ersten Kennenlernen durchgeführt. Für eine Gefährlichkeit sprächen insgesamt die Vielzahl der Taten und der Geschädigten sowie eine Steigerung der Intensität der Taten. Der Einsatz von Gewalt, abgesehen von Betäubungsmitteln, sei in Zukunft allerdings nicht zu erwarten. Der Angeklagte sei außerdem, so die Sachverständige, zur Täuschung in der Lage. Des Weiteren spiele die dependente Persönlichkeitsstruktur insofern eine kritische Rolle, dass der Angeklagte bei Kontakt zu dem einschlägigen Milieu erneut in mit der Situation zur Tatzeit vergleichbaren Situationen käme. Sofern der Angeklagte in Zukunft allerdings nicht auf fördernde Mittäter stieße, sei die Schwelle zur Begehung neuer Taten bei ihm etwas höher anzusetzen. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass es dem Angeklagten zudem aufgrund der Anonymität des Internets auch möglich sei, neue Kontakte herzustellen. Es sei allerdings auch zu hoffen, dass die Verurteilung einen abschreckenden Effekt erzielen würde, weil der Angeklagte bislang noch nicht verurteilt worden sei. Positiv sei auch der zu erwartende soziale Empfangsraum zu bewerten, wobei, so die Sachverständige, auch innerhalb der Familie noch eine intensive Auseinandersetzung mit den Taten stattfinden müsse. Des Weiteren benannte die Sachverständige als relevantes Kriterium für die Gefährlichkeit, dass auch die von ihr angenommene Hauptströmung der Pädophilie [...] prognostisch ungünstig sei. [...] Zur Therapiebereitschaft des Angeklagten hat die Sachverständige nachvollziehbar erläutert, dass nicht nur die eigene Motivation zur Therapie festzustellen sei, sondern auch der Antrieb von außen begünstigend sei. Das im Vergleich zu anderen Tätern äußerst frühe und vollständige Geständnis sämtlicher - nicht nur der ursprünglich angeklagten Taten - stelle eine außergewöhnlich gute Grundlage dar. Ein solches sei gewöhnlich erst im Laufe einer Therapie zu erwarten. Dies stelle eine sehr viel bessere Situation dar als eine solche, in welcher im Rahmen des Verfahrens nur ein Teil der Taten mitgeteilt wird.

- Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen -

Sofern der Angeklagte bei der Absicht der Durchführung einer Therapie bliebe, seien Verbesserungen zu erwarten. Dabei sei aber auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte intelligent und anpassungsfähig in der Weise sei, dass er wisse, was von ihm erwartet werde. Nach Einschätzung der Sachverständigen sollte eine Therapie mit einer Mindestdauer von drei Jahren in einer sozialtherapeutischen Anstalt durchgeführt werden. Nach Haft und Therapie werde sich der Angeklagte außerdem erheblich umstellen müssen. Einen Beruf habe er nicht erlernt und bisherige Hobbies wie das Fußballspielen mit Kindern oder umfangreiche Aktivitäten an Mobiltelefon und Computer seien nicht mehr in der bisherigen Weise möglich. Insgesamt hätten die benannte Möglichkeit der Durchführung der Therapie sowie die diesbezügliche Bereitschaft des Angeklagten allerdings keinen entscheidenden Einfluss auf die von der Sachverständigen angenommene erhöhte Grundwahrscheinlichkeit - der überdurchschnittlichen Gefährlichkeit - des Angeklagten. Auch die derart und insofern außergewöhnliche Einlassung des Angeklagten habe darauf keinen entscheidenden Einfluss.

Wiederum kann die Kammer der Einschätzung der Sachverständigen nur eingeschränkt folgen. Die sich im Gesamtbild ergebenden Risikofaktoren nebst der statistischen Bewertung hat auch die Kammer berücksichtigt.

Dass die erste Tat gegenüber dem Nebenkläger bereits beim ersten Kennenlernen begangen wurde, ist jedoch nur beschränkt zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen, weil die Tat konkret durch L1 eingefordert wurde.

Eine negative Bedeutung bisher fehlender partnerschaftlicher Beziehungen konnte die Kammer ebenfalls nur eingeschränkt zum Nachteil des Angeklagten bei der Gefahrenprognose berücksichtigen. Das Fehlen einer partnerschaftlichen Beziehung kann seine Ursache auch in der bisher fehlenden Möglichkeit des Angeklagten diese auszuleben haben, da er seine homosexuelle Neigung geheim halten wollte. Nachdem diese Neigung nunmehr gerade auch innerhalb der Familie offenbart worden ist, besteht dieses Hemmnis nicht mehr. Dass aufgrund der Pädophilie des Angeklagten, wie die Sachverständige annimmt, zukünftige erfüllende Beziehungen mit Erwachsenen nicht möglich sein werden, kann die Kammer - wie bereits unter III.5. ausgeführt - nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.

Gegen die Annahme einer Gefährlichkeit spricht darüber hinaus, dass die lange Haftstrafe auf den Angeklagten als haftempfindlichen Erstverbüßer erhebliche Auswirkungen haben wird, die - auch im Zusammenhang mit dem bei Haftentlassung höheren Lebensalter des mit noch 27 Jahren jungen Angeklagten - voraussichtlich zu einer positiven Nachreifung des Angeklagten führen wird. Die verhängte Freiheitsstrafe von 9 Jahren - einem Drittel seines bisherigen Lebens - stellt einen gravierenden Einschnitt in das Leben des nicht vorbestraften Angeklagten dar und wird nach Erwartung der Kammer nachhaltigen Eindruck bei ihm machen. Diese Annahme begründet sich konkret dadurch, dass bereits der gegenüber der Strafhaft vergleichsweise kurzen Untersuchungshaft erheblich positive Wirkung zukam. Dies zeigte sich in dem Aussageverhalten des Angeklagten, der Offenbarung gegenüber der Familie und dem Entschluss eine Therapie zu beginnen. Dies lässt erwarten, dass eine lange Haft naheliegend ebenso Wirkung zeigen wird. Zudem ist der intelligente und reflexionsfähige Angeklagte in der Lage zu erkennen, dass eine nach der Haft begangene Tat dann verdeutlichen würde, dass sich eine innere Neigung zu Straftaten verfestigt hat, er gefährlich ist und deswegen bei neuen Taten die Anordnung von Sicherungsverwahrung wahrscheinlich wäre. Es erscheint wahrscheinlich, dass der Angeklagte dieser Einsicht entsprechend handeln und keine neuen Straftaten begehen wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach Haftverbüßung nicht in der Lage sein wird, dieser Einsicht entsprechend zu handeln, liegen nicht vor.

Prognostisch günstig sind für die Kammer zudem die glaubhafte innere Abkehr von den bisherigen Taten sowie die umfassende Einlassung und deren Folgen. Die rein praktische Durchführung weiterer Taten wird zudem erheblich erschwert aufgrund der erfolgten Offenbarung. Die Kammer hält es für sehr unwahrscheinlich, dass der Angeklagte im familiären Rahmen nach Haftentlassung alleinigen Kontakt zu potentiellen Opfern erhält. Die bisherigen Geschädigten werden zudem bei Haftentlassung bereits nicht mehr in einem für den Angeklagten pädosexuell interessanten Alter sein. Die bisherige Pädophilengruppe u.a. mit L1 und K1 existiert nicht mehr. Die gesondert Verfolgten befinden sich in Untersuchungshaft und haben ebenfalls mit langen Haftstrafen zu rechnen. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass dem Angeklagten der Nebenkläger und K2 regelrecht angeboten wurden, was in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Nur im Rahmen von Videochats kontaktierte der Angeklagte Jugendliche direkt. Zu einem Treffen mit Chatpartnern kam es nur hinsichtlich der unternommenen Reise nach C1 und dann wiederum nach Überredung und Fahrdienst des L1. Auch der Nachhilfeschüler F1 suchte den näheren Kontakt zu dem Angeklagten, wenngleich dieser diesen hätte ablehnen müssen. Die bloße Möglichkeit online Kontakte zu knüpfen genügt für die Annahme einer erforderlichen Gefahr - auch in Zusammenhang mit den übrigen Faktoren - nicht. Der tatsächliche Kontakt zu Kindern bzw. Vätern, die diese zur Verfügung stellen könnten ist deutlich erschwert. Zur Vereinbarung eines realen Treffens mit pädophilen Tätern nach Kontaktaufnahme im Internet bedürfte es regelmäßig eines sogenannten "Proofs". Als Kontaktsuchender müsste der Angeklagte z.B. nachweisen, dass ihm ein Kind zum Missbrauch zur Verfügung steht. Diese Möglichkeit hat der Angeklagte nicht mehr, da ein innerfamiliärer Zugriff auf mögliche Opfer unwahrscheinlich ist. Zudem müsste der Angeklagte dauerhaft über seine Identität täuschen, weil der nicht gewöhnliche Name P5 durch die Medien verbreitet wurde und nunmehr in dem Milieu bekannt ist. Zu einer solchen Täuschung wäre der Angeklagte nach Einschätzung der Kammer zwar intellektuell in der Lage, allerdings erschwert sie die Durchführung dennoch und ist auch Sicht der Kammer nicht zu erwarten.

Als für die Prognose günstig bewertet die Kammer auch die ernsthafte Absicht der Durchführung einer Therapie, was wiederum für eine Haltungsänderung sowie deren Weiterentwicklung und Verfestigung spricht. Der tatsächliche Erfolg einer von dem Angeklagten gewünschten Therapie ist naturgemäß noch nicht sicher. Die Kammer hat das Kriterium des Erfolgs deswegen nicht berücksichtigt. Nichtsdestotrotz spricht eine sowohl intrinsische als auch extrinsische Motivation zur Durchführung einer Therapie für den Angeklagten. Mit der Sachverständigen nimmt die Kammer an, dass bei dem Angeklagten nicht nur die eigene Motivation zur Therapiedurchführung vorliegt, sondern auch der Antrieb durch Familie und Freunde für eine Prognose günstig ist. Die Kammer schließt sich diesen eine Therapie betreffenden Ausführungen - sowohl den kritischen als auch den positiven von der Sachverständigen genannten Aspekten - nach eigener Prüfung an. Dabei hat die Kammer bedacht, dass die Durchführung der Therapie und das Verinnerlichen des Erlernten längere Zeit beanspruchen wird. Überzeugend ist für die Kammer allerdings die ebenfalls von der Sachverständigen geschilderte vergleichsweise gute Ausgangslage. Der tatsächliche Wunsch nach einem Erfolg einer Therapie hat sich aus Sicht der Kammer durch den persönlichen Eindruck von dem Angeklagten - auch etwa unmittelbar nach den Zeugenvernehmungen seiner Mutter und seines besten Freundes - dem Zeugen M1 - manifestiert.

Letztlich ist ergänzend prognostisch positiv zu berücksichtigen, dass die Kontakte zu Kindern und Jugendlichen auch durch das jugendliche Erscheinungsbild des Angeklagten begünstigt wurden. Dieses dürfte sich mit zunehmendem Lebensalter bis zur Haftentlassung ebenfalls verändern.

Nach alledem kommt die Kammer in der Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass auch eine Gefährlichkeit nicht ausreichend sicher - auch nicht im Sinne einer erforderlichen Wahrscheinlichkeit - festgestellt werden kann. Es liegen mit der Offenbarung der Homosexualität und der Pädophilie gegenüber seiner Familie, seinem Aussageverhalten im Rahmen der Einlassung und als Zeuge, seiner Therapiebereitschaft, dem Wegfall bisher die Taten begünstigender Faktoren wie bisheriger tatfördernder Beteiligter, einer zukünftig fehlenden Zugriffsmöglichkeit auf familiäre Opfer zahlreiche prognosegünstige Faktoren vor, die nach Begehung der Taten eingetreten sind. Vor diesem Hintergrund erscheint die seitens der Sachverständigen vor allem auf ein statistisches Prognoseverfahren gestützte Annahme einer überdurchschnittlichen Gefährlichkeit nicht zutreffend. Vielmehr erscheint es wahrscheinlich, dass der Angeklagte sich nach Verbüßung der langjährigen Haftstrafe erheblicher Straftaten enthalten kann.

c.

Sowohl die Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Erstverurteilung, § 66 Abs. 2 StGB, die Anordnung bei Erstverurteilung wegen einer besonderen Anlasstat, § 66 Abs. 3 S. 2 StGB, als auch die Vorbehaltsanordnung nach § 66a Abs. 1, Abs. 2 StGB sind bei Annahme des Vorliegens der formellen und materiellen Voraussetzungen keine zwingende Rechtsfolge. Es handelt sich jeweils um eine Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt und für die jeweils die nachfolgend dargestellten Maßstäbe gelten. Selbst wenn man die dargelegten Umstände von Tat und Täter für die Bejahung eines Hangs und der Gefährlichkeit (bzw. deren Wahrscheinlichkeit, § 66a StGB) ausreichen ließe, käme die Kammer hier zu dem Ergebnis, dass sie im Rahmen des Ermessens von der Anordnung bzw. der Vorbehaltsanordnung abgesehen hätte.

Im Rahmen des Ermessens hat das Gericht bei einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bewerten, ob - obwohl bereits Gegenstand der Gefährlichkeitsprüfung - die Anordnung angesichts der Strafhöhe unerlässlich ist (vgl. Fischer, 68. Aufl. 2021, § 66 Rn. 73 m.w.N.). Es ist an die Wert- und Zweckvorstellungen des Gesetzgebers gebunden (Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 66 Rn. 73). Insbesondere sind die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und der damit etwaig bereits erfüllte Sicherungszweck der Maßregel sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen zu berücksichtigen (vgl. BGH Beschluss vom 20.11.2018 - 4 StR 168/18 -, BGHSt 63, 243-253; BGH, Beschluss vom 11.09.2003 - 3 StR 481/02 -, juris).

Ein Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung kommt bei Vorliegen einer hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten jedenfalls dann in Betracht, wenn bereits zum Zeitpunkt des Urteilserlasses konkrete Anhaltspunkte die Erwartung rechtfertigen, dass dem Angeklagten aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann (BGH, Urteil vom 26.05.2020 - 1 StR 538/19 -, juris). Dazu bedarf es konkreter Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg (BGH, Urteil vom 28.03.2012 - 2 StR 592/11 -, juris; BGH, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 StR 515/14 -, juris). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll auch hinsichtlich des Vorbehaltes der Sicherungsverwahrung das Gericht die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der wahrscheinlichen hangbedingten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern bereits jetzt festgestellt werden kann, dass die derzeit noch wahrscheinlichen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zum Entlassungszeitpunkt nicht mehr vorliegen werden (BGH, Beschluss vom 19.07.2017 - 4 StR 245/17 -, juris; BGH, Urteil vom 06.04.2017 - 3 StR 548/16 -, juris; BT-Drucks. 14/8586, S. 6 [zu § 66a Abs. 1 StGB aF]).

Im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte die Kammer zunächst die vorhergehenden Gesichtspunkte hinsichtlich der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs, der Haltungsänderung und der günstigen Erfolgsaussichten einer Therapie als für den Angeklagten günstig gewertet. Unter Berücksichtigung dieser Punkte wäre die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB jedenfalls zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft nicht vorliegen werden.

Im Rahmen des Ermessens wäre insofern auch zu berücksichtigen gewesen, dass es sich bei dem gegenständlichen Verfahren insofern um einen atypischen Fall handelt, als dass es erst der umfassenden Selbstbelastung - vor allem betreffend nicht angeklagter Taten - und der Zustimmung zur Nachtragsanklage geschuldet ist, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung überhaupt derart in den Fokus des Verfahrens geraten ist. Ohne die von dem Angeklagten vorgenommene umfassende Einlassung und die damit untrennbar verbundene Nachtragsanklage - beides Ausprägungen der ernstlichen Abkehr des Angeklagten von seinem bisherigen delinquenten Verhalten - wäre die etwaige Anordnung einer Sicherungsverwahrung nicht naheliegend gewesen.

In einer Gesamtschau hält die Kammer aufgrund der genannten Umstände die Anordnung der Sicherungsverwahrung bzw. der Vorbehaltsanordnung - auch in Ansehung milderer Maßnahmen im Rahmen einer an die Haft anschließenden Führungsaufsicht - bei Annahme eines Hangs und einer Gefährlichkeit nicht für verhältnismäßig. Der noch junge Angeklagte hatte bislang noch keine Einwirkung eines kritischen Korrektivs von außen. Eine nunmehr aufgrund konkreter Umstände zu erwartende Tataufarbeitung ist bislang noch nie zustande gekommen.

VI.

Der Angeklagte trägt nach § 465 Abs. 1 StPO die Kosten des Verfahrens sowie nach § 472 Abs. 1 StPO die notwendigen Auslagen des Nebenklägers.