BPatG, Beschluss vom 11.12.2003 - 33 W (pat) 274/02
Fundstelle
openJur 2011, 105712
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juni 2002 aufgehoben.

2. Die Löschung der Marke 399 62 401 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 17 365 angeordnet.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Buchstaben-/Bildmarke 399 62 401 siehe Abb. 1 am Endefür Kl. 18: Rucksäcke und Gepäckstücke; Kl. 24: Webstoff und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten, insbesondere Stoff, der für die Herstellung von Jacken verwendet wird; Kl. 25: Bekleidungsstückeist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 395 17 365 E.B. Companyfür Kl. 3: Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, ätherische Öle, Haarwässer; Seifen; Kl. 18: Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Taschen und andere, nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse sowie Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Kl. 25: Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2002 hat die Markenstelle für Klasse 18 durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle sind die beiderseitigen Waren zwar teilweise identisch, die Marken jedoch nicht ausreichend ähnlich. In ihrer Gesamtheit hielten die Marken wegen der abweichenden graphischen Gestaltung und des nur in der Widerspruchsmarke vorhandenen Bestandteils "Company" einen ausreichenden Abstand voneinander ein. Auch werde der Gesamteindruck der Marken nicht durch die Buchstabenfolge "EB" geprägt. Buchstaben und Buchstabenkombinationen würden häufig nur als Typen- und Modellbezeichnungen verwendet. Außerdem sei die Zahl möglicher Buchstabenkombinationen begrenzt. Dem Verkehr würden damit schon kleinere Unterschiede auffallen. Daher werde dem Verkehr nicht entgehen, dass in der Widerspruchsmarke jeweils hinter den Buchstaben Punkte stünden, während in der jüngeren Marke nur einfassend in mittiger Höhe Punkte vorhanden seien. Der Verkehr werde weder die grafische Ausgestaltung der jüngeren Marke noch das Wort "Company" in der Widerspruchsmarke vernachlässigen. Es bestehe auch keine assoziative Verwechslungsgefahr. Für eine Zeichenserie der Widersprechenden sei nichts vorgetragen. Da die Buchstabenfolge "E B" nur über eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft verfüge, komme sie nicht als Stammbestandteil einer Serienmarke in Betracht. Für den sorgfältigen und aufmerksamen Betrachter, auf den vorrangig abzustellen sei, seien die Unterschiede offenkundig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung führt sie aus, dass nach ihrer Auffassung eine Gefahr von Verwechslungen vorliegt, da eine Warenidentität bei den Waren der Klassen 18 und 25 bestehe und die angegriffene Marke den bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen großen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht einhalte. Der Widerspruchsmarke komme mangels entgegenstehender Anhaltspunkte eine zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Entgegen der Auffassung der Markenstelle wiesen Buchstabenkombinationen von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Bei der Buchstabenfolge "E.B." handele es sich auch nicht um eine Typen- oder Modellbezeichnung, so dass sie durchaus als Stammbestandteil einer Serienmarke geeignet sei. Als solcher werde sie auch von der Widersprechenden in einer Zeichenserie benutzt, nämlich noch in der Marke 398 53 393 - "E.B. Sports" für Sportartikel und Sportbekleidung. Im Übrigen bestehe nicht nur eine assoziative sondern auch eine unmittelbare Gefahr von Verwechslungen. Bei beiden Marken werde der Gesamteindruck durch die Buchstabenfolge "EB" bzw. "E.B." geprägt. Das zusätzliche Wort "Company" in der Widerspruchsmarke werde vom Verkehr, ähnlich wie der Zusatz "GmbH", lediglich als Hinweis auf das Unternehmen aufgefasst. Weder die Punkte noch die grafische Gestaltung fielen bei den Marken ins Gewicht.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Verfahren vor der Markenstelle hat sie unter Berufung auf zahlreiche Beispiele von Marken und Unternehmensbezeichnungen mit der Buchstabenfolge "EB" als Bestandteil vorgetragen, dass diese Buchstabenfolge kennzeichnungsschwach und damit nicht zur Prägung des Gesamteindrucks der Marke geeignet sei. Es handele sich um Initialen, die im redlichen Geschäftsverkehr freihaltebedürftig seien. Außerdem werde das Wort "Company" in der angegriffenen Marke nicht als Rechtsformhinweis sondern als Phantasiebezeichnung verwendet. Die Kombination eines abgekürzten Firmennamens und einer ausgeschriebenen Bezeichnung "Company" sei ungewöhnlich. Im Bereich der Mode werde "Company" auch mehr als Hinweis auf eine Gruppe von Menschen bzw. Begleiter verstanden. Außerdem sei die grafische Gestaltung der jüngeren Marke ungewöhnlich und mitprägend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.

Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr 2 MarkenG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechselungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Warenidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 = WRP 2002, 537 - BANK 24, m.w.N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV).

a) Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen liegen teilweise im Identitätsbereich und sind im Übrigen zumindest mittelgradig ähnlich. Die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren "Rucksäcke und Gepäckstücke" sind in dem für die Widersprechende geschützten Oberbegriff " Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Taschen und andere, nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse" vollständig erfasst, so dass insoweit eine Warenidentität besteht. Auch bei der für beide Marken eingetragenen Warenbezeichnung "Bekleidungsstücke" besteht Identität.

Außerdem sind die für die jüngere Marke eingetragenen Waren " Webstoff und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten, insbesondere Stoff, der für die Herstellung von Jacken verwendet wird" mit den für die Widersprechende geschützten Bekleidungsstücken durchschnittlich ähnlich. Zwar stellt Webstoff für Bekleidungsstücke nur ein Vorprodukt dar, jedoch können auch Vorprodukte und daraus hergestellte Halbfertig- und Fertigerzeugnisse ähnlich sein, wenn die Vorprodukte nach der Verkehrsauffassung maßgebliche Eigenschaften und die Wertschätzung der Fertigerzeugnisse bestimmen, und die Marke der Vorprodukte auch den Abnehmern der Fertigerzeugnisses gegenüber tritt. Gerade im Bekleidungsbereich haben Webstoffe einen besonderen Einfluss auf Eigenschaften und Wertschätzung der Bekleidungsstücke. Daher werden häufig Kennzeichnungen für Webstoffe an Bekleidungsstücken angebracht und dem Verbraucher in der Werbung für Bekleidungsstücke nahe gebracht (z.B. Dolan, Goretex usw.). Damit ist zumindest von einer mittleren Ähnlichkeit zwischen Webstoffen und Bekleidungsstücken auszugehen. Dies gilt umso mehr, als der für die Widersprechende geschützte Oberbegriff "Bekleidungsstücke" auch gestrickte Bekleidungsstücke mit einschließt, bei denen die Webstoffe naturgemäß eine besondere Bedeutung für die Eigenschaften und Wertschätzung der Fertigerzeugnisse haben (vgl. a. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9, Rdn. 130; Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 361, li. Sp., S. 332, mi. Sp.).

b) Die beiderseitigen Marken sind in ihren prägenden Bestandteilen klanglich identisch und schriftbildlich nahezu identisch. Zwar sind die Marken in ihrer Gesamtheit schon wegen des nur in der Widerspruchsmarke vorhandenen Bestandteils "Company" leicht auseinander zu halten, da dieses Wort vom Verkehr weder überlesen noch überhört werden kann. Jedoch wird der Gesamteindruck beider Marken von der Buchstabenfolge "EB" bzw. "E.B." geprägt.

Dies liegt bei der jüngere Marke schon deshalb auf der Hand, weil sie im mündlichen Verkehr und in der Handelskorrespondenz nur mit ihrem Buchstabenbestandteil wiedergegeben werden kann. Ein beschreibender Sinngehalt der Buchstabenfolge "EB", der gegen ihre prägende Stellung sprechen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Demgegenüber hat die grafische Gestaltung nur einen einrahmenden Charakter und tritt schon im Hinblick auf den Wortvor-Bild-Grundsatz (vgl. Ströbele/Hacker, a.a.O., Rdn. 434 m.w.N.) für den Verkehr so in den Hintergrund, dass er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann. Dies würde selbst dann gelten, wenn die Buchstabenfolge "EB", wie die Markenstelle und die Inhaberin der angegriffenen Marke meinen, von Haus aus oder wegen zahlreicher benutzter oder nur eingetragener Drittmarken mit diesem Bestandteil mit einer beachtlichen Kennzeichnungsschwäche behaftet wäre.

Auch der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke wird vom Bestandteil "E.B." geprägt. Nachdem ein beschreibender Charakter dieser Buchstabenfolge nicht ersichtlich ist, kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass sie von Haus aus kennzeichnungsschwach ist. Dabei vermag der Senat der Markenstelle nicht zu folgen, wenn sie im angefochtenen Beschluss ausführt, dass Buchstabenkombinationen häufig nur als nicht betrieblich kennzeichnende Typen- und Modellbezeichnungen verwendet würden und die Zahl der möglichen Buchstabenkombinationen begrenzt sei, womit sie Buchstabenmarken offenbar per se eine von Haus aus verminderte Kennzeichnungskraft zuerkennen will. Da Buchstaben denselben Maßstäben der Unterscheidungskraft unterliegen wie andere Markenformen, kann nicht davon ausgegangen werden, das sie von Haus aus über eine geringere Kennzeichnungskraft verfügen (vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV). Dies würde bei den hier relevanten Waren aus dem Bereich der Mode, in dem abgekürzte Namen von Modeschöpfern (auch bei Taschen) häufig betriebsherkunftshinweisende Verwendung finden (z.B. "YSL" (Yves Saint Laurent), "KL" (Karl Lagerfeld), "CD" (Christian Dior), "D&G" (Dolce & Gabbana), "LV" (Luis Vuitton)) auch nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.

Zwar ist der Markenstelle darin zu folgen, dass dem Verkehr bei solchen kurzen Bezeichnungen Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erfahrungsgemäß eher auffallen werden als bei längeren Marken (vgl. a. Ströbele/Hacker, a.a.O., Rdn. 327), dieser Aspekt kann jedoch nicht bei der Frage der Prägung des Gesamteindrucks einer mehrgliedrigen Marke sondern erst bei der Feststellung des Grades der Ähnlichkeit der Marken bzw. ihrer prägenden Bestandteile berücksichtigt werden.

Allerdings verfügt die Buchstabenfolge "E.B" nur über eine (maßvoll) verminderte Kennzeichnungskraft, da die Markeninhaberin eine beachtliche Zahl eingetragener Drittmarken mit der Buchstabenfolge "EB" vorgetragen hat. In den vorgelegten, mehrere hundert Marken umfassenden Listen kann jedoch nur ein kleiner Teil der Drittmarken als originalitätsmindernd berücksichtigt werden. So scheiden zunächst Marken aus, die gelöscht oder nur angemeldet sind oder die der Widersprechenden gehören. Auch Marken, die nicht für die Klassen 18, 24 oder 25 eingetragen oder ausschließlich in der Klasse 25 für die hier nicht relevanten Waren "Schuhe" eingetragen sind, wirken sich nicht originalitätsmindernd aus. Das gleiche gilt für Marken, in denen die Buchstabenfolge "EB" als solche gar nicht oder jedenfalls nicht kennzeichnend hervortritt (z.B. "EBS", "CEBO" usw.). Im Übrigen gibt es in den vorgelegten Listen auch zahlreiche Doppelbenennungen. Es verbleiben Drittmarken in einer Größenordnung von etwa 30, zumeist solche, bei denen die Abkürzung "E.B." erkennbar für den vorrangig aus dem Automobilbereich bekannten Namen "Ettore Bugatti" steht. Nachdem zur Benutzung der Drittmarken nichts vorgetragen ist, kann dieser Rollenstand zwar als originalitätsmindernd berücksichtigt werden, für die Annahme einer nachhaltigen Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils "E.B." innerhalb der Widerspruchsmarke reicht er aber nicht aus.

Damit prägt der Bestandteil "E.B." den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke, während das Wort "Company" in der Weise zurücktritt, dass es für den Gesamteindruck der Marke zu vernachlässigen ist. Hiergegen spricht nicht, dass dieses Wort keinen korrekten bzw. vollständigen Rechtsformzusatz darstellt. Aus der Sicht eines durchschnittlich informierten inländischen Verkehrsteilnehmers im Bereich der Bekleidung und Gepäckstücke handelt es sich jedenfalls um einen Hinweis auf eine Gesellschaft aus dem angloamerikanischen Raum, ohne dass er sich Gedanken darüber machen wird, welche genaue Rechtsform dahinter stehen mag. Wie bei vollständigen Rechtsformzusätzen tritt es für den Gesamteindruck zurück, während der eigentliche Firmenkern die Gesamtbezeichnung prägt.

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin liegt auch keine für die Mitprägung von "Company" sprechende Mehrdeutigkeit dieses Wortes in dem Sinne vor, dass "Company" als (gesellschaftlicher) Umgang oder Begleitung aufgefasst werden könnte. Denn in der Reihenfolge der vorangestellten Buchstabengruppe "E.B." und dem nachfolgenden Wort "Company" ist die Widerspruchsmarke für den Verkehr eindeutig als Kombination erkennbar, die aus den Firmeninitialen und einem nachgestellten Hinweis auf eine Gesellschaft besteht.

c) Damit stehen sich die Markenbestandteile "EB" und "E.B." gegenüber. Sie sind klanglich identisch und liegen auch in schriftbildlicher Hinsicht am Rande der Identität. Angesichts der zumindest mittelgradigen Ähnlichkeit der Waren liegt daher auch dann eine Gefahr unmittelbarer Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vor, wenn man eine geminderte Originalität der Buchstabenfolge "E.B." mit berücksichtigt.

d) Nachdem die Widersprechende mit der weiteren Marke 398 53 393 - "E.B. Sports" außerdem unwidersprochen das Bestehen einer benutzten Zeichenserie mit dem Stammbestandteil "EB" vorgetragen hat, besteht im Übrigen auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr. Selbst wenn einzelne Verkehrsteilnehmer im Bestandteil "Company" der Widerspruchsmarke einen integralen, mitprägenden Bestandteil sähen, so liegt für diesen Teil des Verkehrs zumindest eine assoziative Verwechslungsgefahr vor. Hierbei käme es auf die von der Markeninhaberin genannten Drittmarken auch kaum mehr an, da der bloße Rollenstand für die Originalitätsschwäche von benutzten Serienzeichen eine nur geringe Rolle spielt (vgl. BPatG GRUR 2002, 345 - ASTRO BOY/Boy).

Winkler Dr. Hock Kätker Ju Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)274-02.1.3.gif