VG Freiburg, Urteil vom 22.01.2006 - 2 K 1826/05
Fundstelle
openJur 2021, 31028
  • Rkr:

Im Bereich der Unterhaltssicherung sind, ähnlich wie im Steuerrecht, an die Anerkennung eines Arbeitsvertrages zwischen engen Familienangehörigen strenge Anforderungen zu stellen.

Voraussetzung für die Anerkennung eines Verdienstausfalles i.S.v. § 13 USG ist in diesem Fall, dass der Abschluss eines Arbeitsvertrages ernstlich gewollt ist, dass der Vertrag vereinbarungsgemäß durchgeführt wird und dass die Vertragsbedingungen angemessen und üblich sind, also einem Fremdvergleich standhalten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz (USG).

Der Kläger leistete als Stabsgefreiter seit September 2002 wiederholt Wehrübungen bei der Bundeswehr ab. Vom 19. November 2003 bis zum 31. Mai 2004 nahm er an einer Wehrübung in der E. -Kaserne in H. teil. Unter dem 10. November 2003 stellte er Antrag auf Leistungen für Wehrübende, Übende und Teilnehmer an einer besonderen Auslandsverwendung nach dem USG. Seinem Antrag war eine Arbeitgeberbescheinigung der Firma R., beigefügt, aus der sich ein entfallenes Arbeitsentgelt i.H.v. 7.500,00 EUR brutto (netto 3.495,42 EUR) monatlich ergab.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 gewährte das Landratsamt O. dem Kläger antragsgemäß Leistungen nach § 13 USG i.H.v. 3.495,42 EUR monatlich (für November 2003 anteilig i.H.v. 1.398,12 EUR), d.h. insgesamt i.H.v. 22.370,64 EUR.

Mit Änderungsbescheid des Landratsamts O. vom 9. Februar 2004 wurde der Bescheid vom 4. Dezember 2003 aufgehoben und dem Kläger nur der Mindestbetrag nach dem USG gewährt. Zur Begründung wurde angeführt, dass der Kläger ausweislich der Lohnbescheinigung der Firma R. zum 18. November 2003 aus der Firma seines Vaters ausgeschieden sei.

Nachdem das Steuerberatungsbüro H. dargelegt hatte, dass der Kläger rein arbeitsrechtlich nicht aus seinem Angestelltenverhältnis ausgeschieden sei, sondern sein aktives Beschäftigungsverhältnis wegen seiner Auslandseinberufung am 19. November 2003 nur unterbrochen gewesen sei und nach Beendigung des Auslandseinsatzes fortgeführt werde, wurde der Änderungsbescheid vom 9. Februar 2004 mit Bescheid des Landratsamts vom 8. März 2004 aufgehoben und die Verdienstausfallentschädigung wieder auf monatlich 3.495,42 EUR festgesetzt.

Mit dem - hier streitgegenständlichen -Bescheid des Landratsamts O. vom 15. Dezember 2004schließlich wurde der Bewilligungsbescheid vom 4. Dezember 2003 aufgehoben und die Verdienstausfallentschädigung auf kalendertäglich 20,45 EUR, insgesamt 3.987,75 EUR, festgesetzt. Zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber existiere ein Aufhebungsvertrag vom 10. November 2003, aus dem zweifelsfrei hervorgehe, dass das Arbeitsverhältnis mit der Firma R. zum 18. November 2003 beendet werde und voraussichtlich ab dem 1. Juni 2004, d.h. nach Abschluss der Wehrübung, habe fortgeführt werden sollen. Aufgrund dieser eindeutigen vertraglichen Absprache seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Verdienstausfallentschädigung gemäß § 13 Abs. 2, 3 USG nicht gegeben gewesen. Stattdessen hätten dem Kläger für den Zeitraum vom 19. November 2003 bis zum 1. Juni 2004 lediglich die Mindestleistungen nach § 13 c USG i.H.v. kalendertäglich 20,45 EUR zugestanden. Daraus ergebe sich eine Überzahlung i.H.v. 18.382,89 EUR, die mit dem möglichen Anspruch auf Gewährung von Leistungen für die Zeit der folgenden Wehrübungen verrechnet werde.

Der Kläger legte am 10. Januar 2005 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass am 26. Juni 2003 zwischen der Firma R. und dem Kläger, der bereits von April bis August 2002 in der Firma beschäftigt gewesen sei, ein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden sei, der arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Das unbefristete Arbeitsverhältnis habe am 1. Juli 2003 begonnen. Während der Probezeit bis zum 30. September 2003 habe der Kläger in die geschäftliche Praxis des Unternehmens eingeführt werden und ein Konzept für die Erhöhung des Geschäftsumsatzes ausarbeiten sollen. Nach der Probezeit sei Aufgabe des Klägers die Führung des Unternehmens R. und die Leitung des angeschlossenen Fitness-Centers X gewesen. Für die Probezeit sei zu Recht zwischen den Parteien lediglich ein Unkostengehalt von 450 EUR vereinbart gewesen, da nicht klar gewesen sei, ob der Kläger nach Ende der Probezeit bereit und in der Lage sei, die anstehenden Aufgaben zu übernehmen; die Firma habe während der Vorbereitungszeit nicht unnötig belastet werden sollen. Als der Kläger im Oktober 2003 die Management-Aufgaben mit einer 48-Stunden-Woche tatsächlich übernommen habe, sei er berechtigt gewesen, eine angemessene Vergütung, nämlich 7.500 EUR brutto, für seine Tätigkeit zu verlangen. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass das Arbeitsverhältnis im November 2003 beendet worden sei, seien falsch. Die Parteien, juristische Laien, hätten lediglich das Ruhen des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Wehrübung regeln wollen. Die irrtümliche Bezeichnung der Vereinbarung als "Aufhebung des Arbeitsvertrages" spiele keine Rolle. Der - ursprüngliche - Bescheid vom 4. Dezember 2003 sei daher korrekt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 25. August 2005, zugestellt am 31. August 2005, zurückgewiesen. Bei der angefochtenen Entscheidung handele es sich um die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach § 48 LVwVfG. Da es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt habe, seien nach § 48 Abs. 2 LVwVfG Einschränkungen zu beachten. Selbst wenn der Kläger, wofür nichts vorgetragen sei, auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut habe, sei dieses Vertrauen nicht schutzwürdig, weil die ursprüngliche Gewährung einer Verdienstausfallentschädigung i.H.v. 3.495,92 EUR pro Monat auf unrichtigen Angaben beruht habe. Mit seinem Antrag auf Leistungen nach dem USG habe der Kläger eine auf den 10. November 2003 datierte Arbeitgeberbescheinigung vorgelegt und erklärt, dass er seine Angaben vollständig und richtig gemacht habe. Die Angaben zum entfallenden Arbeitsentgelt hätten aber nicht gestimmt. Das Regierungspräsidium komme nach Auswertung der dokumentierten Vorgänge, Rückfragen und Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass die Arbeitgeberbescheinigung nicht den Realitäten entsprochen habe, und bewerte den Abschluss des Arbeitsvertrages als eine Abmachung, die dem Zweck gedient habe, die Unterhaltssicherungsleistungen in die Höhe zu treiben. Das Regierungspräsidium stütze sich auf die Einschätzung des Finanzamts Wolfach. Denn das Finanzamt sei in der Lage, den speziellen Arbeitsvertrag im Zusammenhang mit dem gesamten Geschäftsbetrieb zu beurteilen und habe in die Geschäfte der Firma R., in deren Umfang, ihre Erfolge und Prognosen Einblick nehmen können. Die Prüfung habe das Ergebnis gebracht, für den Arbeitsvertrag in der vorliegenden Form und für die Höhe des vereinbarten Lohns hätten weder wirtschaftliche noch steuerliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein können. Die Nachforschungen hätten so viele objektive Umstände hervorgebracht, dass daraus die Schlussfolgerung gezogen werden könne, der Lohnanspruch beruhe auf einer Pseudoabmachung. Bei diesem Ergebnis hätte es dem Kläger gelingen müssen, diese Schlussfolgerung durch dagegen sprechende Umstände wenigstens zu erschüttern. Der enorme Sprung bei der Entlohnung werde aber erst im Zusammenhang mit dem Datum der Wehrübung plausibel. Die Wehrübung erkläre die hohe Dotierung viel einleuchtender als die betrieblichen Zielvereinbarungen. Ein ordentlicher und vernünftiger Arbeitgeber wäre, zumal bei der vom Finanzamt festgestellten schwierigen Lage des Unternehmens, eine vertragliche Verpflichtung dieser Art nicht eingegangen. Die Rücknahme sei nach § 48 Abs. 1 S. 1 LVwVfG in das Ermessen der Behörde gestellt. Unter dem Aspekt der Gleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte, der Berechenbarkeit des Verwaltungshandelns und der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei die Rücknahme eine richtige Entscheidung. Die Behörde sei darauf angewiesen, dass bei der Geltendmachung von Ansprüchen auf öffentliche Mittel zutreffende Angaben gemacht würden. Unrichtige Angaben könnten keine Ansprüche verschaffen, unter solchen Umständen gewährte Leistungen dürften keinen Bestand haben. Es seien auch keine Umstände dafür ersichtlich, dass die Rückforderung den Kläger in existentielle Nöte brächte. Nachdem die Rücknahme des Bewilligungbescheids zu Recht erfolgt sei, müssten die zu Unrecht empfangenen Leistungen nach § 16 Abs. 1 USG zurückerstattet werden.

Der Kläger hat am 29. September 2005 Klage erhoben. Er trägt zur Begründung vor, dass die Vergütung angemessen gewesen sei. Der hohe zeitliche Arbeitseinsatz, die Verantwortung und die vorhandenen Kenntnisse hätten hierbei besondere Berücksichtigung gefunden. Bereits in der Vergangenheit habe die Hausbank des Herrn R. mehrfach darauf gedrängt, dass seine Kinder in das Geschäft mit eingebunden werden müssten, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Das vereinbarte Gehalt i.H.v. 7.500 EUR sei angemessen gewesen; es entspreche sowohl den Qualifikationen des Klägers als auch seinem Arbeitseinssatz (Managementaufgaben, Arbeitszeiten usw.). Auch habe das Finanzamt bestätigt, dass die Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Nachforschungen des Finanzamtes hätten keine Ungereimtheiten ergeben. Der Lohn sei für Oktober und November 2003 in bar ausbezahlt worden. Der Aufhebungsvertrag, den das Landratsamt heranziehe, sei nur auf Grund melderechtlicher sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften so abgeschlossen worden; es habe sich hierbei um eine Unterbrechung gehandelt, was sich auch aus den Formulierungen - der Arbeitnehmer werde "freigestellt", ab 1. Juni 2004 werde das Arbeitsverhältnis "fortgeführt" - ergebe. Der ursprüngliche Bescheid sei daher rechtmäßig gewesen. Im Übrigen habe der Kläger auf den Bestand des Bescheides vertraut. Die Ausführungen des Regierungspräsidiums im Widerspruchsbescheid stellten wie auch die Spekulationen des Landratsamts lediglich subjektive Einschätzungen bzw. Vermutzungen dar, die nicht begründet seien. Sämtliche Überprüfungen, einschließlich die des Finanzamtes, hätten die Vermutungen des Beklagten nicht bestätigen können. Die Rücknahme sei daher rechtswidrig, die Rückforderung sei unberechtigt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Landratsamts O. vom 15. Dezember 2004 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 25. August 2005 aufzuheben,ferner die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger sei nach wie vor nicht in der Lage, plausible Gründe zu nennen, weshalb mit Arbeitsvertrag vom 26. Juni 2003 eine Probezeit mit einem "Unkostengehalt" von 450 EUR und anschließend ein monatliches Gehalt von 7.500 EUR vereinbart worden sei. Nach den Feststellungen des Finanzamtes W. seien wirtschaftliche Gründe für den Gehaltssprung nicht nachvollziehbar; ein Gehalt in dieser Höhe sei im konkreten Fall weder durch die berufliche Qualifikation noch durch einen überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz zu rechtfertigen. Weder im Betrieb selbst würden annähernd vergleichbare Gehälter gezahlt, noch sei in der Branche ein solches Arbeitseinkommen zu erzielen. Auch lasse sich eine entsprechende Zahlung nicht mit der wirtschaftlichen Lage der Firma R. zu diesem Zeitpunkt in Einklang bringen. Wäre der Kläger von derartigem Wert für die Firma gewesen, wäre es, gerade im Hinblick auf die enge familiäre Verbindung, kaum nachvollziehbar, dass er sich schon nach kurzer Zeit wieder für eine weitere Wehrübung gemeldet habe und keine gleichwertige Ersatzkraft eingestellt worden sei. Hierbei handele es sich nicht um Spekulationen, sondern um objektive Feststellungen, die durch die Ermittlungen des Finanzamts W. bekannt geworden seien. Die Festlegung eines Bruttogehalts von 7.500 EUR sei offensichtlich im Hinblick auf die damals bereits vorhersehbare Wehrübung mit Auslandseinsatz und den damit zu erwartenden wesentlich höheren Leistungen nach dem USG erfolgt. Es sei auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass der Lohn für Oktober und November 2003 in bar ausgezahlt und nicht auf das Girokonto des Klägers überwiesen worden sein sollte. Die vom anwaltlichen Vertreter des Klägers nachgeschobenen Gründe für den Abschluss des Aufhebungsvertrages seien nicht überzeugend. Diesen Vertrag im Nachhinein als ein Missverständnis zwischen juristischen Laien darzustellen, entspreche offensichtlich nicht der ursprünglichen Absicht der Vertragsparteien. Gemäß § 1 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz ruhe das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der zu einer Wehrübung einberufen wird, während dieser Zeit kraft Gesetzes. Auf diesen Umstand sowie darauf, dass während der Wehrübung finanzielle Belastungen auf den Arbeitgeber infolge des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses nicht zukommen, würden Wehrpflichtige und Arbeitgeber vor Beginn der Wehrübung ausdrücklich hingewiesen. Einer vertraglichen Regelung über das "Ruhen des Arbeitsverhältnisses" hätte es somit nicht bedurft. Aus der Formulierung, das Arbeitsverhältnis werde "voraussichtlich" fortgeführt, sei unzweifelhaft zu schließen, dass beide Vertragsparteien sich hinsichtlich des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach der Wehrübung eine abschließende Entscheidung noch vorbehalten hätten.

In der mündlichen Verhandlung am 22. November 2006 ist zur Frage der Beschäftigung des Klägers durch seinen Vater dieser als Zeuge vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten des Landratsamts O. und die Widerspruchsakten (je 1 Heft) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird verwiesen.

Gründe

Die als Anfechtungsklage gemäß §§ 40, 42 VwGO zulässige Klage ist nicht begründet. Denn der Bescheid des Landratsamts O. vom 15. Dezember 2004 und der diesen bestätigende Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 25. August 2005 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids vom 15. Dezember 2004, mit dem der Bewilligungsbescheid des Landratsamts O. vom 4. Dezember 2003 aufgehoben worden ist, ist § 48 LVwVfG. Gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Der Bescheid vom 4. Dezember 2003, mit dem dem Kläger antragsgemäß Unterhaltssicherung i.H.v. 3.495,42 EUR monatlich gewährt wurde, ist rechtswidrig i.S.d. § 48 Abs. 1 LVwVfG. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Verdienstausfallentschädigung in der genannten Höhe.

Nach § 13 Abs. 1 USG erhalten Wehrpflichtige, die infolge des Wehrdienstes Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbüßen, eine Verdienstausfallentschädigung. Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis während des Wehrdienstes ruht, wird nach § 13 Abs. 2 USG das entfallende Arbeitsentgelt ersetzt. Als Arbeitsentgelt gilt das Bruttoarbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer im Falle eines Erholungsurlaubs zugestanden hätte, nach Abzug der Steuern vom Einkommen und der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozial- und Arbeitslosenversicherung.

Der Kläger hat infolge der Wehrübung vom 19. November 2003 bis 31. Mai 2004 keine anerkennenswerten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eingebüßt i.S.d. § 13 USG.

Dahinstehen kann, ob es an Einkünften des Klägers i.S.d. § 13 Abs. 1 USG bereits aufgrund der am 10. November 2003 getroffenen, mit "Aufhebung des Arbeitsvertrag vom 27.06.03" überschriebenen Vereinbarung fehlt, wonach der Kläger aufgrund einer Auslandseinberufung nach Bosnien beim Arbeitgeber "freigestellt" und das Arbeitsverhältnis "voraussichtlich ab dem 01.06.2004 fortgeführt" wurde.

Denn auch wenn mit dieser Vereinbarung, wie der Kläger geltend macht, lediglich eine Regelung über das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während seiner Auslandseinberufung getroffen und das Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben worden sein sollte, fehlt es an einer auf der Grundlage eines Bruttomonatsgehalts von 7.500 EUR errechneten Einbuße i.S.v. § 13 Abs. 1 USG bereits deshalb, weil dem zwischen der R., dessen Inhaber der Vater des Klägers ist, und dem Kläger am 26. Juni 2003 abgeschlossenen Arbeitsvertrag die rechtliche Anerkennung zu versagen ist. Im Bereich der Unterhaltssicherung sind, ähnlich wie im Steuerrecht, an die Anerkennung eines Arbeitsvertrages zwischen engen Familienangehörigen strenge Anforderungen zu stellen. Wie im Einkommenssteuerrecht (dazu vgl. BFH, Beschl. v. 11.5.2005 - IV B 140/03 - in juris; Urt. v. 21.1.1999 - IV R 15/98 - in juris; Urt. v. 18.6.1997 - III R 81/96 - in juris; Urt. v. 9.12.1993 - IV R 14/92 - in juris; Nieders. FG, Urt. v. 18.1.1994 - VIII 150/91 - in juris; jew. m.w.N.) besteht nämlich auch hier angesichts des bei nahen Angehörigen vielfach fehlenden Interessengegensatzes die Gefahr des Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Voraussetzung für die Anerkennung eines Verdienstausfalles i.S.v. § 13 USG ist daher, dass der Abschluss eines Arbeitsvertrages ernstlich gewollt ist, dass der Vertrag vereinbarungsgemäß durchgeführt wird und dass die Vertragsbedingungen angemessen und üblich sind, also einem Fremdvergleich standhalten.

Vorliegend ist das Gericht auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Arbeitsvertrag vom 26. Juni 2003, der eine Vergütung ab Oktober 2003 i.H.v. 7.500 EUR brutto monatlich und als Aufgabe des Klägers die Führung des Unternehmens einschließlich des angeschlossenen Fitness-Centers vorsah, nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt wurde.

Die gilt zunächst für die Frage der vertraglich vereinbarten Bezahlung des Klägers i.H.v. 7.500 EUR brutto (3.495,42 EUR / 2.097,62 EUR netto) in den Monaten Oktober und November 2003. Zwar wurden auf dem Lohnkonto des Klägers entsprechende Zahlungen vermerkt, Sozialabgaben gezahlt und die Zahlungen wurden steuerlich geltend gemacht. Dagegen fehlt es an jeglichem Beleg dafür, dass tatsächlich Geld in der vereinbarten Höhe geflossen ist. Obwohl nach Ziff. 5 des Arbeitsvertrages die Zahlung auf ein vom Arbeitnehmer angegebenes Konto zu erfolgen hatte und der Kläger ausweislich der Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge über ein Girokonto bei der Sparkasse H. verfügt, soll das Geld nach Angaben des Klägers und seines Vaters in der mündlichen Verhandlung dem Kläger jeweils in etwa drei Teilbeträgen in bar ausgezahlt worden sein. Abgesehen davon, dass dies bei den in Rede stehenden Summen ein auch unter Familienangehörigen eher ungewöhnliches Vorgehen sein dürfte, müssten bei unterstellt ordnungsgemäßer Buchführung die Entnahmen aus der Firmenkasse allerdings als (Lohn-)Zahlungen verbucht worden und also eindeutig nachweisbar sein. Nachdem der Kläger jedoch schon während des gerichtlichen Verfahrens trotz zweifacher Nachfrage seitens des Gerichts lediglich Lohnkonto- und Buchführungsunterlagen, aber keine Belege dafür vorgelegt hatte, dass die vereinbarten und in den Lohnkontounterlagen aufgeführten Beträge tatsächlich an den Kläger ausbezahlt worden sind, gaben auch in der mündlichen Verhandlung sowohl der Kläger als auch sein Vater an, dass es keine schriftlichen Belege für die Auszahlungen gebe; der Vater stellte lediglich nach mehrfacher Nachfrage die - nicht näher begründete - Möglichkeit in den Raum, dass seine Bürokraft, Frau B., eventuell über Nachweise verfügen könnte. Vor diesem Hintergrund ist das Gericht davon überzeugt, dass im Oktober und November 2003 zwar durchaus - wie vor Abschluss des Vertrages je nach Bedarf des Klägers - Geld geflossen sein mag, der Kläger aber jedenfalls nicht den vertraglich geschuldeten Betrag i.H.v. 3.495,42 EUR bzw. 2.097,62 EUR netto erhalten hat.

Darüber hinaus wurde der Vertrag auch von Seiten des Klägers nicht vereinbarungsgemäß erfüllt. Ausweislich des Arbeitsvertrages war Aufgabe des Klägers nach der Probezeit die "Führung des Unternehmens" einschließlich der "Leitung des angeschlossenen Fitness Centers X. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht jedoch die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger nicht als Geschäftsführer tätig gewesen sein konnte. Denn ihm fehlen für die Führung eines Unternehmens wesentliche Kenntnisse, die auch bei Beginn einer Tätigkeit als Geschäftsführer zu erwarten gewesen wären, zumal wenn der Geschäftsführer, wie vorliegend, bereits seit Jahren als "rechte Hand" im Familienunternehmen mitgearbeitet hat und außerdem drei Monate lang speziell auf diese Aufgabe vorbereitet und "upgedatet" wurde. Dies ergibt sich aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger konnte zwar detailliert schildern, welche praktischen ausführenden Tätigkeiten er innerhalb des Unternehmens wahrgenommen hat, etwa Außendienst, Serviceleistungen, Kundengespräche oder Reparaturen eigener Geräte, somit Tätigkeiten, die er nach eigenem Vortrag bereits etwa seit seinem 15. Lebensjahr durchgeführt hat. Dagegen hatte er keine - im Hinblick auf den Zeitablauf etwa auch nur ungefähre - Vorstellung von der damaligen Höhe des Firmenumsatzes. Auch über die Höhe der Gehälter der übrigen Mitarbeiter konnte er keine Angaben machen. Ferner sprach er nur von einer Kasse im Fitnessstudio, aus der sein Vater ihm das Gehalt ausgezahlt haben soll. Von der Existenz einer zentralen Kasse im Büro, in der sich nach Auskunft des Vaters Tageseinnahmen insbesondere aus dem Barverkauf von Fitnessgeräten von bis zu 20.000 EUR befanden, hatte er offenbar keine Kenntnis. Auch konnte der Kläger die seinerzeitige Anzahl der Mitarbeiter und den zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit auch auf Nachfrage nur ungefähr benennen, obwohl er angab, für die Einteilung des Personals zuständig gewesen zu sein; dass in der Firma auch Aushilfskräfte für einzelne Kurse sowie 2003 drei Lehrlinge arbeiteten, erwähnte er gar nicht. Schließlich entpuppte sich der von ihm so genannte Aufgabenbereich "Controlling" lediglich als die Kontrolle der Mitarbeiter. Hatte der Kläger mithin keine Kenntnis davon, wie die Firma finanziell aufgestellt war, wie hoch Umsatz und Gehaltszahlungen waren, und war er auch darüber, wie sich die Belegschaft zusammensetzte, nur unzureichend informiert, hatte er nicht die Voraussetzungen, um das Unternehmen, wie im Arbeitsvertrag vorgesehen, zu führen. Vielmehr nahm er offenbar weiterhin vor allem technische Aufgaben war, möglicherweise ergänzt um eine gewisse Überwachung der Mitarbeiter. Auch die Angaben des Vaters des Klägers in der mündlichen Verhandlung können hier kein anderes Bild vermitteln. Zwar hat der Vater im Rahmen seiner Zeugenvernehmung dargelegt, dass er im Herbst 2003 durch ein Burn-out-Syndrom und Bandscheibenvorfälle gesundheitlich angeschlagen war. Möglicherweise wollte er damals tatsächlich seinem Sohn die Geschäfte übertragen, auch wenn angesichts des Engagements und der Leidenschaft, mit der er über sein Unternehmen berichtete, die Vorstellung schwer fällt, er habe sich tatsächlich mit 46 Jahren aus der Firma zurückziehen wollen. Jedenfalls aber nannte auch er keine konkreten Leitungsaufgaben, die sein Sohn in seiner Zeit als Geschäftsführer tatsächlich wahrgenommen hat, sondern schilderte auf Nachfrage eher abstrakt seinen eigenen Tagesablauf und die Anforderungen, denen jemand, der diese Stelle innehabe, genügen müsse, ohne in diesem Zusammenhang darzulegen, inwieweit sein Sohn über den ihm bereits vertrauten technisch-praktischen Bereich hinaus Leitungs- und Führungsverantwortung innegehabt haben sollte. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger die ihm im Vertrag übertragene Aufgabe der Unternehmensführung nicht wahrgenommen hat. Auch insoweit fehlt es daher an einer Durchführung des Vertrages.

Nach alldem sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsvertrages zwischen engen Familienangehörigen mangels vereinbarungsgemäßer Vertragsdurchführung nicht erfüllt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob dem Vertrag auch deshalb die rechtliche Anerkennung zu versagen ist, weil, wovon das Finanzamt O. in seinem den Einspruch zurückweisenden Bescheid vom 15. November 2006 ausgeht, die Vertragsbedingungen nicht angemessen und unüblich sind und mithin einem Fremdvergleich nicht standhalten.

Der - rechtlich nicht anzuerkennende - Arbeitsvertrag vermag daher einen Anspruch auf Unterhaltssicherung nicht zu begründen. Daher war der - bestandskräftige - Bescheid des Landratsamts O. vom 4. Dezember 2003, der die Höhe der Verdienstausfallentschädigung, beruhend auf den Angaben des Klägers, auf der Grundlage eines Verdienstausfalls i.H.v. 3.495,43 EUR netto festsetzte, rechtswidrig und somit tauglicher Gegenstand einer Rücknahme im Sinne des § 48 LVwVfG.

Da es sich bei dem Bescheid vom 4. Dezember 2003 um einen begünstigenden Verwaltungsakt i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 2 LVwVfG handelt, durfte er nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 LVwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 LVwVfG sind vorliegend erfüllt. Denn auch wenn der Kläger auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut haben sollte, so ist sein Vertrauen nicht schutzwürdig. Nach § 48 Abs. 2 S. 3 LVwVfG kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nämlich unter anderem dann nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Nr. 2). Vorliegend waren Grundlagen des Bescheides vom 4. Dezember 2003 die in der dem Antrag auf Unterhaltssicherung beigefügten Arbeitgeberbescheinigung enthaltenen Angaben zum entfallenden Arbeitsentgelt, nämlich ein Verdienstausfall i.H.v. 7.500 EUR brutto pro Monat. Diese Angaben waren, nachdem dem Arbeitsvertrag die rechtliche Anerkennung zu versagen ist, in wesentlicher Beziehung rechtswidrig.

Die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes steht im Ermessen der Behörde. Gelangt die Behörde jedoch nach § 48 Abs. 2 S. 3 LVwVfG zu dem Ergebnis, dass das Vertrauen des Betroffenen nicht schutzwürdig ist, wird sie im Regelfall ihr Ermessen dahingehend auszuüben haben, dass der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (sog. intendiertes Ermessen); die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung schreiben im Regelfall die Rücknahme von Geldleistungsbescheiden als nicht weiter begründungsbedürftige Konsequenz vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, BVerwGE 105, 55; Nds. OVG, Urt. v. 20.8.2002 - 11 LB 19/02 - in juris; OVG RP, Urt. v. 6.6.2002 - 8 A 10236/02 - in juris; Kopp/Schenke, VwVfG, § 48 Rn. 127; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39 Rn. 35; jew. m.w.N.). In Fällen dieser Art bedarf es einer Darlegung der Ermessenserwägungen nur bei Vorliegen atypischer Gegebenheiten (BVerwG, Urt. v. 16.6.1997 - 3 C 22/96 -, BVerwGE 105, 55; Thür. OVG, Urt. v. 18.2.1999 - 2 KO 61/96 -). Vor diesem Hintergrund sind die im Widerspruchsbescheid dargelegten Ermessenserwägungen - unter dem Aspekt der Gleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte, der Berechenbarkeit des Verwaltungshandelns und der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei die Rücknahme eine richtige Entscheidung; die Behörde sei darauf angewiesen, dass bei der Geltendmachung von Ansprüchen auf öffentliche Mittel zutreffende Angaben gemacht würden; es seien keine Umstände dafür ersichtlich, dass die Rückforderung den Kläger in existenzielle Nöte brächte - rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere war das Landratsamt nicht verpflichtet, von sich aus Ermittlungen dazu anzustellen, in welcher Höhe eine Entlohnung des Klägers gegebenenfalls noch anzuerkennen gewesen wäre, bzw. welchen Lohn der Kläger tatsächlich bezog. Vielmehr genügte in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass die Arbeitgeberbescheinigung, die Grundlage der Berechnung der Verdienstausfallentschädigung war, nicht den Realitäten entsprach, und zu einer ihm nicht zustehenden Zahlung von Verdienstausfallentschädigung führte.

Schließlich wurde die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG eingehalten.

Nach alldem ist der angegriffene Aufhebungsbescheid des Landratsamts O. vom 15. Dezember 2004 sowie der diesen bestätigende Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 25. August 2005 rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Anlass, die Berufung zuzulassen, bestand nicht.