AG Besigheim, Urteil vom 07.10.2004 - 1 F 754/04
Fundstelle
openJur 2021, 30514
  • Rkr:
Tenor

1. Die am 26.12.2001 vor dem Standesamt S-A geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.

2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Gegenstandswerte:

Scheidung: 2.000,– Euro

Tatbestand

Der am 25.07.1978 geborene Antragsteller und die am 09.12.1980 geborene Antragsgegnerin haben am 26.12.2001 die Ehe geschlossen.

Beide Parteien besitzen die türkische Staatsangehörigkeit. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt befand sich im Bezirk des Amtsgerichts Besigheim. Am Amtsgericht Besigheim war bereits unter dem Aktenzeichen 1 F 835/03 ein Scheidungsverfahren zwischen den Parteien anhängig. Der damalige Scheidungsantrages des Antragstellers wurde am 28.10.2003 zurückgewiesen. In einem weiteren Verfahren, gerichtet auf die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft (1 F 1483/03) wurde die Antragsgegnerin am 5.2.2004 verurteilt, in die Ehewohnung binnen zwei Monaten nach Rechtskraft zurückzukehren.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Scheidung der Ehe. Zur Begründung trägt er vor, es liege ein Scheidungsgrund gem. Art. 164 des türkischen ZGB vor. Nachdem die Antragsgegnerin ihn im Juli 2003 verlassen und alsbald Trennungsunterhaltsansprüche geltend gemacht habe, sei sie nicht mehr bereit gewesen, zu ihm zurückzukehren. Auch nach der gerichtlichen Aufforderung durch Urteil des Amtsgerichts Besigheim vom 5.2.2004 sei sie nicht zu ihm zurückgekehrt. Zwar hätten am 2. und 20. September 2004 zwei Treffen stattgefunden. Auch diese hätten jedoch nicht zur Rückkehr der Antragsgegnerin geführt.

Der Antragsteller beantragt deshalb,

die Ehe zu scheiden.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Scheidungsantrag abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, daß ihrer Ansicht nach die Scheidungsvoraussetzungen nach Art. 164 des türkischen ZGB nicht vorliegen. Sie habe den Antragsteller nicht deshalb verlassen, um ihren ehelichen Pflichten nicht mehr nachzukommen, sondern deshalb, weil während des Zusammenlebens der Einfluss der Eltern des Antragstellers sehr groß gewesen sei und es dadurch zu Problemen gekommen sei. Sie sei daher gem. Art. 196 ZGB zum Getrenntleben berechtigt. Außerdem habe sie dem Antragsteller bereits mehrfach gesagt, dass sie sofort zu ihm zurückkommen würde, wenn er eine andere Wohnung in einer gewissen Mindestentfernung von seiner Familie suchen würde. Berechtigt zum Getrenntleben sei sie auch deshalb, weil der Antragsteller im Rahmen des vorangegangenen Scheidungsverfahrens geäußert habe, dass er die Ehe mit ihr nicht fortsetzen wolle. Letztlich sei die gerichtliche Aufforderung des Antragstellers zu Rückkehr in die Ehewohnung nicht aufrichtig gewesen. Dies habe der türkischen Kassationshof für den Fall entschieden, dass, wie hier, zwischen Rechtskraft der Abweisung des Scheidungsantrages und der Forderung auf Rückkehr in die Ehewohnung keine Frist von zwei Monaten liegt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.8.2004 verwiesen.

Gründe

Das Scheidungsbegehren des Antragstellers ist begründet. Nach Art. 17, 14 EGBGB findet türkisches Scheidungsrecht Anwendung, weil beide Parteien die türkische Staatsangehörigkeit besitzen. Nach Art. 164 des türkischen ZGB kann ein Ehegatte auf Scheidung klagen, wenn ihn der andere entweder zu dem Zweck verlassen hat, die ehelichen Pflichten nicht zu erfüllen, oder ohne wichtigen Grund nicht in die gemeinsame Wohnung zurückkehrt. Weitere Voraussetzung ist eine durch das Gericht erfolgte Aufforderung des anderen Ehegatten zur Rückkehr in die Wohnung. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Es kann dahingestellt bleiben, die Antragsgegnerin den Antragsteller verlassen hat, um die aus der ehelichen Gemeinschaft entstehenden Pflichten nicht zu erfüllen. Jedenfalls kehrt sie ohne wichtigen Grund nicht in die Wohnung zurück. Das Gericht geht davon aus, dass die Antragsgegnerin nicht ernsthaft beabsichtigt, weiter mit dem Antragsteller zusammenzuleben. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass sie zwischen der gerichtlichen Aufforderung zur Rückkehr und dem ersten Termin in der neuen Scheidungssache keinerlei Bemühungen unternommen hat, um mit dem Antragsteller Kontakt aufzunehmen.

Der Umstand, dass die Antragsgegnerin nur dann bereit ist, wieder mit dem Antragsteller in einer Ehewohnung zusammenzuleben, wenn diese einen gewissen Mindestabstand zu den Familienangehörigen des Antragstellers aufweist, ist verständlich, wird aber nicht als ausreichender wichtiger Grund im Sinne des Art. 164 ZGB angesehen. Nachdem der AntrSt. – nicht unbedingt vorwerfbar – offensichtlich nicht bereit ist, eine solche Wohnung anzumieten, könnte die Antragsgegnerin mit diesem Argument zumindest für eine dreijährige Dauer die Scheidung verhindern, ohne tatsächlich zum Antragsteller zurückkehren zu wollen.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb zum Getrenntleben berechtigt, weil der AntrSt. im ursprünglichen Scheidungsverfahren geäußert hatte, er wolle die Ehe mit ihr nicht fortsetzen. Der AntrSt. war damals sehr aufgebracht und hatte geäußert, dass er noch am Vortag versucht habe, die Antragsgegnerin zur Rückkehr zu bewegen. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass es sich damals nur um eine unbedachte Äußerungen gehandelt hat und der AntrSt. nach Abweisung des damaligen Scheidungsantrages ernsthaft daran interessiert war, die Ehe mit der Antragsgegnerin fortzusetzen.

Aus diesem Grund wird auch die gerichtliche Aufforderung zur Rückkehrt in die Ehewohnung seitens des Antragstellers entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht als unaufrichtig angesehen.

Gemäß Art. 17 Abs. 3 EGBGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, weil das türkische Recht diesen nicht kennt und ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht von keiner der Parteien gestellt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.

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