LG Tübingen, Beschluss vom 02.10.2003 - 5 T 326/02
Fundstelle
openJur 2021, 30329
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Eltern des betroffenen Kindes wird der Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 19. Nov. 2002 (6 GR 99/01) abgeändert:

Das Standesamt Tübingen wird angewiesen, als Nachnamen für das betroffene Kind ... entsprechend der Erklärung der Eltern einzutragen.

2. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu Ziffer 1 hat am 14. Nov. 2001 das genannte Kind in Tübingen geboren; die Geburt wurde vom Standesamt Tübingen beurkundet mit dem Anfügen, dass das Kind noch keinen Familiennamen führt.

Die Eltern des Kindes sind nicht verheiratet, die Mutter ist deutsche Staatsangehörige, der Vater (= Beteiligter zu Ziffer 2) hat die isländische Staatsangehörigkeit. Der Vater anerkannte am 23. Nov. 2001 beim Kreisjugendamt Tübingen die Vaterschaft, die Mutter stimmte dieser Erklärung am gleichen Tag zu. Beide Eltern erklärten an diesem Tag nach § 1626 a BGB, dass sie die elterliche Sorge gemeinsam übernehmen wollen. Sodann erklärten die Eltern beim Standesamt Tübingen am 26. Nov. 2001, sie bestimmten nach §§ 1617 Abs. 1, 1617 b BGB den Familiennamen des Vaters zum Geburtsnamen des Kindes.

Der Vater des Kindes hat nach isländischem Namensrecht einen "Vatersnamen" als Nachnamen, der aber in jeder Generation neu gebildet wird durch den Vornamen des Vaters unter Hinzufügung des Namensteils ... wenn es sich – wie hier – um ein männliches Kind handelt. Das Standesamt Tübingen ist der Auffassung, dieser Name könne dem Kind ... nicht als Familienname nach deutschem Recht beigelegt werden, da der isländische Nachnamen (=Vatersnamen) keinen Familiennamen im deutschen Sinn darstelle. Es verweist insoweit auf den Beschluss des Amtsgerichts München vom 12. Mai 1992 (StAZ 1992, 313), in dem für einen vergleichbaren Fall entschieden wurde, dass der nach isländischem Namensrecht auf die genannte Art gebildete Nachname kein Familienname im Sinne des deutschen Rechts ist und – insbesondere weil er die Generationenfolge nicht überdauert – nicht im Geburtenbuch als Familienname eingetragen werden kann. Das Standesamt Tübingen hat deshalb über seine Aufsichtsbehörde (Beteiligter zu Ziffer 3) die Sache dem Amtsgericht Tübingen nach § 45 Abs. 2 PStG vorgelegt. Durch den angefochtenen Beschluss wurde festgestellt, dass das Kind den Familiennamen der Mutter trägt und der Nachname des Vaters nicht als Familienname eingetragen werden kann, da es sich hierbei nicht um einen Familiennamen im Sinne des deutschen Rechts handle.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde verfolgen die Eltern ihr Anliegen, ihrem gemeinsamen Kind den Nachnamen des Vaters als Familiennamen beizulegen, weiter. Sie begründen ihr Rechtsmittel – neben verfassungsrechtlichen Überlegungen und dem Hinweis auf einen durch die Veröffentlichung des gewünschten Namens in den standesamtlichen Mitteilungen der örtlichen Presse geschaffenen Vertrauenstatbestandes – vor allem damit, dass bei der Auslegung der §§ 1617 ff BGB die vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung über die Angleichung ausländischer Rechte in Fällen der Bildung des Ehenamens nach § 1355 BGB, in denen das ausländische Recht keinen Familiennamen kennt, entsprechend anzuwenden sei und deshalb der isländische Nachname des Beteiligten zu Ziffer 2 als "Familienname" zu behandeln sei. Das Standesamt und seine Aufsichtsbehörde weisen darauf hin, dass es sich bei der genannten Veröffentlichung nicht um eine amtliche Bekanntmachung handelt, weshalb sie einen Vertrauenstatbestand ablehnen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie die nähere Begründung der angefochtenen Entscheidung wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den angefochtenen Beschluss verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Eltern des genannten Kindes ist nach § 49 Abs. 1 Satz 2 PStG zulässig und erweist sich auch als begründet.

1. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob – wie die Beschwerdeführer meinen – bereits die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 1617 BGB n.F. und der Wortlaut des § 1355 Abs. 2 BGB dazu führen kann, dass auch ein Name eines Elternteils, der keinen Familiennamen darstellt, zum Geburtsnamen des Kindes bestimmt werden kann. Der Kammer erscheint dies vor allem deshalb zweifelhaft, weil jedenfalls die Verwendung des Begriffs Familienname bei der Legaldefinition des Ehenamens in § 1355 Abs. 1 BGB, auf den in §§ 1617 ff BGB durch die Anknüpfung an den "Ehenamen" jeweils Bezug genommen wird, gegen diese Auslegung spricht.

2. Für die Kammer ist entscheidend, dass die in der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Bildung des Ehenamens allgemein anerkannten Grundsätze zur Angleichung des ausländischen Namensrechts an die Vorschriften des deutschen Rechts, insbes. wenn das ausländische Recht die deutsche Differenzierung zwischen Vor- und Familiennamen nicht kennt, auch im vorliegenden Fall anzuwenden sind. Die Kammer kann keine Gesichtspunkte dafür erkennen, dass diese für § 1355 BGB allgemein anerkannte Angleichung (vgl. z. B. BayObLG in StAZ 1996, 41 zum srilankischen Recht, OLG Köln in StAZ 1988, 296 und LG Frankfurt/Main im Beschluss vom 7.3.2002 (20 W 522/01) je zum pakistanischen Recht, BayObLG in StAZ 1999, 72 zum indischen Recht) bei der hier zu treffenden Entscheidung für den Namen eines Kindes nach §§ 1617 ff BGB nicht in gleicher Weise vorgenommen werden sollte. Deshalb können die Beteiligten zu Ziffer 1 und 2 ihrem Kind den nach isländischem Recht die Funktion des Familiennamens (zumindest weitgehend) erfüllende "Vatersnamen" des Beteiligten zu Ziffer 2 als Familienname im vorliegenden Fall beilegen. Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH in StAZ 1999, 206) auf Grund der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dem Familiennamen nach deutschem Recht die "generationenübergreifende" Funktion wohl kaum mehr zuzuerkennen ist, weshalb der Mangel dieser Funktion bei den nach isländischem Recht gebildeten Vatersnamen auf keinen Fall mehr der vorgenommenen Angleichung entgegenstehen kann. Der vom Standesamt zitierte Beschluss des Amtsgerichts München ist im Hinblick hierauf als überholt anzusehen.

3. Das Standesamt ist deshalb entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführer anzuweisen ohne dass über die streitige Frage der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes durch die Veröffentlichung des gewünschten Namens zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 KostO und § 13 a FGG.

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