LG Tübingen, Urteil vom 18.12.2002 - 6 O 125/02
Fundstelle
openJur 2021, 30011
  • Rkr:

Wegen eines nicht vollständig bezahlten Grundstückskaufpreises steht dem Verkäufer kein Zurückbehaltungsrecht gegen einen Anspruch des Käufers gemäß § 894 BGB auf Zustimmung zur Löschung einer vom Verkäufer nach der Eintragung der Vormerkung bestellten Eigentümergrundschuld zu.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von N zu Lasten des Grundstückes x-straße, N (Grundbuch von N in Blatt ... V BV Nr. .., Flurstück ....) in Abteilung III Nr. .. am 27. Dezember 2001 eingetragenen Eigentümer-Grundschuld über 250.000,00 DM nebst 15 % Jahreszinsen seit 27. Dezember 2001 sowie einer einmaligen Nebenleistung von 5 % des Grundschuldbetrages zu erteilen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 165.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 127.822,97 EUR.

Tatbestand

Die Klägerin macht mit dieser Klage einen Grundbuchberichtigungsanspruch gem. § 894 BGB geltend.

Die Beklagte ist eine Bauunternehmung, die sich mit der Errichtung u.a. von Einfamilienhäusern befasst. Die Beklagte war ursprünglich Eigentümerin des im Tenor genannten Grundstücks in N.

Die Klägerin und ihr Ehemann haben von der Beklagten mit notariellem Kaufvertrag vom 23. Juni 1998 das Grundstück einschließlich eines darauf zu erstellenden Einfamilienhauses zum Gesamtpreis von 830.000,00 DM erworben. Zugunsten der Erwerber wurde am 28. Juli 1998 aufgrund einer Bewilligung vom 23. Juni 1998 eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums ins Grundbuch eingetragen.

In der Folgezeit wurde das Gebäude errichtet und von den Eheleuten B bezogen.

Am 17. Dezember 2001 bestellte die Beklagte vor Notar A in S zu Lasten des Grundstücks eine Eigentümergrundschuld in Höhe von 250.000,00 DM nebst 15 % Jahreszinsen von diesem Tag an sowie einer einmaligen Nebenleistung von 5 % des Grundschuldbetrages, wobei zugleich die Fälligkeit der Grundschuld und Nebenleistungen vermerkt wurde. Weiter wurde beurkundet, dass wegen aller Ansprüche aus der Grundschuld der jeweilige Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen sein sollte. Die Grundschuldbestellungsurkunde trägt die Nummer 2001/3700.

Die Eigentümergrundschuld wurde am 27. Dezember 2001 als laufende Nummer 4 in Abteilung III des Grundbuchs eingetragen.

Ebenfalls am 17. Dezember 2001 wurde vor demselben Notar (Notar A, S) durch die Beklagte, nunmehr unter Urkundenrolle-Nr. 2001/3701 die Auflassung zugunsten der Eheleute B erklärt und beurkundet. Diese Auflassung wurde im Grundbuch am 28. Dezember 2001 eingetragen.

Zu einem späteren Zeitpunkt ließ der Ehemann der Klägerin seine Hälfte am Grundstück zugunsten der Klägerin auf; diese ist seit 10. Januar 2002 als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte gem. § 894 BGB verpflichtet ist, die Zustimmung zur Löschung dieser Grundschuld zu erteilen.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

Die Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von N zu Lasten des Grundstückes ...straße ..., N (Grundbuch von N in Blatt .... BV Nr. 1, Flurstück ......... ) in Abteilung III Nr. 4 am 27. Dezember 2001 eingetragenen Eigentümer-Grundschuld über 250.000,00 DM nebst 15 % Jahreszinsen seit 27. Dezember 2001 sowie einer einmaligen Nebenleistung von 5 % des Grundschuldbetrages zu erteilen.

Die Beklagte beantragt

Klagabweisung, darüber hinaus die Ermöglichung von Sicherheitsleistung.

Die Beklagte trägt vor, dass die Eheleute B auf den Kaufpreis bisher lediglich 638.270,00 DM geleistet hätten, weshalb der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des Grundbuchberichtigungsanspruchs zustehen würde.

Die Auflassung sei aus "Imagegründen" in Kenntnis einer offenen Restschuld erklärt worden, da der Name der Klägerin nicht im Zusammenhang mit einem das Grundstück betreffenden Zwangsversteigerungsverfahrens publik werden sollte.

Die Klägerin trägt hierzu vor, dass ein weiterer Kaufpreiszahlungsanspruch der Beklagten nicht bestehen würde, da einerseits das Gebäude mit Mängeln behaftet wäre, die sich auf 163.000,00 DM belaufen würden, andererseits ein Provisionsguthaben des Ehemanns der Klägerin gegenüber der Beklagten in Höhe von 180.000,00 DM auf den Kaufpreis anzurechnen gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, den Grundbuchauszug und die Darlegungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2002 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Zum Zeitpunkt der Eintragung der streitgegenständlichen Eigentümergrundschuld war zugunsten der Klägerin eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Gegenüber der damals mit einer Auflassungsvormerkung geschützten und nunmehr auch als Eigentümerin eingetragenen Klägerin konnte die Eigentümergrundschuld somit keine belastende Wirkung entfalten. Nachdem die Klägerin zwischenzeitlich Alleineigentümerin des Grundstücks infolge der Auflassungserklärung durch die Beklagte geworden ist, steht ihr jetzt gemäß § 894 BGB ein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung dieser vormerkungswidrigen Eigentümergrundschuld gegenüber der Beklagten zu. Das Grundbuch ist insoweit zwischenzeitlich unrichtig geworden, die Klägerin ist durch die gegenwärtige Eintragung der tatsächlich nicht bestehenden Belastung durch die Eigentümergrundschuld beeinträchtigt.

Der Beklagten steht wegen eines möglicherweise nicht vollständig bezahlten Kaufpreises kein Zurückbehaltungsrecht gegen diesen Anspruch zu. Die Voraussetzungen von § 273 Abs. 1 BGB sind nicht gegeben. Es fehlt an einem Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen dem Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der Eigentümergrundschuld und dem möglichen Anspruch auf Zahlung eines restlichen Kaufpreises. Beide Ansprüche beruhen weder auf einem einheitlichen rechtlichen Verhältnis noch auf einem einheitlichen Lebensverhältnis.

Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag sieht in § 7 eine Auflassung des Grundstücks nach vollständiger Kaufpreiszahlung vor. Dieser Vertragsinhalt deckt sich mit den gesetzgeberischen Vorgaben zur Abwicklung derartiger Kaufverträge: Zur Sicherung der Ansprüche des Käufers stellt das bürgerliche Gesetzbuch das Institut der Auflassungsvormerkung zur Verfügung, zur Sicherung der Ansprüche des Verkäufers auf vollständige Zahlung des Kaufpreises die Möglichkeit, die Auflassung erst nach vollständiger Bezahlung zu erklären. Insoweit enthält der Kaufvertrag eine die Interessen beider Parteien berücksichtigende Regelung, die sich mit den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches deckt.

Aus diesem Vertrags- und Lebensverhältnis resultieren jedoch nicht Ansprüche der Klägerin wie der streitgegenständliche Anspruch, der letztlich dadurch entstanden ist, dass die Beklagte in Kenntnis des Kaufvertrags und des geltenden Rechts aus freien Stücken von den dort vorgesehenen Möglichkeiten, nämlich der Auflassungserklärung erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung, abgewichen ist und in Kenntnis der Vormerkungswidrigkeit eine Eigentümergrundschuld bestellen ließ. Die Beklagte hat damit die vom Vertragsverhältnis vorgesehenen gegenseitigen Sicherungsmöglichkeiten aus freien Stücken aus der Hand gegeben, wobei unerheblich ist, ob sie dies tatsächlich aus "Imagegründen" getan hat, weil sie möglicherweise ihren Namen nicht in ein Zwangsvollstreckungsverfahren involviert sehen wollte. Die von der Beklagten so vertrags- und vormerkungswidrig geschaffene "Sicherheit" in Form der Eigentümergrundschuld rückt nicht in den Konnexitätsbereich hinein, der durch den Kaufvertrag zwischen den Parteien gebildet wurde.

Wer selbst bewusst vormerkungswidrig zum Nachteil des Vormerkungsbegünstigten und in Abweichung vom zugrunde liegenden Vertragsverhältnis sich eine Grundsicherheit zum Nachteil des Vormerkungsberechtigten verschafft, kann sich später nicht darauf berufen, dass diese eigenmächtig geschaffene Position nunmehr in das Gegenseitigkeitsverhältnis aufgrund des Kaufvertrages Einzug hält.

Nachdem bereits grundsätzlich ein Gegenseitigkeitsverhältnis nicht gegeben war, kam es auf die Frage, ob tatsächlich noch restliche Kaufpreisansprüche bestehen, ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob das Gebäude mit Mängeln behaftet ist oder Teile des Kaufpreises durch eine Verrechnung mit etwaigen Provisionsguthaben bezahlt worden sind.

Das Zurückgreifen der Klägerin auf den Grundbuchberichtigungsanspruch verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Die Klägerin handelt vielmehr entsprechend dem zugrunde liegenden Kaufvertrag und den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuchs. Allein die Beklagte war es, die ihr vertraglich und gesetzlich vorgesehenes Sicherungsrecht, nämlich die Erklärung der Auflassung erst nach vollständiger Bezahlung, aus freien Stücken aus der Hand gegeben hat. Die Beklagte hat sich hierdurch letztlich auf die ungesicherte Geltendmachung etwaiger weiterer Zahlungsansprüche selbst beschränkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Die Voraussetzungen von § 712 ZPO waren nicht gegeben, da eine vorläufige Vollstreckung durch die Klägerin nach Erbringung einer entsprechenden Sicherheitsleistung der Beklagten keinerlei unersetzbare Nachteile erbringen kann. Die möglichen Nachteile bestehen theoretisch allein darin, dass die Beklagte eine Grundsicherheit verliert; dieser mögliche Nachteil wird durch die Sicherheitsleistung in vollem Umfang abgesichert.

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